Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 635 - Regina Rauenstein - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 635 E-Book

Regina Rauenstein

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Beschreibung

Auch wenn sich Dr. Arne Hillebrand äußerlich nichts von seiner Erregung anmerken lässt - innerlich ist er zutiefst aufgewühlt. Gleich wird er Beatrix wiedersehen, die Frau, die er schon seit ihrer gemeinsamen Kinderzeit liebt und nie vergessen hat. Viele Jahre hat er sie nicht mehr getroffen, und heute ist sie die Frau eines anderen.
Baron von Corda führt den Arzt selbst zu seiner Frau, die mit hohem Fieber im Bett liegt. Doch als Arne zu ihr tritt und sie erwartungsvoll anschaut, reagiert sie nicht. Ihre schönen blauen Augen blicken ausdruckslos an ihm vorbei. Sie sind tot, nehmen nichts mehr wahr.
Mit kaltem Erschrecken erkennt Dr. Hillebrand die furchtbare Wahrheit: Beatrix ist blind!


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Inhalt

Cover

Seine blinde Jugendliebe

Vorschau

Impressum

Seine blinde Jugendliebe

Ein dramatisch-ergreifender Schicksalsroman

Auch wenn sich Dr. Arne Hillebrand äußerlich nichts von seiner Erregung anmerken lässt – innerlich ist er zutiefst aufgewühlt. Gleich wird er Beatrix wiedersehen, die Frau, die er schon seit ihrer gemeinsamen Kinderzeit liebt und nie vergessen hat. Viele Jahre hat er sie nicht mehr getroffen, und heute ist sie die Frau eines anderen.

Baron von Corda führt den Arzt selbst zu seiner Frau, die mit hohem Fieber im Bett liegt. Doch als Arne zu ihr tritt und sie erwartungsvoll anschaut, reagiert sie nicht. Ihre schönen blauen Augen blicken ausdruckslos an ihm vorbei. Sie sind tot, nehmen nichts mehr wahr.

Mit kaltem Erschrecken erkennt Dr. Hillebrand die furchtbare Wahrheit: Beatrix ist blind!

»Dr. Hillebrand und Dr. Hauser, bitte sofort zur Unfallstation.«

Hastig zog Dr. Arne Hillebrand seinen weißen Kittel über, während sein Freund Bernd unwillig vor sich hin murrte.

»Auch das noch! Natürlich ausgerechnet jetzt, wo wir Feierabend haben. Hätten wir uns nicht so lange verquatscht, wären wir längst über alle Berge gewesen.«

Arne sagte nichts. Er wusste, der Freund meinte es nicht so. Im Grunde genommen war er ein viel zu gewissenhafter Arzt, um sich vor der Verantwortung zu drücken.

Oberschwester Magda kam ihnen aufgeregt entgegen.

»Ein schwerer Unfall. Zwei Personen, die mit dem Wagen verunglückt sind! Für den jungen Mann besteht kaum noch Hoffnung. Das Mädchen muss sofort operiert werden. Aber der Oberarzt ist nicht im Haus, und der Chef hat schon vor Stunden das Haus verlassen«, jammerte die Schwester.

Arne zog die Augenbrauen zusammen.

»Rufen Sie sofort den Professor an, Schwester Magda. Ich werde mich unterdessen um die Verunglückte kümmern.«

Er bedeutete Bernd, ihm zu folgen, und Minuten später betraten die beiden den Operationssaal, in dem die Verunglückte lag.

Es war noch ein blutjunges Mädchen, das kaum siebzehn Jahre alt sein mochte. Mit einem einzigen Blick erkannte der Arzt, dass hier keine Zeit zu verlieren war.

Wenn nur der Chef aufzutreiben ist, betete er innerlich. Wie eine dumpfe Last legte sich das Gefühl der Verantwortung auf seine Seele und machte ihm das Atmen schwer.

Als Schwester Magda aufgeregt hereinkam und sagte, dass der Chef sich nicht meldete, da wusste Dr. Arne Hillebrand, dass er vor der schwersten Entscheidung seines Lebens stand.

»Du wirst es schaffen«, hörte er neben sich den Freund beschwörend sagen. »Nur Mut, alter Junge!«

Stunden vergingen. Immer wieder musste die Schwester dem jungen Arzt den Schweiß von der Stirn wischen. Ruhig und sachlich kamen seine Befehle, und seine Ruhe übertrug sich auf das gesamte Team, das zuerst voller banger Zweifel gewesen war, ob Dr. Hillebrand es auch schaffen würde.

Leise hatte sich die Tür geöffnet. Lautlos war der Professor näher getreten. Ihn hatte erst kurz zuvor die Nachricht erreicht, und er war sofort hergekommen. Arne hob den Kopf und sah für den Bruchteil einer Sekunde in die ernsten Augen seines Chefs, dann arbeitete er ruhig weiter. Mit aufmerksamem Blick beobachtete der Professor jeden Handgriff. Manchmal nickte er anerkennend. Aber er sagte kein Wort.

Endlich war alles vorbei, und alle atmeten erlöst auf.

Nun schien es, als ob den jungen Arzt alle Kraft verließ. Er taumelte etwas, als er sich aufrichtete und die Handschuhe auszog. Eine Schwester trat hinter ihn und löste die Maske.

Sein Gesicht war schweißüberströmt, und jeder Tropfen Blut war daraus gewichen. Er stand reglos und sah zu, wie man die Bewusstlose behutsam hinausfuhr.

Erst als sich eine schwere Hand auf seine Schulter legte, zuckte er wie erwachend zusammen.

Schwerfällig wandte er sich um und sah den hinter ihm stehenden Mann mit einem aufgewühlten Blick an.

»Ich musste es doch versuchen, Chef, ich konnte sie doch nicht sterben lassen.« Seine Worte klangen wie eine Entschuldigung.

Über das ernste Gesicht des Professors glitt ein anerkennendes Lächeln.

»Gut gemacht, Dr. Hillebrand. Aber wo ist der Oberarzt? Er hätte doch hier an Ihrer Stelle sein müssen.«

Arne war viel zu erschöpft, um darauf eine Antwort geben zu können. Angst, ob er auch alles richtig gemacht hatte, marterte ihn.

Der Professor schien zu ahnen, was mit ihm los war.

»Sie haben getan, was menschenmöglich war, Hillebrand. Das andere liegt jetzt in Gottes Hand. Er trifft die letzte Entscheidung, und wir müssen uns ihm fügen, denn wir sind nur sein Werkzeug. – So, und nun fahren Sie nach Hause. Sie haben mehr als Ihre Pflicht getan, indem Sie Ihre Freizeit für einen pflichtvergessenen Kollegen geopfert haben.«

Bittend sah Arne seinen Chef an.

»Ich möchte noch nicht gehen. Ich möchte dabei sein, wenn sie aufwacht. Ich würde eher doch keine Ruhe finden.«

Der Professor zuckte mit den Schultern.

»Es ist Ihre Entscheidung, Dr. Hillebrand. Aber das entbindet Sie nicht von Ihrem Tagesdienst, darüber müssen Sie sich im Klaren sein.«

Arne war aufgestanden und nickte.

»Das habe ich auch nicht erwartet, Chef. Aber ich möchte dabei sein, falls unerwartete Komplikationen eintreten. Ich fühle mich für die Patientin verantwortlich.«

Ein nachdenklicher Blick traf das erschöpfte Gesicht des jungen Arztes. Dann nickte der Professor verständnisvoll.

»Es ist Ihre Sache, wie Sie Ihre Freistunden verbringen. Nur bitte ich mir aus, dass Sie morgen voll und ganz wieder auf dem Posten sind.«

Arne bedankte sich und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer. Professor von Bergen aber war nicht so ruhig und gelassen, wie er sich gegeben hatte. Zorn und Empörung tobten in ihm. Es war nicht das erste Mal, dass der Oberarzt seinen Unwillen erregte, weil er es mit seiner Pflicht nicht so genau nahm. Aber was er sich heute geleistet hatte, das brachte das Fass zum Überlaufen.

Wenn nicht zufällig Dr. Hillebrand noch im Haus gewesen wäre, dann wäre das junge Mädchen verloren gewesen. Nur der Mut zum Risiko, den Dr. Hillebrand im entscheidenden Augenblick gezeigt hatte, hatte die Verunglückte gerettet oder ihr wenigstens eine Chance zum Überleben gegeben.

Ja, dieser Mann war mit Leib und Seele Arzt, und der Professor hätte sich keinen besseren Nachfolger wünschen können. Aber Arne hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Landpraxis seines Vaters in der Heide zu übernehmen. Eine wahre Schande war es, dass ein solcher Arzt auf dem Land versauern sollte. Hier in der Klinik stände er auf dem richtigen Platz!

Mit unruhigen Schritten lief der Professor in seinem Zimmer auf und ab. Schwester Magda meldete ihm schüchtern, dass der Oberarzt soeben eingetroffen sei. Mit vor Zorn bebender Stimme befahl der Professor ihn sofort zu sich.

Wie ein begossener Pudel stand der sonst so selbstbewusste, arrogante Mann vor seinem Chef, der nicht mit seiner Verachtung und seinem Zorn hinter dem Berg hielt. Mehrmals versuchte er, den zornigen Redeschwall zu unterbrechen, aber der Professor gab ihm keine Gelegenheit, auch nur irgendeine Entschuldigung vorzubringen.

Wütend ballte der Oberarzt die Hände zu Fäusten. Es wurmte ihn, dass er sich abkanzeln lassen musste wie ein dummer Junge. Aber noch mehr wurmte es ihn, dass der Professor ausgerechnet diesen Hillebrand, der ihm schon lange ein Dorn im Auge war, so lobend hervorhob. Jeder im Hause wusste, dass der Professor einen Narren an diesem jungen Arzt gefressen hatte. Er lobte sein Pflichtbewusstsein und seine Art, immer für die Kranken da zu sein.

Ja, das war ein Arzt nach dem Herzen des Chefs. Aber in seinen Augen war dieser Hillebrand nichts weiter als ein ehrgeiziger Streber, der keine Gelegenheit verstreichen ließ, um bei seinem Chef lieb Kind zu machen.

»Unter diesen Umständen ist eine weitere Zusammenarbeit zwischen uns unmöglich, Dr. Schneider. Ich muss mich auf meine Mitarbeiter verlassen können.«

Obwohl er es erwartet hatte, zuckte der Oberarzt doch wie unter einem Schlag zusammen. Gefährlich glühte es in seinen Augen auf.

»Heißt das, dass ich entlassen bin, Chef?« Seine Stimme klang heiser.

»Was haben Sie erwartet? Ihre Pflichtvergessenheit hat heute einen jungen Menschen fast das Leben gekostet. Sie hatten die volle Verantwortung und durften das Haus nicht verlassen. Sie haben mein Vertrauen schändlich missbraucht. Vielleicht würde ich noch mit mir reden lassen, wenn ich nicht schon wiederholt Grund zur Klage gehabt hätte. Ich fürchte, Sie haben zu viele andere Dinge im Kopf. Schade, Sie hatten wirklich das Zeug zu einem guten Arzt, Dr. Schneider.«

Der Oberarzt schien einen Moment mit sich zu ringen.

»Vielleicht urteilen Sie etwas milder, Chef, wenn ich Ihnen sage, warum ich das Haus verlassen habe?«

Abwehrend hob der Professor die Hand.

»Es kann keinen Grund geben, der Ihre Pflichtverletzung entschuldigen würde.«

»Auch nicht, wenn ...« Der Oberarzt zögerte einen Moment. »Wenn der Grund Ihre Tochter war?«

Unmerklich zuckte der Professor zusammen. Seine Augen weiteten sich verständnislos und sahen den anderen an, als glaubte er, sich verhört zu haben.

»Meine Tochter?«, wiederholte er und schüttelte ungläubig den Kopf. »Was hat denn meine Tochter damit zu tun?«

Ein triumphierendes Lächeln erschien um den Mund des Jüngeren.

»Wir lieben uns, Herr Professor. Pia hat mich angerufen und wollte mich unbedingt sehen. Ich sagte ihr, dass ich im Dienst sei. Aber ...« Er machte eine kleine Pause und sah seinen Vorgesetzten mit einem sprechenden Blick an. »Sie kennen ja Pia und wissen, wie sie ist, wenn sie etwas will.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich wollte auch nur wenige Augenblicke bleiben. Wer konnte denn ahnen, dass ausgerechnet in dem Augenblick etwas geschieht?«

Wenn seine Worte den Professor getroffen hatten, so ließ der es sich mit keiner Miene anmerken.

»Gerade diese Augenblicke können entscheidend sein, Dr. Schneider, besonders in unserem Beruf, wie sich heute wieder einmal gezeigt hat«, sagte er mit beherrschter Stimme. »Das, was zwischen Ihnen und meiner Tochter ist, ändert nichts an meinem Entschluss. Und jetzt bitte ich Sie, mich allein zu lassen.« Als der Oberarzt noch wie abwartend stehen blieb, brüllte er ihn plötzlich an: »Raus, ich will Sie nicht mehr sehen!«

Fluchtartig verließ Dr. Schneider das Zimmer. Es war besser, dem Alten aus dem Weg zu gehen, wenn er in dieser Stimmung war. Aber wenn er sich erst einmal beruhigt hatte, würde er sich schon überlegen, ob er die Kündigung aufrecht erhielt.

Schließlich war seine Tochter an dem Vorfall nicht unschuldig. Und da der Oberarzt wusste, wie sehr der Professor sein einziges Kind vergötterte, war er fest davon überzeugt, dass er nichts unternehmen würde, was seinem Liebling schaden konnte.

Als er den Gang entlangschritt, kam Dr. Hillebrand ihm entgegen. Ruckartig blieb der Oberarzt stehen und sah den anderen mit einem hasserfüllten Blick an.

»Nun haben Sie es ja geschafft, Kollege, nun steht Ihrem Posten als Oberarzt nichts mehr im Wege«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.

»Ich verstehe Sie nicht, Herr Oberarzt«, gab Arne Hillebrand kühl zurück. »Ich lege keinen Wert darauf, Ihren Posten zu bekleiden. Ich habe nur meine Pflicht getan und versucht, ein Leben zu retten, da Sie nicht erreichbar waren.«

Höhnisch lachte der andere auf. Nun lag nichts mehr von dem Charme, der alle Frauen verzauberte, in seinem Gesicht. Eiskalt glitzerten die Augen.

»Es kam Ihnen gewiss sehr gelegen, dass ich außer Haus war. Sie konnten also mit beiden Händen die sich bietende Chance ergreifen und mich ins Unrecht setzen.«

»Ins Unrecht haben Sie sich selbst gesetzt, Herr Oberarzt, indem Sie Ihren Posten verlassen haben. Dass ich noch im Haus war, ist nur einem Zufall zu verdanken. Sie sollten froh sein, dass alles noch so glimpflich ausgegangen ist. Wäre das Mädchen nicht sofort operiert worden, so wäre es jetzt nicht mehr am Leben, und Sie würde man wegen Pflichtverletzung anklagen.«

Ohne noch eine Antwort abzuwarten, schritt Arne mit stolz erhobenem Kopf weiter. In ihm tobte ein unbändiger Zorn auf den anderen, der ihm Motive unterstellte, an die er keinen einzigen Augenblick auch nur gedacht hatte.

Er hatte den Oberarzt nie gemocht, aber er hatte ihm seinen Posten nie missgönnt, obgleich er sich manchmal heimlich gefragt hatte, ob er für diese verantwortungsvolle Position geeignet war. In seinen Augen nahm der Oberarzt seinen Beruf nicht ernst genug. Aber das war nicht seine Sache, das hatte allein der Chef zu verantworten.

Voll Hass sah der andere ihm nach. Dr. Schneider war weit davon entfernt, sich schuldig zu fühlen. Er schwor sich, diesem unausstehlichen Kerl, der ihm durch seinen Pflichteifer schon immer zuwider gewesen war, noch eins auszuwischen.

Aber er sollte nicht mehr dazu kommen, denn die Tatsache, dass Dr. Hillebrands Vater plötzlich erkrankte und der Arzt deswegen früher als vereinbart aus seinem Dienst ausschied, machte es Dr. Schneider unmöglich, seinen niederträchtigen Racheplan auszuführen.

Doch er schwor sich, dass der Tag noch kommen würde, der ihm Genugtuung verschaffen würde.

♥♥♥

Langsam steuerte Arne seinen Wagen durch die stille Heide, die ihr schönstes Blütenkleid angelegt hatte. Tief sog er die würzige Luft ein und spürte wieder einmal, wie sehr er das alles vermisst hatte und wie sehr er mit diesem Land hier verwurzelt war.

Eine Herde Heidschnucken tauchte zu seiner Linken auf. Zwei Hirtenhunde umkreisten die Herde und trieben die Tiere zurück, die ausbrechen wollten. Langsam und bedächtig kam der Schäfer näher.

Solange Arne sich erinnern konnte, tat dieser steinalte Mann unverdrossen seinen Dienst und zog mit den Heidschnucken durch das Land. Nur im Winter bezog er auf einem der Bauernhöfe sein Winterquartier, ohne sich jedoch von seinen Tieren zu trennen, die er bei jedem Sonnenstrahl hinaustrieb. Er schien ein Stück dieser Landschaft zu sein, knorrig und verwittert wie die uralten Eichen.

Arne brachte seinen Wagen zum Stehen, der bald von den Heidschnucken förmlich eingekreist war. Langsam kam nun der alte Schäfer näher und blieb neben dem Wagen stehen. Unter der breiten Hutkrempe blitzten jugendlich glänzende Augen den jungen Arzt an, dann überflog ein erkennendes Lächeln das vom Wind und Wetter gegerbte Gesicht.

Der Schäfer schob die lange Pfeife von einem Mundwinkel in den anderen.

»Bist für immer heimgekommen, Bub?«, fragte er bedächtig.

Er sagte noch immer Bub, obwohl aus dem Knaben, der sich oft stundenlang zu ihm gesellt hatte, ein stattlicher Mann geworden war.

»Ja, Vadder Hein, ich bin für immer heimgekommen. Nun soll mein Vater sich ausruhen, ich werde seine Arbeit übernehmen.«

Der alte Schäfer nickte gedankenvoll und stützte sich auf seinen Stab.

»Wirst es leichter haben als ein Fremder, Bub. Du bist ja einer von uns, und man kennt dich. Hast deinen Vater früher oft genug begleitet. Trotzdem wird man dir erst misstrauisch gegenüberstehen. Sie mögen hier nicht viel wissen von allem, was neu ist und fremd. Aber du wirst es schon schaffen, bist ja aus dem Holz deines Vaters geschnitzt, und der hat es auch immer verstanden, diese Querköpfe zurechtzubiegen.«

Leise lachte er bei seinen letzten Worten vor sich hin. Niemand kannte den alten Doktor so gut wie er. Sie waren in all den Jahren Freunde geworden.

Er richtete sich auf und rief seinen Hunden einen Befehl zu. Sie trieben die Schafe auseinander, damit der Weg wieder frei wurde.

»Wenn du mal meinen Rat brauchst, weißt ja, wo ich zu finden bin«, meinte er zum Abschied, und es lag eine herzliche Wärme in seiner rauen Stimme.

»Danke, Vadder Hein, ich werde daran denken«, versprach Arne, und der alte Schäfer nickte befriedigt vor sich hin.

Der Bub des Doktors hatte nichts von dem Hochmut eines Studierten an sich. Er würde seinen Weg hier schon machen, davon war Vadder Hein überzeugt. Und was er dazu beitragen konnte, um es ihm leichter zu machen, das würde er schon tun. Denn sie hielten in der Heide viel auf sein Wort.