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In der Stadt Dunhuang, etwa 25 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, befinden sich die Mogao-Grotten, die heute Weltkulturerbe sind, als ein Komplex von mehreren Hundert Höhlentempeln – Dunhuang liegt in der chinesischen Provinz Gansu. Buddha-Statuen, Skulpturen und Wandmalereien zieren die Höhlen, die buddhistische Mönche zwischen dem 4. und 13. Jahrhundert in den rund 17 Meter hohen Sandsteinfelsen errichteten. 1935 entflammte in dem Maler und Kunsthistoriker Chang Shuhong, der damals in Paris lebte, die Liebe zu diesen Höhlentempeln, die ihn sein Leben lang – er starb 1994 – nie wieder loslassen sollte. So machte er sich mit einem kleinen Team auf den Weg nach Dunhuang, wo er nach einem entbehrungsreichen und strapaziösen Marsch im März 1943 ankam. Eine große Aufgabe lag vor der kleinen Gruppe, denn es galt zunächst mit einfachsten Mitteln, inmitten der Wüste diese einzigartigen Baudenkmäler vor dem Verfall zu retten.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die wiedergefundenen Fresken
Geschichten zum Denkmalschutz am
Dunhuang Forschungsinstitut in Gansu
Chefredakteur: Hai Fei
Verfasser: Qiao Bing
Übersetzung: Duan Lijie
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© 2025 – Herzsprung-Verlag GbR / Papierfresserchens MTM-Verlag
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2024.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
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Chefredakteur: Hai Fei, Verfasser: Qiao Bing,
Originalausgabe erschienen: Dolphin Books, Beijing China
Übersetzung: Duan Lijie
Dolphin Books
All Rights Reserved
Copyright-Agent der deutschen Ausgabe:
Beijing IntelWave International Culture Communication Co., Ltd.
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B&R Book Program
ISBN: 978-3-96074-842-7 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-843-4 - E-Book
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Vorbemerkung des chinesischen Verlags
Helden erhellen die Epoche – Vorbilder sind um uns
1. Die uneingeladenen Gäste in der Tiefe der Wüste
2. Der sprachlos erstaunte Kreisvorsteher
3. Meister der Farben
4. Die Tausendfüßler-Leiter
5. Das Geheimnis in der Zwischenwand
6. Der gereizte junge Mann
7. Geisterklatsche
8. Konfrontation mit Wölfen
9. Der Höhlen-Kindergarten
10. Ein „Wunder“-Arzt
11. Das „zarte Fräulein“ von der Beijing-Universität
12. Der Umzugs-Magier
13. Eine Silbermünze aus dem Persischen Königreich
14. Die gestohlenen Höhlenfresken
15. Ein mürrischer Besucher
Die Übersetzerin
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Jede Epoche hat ihre Helden.
In Zeiten des Krieges hat eine Reihe von Helden für den Aufstieg der chinesischen Nation ihr Blut opferbereit vergossen. Sie verkörperten den hochwertigen Nationalgeist und die edle moralische Integrität des chinesischen Volkes. Zhao Yiman, Liu Hulan, Dong Cunrui, Huang Jiguang, Qiu Shaoyun … diese schillernden Namen und ihre Heldentaten sind in aller Munde und verdienen es, dass man sich ihrer für immer erinnert. Die genannten Namen Frau Zhao Yiman, Frau Liu Hulan, Herr Dong Cunrui, Herr Huang Jiguang und Herr Qiu Shaoyun sind alle Heldenfiguren aus dem Widerstandskrieg des chinesischen Volkes gegen die japanische Aggression (1931-1945), dem chinesischen Befreiungskrieg (1946-1950) und dem antiamerikanischen Widerstandskrieg zur Unterstützung von Korea (1950-1953). Sie haben sich für die Freiheit des chinesischen Volkes und Chinas Frieden eingesetzt und das Leben geopfert.
Heutzutage gibt es immer noch unzählige Helden um uns herum, sie sind die „Vorbilder der Zeit“, die sich selbstlos in ihren Positionen engagieren.
„Vorbilder der Zeit“ sind wichtige nationale Modelle, die von der Zentralen Propagandaabteilung organisiert und bekannt gemacht werden. Die Leute sind edel gesinnt, haben rührende Geschichten und weitreichende Einflüsse. Sie verkörpern die Einstellungsnormen und traditionellen Tugenden des chinesischen Volkes, u. a. Vaterlandsliebe, Hingabe, Ehrlichkeit, Freundlichkeit, und erhellen, wie den Himmel erhellende Sterne, unsere Epoche. Gleichzeitig sind sie auch ganz normale Menschen, die im Stillen ihrem alltäglichen Dienst nachgehen und dadurch großartige Beiträge leisten.
Um Schülern der Primar- und Sekundarstufe die beeindruckenden Geschichten der „Vorbilder der Zeit“ besser vermitteln zu können, um das nationale Selbstvertrauen und den Stolz auf das Vaterland zu fördern, gibt der Dolphin Verlag die Buchreihe „Vorbilder der Zeit“ heraus, in der für jedes Buch ein „Vorbild der Zeit“ (oder eine vorbildliche Gruppe) vorgestellt wird. Prominente Kinderbuchautoren des Landes wurden eingeladen, die Taten der Vorbilder zu bearbeiten, die Handlung sorgfältig zu gestalten und die Figuren anschaulich zu porträtieren, wodurch den Schülern ein besseres Leseerlebnis geboten wird.
Das ganze Leben ist ähnlich wie das Zuknöpfen der Kleidung. Ist der erste Knopf durch ein falsches Knopfloch gesteckt, verpassen die anderen Knöpfe wohl die richtige Reihe. Aller Anfang ist sozusagen schwer. Die Schwierigkeit liegt genau darin, den richtigen ersten Schritt zu gehen. Welchen „Anfangsknopf“ man fürs ganze Leben wählt, ist vergleichbar damit, was für einen Wert des Lebens man anstrebt. Erst wenn man den richtigen ersten Schritt geht, erst wenn man den richtigen ersten Knopf wählt, geht man auf den richtigen Weg des Lebens.
Deshalb hoffen wir mit der vorliegenden Buchreihe darauf, den Grund- und Mittelschülern die Helden unserer Zeit vorzustellen. Dadurch, dass die Schüler mehr von ihren vorbildlichen Taten wissen, entwickeln sie richtige Wertanschauungen und ein edles Lebensziel, was auch das „richtige Zuknöpfen“ für das Lebens bedeutet.
Dolphin Books
Dezember 2019
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In unendlicher Weite erstreckt sich die Wüste, in der wellenförmige Sanddünen zu sehen sind. So weit der Blick reicht, herrscht nur die Stille, ohne eine Spur von Grün verstreuen sich einzelne Kameldornen und Rhizome, die im sengenden Sonnenlicht grau und dreckig werden und die Trostlosigkeit dieser Welt zeigen.
In der Ferne am Horizont taucht eine Kamelkarawane auf. Der führende Kamelreiter geht ausdruckslos, gefolgt von sechs Kamelen, auf denen jeweils ein Mann halb liegend sitzt. Ihre Gesichter sind voll gelbem Sand, die trockenen, rissigen Lippen zeigen, wie staubig die Reise war. Wenn ein Windstoß vorbeifliegt, ändert sich die Miene des Kamelreiters leicht, und er streckt die Hand aus, deutet in eine Richtung hin. „Die Tausend-Buddha-Höhle, von der ihr die ganze Zeit geredet habt, ist gleich da vorne.“
„Angekommen?!“ Die sechs Männer, die eben noch fast im Sterben lagen, setzen sich auf einmal wie gedopt auf ihren Kamelen auf und fragen wiederholt: „Wo ist sie? Wo ist die Tausend-Buddha-Höhle?“
Sie folgen der Richtung des führenden Kamelreiters und sehen eine Klippe, die sich vor ihnen auftürmt. An den Wänden der Klippe gibt es Höhlen, die sich in malerischer Ordnung reihen. In der Tiefe der Wüste, wo nichts anderes als gelber Sand ist, wirken sie so großartig wie die Augenpaare, die mächtig und würdevoll hinab auf diese Gruppe unerwünschter Gäste schauen.
In der Mitte der Höhlengruppe ragt an die Klippe gelehnt ein riesenhaftes Gebäude auf. Die Schellen, die am Dachvorsprung hängen, geben im langen Wind der Wüste ein helles und wechselhaftes „ding-ling“ von sich, das weit ausgedehnt klingt.
„Da ist das neunstöckige Gebäude und darüber hängt das eiserne Pferd ...“ Bevor der leitende Kamelreiter mit dem Erzählen zu Ende ist, dreht sich Chang Shuhong schon um und springt vom Kamel, gefolgt von Gong Xiangli, Chen Zanting, Chen Yanru, Xin Pude und Liu Rongzeng ... Sie rennen stolpernd in Richtung der lang ersehnten Höhlen, scheinen all die Strapazen vom langen Marsch hinter sich zu lassen. Der Kamelführer schaut ihnen nach, schüttelt leicht den Kopf und seufzt: „Eben fielen sie noch fast um, warum rennen die jetzt begeistert dorthin, wo die tausend Höhlen in Sicht sind?“
Die Zeit scheint stillzustehen. Die Sonne wirft ihren Schein auf die prächtigen Wandmalereien und die exquisiten farbenfrohen Skulpturen, überzieht sie mit einer Schicht aus zartem, goldenem Licht. Zwar ist die Höhle voll gelbem Sand und einige Wandmalereien sind gesprenkelt, mehrere farbige Statuen angeschlagen oder sogar fast zerstört, all das kann ihre atemberaubende Schönheit aber nicht verbergen.
Chang Shuhong und seine Gruppe vergessen den gelben Sandsturm, der vor der Höhle herumzieht. Ihre Augen sind weit aufgerissen und sie bewegen sich langsam, denn sie würden ein wunderschönes Bild verpassen, wenn sie nur ein bisschen mehr blinzeln oder schneller gehen würden.
Die Zeit vergeht langsam. Wenn die Sonne westlich untergeht, wird die Höhle langsam düster, bis die Wandmalereien nicht mehr klar zu sehen sind. Erst da kommen die Leute unwillig heraus, gehen zum Huangqing Tempel, wo sie übernachten sollen.
Im vorderen und hinteren Teil des Huangqing Tempels befinden sich zwei Höfe, im vorderen Hof stehen zwei alte Ulmen, die aus der Qing-Dynastie (1639-1912) stammen und üppig wachsen. Normalerweise ist es hier ruhig und abgelegen, doch heute Abend ist viel Gelächter zu hören. Draußen vor dem größten Zimmer sind auf einer groben Holztafel ein paar Schriftzeichen mit noch nicht getrockneter Tinte zu lesen: Vorbereitungsausschuss für das Dunhuang Forschungsinstitut.
Drinnen hängt eine kleine Petroleumlampe oben vor einem großen Kang, einem beheizbaren Bett aus Ziegelsteinen, der die Hälfte des Zimmers einnimmt. Die bohnengroße Flamme der Lampe flackert und beleuchtet die leicht müden, allerdings aufgeregten Gesichter im Zimmer.
„Das Essen kommt!“ Der kleine Lama des Tempels ist richtig begeistert, weil der Tempel zum ersten Mal so viele Leute hat. Zusammen mit Gong Xiangli serviert er einen dampfenden Topf mit dicken Nudelscheiben und speziell zubereitetem gesalzenem Schnittlauch und mit Chilischoten für die Gäste aus der Ferne. Alle sind schon sehr hungrig und wollen gerade mit großem Appetit anfangen zu essen, stellen nun aber fest, dass sie keine Essstäbchen dabei haben. Das kann doch nicht sein?! Müssen sie nun mit der Hand essen?
„Ich habe diese schon lange für euch bereitgelegt.“
Nun holt Gong Xiangli stolz eine Handvoll roter Weidenzweige aus der Tasche, die überall in der Wüste Gobi zu finden sind. Er hat sie sogar vorher schon geschält und ordentlich geschnitten. Das sind gute Essstäbchen.
Die Gäste schlingen in sich hinein. Die Nudeln sind halb gar, der Lauch widerwärtig salzig, auch der salzige Chili schmeckt eklig und bitter. All das macht aber nichts aus, weil sie so hungrig sind.
„Esst aber langsam, verschluckt euch nicht.“ Der alte Lama schaut mit liebevollem Blick auf die, die die Nudeln in sich hineinschaufeln. Dabei stellt er die lang gehegte Frage: „Herr Direktor Chang, ich habe gehört, dass Sie in Frankreich studiert haben und ein sehr berühmter Künstler sind. Wie sind Sie aber darauf gekommen, in die so entfernt gelegene Wüste zu fahren, um die Grotten zu erkunden?“
Bei dem Satz hält Chang Shuhong die Weidenstäbchen in der Hand, seine Gedanken treiben plötzlich weit weg, schweifen zurück zu jenem Nachmittag vor ein paar Jahren.
Es war ein Tag Ende 1935. Chang Shuhong war in Frankreich und lief wie immer zu den alten Bücherständen am Ufer der Seine, ein guter Ort, etwas Interessantes zu finden. Chang Shuhong war oft dort bummeln, wenn er Zeit hatte. Dunhuang-Grotten-Atlas. Angelockt vom Titel des Buches nahm Chang Shuhong neugierig das Büchlein in die Hand und blätterte es durch. Unerwartet konnte er seinen Blick nicht mehr davon abwenden.
In dem Dunhuang-Grotten Atlas, der in sechs Heftchen gebunden ist, sind der Franzose Paul Pelliot und die von ihm im Jahr 1907 aufgenommenen Wandmalereien und Statuen in den Dunhuang-Höhlen in China zu sehen. All diese Höhlenmalereien und Statuen sind von Chinesen in mehr als 1000 Jahren, also um den 4. bis 14. Jahrhundert n. Chr. erschaffen worden.
Wie imposant und mächtig sind aber die Malereien! Ob zügellos und temperamentvoll, zart und subtil, jede einzelne ist unglaublich schön. „Dunhuang, China? Mein Vaterland? Wie kann mein Land eine so brillante und historische Kunst und Kultur haben!“ Chang Shuhong war wie verzaubert von den Heftchen und wachte erst auf, als der Standbesitzer ihn anstupste.
„Sir, ich schließe jetzt. Das Buch kostet 100 Franken. Möchten Sie es kaufen?“ Mit einem Blick auf den jungen Mann, der den Atlas den ganzen Nachmittag in der Hand gehalten und darauf gestarrt hatte, fragte der Standbesitzer diesen freundlich.
Chang Shuhong tastete seine Taschen ab, zeigte einen verlegenen Gesichtsausdruck – so viel Geld hatte er nicht bei sich.
„Es macht nichts, wenn Sie es nicht kaufen.“ Der Standbesitzer erkannte Chang Shuhongs Verlegenheit. „Im Guimet Museum sind zur Zeit Kunstwerke aus Dunhuang ausgestellt. Sie können dort vorbeischauen, wenn Sie möchten.“
Am zweiten Tag früh am Morgen, als der Wächter des Guimet Museums die Tür aufmachte, fand er einen jungen chinesischen Mann, der schon einige Zeit draußen gestanden zu haben schien. Voller Neugier blickte der Wächter den jungen Mann an. Ohne den neugierigen Blick zur Kenntnis zu nehmen, lief Chang Shuhong ins Museum. Gleich im nächsten Moment ließ er sich von der Faszination der Kunstwerke aus dem fernen Dunhuang völlig verzaubern.
Die Schwarz-Weiß-Fotos in den kleinen Heftchen am Bücherstand waren ihm schon zutiefst vertraut, ganz zu schweigen davon, nun diese farbenfrohen, wunderschön gefertigten Kunstwerke lebendig wahrnehmen zu können.
Es stimmte ja, dass der Höhepunkt der Kunst in seinem eigenen Vaterland lag. Die Wandmalereien und Skulpturen wurden ursprünglich aus Dunhuang geraubt und nach Frankreich gebracht … Chang Shuhongs innerste Erschütterung war unbeschreiblich.
Chang Shuhong lief schnell nach Hause, er konnte überhaupt nicht warten, seiner Frau diesen wichtigen Entschluss mitzuteilen. „Zhixiu, ich will zurück nach China! Der Ursprung der Kunst liegt ja in unserem Land, in der abgelegenen, atemraubenden Wüste!“
„Ist dein Entschluss nicht undurchdacht? Es sind momentan in China doch überall Kriege!“, erwiderte Chen Zhixiu die Stirn runzelnd.
Chang Shuhong wirkte zu dieser Zeit als prominenter orientalischer Maler in Paris in Frankreich. Er verdiente schon recht gut, weil er von zahlreichen Galerien Aufträge zum Malen angeboten bekommen hatte. Nun wollte er mitten im Krieg ins Heimatland zurückkehren, obwohl sie ein so privilegiertes Leben führten?
Doch die Idee, nach Dunhuang zurückzukehren, hatte bei Chang Shuhong schon Wurzeln geschlagen. Er nahm kurz danach ein Angebot der Nationalen Kunsthochschule in Beiping (heute Beijing) an, wollte zuerst im Heimatland als Hochschulprofessor arbeiten und dann einen Weg finden, nach Dunhuang zu kommen. Unerwartet dauerte allerdings der Rückkehr nach Dunhuang, vor allem wegen Kriegswirren im Heimatland, mehrere Jahre.
Sobald Chang Shuhong die Gründung des Nationalen Instituts für Kunstforschung in Dunhuang, Gansu, abgeschlossen hatte, begann er in erster Zeit begeistert, Leute und Materialien für sein Vorhaben zu organisieren. Jedoch stieß sein Plan auf ablehnendes Echo: Keiner wollte sich dafür anmelden! Der Grund war doch klar: Für alle bedeutete Dunhuang, das in der fernen und trostlosen Wüste Gobi lag, ein karges Gebiet jenseits der Großen Mauer. Wer wollte denn dorthin gehen, um unter der Wüste zu leiden?
„Auch wenn ich allein bleibe, gehe ich nach Dunhuang!“ Chang Shuhong war bereit, allein nach Dunhuang zu gehen, als er den ehemaligen Studenten an der Kunsthochschule Beiping, Gong Xiangli, traf. Gong erklärte sich nicht nur bereit, mit nach Dunhuang zur Forschungsarbeit zu kommen, sondern fand für das Team auch einige Bereitwillige wie Li Zanting.
So machte sich das Team von sechs Männern schließlich auf den Weg. Nach einem entbehrungsreichen und strapaziösen Marsch gelangten sie im März 1943 endlich bis mitten in die Wüste nach Dunhuang …
Draußen vor dem Fenster geht der Mond auf. Chang Shuhong reißt sich von seinen Erinnerungen los. Er tritt aus dem kleinen Zimmer, blickt auf die Tausend-Buddha-Höhle in der Nacht. Der große, volle Mond hängt am Himmel und das weiß-glänzende Licht fällt zart auf seine Schultern.
Chang Shuhong schwört sich heimlich in seinem Herzen: „Dunhuang, ich bin endlich da. Lass mich dich von nun an beschützen!“
*
Am zweiten Tag steht Chang Shuhong ganz früh schon vor den Höhlen. Behutsam schiebt er die vermoderte Tür einer Höhle auf, ist im gleichen Moment vom Entsetzen über die Szene gepackt, die sich vor ihm aufbietet. Die Höhle ist überall vom dicken gelben Sand bedeckt, der jahrelang vom Wind der Wüste hineingeblasen wurde. Manche Statuen sind fast gänzlich vom Sand verschluckt. Bei einer ist gerade noch ein Arm, der sich in den Himmel streckt, zu sehen, scheint verzweifelt nach Hilfe zu rufen: „Komm und rette uns!“
Tief bedrückt läuft Chang Shuhong zur nebenan stehenden Höhle. Diese Höhle, die nicht mal eine Tür hat, sieht noch schlimmer als die Höhle zuvor aus: Die prächtigen Wandmalereien sind alle vom gelben Sand verhüllt.
Die dritte, die vierte, die fünfte Höhle … Chang Shuhong sieht sich in einem Zug alle Höhlen an und muss feststellen, dass keine verschont geblieben ist. Er kann seine Tränen nicht unterdrücken und sagt mit geröteten Augen: „Die Höhlen, in denen sich die tausend Jahre alte glänzende Kunst zeigt, werden schon zu Ruinen!“
Die Mogao-Höhlen in Dunhuang, allgemein bekannt als „die Tausend-Buddha-Höhle“, wurden ab der Früheren-Qin-Periode (351-394 n. Chr.) und durch die Sechzehnkönigreiche (304-439 n. Chr.), die Nördlichen Dynastien (439-581 n. Chr.), Sui-Dynastie (581-618 n. Chr.), Tang-Dynastie (618-907 n. Chr. ), die-Fünf-Dynastien (907-979 n. Chr.), die West-Xia-Dynastie (1038-1227 n. Chr.), Yuan-Dynastie (1271-1368 n. Chr.) und auch in anderen Dynastien erbaut. Die früheste Höhle ist mehr als 1600 Jahre alt, die neueste Höhle besteht auch seit sieben- oder achthundert Jahren. Im Laufe der vielen Jahre hatten die Mogao-Höhlen dabei nicht nur mit den Naturkatastrophen zu kämpfen, sondern litten auch unter den von den Menschen verursachten Zerstörungen.
Abgesehen von den Räubern aus dem Ausland wie Paul Pelliot, die mehrmals offen und heimlich die Grotten ausraubten oder bestahlen, werden die Höhlen auch heute immer noch beschädigt. So laufen Schäfer manchmal in die Höhlen, um einen kühlen Platz im Sommer zu haben, oder sie finden hier einen sicheren Platz vor einem Sandsturm. Manche Eindringlinge machen sogar Feuer und kochen sich Essen, sodass einige Wandmalereien stark verrußt und nicht mehr zu erkennen sind. Auch die Leute, die zur Ausgrabung des Goldsandes im Südgebirge an den Höhlen vorbeireiten, kommen mit ihren Eseln oder Pferden in die Höhlen, um eine Weile zu rasten. Sie bringen ihre Inschriften willkürlich an den Wänden der Höhlen an, auch ihre Tiere scheiden überall aus.
„Um die Mogao-Höhlen zu schützen, müssen wir im ersten Schritt den Treibsand bekämpfen. Der Treibsand soll nicht unbehelligt in die Höhle eindringen, wie es vorher immer der Fall war. Und der beste Weg, den Treibsand zu vertreiben, ist der Bau einer möglichst hohen Erdmauer vor den Mogao Höhlen.“ Die lautlos um Hilfe schreienden Mogao Höhlen schweren Herzens betrachtend, erstellt Chang Shuhong schnell einen Plan.
Eine Erdmauer dient nicht nur zum Abhalten des Treibsands, sondern kann auch verhindern, dass Fremde beliebig in die Mogao-Höhlen reingehen bzw. von dort rauskommen. Aber die Errichtung einer so hohen Mauer ist in der Tat ein großes Projekt, weil sich der ganze Höhlenkomplex über einen Kilometer erstreckt.
Chang Shuhong geht nach dieser Überlegung zum Kreisvorsteher. Der sperrt vor Erstaunen Augen und Mund auf, kann einen Moment überhaupt nichts herausbringen, nachdem ihm Chang Shuhong den Plan erklärt hat.
„Oh mein lieber großer Künstler! Bist du sicher, dass du mir jetzt keinen Witz erzählst?“ Erst nach einer Weile kommt der Kreisvorsteher wieder zu sich. „Wir sind doch in der Wüste. Willst du hier, wo es keine Erde und nur wenig Wasser gibt, eine einen Kilometer lange Mauer mit Erde bauen? Ich möchte dich nicht erschrecken, aber das ist ja unmöglicher, als vor tausend Jahren die Große Mauer zu bauen!“
Chang Shuhong schweigt. Was der Kreisvorsteher sagte, stimmt. Wirft man einen Blick auf die ganze Region in Dunhuang, sieht man ausschließlich Sand, Sand, endlos viel Sand und gar keine Erde. Womit soll man also eine Erdmauer bauen? Doch Chang Shuhong gibt nicht auf, sondern fragt herum, um Rat einzuholen. Die Befragten zeigen die gleiche Reaktion wie der Kreisvorsteher, alle sind verblüfft und schütteln den Kopf.
Eines Tages aber, als Chang Shuhong bedrückt durch Straßen von Dunhuang geht, kommt er an einem Speiselokal vorbei, das mit einem Mauerzaun umgeben ist, der aus purem Sand gebaut wurde. Darin ist keine Erde!
Chang Shuhongs Herz schlägt wild. Er stürmt in das kleine Lokal und ergreift den Arm des Lokalbesitzers. „Herr, können Sie mit Sand Mauer bauen?“
Der Lokalbesitzer blickt voller Unverständnis den hereingestürmten Hitzkopf an und fragt: „Siehst du nicht? Das Wasser in dieser Region hat einen hohen Alkaligehalt, schmeckt bitter und salzig, aber es hat auch seinen Nutzen: Mischt man Sand mit diesem Wasser und stampft man alles fest, dann kann man damit Mauer bauen.“
„Sagen Sie wirklich die Wahrheit?!“ Chang Shuhong schüttelt, sich kaum beherrschend, den Arm des Manns heftig: „Was aber, wenn ich damit eine hohe, lange Mauer bauen will?“ Vor Aufregung drückt Chang Shuhong, der sonst immer vornehm wirkt, mit der Hand den Lokalbesitzer so kräftig am Arm, dass dieser sein Gesicht schmerzhaft verzieht.
„Das liegt doch an dir, bau die Mauer so hoch, wie du willst, so lang, wie du willst. Oh mein Gott, kannst du aber bitte zuerst meinen Arm loslassen?“ Verlegen lässt Chang Shuhong von seinem Gegenüber ab und verbeugt sich tief vor dem Besitzer des Speiselokals.
Nachdem er sich fast die Sohlen abgelaufen hat, findet er jetzt endlich die Lösung!