Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 575 - Regina Rauenstein - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 575 E-Book

Regina Rauenstein

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Beschreibung

Graf von Ingelheim ertrug die Nähe seiner kleinen Tochter nicht und hasste sie beinahe. Zu sehr erinnerte ihn das Mädchen an seine treulose Gattin. Darum wuchs das Kind zunächst bei weitläufigen Verwandten auf und kam später in ein Internat.
Doch nun kehrt Manon nach vielen Jahren auf das Schloss zurück - berückend jung und das Ebenbild der Frau, die ihn so bitter betrogen hat. Ihr Anblick wühlt die alten Wunden auf, und der Graf erkennt, dass es ihm unmöglich ist, mit seiner Tochter unter einem Dach zu leben. Aus diesem Hass heraus beschließt er, Manon so schnell wie möglich verheiraten. Oder aber sie geht sie ins Kloster ...


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Inhalt

Cover

Um vor der Schmach zu fliehen ...

Vorschau

Impressum

Um vor der Schmach zu fliehen ...

In ihren Augen waren keine Tränen mehr

Graf von Ingelheim ertrug die Nähe seiner kleinen Tochter nicht und hasste sie beinahe. Zu sehr erinnerte ihn das Mädchen an seine treulose Gattin. Darum wuchs das Kind zunächst bei weitläufigen Verwandten auf und kam später in ein Internat.

Doch nun kehrt Manon nach vielen Jahren auf das Schloss zurück – berückend jung und das Ebenbild der Frau, die ihn so bitter betrogen hat. Ihr Anblick wühlt die alten Wunden auf, und der Graf erkennt, dass es ihm unmöglich ist, mit seiner Tochter unter einem Dach zu leben. Aus diesem Hass heraus beschließt er, Manon so schnell wie möglich verheiraten. Oder aber sie geht sie ins Kloster ...

Manon von Ingelheim war die einzige Tochter des für seinen ungeheuren Stolz überall bekannten Grafen von Ingelheim, von dem man sich heimlich zuraunte, dass er seine eigene Frau in den Schlossteich gestoßen habe, weil sie einen anderen Mann geliebt haben sollte. Wie viel davon wahr und wie viel nur Gemunkel war, wurde nie geklärt, aber es stand fest, dass zwischen ihm und seiner einzigen Tochter kein herzliches Verhältnis bestand und der Graf sein Kind nur widerwillig um sich duldete.

War es, weil Manon, je älter sie wurde, immer mehr der Mutter glich und der Graf an die Frau nicht erinnert werden wollte, die er einmal sehr geliebt hatte, die sich aber einem anderen Mann schenkte, weil sie ihn nicht lieben konnte und an seiner Härte zerbrach?

Er hatte das Kind jedenfalls schon sehr früh aus dem Hause gegeben. Es war bei weitläufigen Verwandten aufgewachsen und dann in ein Internat gekommen. Nur ab und zu war es auf das prachtvolle Schloss zu Besuch gekommen und hatte dem finsteren Vater mit großen, fremden Augen gegenübergestanden.

Seit Wochen nun weilte die junge Komtess auf Befehl des Vaters auf dem Schloss.

Nur sehr ungern war Manon diesem Befehl gefolgt, denn sie fürchtete sich vor dem harten, strengen Vater, der bisher noch nie ein freundliches Wort für sie gefunden hatte.

Mit abwesenden Augen hatte der Graf vor seiner Tochter gestanden, die er schon seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte, und sich dann fast fluchtartig abgewendet.

In seinem Zimmer hatte er eine ganze Weile reglos vor sich hin gestarrt.

War die Tote wiedergekommen? War es wirklich seine Tochter, die da vor ihm gestanden hatte?

Schwer atmend hatte er aus seinem Schrank ein Bild genommen. Große dunkle Augen sahen ihn übermütig an. Das zarte, fein geschnittene Gesicht zeigte wundervolle, anmutige Züge. Um den kleinen roten Mund schwebte ein Lächeln, zwei entzückende Grübchen zeigten sich in den runden Wangen. Lange dunkle Wimpern beschatteten den strahlenden Blick.

Schließlich hatte der Mann das Bild mit einem Seufzer auf seinen Platz zurückgelegt.

Inez! Als er sie aus dem sonnigen Süden in seine Heimat gebracht hatte, da hatte der sonst so harte, stolze Mann geglaubt, alles Glück der Welt gehöre nun ihm. Er, der bisher nie Liebe gekannt hatte, hatte die schwarzhaarige Frau geliebt und sie auf Händen getragen.

Eines Tages hatte er sie in den Armen eines anderen gefunden. Höhnisch hatte sie bekannt, dass sie ihn nie geliebt und ihr Herz immer dem anderen gehört habe. Außer sich vor Zorn und Schmerz hatte er die beiden niedergeschlagen. Der andere war geflohen und niemals zurückgekehrt. Inez aber wollte ohne den Mann nicht leben und ging in den Schlossteich. Erst nach Tagen hatte man sie gefunden.

Graf von Ingelheim wusste sehr wohl, was man munkelte, aber es kümmerte ihn nicht.

Und als nun seine Tochter vor ihm gestanden hatte, berückend jung, das Ebenbild der Frau, die ihn so bitter betrogen hatte, das waren die alten Wunden wieder aufgebrochen.

In diesem Augenblick hatte der Graf erkannt, dass es ihm unmöglich war, mit seiner Tochter unter einem Dach zu leben. Seine heiße Liebe hatte sich in einen glühenden, verzehrenden Hass verwandelt. Dieser Hass übertrug sich auch auf die Tochter, die der Toten so sehr glich.

Aus diesem Hass heraus hatte er einen Gatten für die Tochter ausgewählt, ohne sie zu fragen.

Graf von Sternburg war auf Schloss Ingelheim erschienen, seiner Einladung folgend, ohne von des Gastgebers Plänen etwas zu ahnen.

Volker von Sternburg, der in seinem bewegten Leben viele Frauen kennengelernt hatte, fühlte sich von der kindlichen, unberührten Anmut des jungen Mädchens unwiderstehlich angezogen.

Schon nach ein paar Tagen hatte für den Grafen von Sternburg festgestanden, dass nur Komtess Manon seine Frau werden sollte.

Die Komtess aber begegnete dem ernsten Werben des Mannes mit verletzender Gleichgültigkeit. Mit keiner Miene verriet sie etwas von dem Aufruhr ihres Herzens.

Manon liebte den stattlichen, stolzen Volker von Sternburg, aber sie konnte seine Frau nicht werden.

Heute kam der Vater zu ihr und teilte ihr mit, dass Graf von Sternburg um ihre Hand angehalten und er sie ihm zugesagt habe.

Entsetzt starrte das Mädchen den Vater an.

»Nein, ich kann nicht seine Frau werden, Vater«, erklärte sie ihm.

»Willst du mir die Gründe sagen, weshalb du die Werbung des Grafen von Sternburg nicht annehmen willst?«, fragte der Graf kühl.

Manon zeigte ihrem Vater nicht, wie unglücklich sie war, dass er sie ablehnte und nicht liebte, und sie hätte doch so sehr einen Menschen gebraucht, dem sie vertrauen konnte.

»Verzeih, Vater, ich liebe Graf von Sternburg nicht. Ich kann nicht seine Frau nicht werden.«

Es war eine Lüge. Manon liebte den stattlichen, ernsten Mann, in dessen braunen Augen eine Welt voll Liebe und Zärtlichkeit für sie lag, wenn er sie ansah. Wie glücklich würde sie sein, wenn sie seine Frau sein dürfte.

»Pah, Liebe, die gibt es nur in Romanen«, stieß der Vater verächtlich hervor. »Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus! Du wirst die Werbung des Grafen annehmen. Wage es nicht, dich meinem Willen zu widersetzen.«

»Vater, ich kann nicht!«, flehte Manon. »Bitte, sei barmherzig! Zwischen dem Grafen von Sternburg und mir liegt eine unüberwindliche Kluft. Ich würde diesen edlen Mann betrügen, wenn ich seine Frau würde.«

Das Gesicht des Vaters verzerrte sich vor Wut, sodass Manon zurückwich.

»Wenn du meinem Namen Schande gemacht hast und ich mich meiner Tochter schämen muss, so wie ich mich einst der Gattin schämen musste, dann bringe ich dich mit meinen eigenen Händen um.«

Mit schwerfälligen Schritten ging er zur Tür. Dort wandte er ihr noch einmal sein bleiches Gesicht zu.

»Du hast die Wahl, Manon. Entweder du wirst seine Frau, oder du gehst ins Kloster.«

Hart fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

♥♥♥

Mit einem Aufschrei warf die junge Komtess sich auf ihr Bett und weinte verzweifelt. Nach einer Weile beruhigte sie sich ein wenig. Sie stand auf, verließ das Zimmer und stieg zu dem kleinen Turmzimmer hinauf, das ihr immer der liebste Ort im ganzen Schloss gewesen war.

Angstvoll schaute Manon immer wieder zu der Uhr hin. Die Stunde rückte immer näher, in der Graf von Sternburg auf Schloss Ingelheim erscheinen würde, um sich ihr Jawort zu holen.

Sie dachte an einen jungen Mann mit lustigen blauen Augen, krausem dunklem Haar und blitzenden Zähnen.

»Götz«, stöhnte sie leise.

Dann verließ sie wie gehetzt das Turmzimmer und eilte die Treppe hinunter. Draußen blendeten sie die hellen Sonnenstrahlen.

Einen Moment verharrte die junge Komtess dort, und dann schlug sie den Weg zu der kleinen Bergkapelle ein, die nicht weit entfernt auf einer Lichtung stand und ein beliebter Wallfahrtsort war.

Zum ersten Mal seit Jahren suchte Manon die Kapelle wieder auf. Als Kind hatte sie oft voll gläubigem Vertrauen Blumen vor das große Bild der Muttergottes gestellt, sich auf die Steinstufen gekniet und ihre kleinen Sorgen und Nöte vor diesen gütigen Frauenaugen ausgebreitet und um Hilfe gebeten.

Und immer war es der kleinen Manon so gewesen, als hätten die Augen ihrer Mutter sie angesehen und sie mit ihrer toten Mutter, an die sie sich nur undeutlich erinnern konnte, gesprochen.

Und dieses Gefühl hatte sie auch heute. Weinend sank das Mädchen in die Knie.

»Mutter, hilf mir, zeige mir den Weg, ich flehe dich an!«, bat sie. »Vater will, dass ich seine Frau werde. Ich liebe ihn so sehr, und ich weiß, wenn ich ihn fortschicke, werde ich sehr unglücklich sein, Mutter, was soll ich tun? Ich weiß keinen Ausweg. Darf ich schweigen und mit dieser Schuld seine Frau werden? Soll ich es ihm sagen? Wird er sich nicht voller Verachtung von mir wenden?«

Verzweifelt stöhnte sie auf, und aus ihren schönen Augen rannen Tränen.

»Mutter, Mutter! Ich liebe ihn mehr als mein Leben.«

Der hochgewachsene Mann, der in diesem Augenblick die kleine Kapelle betrat, verhielt jäh den Schritt. Ein Zucken lief über seine markanten Züge, als er das Mädchen erkannte.

»Manon!« Seine Stimme, die ihren Namen zärtlich flüsterte, brachte sie in die Wirklichkeit zurück.

Entsetzt wich sie einige Schritte zurück.

»Habe ich Sie erschreckt, Komtess? Bitte, verzeihen Sie mir«, bat er lächelnd. »Ich betrat die Kapelle zufällig.« Er ging langsam auf Manon zu. »Hier vor Gott wiederhole ich meine Bitte, die ich vor einigen Tagen an Ihren Vater gestellt habe, Komtess.« Er nahm ihre Hand und hielt sie mit warmem Druck. Bittend sah er sie an. »Werden Sie meine Frau, Komtess. Ich liebe Sie, und ich werde alles tun, um Sie glücklich zu machen.«

Tief sank der Kopf mit der herrlichen schwarzen Haarflut herunter.

Graf von Sternburg zog Manon dicht an sich heran.

»Komtess, ich wurde Zeuge Ihres Geständnisses.« Er fühlte das Erbeben der schlanken Gestalt. »Komtess, darf ich hoffen, dass Ihr Herz mir gehört und dass Sie gewillt sind, meine Frau zu werden?«, fragte er in zärtlichem Ton.

Sie wagte nicht, zu ihm aufzuschauen. Ihr Blick irrte hilflos an ihm vorbei und blieb an dem Bild der Muttergottes hängen, als müsse ihr von dort Hilfe kommen.

»Manon, kleine, süße Manon, ist es denn so sehr schwer, mir deine Liebe einzugestehen, oder sollte ich mich geirrt haben, als ich glaubte, sie in deinen Augen zu lesen? Bitte, sag nur ein Wort, sieh mich an, in deinen Augen will ich lesen, ob mein Sehnen sich erfüllen wird, ob du mein sein willst für alle Zeit.«

Etwas in der raunenden, dunklen Stimme zwang sie, zu ihm aufzusehen. Ihre ganze Liebe, die sie für den stattlichen Mann empfand, lag in ihren Augen.

Der Graf starrte sie atemlos an und riss sie dann an sich.

»Ich wusste es, Manon, deine Augen können nicht lügen. Sag mir hier an diesem geweihten Ort, dass du meine Frau werden willst.«

»Ich liebe dich, Volker«, versicherte sie mit sanfter Stimme, »aber ...«

Weiter kam sie nicht, der Mann hielt sie fest an sich gepresst, sein Mund suchte ihre zuckenden Lippen. Unter seinem glühenden Kuss erlosch jeder Widerstand. Sie schmiegte sich mit geschlossenen Augen in seine Arme, und in ihrem Herzen war ein Jubeln und Klingen: Ich liebe dich, ich liebe dich.

In diesem Augenblick erkannte die junge Komtess, dass sie nie die Kraft besitzen würde, auf den geliebten Mann zu verzichten. Sie war gewillt, mit einer Lüge auf den Lippen die Frau des geliebten Mannes zu werden.

Drei Wochen später läuteten die Glocken feierlich im Dorf und verkündeten, dass die schöne Komtess Manon in diesem Augenblick dem stolzen, stattlichen Grafen von Sternburg ihre Hand zum ewigen Bund reichte.

♥♥♥

Und so vergingen die Jahre.

Weitab von allem Verkehr lag einsam das Waisenhaus, das einst ein reicher Italiener hatte errichten lassen, der selbst eine trostlose Kinderzeit erlebt hatte.

Hier wurden Kinder von gewissenlosen Müttern und verzweifelten jungen Mädchen in der Nacht auf der Schwelle niedergelegt, auf die Güte der Schwestern vertrauend.

Die meisten Kinder wussten nichts von ihren Eltern und ahnten nicht, wer ihre Mütter waren. Die wenigen unter der großen Schar, die von ihrer Mutter wussten oder einen Vater hatten, wurden von den anderen glühend beneidet.

Besonders ein zehnjähriges Mädchen mit leuchtenden Blauaugen und pechschwarzem Haar, der Liebling der Schwestern, litt unsagbar unter dem Wissen, nur ein Findelkind zu sein, ein Kind ohne Namen und Heimat.

Aus dem Dorf, das ein paar Kilometer entfernt lag, kam ab und zu eine alte Frau ins Kloster, die sich immer besonders der kleinen Marili zuwandte, die sie sehr liebte.

Marilis blaue Augen leuchteten auf, wenn die alte Frau auf dem Klosterhof auftauchte. Das lebhafte, für sein Alter sehr aufgeweckte Kind, lief ihr dann sofort entgegen und war glücklich, solange die alte Frau bei ihr war.

Heute rief die Tante Oberin die kleine Marili zu sich.

»Komm einmal her zu mir, kleine Marili«, sagte die Schwester mit ihrer weichen Stimme.

Das Kind kam gehorsam näher und blieb abwartend vor ihr stehen.

»Heute kam eine Nachricht aus dem Dorf. Oma Carmen ist krank. Sie möchte dich noch einmal sehen. Ich habe mich daher entschlossen, dich gegen unsere sonstige Gewohnheit ins Dorf gehen zu lassen, damit du Oma Carmen noch einmal sehen kannst. Vielleicht ist es ihr letzter Wunsch.«

Die Kinderaugen füllten sich mit Tränen. Wenn der liebe Gott Oma Carmen zu sich holen würde, dann würde sie wieder ganz allein sein.

»Geh mit Gott, Kind«, sagte die Oberin.

Mit gesenktem Köpfchen ging Marili aus dem Zimmer.

Die alte Carmen lag in ihrem Bett und hatte die Augen geschlossen, als das Kind leise bei ihr eintrat. Die alte Frau war bereits vom Tode gezeichnet. Die kleine Marili griff nach den zerfurchten Händen und umschlang sie mit ihrer warmen Kinderhand.

»Oma Carmen, ich bin hier, die Marili«, rief sie mit ihrer hellen Kinderstimme.

Mühsam schlug die alte Frau die Augen auf.

»Marili, Kind, ich habe auf dich gewartet. Ich muss dir etwas sagen, ehe ich für immer von dieser Welt gehe.« Mühsam richtete sie sich etwas auf, griff mit zitternden Händen zu dem Nachttischchen, das neben ihrem Bett stand, und holte ein kleines Päckchen hervor.

»Du hast mich so oft nach deiner Mutti gefragt, Marili, aber ich durfte dir nichts sagen, weil ich es ihr versprochen hatte. Aber nun werde ich wohl bald für immer von dieser Welt gehen, und ich kann dich nicht mehr behüten, wie ich es deiner Mutti versprochen habe.«

Marili hielt den Atem an und starrte die alte Frau mit großen, sehnsüchtigen Augen an.

»Oma Carmen, du hast meine Mutti gekannt?«, stammelte sie außer sich vor Glück.

»Ja, Marili, ich habe deine Mutti gekannt. Sie war schön, die junge Senorita, und sie war sehr vornehm gekleidet. Sie war eine Deutsche und kam nach Italien, hier in das kleine Dorf, als du zur Welt kommen solltest. Sie war sehr unglücklich und hat viel geweint, als du dann geboren wurdest, hier, in dieser kleinen Hütte. Sie sagte mir, dass sie Zofe bei einer sehr vornehmen Dame, einer reichen Komtess, war, und auf einem Schloss in Deutschland lebte. Eines Morgens war sie fort.«

Wie gebannt lauschte die kleine Marili den Worten der alten Frau.

»In einem Brief bat deine Mutter mich, dich in das Heim der verlassenen Kinder zu bringen. Sie würde dich eines Tages holen, wenn sie es ihrem Vater eingestanden hätte. In dem Brief lagen viel Geld und ein kleines Kreuzchen, das ich dir geben sollte. Deine arme, unglückliche Mutter hatte dich sehr lieb. Ich brachte dich zu den gütigen Schwestern und gab ihnen das Geld.«

Das viele Sprechen strengte Carmen sehr an. Sie stockte kurz, holte tief Luft und fuhr dann fort.

»Jedes Jahr kam ein Brief von ihr mit viel Geld. Am Anfang schrieb sie mir immer, dass sie dich holen würde, aber nun bist schon zehn Jahre alt, und sie hat dich noch immer nicht geholt.« Müde schloss die alte Frau die Augen.

Marili saß ganz still neben ihrem Bett.

»Wie heißt denn meine Mutter?«, fragte sie leise.

Sinnend starrte die alte Frau vor sich hin.

»Ja, Marili, es ist dein gutes Recht zu erfahren, wer deiner Mutter ist.«

Mit zitternden Händen griff sie nach einem der Briefe, die vor ihr auf der Decke lagen.

»Hier, steck diesen Brief ein. Du wirst ihn nicht lesen können, Marili, denn er ist auf Deutsch geschrieben. Wenn du einmal größer bist, wirst du sie vielleicht suchen und finden, deine Mutti.«

»Du sagst, sie hätte mich lieb gehabt, Oma Carmen. Aber warum hat sie mich denn alleingelassen und ist sie nicht einmal zu mir gekommen in all den Jahren?«, fragte Marili traurig.

»Ich weiß es nicht, Marili. Vielleicht ist deine Mutter sehr arm und hatte nicht das Geld, um nach Italien zu kommen. Vielleicht ist sie sogar krank geworden und kann nicht mehr arbeiten, denn es ist schon lange her, dass sie das letzte Geld für dich geschickt hat. Vielleicht hat sie sehr große Sehnsucht nach dir«, schloss die alte Frau erschöpft.

Marili hörte nur die letzten Worte, und sie ließen ihr sehnsüchtiges kleines Kinderherz überlaufen im heißen Mitleid mit der unbekannten Mutter.

»Sag mir den Namen, Oma Carmen, sag mir den Namen, vielleicht finde ich sie eines Tages. Ja, wenn ich groß bin, dann werde ich meine Mutti suchen, und wenn sie arm und krank ist, dann werde ich arbeiten gehen und für sie sorgen. Sie soll es gut bei mir haben.«