Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 624 - Yvonne Uhl - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 624 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Monica von Danilow liebt ihren Mann über alles und bangt oft um ihn. Als Testflieger einer großen Fluggesellschaft schwebt er praktisch immer in Lebensgefahr.
"Ich bin ein Glückspilz", wiegelt Stefan ihre Sorgen stets lachend ab. Eines Tages, als der kleine Lothar, ihr Sonnenschein, erst wenige Monate alt ist, verlässt Stefan sein Glück. Die Maschine stürzt ab und gerät in Brand. Im Krankenhaus wird er notdürftig zusammengeflickt, doch er ist dem Tod geweiht. Nur noch wenige Minuten bleiben ihm.
"Monica", beschwört Stefan seine Frau, "schleich dich unter falschem Namen in die Burg meiner Väter ein ... suche die Drachentruhe ... das Testament ..." Mit letzter Kraft haucht der Sterbende diese Worte, und dann schließt er die Augen für immer.


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Inhalt

Cover

Das Wort am Sterbebett verpfändet

Vorschau

Impressum

Das Wort am Sterbebett verpfändet

Erfolgsroman um die schwere Aufgabe einer jungen Witwe

Monica von Danilow liebt ihren Mann über alles und bangt oft um ihn. Als Testflieger einer großen Fluggesellschaft schwebt er praktisch immer in Lebensgefahr.

»Ich bin ein Glückspilz«, wiegelt Stefan ihre Sorgen jedoch stets lachend ab. Ein verhängnisvoller Irrtum! Denn eines Tages, als der kleine Lothar, ihr Sonnenschein, erst wenige Monate alt ist, verlässt Stefan sein Glück. Die Maschine stürzt ab und gerät in Brand. Im Krankenhaus wird er notdürftig zusammengeflickt, doch er ist dem Tod geweiht. Nur noch wenige Minuten bleiben ihm.

»Monica«, beschwört Stefan seine Frau, »schleich dich unter falschem Namen in die Burg meiner Väter ein ... suche die Drachentruhe ... das Testament ...« Mit letzter Kraft haucht der Sterbende diese Worte, dann schließt er die Augen für immer.

In rasendem Tempo hatte der Wagen der Madrider Stadtpolizei Monica in das Krankenhaus Santa Rodigra gebracht.

Ein Arzt mittleren Alters trat ihr entgegen.

»Señora von Danilow?«, fragte er leise.

Monica nickte. Sie war leichenblass und grenzenlos verzweifelt.

»Wie geht es ihm?«, hauchte sie.

»Sie müssen mit dem Schlimmsten rechnen, Señora. Kommen Sie!«

Der Arzt führte sie einen langen weißen Gang hinunter. Ihre Schritte hallten dumpf auf dem spiegelglatten Linoleum.

»Wie ist es passiert?«, stammelte Monica.

Der Arzt blieb stehen. Er sah zu ihr nieder, zu der kleinen, reizvollen Frau des Schwerverletzten. Monica hatte lockiges dunkelbraunes Haar und dunkle, beinahe schwarze Augen. Sie wirkte noch unglaublich jung. Dabei war Monica schon dreiundzwanzig Jahre alt und seit vier Jahren mit Stefan von Danilow verheiratet.

»Wir bargen ihn aus der brennenden Maschine«, erklärte der Arzt ernst. »Erschrecken Sie nicht, wenn Sie ihm gegenübertreten, Señora. Er ist über und über mit Verbänden übersät. Zu den Bruchverletzungen kommen noch die schweren Brandwunden.«

Monica schritt weiter. Sie biss die Zähne aufeinander.

»Nie«, hatte Stefan immer erklärt, »nie kann mir etwas passieren, Monica! Ich bin ein Glückspilz! Denk immer daran!«

Doch Monica hatte immer um Stefan gebangt. Dass er ausgerechnet Testflieger einer großen Fluggesellschaft werden musste! Das hieß doch, das Schicksal geradezu herauszufordern!

Mit einem sonnigen Lächeln war er gestern von ihr geschieden. Sie hatten sich auf ihren Urlaub gefreut, den sie in Gijón im Golf von Biskaya verleben wollten – sie, Stefan und der vier Monate alte Lothar.

»Mein letzter Einsatz vor dem Urlaub«, hatte Stefan gesagt. »Morgen Abend bin ich wieder bei euch.«

Und nun hatte das Schicksal zugeschlagen. Das Glück hatte Stefan verlassen.

»Hier«, sagte der Arzt. »Kopf hoch, Señora!«

Eine weiß lackierte Tür öffnete sich vor ihr.

Ein einzelnes Bett stand im Raum. Alles, was von Stefan zu sehen war, war von weißen Verbänden umwickelt. Nur die schmalen Augenschlitze, die Nasenlöcher und der Mund waren zu sehen.

Eine Schwester trat auf Monica zu.

»Ist er bei Bewusstsein?«, fragte Monica leise.

»Ja, Señora. Aber halten Sie sich höchstens fünf Minuten bei ihm auf. Er hat eine Injektion bekommen, damit er schläft.«

Monica wandte sich dem Bett zu und zwang sich zu einem Lächeln.

»Hallo, Stefan«, begrüßte sie ihren Mann. »Du machst ja schöne Sachen.« Sie hätte Mühe, die Tränen zurückzuhalten.

»Monica ...« Stefan hatte eine ganz fremde, unbekannte Stimme. Er hob seine ebenfalls von Verbänden umwickelte rechte Hand. »Monica ... komm näher, noch näher ...«

Eine Mischung aus Karbol und Äther schlug ihr entgegen. Sie neigte sich über ihn.

»Monica, mich hat's erwischt«, hörte sie ihn leise sagen. »Ich werde sterben.«

»Stefan, bitte ...«, hauchte Monica.

»Ich muss an dich und an Lothar denken«, fuhr Stefan fort. »Monica, verkaufe nach meinem Tod die Möbel und kehre nach Deutschland zurück. Du weißt ja nicht ... du weißt ja nicht ...«

»Stefan, bitte, das hat doch Zeit.«

»Es hat keine Zeit«, erwiderte Stefan hastig. »Du weißt nicht, dass ich gar nicht der verarmte Adelige bin, der ich immer vorgab zu sein. Du musst mit Lothar nach Waldkirch im Schwarzwald. Dort ist die Burg meiner Väter! Mein Bruder lebt dort und meine Schwester, Monica. Sie haben mich aus dem Haus getrieben, Monica ... Nein. Du musst dich heimlich dort einschleichen unter falschem Namen. Du musst versuchen herauszubekommen, wo das Testament ... wo das Testament ist ...«

Immer schwächer wurde seine Stimme.

»Keiner weiß von unserer Heirat, Monica. Das Testament ist verschwunden! Das gültige Testament ... Du musst hinein in die Burg, Monica ... du musst nach der Truhe suchen ... nach der Drachentruhe ...«, beschwor er sie.

Und dann bäumte Stefans Körper sich auf.

Erschrocken sah Monica auf ihn nieder.

»Beruhige dich, Stefan, bitte!«

»Versprich mir, dass du tun wirst, was ich von dir verlange, Monica.«

»Ja, ich verspreche es«, beteuerte sie. Jetzt rannen ihr Tränen über die Wangen.

»Monica, ich habe dich geliebt ... so heiß geliebt ...« Sein Kopf sackte zur Seite.

Der Arzt zog Monica, die wie erstarrt dasaß, an den Schultern hoch.

»Kommen Sie, Señora«, bat er leise.

Monica konnte vor Tränen nichts mehr sehen. Sie sah auch nicht, wie der Arzt und die Schwester sich einen ernsten Blick zuwarfen.

Der Arzt führte Monica in sein Büro. Dort drückte er sie auf einen Stuhl nieder.

»Sie sind Deutsche?«, fragte er auf Spanisch.

»Ja, Herr Doktor. Aber wir leben schon vier Jahre hier in Madrid.« Sie blickte flehend zu ihm auf. »Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit. Wie lange wird es dauern, bis mein Mann wieder gesund ist?«

»Señora, Ihr Mann ist tot. Sein Herz hat aufgehört zu schlagen«, erklärte der Arzt ihr. »Nehmen Sie mein aufrichtiges Mitgefühl entgegen.« Er drückte ihr die Hand.

Monica konnte es nicht fassen. Sie hatte doch eben noch mit Stefan gesprochen. Das war der Abschied gewesen, begriff sie.

»Ich habe dich so heiß geliebt!«, lauteten Stefans letzte Worte.

Oh Stefan! Plötzlich drehte sich alles vor Monicas Augen. Sie sprang auf, schwankte und fiel in die ausgebreiteten Arme der Krankenschwester.

Danach wusste sie von nichts mehr.

♥♥♥

Acht Monate waren vergangen. Acht Monate der Einsamkeit, der Trauer und Verzweiflung für Monica von Danilow.

Jetzt war sie nach Freiburg gekommen. Es war ihre Heimatstadt. Sie saß in der gemütlichen altmodischen Dreizimmerwohnung ihrer Tante Therese. Die zierliche alte Dame hielt den kleinen Lothar auf dem Schoß, der inzwischen zwölf Monate zählte und schon ein wenig laufen konnte.

»Ich war in einem Sanatorium«, erwiderte Monica auf die Frage der Tante. »Die Fluggesellschaft hat meinen Aufenthalt im Sanatorium bezahlt. Ich durfte Lothar bei mir haben. Sie waren sehr großzügig.«

»Findest du, Monica?« Therese Holsten spitzte die Lippen. »So großzügig ist das gar nicht meiner Meinung nach. Immerhin hat dein Mann sein Leben hingegeben für diese Fluggesellschaft. Bei uns in Deutschland würdest du wahrscheinlich eine Rente auf Lebenszeit von diesem Unternehmen erhalten.«

Monica betrachtete den kleinen Lothar in den Armen ihrer Tante. Er war Stefan wie aus dem Gesicht geschnitten.

»Bist du jetzt ganz gesund?«, erkundigte sich Therese Holsten.

»Ja, Tante. Es ist alles wieder in Ordnung. Ich muss mir nun eine Arbeit suchen.«

»Was willst du tun?«

»Vor meiner Heirat war ich in einem Büro«, murmelte Monica. »Ich kann jetzt außer meinen anderen Sprachkenntnissen auch noch perfekt Spanisch. Es muss doch möglich sein, dass ich eine gut bezahlte Stellung finde.«

»Und Lothar? Was geschieht mit ihm?« Mitleidig blickte Therese Holsten nieder auf ihren Großneffen. »Ich bin zu alt, Moni. Ich kann nicht mehr für ihn sorgen.«

»Er muss in ein Heim«, sagte Monica leise. Ja, es war die einzige Möglichkeit. Ihrer Tante konnte sie das Kind nicht aufhalsen. Und doch wehrte sich alles in Monica, ihren kleinen Sohn in der unpersönlichen Atmosphäre eines Heims aufwachsen zu lassen.

»Was soll ich sonst tun, Tante Therese?«

Therese Holsten setzte den kleinen Lothar behutsam auf den Boden zurück, nahm ihre funkelnden goldenen Armreifen vom Handgelenk und gab sie ihm zum Spielen.

»Hast du nie herausgefunden, Moni, woher dein Stefan kam? Hier in der Nähe, gar nicht weit von hier, wohnen nämlich Danilows. Sie sind Grafen und haben eine Burg.«

Monica starrte ihrer Tante stumm in die Augen.

»Moni, was ist los?«, fragte die Tante erstaunt. Sie war eine noch hübsche, gepflegte alte Dame mit kurzen weißen Löckchen.

»Diese Danilows, von denen du sprichst, Tantchen, sind Stefans Verwandte.«

»Aber Kind!« Therese Holsten zeigte offen ihr grenzenloses Erstaunen. »Warum diese Geheimniskrämerei? Seit wann weißt du, dass Stefans Verwandte diese Danilows sind?«

»Ehe ich eine Arbeit annehme, muss ich Stefans letzten Wunsch erfüllen«, erklärte Monica, ohne die Frage der Tante zu beantworten. Sie öffnete ihre Handtasche, die auf dem Tisch lag, und holte aus ihrer Ausweishülle einen kleinen Notizblock heraus.

»Tante Therese, ich will dir alles sagen, was ich weiß.« Monica lehnte sich auf dem Stuhl zurück und berichtete der Tante von den letzten Minuten an Stefans Krankenbett.

Aufgeregt hatte Therese Holsten den Worten ihrer Nichte gelauscht.

»Monica, Kind«, rief sie aus. »Das ist aber spannend. In dieser Drachentruhe befindet sich offenbar das gültige Testament.«

»Ich verstehe gar nicht, was Stefans Worte bedeuten«, klagte Monica. »Erst bittet er mich, mit Lothar in die Burg zu gehen, dann aber sagt er, ich solle mich heimlich dort einschleichen unter falschem Namen.«

»Das bedeutet«, erklärte die Tante eifrig, »dass er zunächst wollte, dass du mit Lothar offen als Stefans Witwe dort in der Burg aufkreuzt, dann aber überlegte er es sich anders. Du sollst zunächst das gültige Testament suchen, das wahrscheinlich Stefan als gleichwertigen Erben berücksichtigt. Aus diesem Grunde darfst du nicht als seine Witwe dort erscheinen, sondern musst unter falschem Namen dort auftauchen.«

»Aber wie?«

»Ganz einfach. Du nennst dich einfach wieder Holsten wie vor deiner Heirat.«

»Mein alter Pass trägt noch den Namen Holsten«, murmelte Monica.

»Na also. Du weißt von Stefan, dass seine Verwandten nichts von eurer Heirat wissen. Sie ahnen also überhaupt nichts von deiner Existenz. Du gehst auf die Burg und fragst dort ...«

»Was soll ich fragen? Ob sie ein Küchenmädel brauchen?« Monicas Stimme klang bitter.

»Die Idee ist gar nicht schlecht«, stimmte Tante Therese zu. »Du musst dich auf der Burg um eine Stellung bewerben, als Küchenmädel, als Sekretärin des Grafen oder vielleicht als Gouvernante der kleinen Komtess ... Wo habe ich es nur?«

Die alte Dame sprang hoch und trippelte suchend im Zimmer umher.

»Ich habe nämlich ein Foto der Danilows«, sagte sie.

»Ein Foto? Wirklich?«

»Ja. In der letzten Ausgabe des ›Schwarzwälder Boten‹ waren die Danilows abgebildet. Hier habe ich es!«

Aus einem dicken Stoß Zeitschriften zog die alte Dame die gesuchte Zeitung heraus. Sie blätterte ein paar Seiten um.

»Hier, schau sie dir an, die Sippe deines Mannes!«

Sie legte die Zeitschrift vor Monica auf den Tisch.

Monica beugte sich gespannt über das Foto. Sie erkannte einen hochgewachsenen, gut aussehenden Mann im Reitanzug, eine schöne blonde Frau im Jagdkleid und eine andere Dame – wesentlich älter als die blonde – neben ihnen. Ein Mädchen in kurzem weißem Kleidchen stand vor den drei Erwachsenen.

Mit dem Zeigefinger wies Therese Holsten auf die abgebildeten Personen.

»Der Mann heißt Simon Graf Danilow und ist der Burgherr, die blonde Frau neben ihm ist seine Gattin Daphne. Und das Kind ist die kleine Komtess Franziska.«

»Und wer ist die ältliche Dame, die so aussieht, als hätte sie gerade in eine Zitrone gebissen?«

»Das ist die Schwester des Grafen: Komtess Sigrid«, erklärte Therese. »Sie soll die reichste Danilow sein. Sie hat nie geheiratet, ist fast vierzig und soll Haare auf den Zähnen haben.«

»Dann ist sie die Schwester von Stefan«, entfuhr es Monica. »Merkwürdig, ich kann so gar keine Ähnlichkeit entdecken. Graf Danilow hingegen sieht Stefan ein bisschen ähnlich.«

»Wenn der Graf sein Bruder war und die Komtess Sigrid seine Schwester, warum wurde er dann verjagt? Ich verstehe das nicht«, sagte Therese. »Auf jeden Fall musst du zur Burg hinaufgehen, dich dort bewerben und heimlich das Testament suchen. Offenbar ließen Stefans Verwandte das gültige Testament verschwinden, um ihn vom Erbe auszuschließen. Wenn er aber ihr Bruder war, warum ist er dann leer ausgegangen? Er musste doch wenigstens seinen Pflichtteil erhalten?«

»Ich verstehe nicht, Tante Therese, dass Stefan mir nie etwas von seiner Verwandtschaft erzählt hat. Jetzt muss ich zur Burg hinaufgehen und seinen letzten Wunsch erfüllen.«

♥♥♥

Die Burg Danilow war ein bombastisches Gemäuer aus dem sechzehnten Jahrhundert. Sie war von drei Seiten von einem tiefen, ausgetrockneten Burggraben umgeben. Die Burg selbst konnte man nur über eine wuchtig gemauerte Brücke mit mächtigen Stützpfeilern erreichen.

Die Danilows hatten es von jeher verstanden, immer auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, und sie hatten niemals auf Bequemlichkeit und Luxus verzichtet. Schon seit vielen Jahren wurden sämtliche Räume der Burg durch eine Zentralheizung beheizt.

Die Küche im Souterrain war ein technisches Meisterwerk. Es gab Haustelefon in allen Räumen, ein riesiges Schwimmbecken, das man im ehemaligen »roten Audienzsaal« untergebracht hatte und das selbstverständlich beheizbar war, und einen Fechtsaal sowie einen Gymnastikraum, in dem es sämtliche Turngeräte gab, die man sich denken konnte.

Monica war eingeschüchtert von dem riesigen Bauwerk, zu dem ein Taxi sie hinaufgefahren hatte. Sie nahm all ihren Mut zusammen und ging auf das Torhaus am Brückenkopf zu.

»Soll ich warten, gnädige Frau?«, schrie ihr der Taxifahrer nach.

Monica drehte sich um.

»Ja«, rief sie. »Ich glaube, es wird nicht lange dauern.«

Im Torhaus befand sich keine Menschenseele. Monica überlegte. Dann schritt sie über das Kopfsteinpflaster der Brücke.

Der erste Innenhof war ebenfalls menschenleer und riesengroß. Tapfer marschierte Monica weiter. Eine der vielen Türen glich einem prunkvollen Portal. Das musste der Haupteingang sein.

Noch ehe sie das Portal erreicht hatte, vernahm sie plötzlich lauten Hufschlag hinter sich.

Monica fuhr herum und erblickte einen rassigen braunen Hengst. Im Sattel saß ein schlanker, eleganter Herr von etwa Mitte dreißig. Er hatte gebräunte Haut, pechschwarzes Haar und sah wie ein Südländer aus.

»Holla, schönes Kind«, sagte er.

Monica schluckte. Sie hatte ein Foto ihres Schwagers Simon gesehen. Dieser Fremde konnte es nicht sein.

»Ich suche jemanden, der für die Personalangelegenheiten in diesem Schloss zuständig ist. An wen muss ich mich bitte wenden?«, fragte sie.

»Sind Sie die junge Dame, die Franziskas Gouvernante werden will?«, fragte er lächelnd.

»Ja, die bin ich«, erwiderte Monica zurückhaltend.

Der Mann ließ sich aus dem Sattel gleiten.

»Kommen Sie, ich bringe Sie hin«, bot er an und zog den Hengst am Zügel hinter sich her. »Ich bringe Sie zu Baron von Reckling. Er ist der Sekretär und gleichzeitig Personalchef des Grafen Danilow. Aber natürlich müssten Sie als Gouvernante von Franziska auch die Billigung von Daphne finden.« Er schlug mit der Reitgerte gegen seine Stiefel. »Und das, meine Schöne, dürfte nicht so einfach sein.« Er streifte die Zügel des Hengstes über einen steinernen Pfahl.

Sie traten durch das Portal ins Innere der Burg. Mosaiksteinboden breitete sich in der Halle aus, von der mehrere Gänge abgingen.

»Da drüben«, murmelte der fremde Herr, »ist das Büro des Barons.«

Er trat – von Monica gefolgt – an die Tür und klopfte kräftig. Dann stieß er die Tür auf.

Ein weißhaariger älterer Herr mit Stirnglatze und randloser Brille saß hinter einem Schreibtisch. Er hatte durchgeistigte Züge und war Monica vom ersten Moment an sympathisch.

»Reckling«, informierte der Mann den Sekretär, »hier bringe ich Ihnen eine schöne junge Frau, die eine Stellung sucht.«

Der ältere Herr erhob sich.

»Sehr angenehm. Nehmen Sie bitte Platz«, sagte er mit leichter Verneigung zu Monica. Dann wandte er sich an den jüngeren Mann. »Es ist gut, Graf Hellwig. Ich werde mit der jungen Dame sprechen. Vielen Dank.«

Graf Hellwig warf Monica eine Kusshand zu und schritt rückwärts auf die Tür zu.

»Schicken Sie sie ja nicht weg, Baron. Wenn sie nicht als Gouvernante eingestellt werden kann, dann vielleicht als meine Zofe?«

Er lachte schallend und verließ das Zimmer. Die Tür fiel mit lautem Knall ins Schloss.

Baron von Reckling räusperte sich.

»Er ist nun einmal so«, meinte er achselzuckend.

»Wer ist er?«, forschte Monica verstört. »Ein Verwandter des Hauses?«

Baron von Reckling rückte seine Brille zurecht.

»Meine liebe junge Dame, wir haben zwar noch gar nicht miteinander gesprochen, und ich weiß insofern noch nicht, ob wir Sie einstellen können, aber eines müssen Sie sich merken: In diesem Gebäude ist es besser, nicht allzu viel zu fragen. Man tut seine Arbeit und sieht weder nach links noch nach rechts.« Er griff nach einem Aktenordner und schlug ihn auf. »Er ist ihr Geliebter«, fügte er hinzu.

Monica glaubte an einen Scherz.

»Geliebter?«, wiederholte sie. »Wessen Geliebter, Herr Baron?«

Nur den Bruchteil einer Sekunde blickte er auf.

»Schon wieder eine Frage«, tadelte er sie. »Sie werden es erfahren, wenn Sie hierbleiben. Wie heißen Sie?«

»Monica Holsten.«

»Und Sie wünschen, als Gouvernante eingestellt zu werden?«