Die Zeit, in der meine Liebe lebt - Heike Bicher-Seidel - E-Book

Die Zeit, in der meine Liebe lebt E-Book

Heike Bicher-Seidel

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Beschreibung

Um sein Leben zu retten, flüchtet Emron, der halbmenschliche Sohn des Unterdrückers der Menschheit aus dem Jahr 2685 ins Jahr 1988. Er landet im Zimmer der 22-jährigen Politikstudentin Mia. Doch damit ist die Gefahr für Emron nicht gebannt und auch Mia gerät ins Visier der Attentäter. Dem ungleichen Paar bleibt nur eine Zuflucht, die Zukunft. Helos, die komplette Trilogie in einem Sammelband Band 1: Der Anfang des Kreises. Band 2: Bis zum Anfang der Zeit. Band 3: Zwischen den Welten.

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Die Zeit, in der meine Liebe lebt

Helos – Die Trilogie

Heike Bicher-Seidel

Impressum

© 2019 Heike Bicher-Seidel

2. Auflage

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783744819251

Der Anfang des Kreises

HELOS

Band I

Prolog

Helos - 2508 nach Erdzeitrechnung

Haru starrte auf die staubgraue, verdorrte Landschaft vor dem Regierungsgebäude, die unter der unbarmherzig brennenden Sonne flimmerte. Die seit Jahrhunderten stetig ansteigenden Temperaturen auf Helos hatten beinah die komplette Vegetation seines Heimatplaneten zerstört. Nur mit einem enormen technischen Aufwand gelang es, die Bevölkerung am Leben zu halten, aber in den letzten Jahrzehnten häuften sich die Probleme.

Die Energieversorgung war dank der hohen Sonneneinstrahlung kein Problem. Die Forscher hatten es geschafft, Nahrung und andere Waren mit Hilfe von Replikatoren künstlich zu erzeugen, was riesige Energiemengen verschlang. Aber die Helos brauchten mehr, als ihr sterbender Planet geben konnte. Sie benötigten Chlorophyll und es schien wie ein schlechter Witz des Universums, dass trotz des rasanten technischen Fortschritts bisher keine Methode gefunden wurde, wirksames Chlorophyll künstlich herzustellen.

Als auf dem Planeten noch Pflanzen gediehen, betrug die durchschnittliche Lebenszeit eines Helos über vierhundert Jahre, heute war die Lebenserwartung unter der normalen Bevölkerung auf kaum noch einhundert Jahre gesunken. Dazu sank der Anteil an weiblichen Helos immer weiter. Auch Klon-Programme und Geschlechtsselektion von Embryonen hatten diese Entwicklung nicht aufgehalten, da weibliche Föten durch den Mangel an Chlorophyll in den meisten Fällen abstarben. Die letzten Zahlen, die Haru gehört hatte, lagen bei unter zehn Prozent weiblichen Helos. Diese Tatsachen machten ein langfristiges Überleben der Rasse beinah unmöglich. Zumindest war das die in der Forschung vorherrschende Meinung vor Harus Entdeckung.

„Haru, ich habe gehört, Sie kommen mit guten Nachrichten zu mir.“ Der große, dunkelhaarige Mann trug die Uniform des ersten Vorsitzenden des Helosrates. Seine Haut zeigte ein sattes Blau, nicht den blaugrauen Ton der einfachen Bevölkerung. Für die Mitglieder des Rates und ihre Günstlinge gab es noch immer Möglichkeiten, an ausreichend Chlorophyll zu kommen.

„Seid gegrüßt, Vorsitzender Olias. Ich bringe tatsächlich gute Nachrichten.“

Olias bat Haru, den Leiter des Expeditionskommandos, das vor sechs Monaten auf der Suche nach nutzbaren Planeten aufgebrochen war, Platz an dem großen Besprechungstisch in seinem Empfangszimmer an.

„Chlorophyll?“ Olias griff nach einer Karaffe mit einem bräunlich-grünen Getränk.

„Warten Sie.“ Haru holte eine Flasche mit einer sattgrünen Flüssigkeit aus seiner Tasche und füllte damit zwei Gläser.

Der Ratsvorsitzende hob das Glas, betrachte das Chlorophyllkonzentrat gegen das Sonnenlicht und nahm einen Schluck. „Sie haben einen Planeten mit einer Vegetation gefunden, aus der Sie dieses Chlorophyllkonzentrat extrahieren konnten?“

Haru lächelte siegessicher. Wenn er seine Karten jetzt geschickt ausspielte, war er ein gemachter Mann. „Die Klimabedingungen sind ideal, es gibt genug Wasser und die heimischen Pflanzen beinhalten so große Mengen Chlorophyll, dass wir jedem Helos ein beinah unbegrenztes Leben ermöglichen können, wenn das Euer Wunsch sein sollte.“

Olias sah Haru nachdenklich an. Harus Streben nach Macht war legendär, er hätte gern auf seine Hilfe verzichtet, aber Haru war nun mal ein genialer Forscher und Stratege. Ohne ihn hätten sie diesen neuen Planeten vielleicht nie gefunden.

„Alles, was für unser Volk gut ist, ist mir selbstverständlich ein Herzenswunsch. Wie viele Kolonisierungsschiffe werden wir benötigen, um die Chlorophyllproduktion zu starten?“

„Das ist das Beste an dem Planeten. Wir brauchen ihn nicht zu kolonisieren. Der Planet wird von einer intelligenten Lebensform bewohnt, die unseren mentalen Fähigkeiten nichts entgegenzusetzen hat. Geben Sie mir drei Kriegsschiffe mit mental starken Soldaten und ich unterwerfe Ihnen den Planeten innerhalb eines Monats.“

Olias beugte sich interessiert vor. „Über eine wie große Bevölkerung reden wir hier?“

„Unsere Schätzungen liegen bei 15 Milliarden.“

Der Ratsvorsitzende sog geräuschvoll die Luft ein. „Ich glaube wirklich fest an die Fähigkeiten unserer Truppen und selbstverständlich auch an Ihre, Haru, aber 15 Milliarden Lebensformen mit dreihundert Helos kontrollieren zu wollen, ist doch wohl ein etwas zu optimistischer Plan.“

Haru winkte kopfschüttelnd ab. „Das sind selbstverständlich viel zu viele. Wollten wir eine so große Anzahl weiterhin aus den Ressourcen des Planeten ernähren, bliebe keine Fläche für die Chlorophyllproduktion. Wir werden die Bevölkerung daher auf die für die Produktion notwendige Menge herunterfahren. Ich denke, mit 150 Millionen haben wir eine gute Basis, um das Land zu bewirtschaften, Produktionsanlagen aufzubauen und zu betreiben. Die notwendigen Nahrungsmittel für die Arbeitskräfte können wir durch Replikatoren erzeugen, so dass die komplette Fläche des Planeten für den Chlorophyllanbau zur Verfügung steht. Die Energie werden wir aus der Sonneneinstrahlung gewinnen, die zwar nicht sehr stark ist, aber dennoch ausreicht.“

„Sie haben das ja bereits gut durchdacht, scheint mir. Und Sie sind der Meinung, Sie können hundertfünfzig Millionen Lebensformen mental unter Kontrolle halten?“

„Kein Problem. In der Zivilisation ist bereits ein Glaube an eine höhere Macht verankert, den wir für unsere Zwecke nutzen können. Es sind nur minimale Veränderungen der Denkmuster der Lebewesen notwendig und sie werden uns als Götter anerkennen. Erste Versuche haben ergeben, dass wir einen bedingungslosen Gehorsam implementieren und den Lebewesen Aufgaben zuteilen können, die sie dann eigenständig und ohne Gegenwehr ausführen.“

„Das klingt beinah zu schön, um wahr zu sein. Wenn Sie das schaffen, übertrage ich Ihnen den Oberbefehl über den Planeten. Wie nennen Sie ihn?“

Haru lächelte, genau auf diese Reaktion des ersten Vorsitzenden hatte er gehofft.

„Die eingeborene Lebensform nennt ihn Erde.“

Kapitel 1 – Das Attentat

Erde – 2685

Festen Schrittes näherten sich zwei Männer und eine Frau in schwarzen Gardeuniformen dem Palast. Solange sie denken konnten, warteten sie auf diesen Moment - auf den Anfang der Legende ihres Volkes. Ihre Schritte hallten durch die Gänge, als sie unbehelligt den Regierungssitz der Helos auf der Erde durch das weitgeöffnete Haupttor betraten. Niemand nahm von ihnen Notiz, nur ein älterer Mann in weißer Kleidung wechselte einen kurzen Blick mit der Frau, verlangsamte seine Schritte aber nicht.

„Dort“, sagte einer der Männer in Schwarz und zeigte auf die Wand. Die Frau fuhr mit dem Finger eine Fuge zwischen zwei Sandsteinen entlang und fand, was sie suchte. Sie drückte den silbernen, reiskorngroßen Gegenstand hinter ihr rechtes Ohr und warf einen Blick auf die blaue Tür direkt vor ihnen. Der Eingang zum Audienzsaal öffnete sich geräuschlos.

Die beiden Männer, die in dem Saal an einem Tisch saßen, schauten auf. Es war ein Gardist in der gleichen Uniform, wie sie die Eindringlinge trugen und ein großer, blonder Helos in blauer Kleidung.

Die Eindringlinge zogen ihre Schallwaffen und der Gardist sprang auf. Er war wie erwartet nicht bewaffnet und stürzte sich mit bloßen Händen auf den größten Angreifer. Die Frau gab einen Schuss auf ihn ab, aber der Gardist hatte ihre Bewegung bemerkt, wich aus und riss den Eindringling dabei mit zu Boden.

„Shiro!“, rief der Helos und bewegte sich ebenfalls auf die Angreifer zu. Die Frau schoss erneut auf den Gardisten, diesmal verfehlte sie ihn nicht, aber der Treffer hatte nicht die erwartete Wirkung. Er schlug weiter auf den unter ihm liegenden Mann ein und erst ein zweiter Schuss ließ ihn leblos zusammenbrechen.

Der dritte Attentäter zielte mit seiner Schallwaffe auf den Helos.

Mit starrem Blick hielt dieser inne und hob die Hände. „Lasst ihn, er ist nur ein unwichtiger Mensch. Ihr wollt doch zu mir, also sagt, was ihr zu sagen habt.“

„Wir sind nicht zum Reden hier.“ Der Eindringling legte einen Hebel an seiner Waffe um und lächelte siegessicher. Rache war ein süßes Gefühl, dem er sich mit Genugtuung hingab.

Die Augen des Helos wurden groß, als ihm bewusst wurde, dass er durch die Hand eines Menschen sterben würde. Sein Atem beschleunigte, er warf einen Blick zu dem am Boden liegenden Gardisten, dann bewegte er sich langsam rückwärts.

„Tu es!“, schrie die Frau.

Ein blauer Blitz flammte auf, dann war die Stelle leer, an der eben noch der Helos stand.

„Schade, ich hätte es wirklich gern getan“, sagte der Mann und nahm die Waffe herunter.

Die Frau legte ihre Hand auf seine Schulter. „Du bekommst deine Chance, wenn die Zeit gekommen ist. Wir wissen, wo er ist, er entkommt uns nicht.“

Kapitel 2 – Wer bist du?

Erde – 1988

Mia sah blinzelnd zum Radiowecker auf ihrem Nachttisch. 5:14 Uhr, noch lange nicht Zeit, um aufzustehen. Ihr Mund war trocken, der Durst hatte sie wohl geweckt. Sie tappte mit halbgeschlossenen Augen durch das dunkle Zimmer, stolperte und fiel.

„Mist“, murmelte sie und rieb ihr schmerzendes Knie. Verärgert rappelte sie sich auf und schaltete das Licht ein. Sie wandte sich um und schrie auf. Mitten in ihrem Zimmer lag ein Mann.

„Marc“, rief sie nach ihrem Bruder, aber gleich darauf fiel ihr ein, dass er ja geschäftlich verreist und sie allein in der Wohnung war. Allein mit diesem Fremden.

„Hey“, sagte sie, den Blick auf den Mann gerichtet und die Türklinke fluchtbereit in der Hand, aber er rührte sich nicht. Sie sah sich nach etwas um, das sie als Waffe verwenden konnte, fand aber nichts Brauchbares. Mit klopfendem Herz ging sie zwei Schritte auf den Fremden zu. Sein Gesicht war von ihr abgewandt, so dass sie nur seine hellblonden Haare sah. Solch eine auffällige Haarfarbe hatte niemand, den sie kannte.

Sie stieß ihn mit dem Fuß an der Schulter an. „Hallo, aufwachen!“

Er stöhnte leise und Mia wich erschrocken zurück. Tot war er jedenfalls nicht.

Der Mann wandte ihr das Gesicht zu. Mias Mund öffnete sich zu einem Schrei, aber sie brachte vor Schreck keinen Ton heraus. Das Gesicht des Fremden war blau, nicht wie einem Hämatom, richtig blau. Rückwärts bewegte sie sich von ihm fort. Mia spürte ihren Herzschlag bis in die Schläfen. Sie stieß mit dem Rücken gegen die Tür.

Das Geräusch ließ den Fremden auffahren. Unnatürlich leuchtende blaue Augen starrten Mia an und der feststeckende Schrei bahnte sich nun doch seinen Weg nach draußen.

Sie riss die Tür auf und stürzte in den Flur. Raus hier, weg von diesem Monster. Aber bevor sie die Wohnungstür erreichte, warf der Fremde sie zu Boden. Sie strampelte, schrie, aber er drehte dennoch ihren Arm auf den Rücken und hielt sie mühelos unten.

„Lass mich los, du Arsch“, brüllte sie.

„Ruhig!“, knurrte er.

„Du tust mir weh!“

Er verdrehte ihren Arm noch stärker und sie hörte auf zu strampeln.

„Wer bist du?“, fragte er.

„Wer bist du?“, fauchte sie zurück.

Er griff in ihre langen braunen Haare und zog ihren Kopf vom Boden. „Gehörst du zu den Aufständischen?“

„Ich bin Mitglied bei Greenpeace. Aua, nimm deine dreckigen Finger von mir!“

Mit einem geschickten Griff warf er sie herum und fixierte ihre Arme links und rechts neben ihrem Kopf. Kämpferisch starrte sie zu ihm auf.

Die Wut in seinem Blick wich Erstaunen. „Liegen bleiben und nicht bewegen“, sagte er und ließ ihre Handgelenke los. Mia wollte aufspringen, fliehen, aber es funktionierte nicht. Regungslos lag sie da und ließ zu, dass er ihren Kopf nach links drehte und die Haut hinter ihrem rechten Ohr abtastete.

„Wo ist dein Implantat?“, fragte er.

„Mein was?“

Er fasste ihr Kinn und zwang sie, ihn wieder anzusehen.

„Du weißt nicht wer ich bin.“ Er klang erstaunt.

Durch den festen Griff an ihrem Kinn kamen ihre Worte nur genuschelt heraus. „Du bist ein Einbrecher-Arschloch und jetzt raus aus meiner Wohnung oder ich rufe die Polizei!“

Er stand auf und sah sich um, als nähme er die Umgebung zum ersten Mal wirklich wahr. Mia setzte sich auf und schätzte mit einem Blick auf die Wohnungstür ihre Chancen ab, zu entkommen.

„Das hat keinen Sinn, du kannst nicht weglaufen“, sagte er und öffnete die Tür zum Wohnzimmer.

Eine bessere Gelegenheit zur Flucht bekam sie vielleicht nicht mehr. Sie rannte zur Wohnungstür, griff nach der Klinke, konnte sie dann aber nicht herunterdrücken. Sie wollte, aber es ging einfach nicht.

„Was ist mit mir?“, schrie sie entsetzt, bekam jedoch keine Antwort. Stattdessen sah er sich in aller Ruhe auch die anderen Räume der Wohnung an. An der Küchentür winkte er Mia zu sich und sie folgte ihm in den Raum, wo er sich am Tisch niederließ und zu ihr aufblickte. „Setz dich.“

Folgsam ließ sie sich ihm gegenüber nieder. Seit wann bin ich gehorsam wie ein Hund, dachte sie.

Er sah sie mit schräg gelegtem Kopf an. „Wo sind wir hier?“

„In meiner Wohnung. Das siehst du doch.“

„Nebenan ist noch ein Schlafzimmer. Wer wohnt hier sonst noch?“

„Mein Bruder. Er kommt jeden Moment nach Hause. An deiner Stelle würde ich mich aus dem Staub machen, er macht nämlich Kampfsport.“

„Du lügst mich ab sofort nicht mehr an“, antwortete er mit ungehaltenem Blick. „Wann kommt dein Bruder zurück?“

„Frühestens Morgen.“ Mist, warum habe ich das gesagt?, fuhr ihr durch den Kopf.

„Du trägst zwar kein Implantat, aber du kannst meinen Befehlen in meiner Nähe dennoch nicht widerstehen“, antwortete er auf ihre nur in Gedanken geäußerte Frage.

Sie runzelte die Stirn. „Was bist du?“

„Ich bin Emron, ich werde dir nichts tun. Hab keine Angst!“

Seine Worte beruhigten sie tatsächlich oder gehorchte sie nur wieder seinem Befehl? „Was willst du von mir?“

„Nur ein paar Informationen. Wie komme ich hier her?“

„Das weiß ich doch nicht“, fuhr sie ihn an.

„Sind wir auf der Erde?“

„Natürlich sind wir auf der Erde oder sieht das hier aus wie der Mond?“

In seinem Mundwinkel zuckte ein winziges Lächeln, aber es verschwand sofort wieder. Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Im Innenhof des dreistöckigen Gebäudes parkten einige Autos, sonst gab es dort nichts zu sehen, dennoch waren Emrons Augen schockgeweitet, als er sich wieder zu ihr umwandte.

„Welches Jahr ist jetzt?“

„1988“

Geschlagen fiel er zurück auf den Stuhl und sah sie entsetzt an.

Mia beugte sich über den Tisch zu ihm. „Mit welchem Jahr hast du denn gerechnet?“

„2685“

„Willst du mich verarschen? Steckt Marc dahinter?“ Sie griff nach seiner Hand und rubbelte über die blaue Haut, aber die Farbe verschwand nicht.

Er zog die Hand fort und sah sie ärgerlich an. „Das ist Helos-Blau.“

„Was zum Teufel ist Helos-Blau?“

„Ich bin ein Hybrid. Mein Vater ist Helos, meine Mutter war ein Mensch. Die blaue Farbe verschwindet, wenn ich… Sie verschwindet.“ Er rieb seine Stirn und starrte auf den Tisch.

Mia lehnte sich zurück und beobachtete den merkwürdigen Mann, der auf sie nun nicht mehr bedrohlich sondern einfach nur verzweifelt wirkte. „Möchtest du vielleicht einen Kaffee?“

Er nickte ohne aufzusehen.

Froh über die Ablenkung füllte sie die Kaffeemaschine, die das Wasser gurgelnd in den Filter spuckte. Immer wieder warf sie unauffällige Blicke auf ihren merkwürdigen Gast oder Kidnapper oder was auch immer. Die blaue Farbe verblasste tatsächlich. Bis auf diese ungewöhnliche Augenfarbe sah er nun beinah ganz normal aus. Gut, er war ziemlich groß, aber nicht so groß, dass er nicht als Mensch durchging.

Er kann kein Außerirdischer aus der Zukunft sein, so etwas gibt es nicht. Aber was ist er dann?, überlegte sie.

„Ich habe dir die Wahrheit gesagt. Glaub es.“

„Okay“, murmelte Mia, stellte eine dampfende Tasse vor ihm ab und setzte sich wieder zu ihm.

Er schloss die Hände um die heiße Tasse und auch der letzte Rest der Blaufärbung an den Händen verschwand.

„Die Wärme vertreibt die Farbe“, stellte sie fest.

„Ja.“

„Und du bist wirklich ein Außerirdischer?“ Merkwürdigerweise fiel es ihr nun nicht mehr schwer, ihm zu glauben.

„So ist es. Zumindest zur Hälfte.“

„Eine schöne Vorstellung. Außerirdische und Menschen leben in der Zukunft friedlich zusammen und gründen Familien.“

Er erwiderte nichts und nahm stattdessen einen Schluck Kaffee. Vorwurfsvoll sah er auf. „So etwas solltest du nicht konsumieren. Das hat eine aufputschende Wirkung.“

Sie verdrehte die Augen. „Das ist Kaffee, kein Kokain.“

Er trank erneut und versuchte zu ergründen, was die Menschen der Vergangenheit an dieser Droge begeisterte. Der bittere, aromatische Geschmack füllte seinen Mund.

„Du magst Kaffee?“, fragte Mia.

„Scheint so.“ Er lächelte sie über den Rand der Tasse hinweg an. Nun, da er nicht mehr fürchtete, die Attentäter griffen ihn im nächsten Moment erneut an, musterte er sie genauer. Sie war kleiner als die durchschnittlichen Frauen seiner Zeit, hatte lange, braune Haare, die vom Schlaf zerwühlt waren. „Wie alt bist du?“, fragte er.

„Zweiundzwanzig.“

„Wo ist der Rest deiner Familie?“

Sie schlug die Augen nieder. „Es gibt nur noch Marc und mich. Unsere Eltern starben vor fünf Jahren bei einem Autounfall.“

„Das tut mir leid, wundert mich aber nicht. Ich kenne diese gefährlichen Verkehrsmittel deiner Zeit aus historischen Aufzeichnungen.“

Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus, bis sich Mia räusperte. „Ich ziehe mich mal kurz an. Okay?“

Er entließ sie mit einem Nicken und nippte weiter an seinem Kaffee.

Im Flur schlich Mia zur Wohnungstür. Die anfängliche Panik war verschwunden, aber ihr Verstand sagte ihr noch immer, sie solle fliehen. Fort von dem merkwürdigen Fremden. Erneut versuchte sie, die Wohnungstür zu öffnen, aber wieder konnte sie die Türklinke nicht herunterdrücken.

„Das hat keinen Sinn“, hörte sie aus der Küche. Sie ging zurück zur Küchentür. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, aufzustehen, war sich seines Einflusses auf sie scheinbar absolut sicher. Sie presste die Lippen zusammen und ging in ihr Zimmer, um ihren Pyjama gegen Jeans und Shirt zu tauschen.

Sie schlüpfte gerade in die Hose, als er ohne anzuklopfen den Raum betrat und sich suchend umsah. „Ich brauche Zugriff auf euer Informationsnetzwerk.“

„Wir könnten zur Bibliothek fahren.“

Er sah sie nur fragend an.

„Der Campus mit der Uni-Bibliothek ist nur zehn Minuten mit dem Auto entfernt. Ich studiere dort.“

„Du bis in deinem Alter noch Schülerin?“ Er schien erstaunt.

Seine anmaßende Art, ungefragt ihr Zimmer zu betreten, sie hier gegen ihren Willen festzuhalten und ihr nun auch noch zu unterstellen, sie sei zurückgeblieben, ließ Wut in ihrem Bauch brodeln.

„Ich bin keine Schülerin, ich studiere Politik. Lernen die Leute bei euch nichts?“, fauchte sie.

Er ignorierte ihren Tonfall und sah sich stattdessen auf ihrem Schreibtisch um. „Abhängig von den kognitiven Fähigkeiten eines Menschen und der Tätigkeit, die ihm zugewiesen wird, erfolgt die Implantation von Wissen. Für einfache Tätigkeiten ist die Implantation meist mit 10 Jahren abgeschlossen, für anspruchsvollere Aufgaben kann die Implantation bis zum 15 Lebensjahr andauern.“ Er hob ein Buch auf und blätterte darin herum.

„Implantation von Wissen? Bei euch muss man nicht lernen?“

„Die Informationen werden direkt in das Gehirn des Schülers implantiert und Verknüpfungen werden angelegt. Damit sich das Wissen festigt, muss man es aber anwenden. Es gibt daher schon so etwas wie Lernen, es funktioniert nur wesentlich schneller und effektiver.“

Sie trat neben ihn. Ihre Wut wich Neugierde. „Wurde das bei dir auch gemacht?“

„Selbstverständlich, aber im Gegensatz zu den Menschen implantiere ich mir auch heute noch laufend neue Informationen, da ich über umfangreichere Kenntnisse als die Menschen verfügen muss.“

„Warum sprichst du immer von den Menschen, zählst du dich nicht dazu und warum musst gerade du mehr wissen?“

Er legte das Buch zurück. „Ich bin politisch tätig. Bei deinem Studienfach müsstest du verstehen, dass es hierfür wichtig ist, sich in vielen Bereichen auszukennen, damit man keine falschen Entscheidungen trifft“, erklärte er, ohne auf den ersten Teil ihrer Frage einzugehen.

„Bist du sowas wie ein Abgeordneter in einem Parlament?“

Er sah auf sie hinunter, da er sie um mehr als einen Kopf überragte. „Ich vertrete die Interessen der Helos auf der Erde. Da ich zur Hälfte Mensch bin, ist es mir möglich, dauerhaft auf der Erde zu sein, wozu die reinblütigen Helos nur begrenzt fähig sind.“

„Also lebt dein Volk nicht ständig auf der Erde?“

„Länger als ein paar Wochen kann ein Helos nicht hier bleiben, ohne Schaden zu nehmen.“

„Bist du oft auf der Heimatwelt der Helos?“

Emrons Blick verfinsterte sich, offenbar ein wunder Punkt, erkannte Mia.

„Die Umweltbedingungen auf Helos sind anders als auf der Erde. Es ist dort sehr heiß, zu heiß für einen Hybriden wie mich.“

„Gibt es viele Hybriden in deiner Zeit?“

„Nein. Aber wir sprachen davon, ein Terminal eures Informationsnetzwerkes aufzusuchen.“

Kapitel 3 – Emron und die Welt von Mia

Sie fuhren mit Mias Auto, das schon bessere Tage gesehen hatte, zur Universität. Es dauerte eine Weile, bis sie einen Parkplatz fanden. Das umweltschädliche Verkehrskonzept machte auch im Hinblick auf die Handhabung und Bequemlichkeit keinen Sinn, dachte Emron, verkniff sich aber einen Kommentar. Mias Gedanken zeigten schon häufig genug Ärger und die Tendenz zu Widerstand. Er überlegte, sie gefügiger zu machen, verwarf die Idee aber gleich wieder, da ihn ihr aufmüpfiges Wesen amüsierte. Kein Mensch seiner Zeit wagte es in Gegenwart eines Helos, solche Gedanken zu hegen. Seit der Einführung der Implantate vor beinah zwanzig Jahren war auch Emron, der nur über einen Bruchteil der Fähigkeiten eines reinblütigen Helos verfügte, in der Lage, die menschliche Bevölkerung der Erde zu kontrollieren. Aber sie waren zu sorglos gewesen, was die Existenz der Aufständischen deutlich bewies. Sicherheitshalber überprüfte er die Gedanken der Menschen um sie herum, fand aber keine Spur der Angreifer aus dem Palast und auch keine anderen Bedrohungen.

Der Campus war gut besucht. Studenten hetzten zu ihren Vorlesungen, andere standen in Gruppen beisammen und unterhielten sich. Viele, vor allem Frauen, wandten die Köpfe zu Emron um, als sie in Richtung Bibliothek gingen.

„Warum falle ich auf?“, fragte Emron. Er hätte selbst nach der Antwort auf diese Frage in den Köpfen der Passanten suchen können, aber er Unterhielt sich gern mit Mia.

„Wahrscheinlich liegt das an dieser merkwürdigen Kleidung, die du da trägst.“

„Aber es sind hauptsächlich die weiblichen Menschen, die mich anschauen. Mache ich etwas falsch?“

„Nein, du machst nichts falsch.“ Die finden dich nur heiß, dachte sie schmunzelnd.

„Du meinst, die Frauen sind an sexuellen Interaktionen mit mir interessiert?“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Jemanden heiß finden bedeutet doch, man möchte Geschlechtsverkehr mit demjenigen haben. Oder habe ich dich falsch verstanden?“

Verdutzt sah sie ihn an.

„Ich lese deine Gedanken“, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage.

„Raus aus meinem Kopf!“, fuhr sie ihn an.

Er hob beschwichtigend die Hände. „Dann beantworte meine Fragen.“

Verärgert runzelte sie die Stirn. „Na ja, sie wollen vielleicht nicht gleich mit dir ins Bett, aber wer weiß.“

Er grinste. „Bist du auch an sexuellen Interaktionen mit mir interessiert?“

„Nein!“ Mias Wangen glühten dunkelrot.

„Dann ist es für dich in Ordnung, wenn ich auf einige Angebote eingehe?“

Sie sah ihn mit offenem Mund an.

Emron lachte und zog sie an seine Seite. Er legte den Arm um ihre Schultern, diese Berührung schien in der Öffentlichkeit akzeptiert zu sein. Er hatte bereits einige Paare dabei beobachtet. Eine Demonstration der Zugehörigkeit zu Mia, würde die Aufmerksamkeit der weiblichen Menschen wahrscheinlich vermindern.

Sie schüttelte seinen Arm ab.

„Entschuldige. Bin ich dir zu nahe getreten? Wurdest du bereits von deinem Bruder einem Mann übergeben?“

„Ich lasse mir von Marc doch nicht vorschreiben, mit wem ich zusammen bin! Das wäre ja noch schöner.“

„Bist du mit vielen Männern zusammen?“ Er wusste nicht viel über diese Epoche und so gut wie nichts über die Moralvorstellungen dieser Zeit.

Mia wurde rot.

Offenbar war die Moral nicht so locker, wie er bei ihren Worten vermutet hatte.

„Mit vielen würde ich nicht sagen, aber ich hatte natürlich Freunde“, wand sie sich. „Du bist ganz schön neugierig.“

Er lächelte sie an, ihre Verlegenheit war wirklich amüsant. „Du willst nicht, dass ich in deinem Kopf bin, also muss ich Fragen stellen.“

Sie betraten ein großes Gebäude. Das Erdgeschoss war angefüllt mit Regalen voller Bücher, wie sie auch auf Mias Schreibtisch gelegen hatten.

„Hier ist die Bibliothek. Nach welchen Informationen suchst du denn genau?“, fragte sie.

Emron sah sich um. „Ich brauche einen Zugang zum Informationsnetzwerk, um Wissen implantieren zu können.“

„Ich weiß nicht, was du meinst. Wenn du Informationen brauchst, musst du lesen oder jemanden fragen, der es dir erklärt.“

Frustriert fuhr er durch seine Haare. „Bei allen Sonnen, ich bin in der Papierzeit gelandet!“, fluchte er.

„Papierzeit?“

Verärgert zeigte er auf die Regale. „Primitive Informationsspeicherung! Dort etwas zu finden, das mich zurück in meine Zeit bringt, dauert doch Jahrzehnte und die Attentäter kommen ungestraft davon.“

Mia legte die Hand auf seinen Arm. Doch als er sie ansah, zuckte sie erschrocken zurück. Seine Haut trug wieder die blaue Färbung.

Emron sah auf seine Hand und sein Blick verfinsterte sich noch weiter. Dann schloss er die Augen und atmete tief durch. Der Zeitsprung hatte ihn nachhaltiger geschwächt, als er geglaubt hatte, normalerweise wechselte er nicht bei jeder Emotion die Farbe. Er musste sich zusammenreißen, diese Farbwechsel durften ihm in der Öffentlichkeit nicht passieren, da er Menschen ohne Implantat nur in einem begrenzten Radius beeinflussen konnte.

Er verdrängte die Gedanken an die Rebellen. Shiro hatte seinen Vater Haru bestimmt schon benachrichtigt und der kümmerte sich wahrscheinlich nur zu gern um die Verräter. Aber auch der Gedanke an Shiro löste eine blaue Welle aus. Für Emron war es ungewohnt, nicht zu wissen, wie es seinem Adjutanten ging und was er dachte. In seiner Zeit konnte Emron Shiro immer und überall spüren. Sein Vater hatte ihn und Shiro schon als Säuglinge mental miteinander verbunden. Beide wussten zu jeder Zeit, was der andere fühlte, somit war sichergestellt, dass Shiro seine Aufgabe als Emrons Leibwächter stets bestens erledigen konnte. Da Haru Menschen prinzipiell nicht traute, hatte er eine zusätzliche Sicherung in die Verbindung zwischen seinem Sohn und diesem Menschen eingebaut. Shiros Leben war an Emrons geknüpft. Emrons letzter Atemzug würde auch Shiros Tod sein, sein Engagement bei Emrons Schutz war somit garantiert. Umgekehrt galt das selbstverständlich nicht.

Bewusst konzentrierte sich Emron allein auf seine Atmung. Als er die Augen wieder öffnete, war das Helos-Blau verschwunden, aber Mia sah ihn mit schräggelegtem Kopf an. Ein kurzer Blick in ihre Gedanken zeigte, sie hatte Mitleid mit ihm. Er schluckte den Ärger hinunter, ihr so armselig zu erscheinen. Sie meinte es gut, wollte ihm helfen, und zwar ohne dass er sie mental dazu gebracht hatte.

„Wir sollten in deine Unterkunft zurückkehren. Das hier hat keinen Sinn“, sagte er resigniert. Er war in dieser rückständigen Zeit gestrandet und hatte nicht die geringste Ahnung, wie er zurückkehren konnte. Ihm blieb vorerst nichts übrig, als sich unauffällig zu verhalten. Die Menschen durften nicht erkennen, dass er keiner von ihnen war.

*

Nach einer schweigsamen Rückfahrt, auf der Mia immer wieder besorgte Blicke auf den grübelnden Emron warf, betraten sie die Wohnung.

„Warum ruhst du dich nicht etwas aus. Ich kaufe schnell ein paar Sachen ein und koche für uns“, schlug Mia vor.

Emron prüfte, ob das ein Trick war, um zu entkommen, aber Mias Fluchtimpuls war vollkommen verschwunden. Sie war tatsächlich besorgt und sie mochte ihn, stellte er überrascht fest.

„In Ordnung, du darfst gehen.“

Mia schluckte die Bemerkung hinunter, dass sie dafür wohl kaum seine Erlaubnis einholen würde. Aber am Morgen hatte sie die Wohnung nicht verlassen können und auch wenn sie noch immer nicht wusste, wie er das machte, war sie sicher, das lag an Emron.

*

Als Mia von ihrem Einkauf zurückkam, war es ruhig in der Wohnung. Vorsichtig öffnete sie ihre Zimmertür. Emron lag mit geschlossenen Augen und leicht geöffneten Lippen auf dem Bett. Sie nutzte die Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Ohne seinen meist verbissenen Gesichtsausdruck und sein arrogantes Auftreten wirkte er jünger. Sie schätzte ihn auf Mitte Zwanzig, also auf nur wenig älter als sie selbst. Das Auffälligste an ihm waren seine blauen Augen. Sie hatten eine solch intensive Farbe, wie Mia sie noch nie gesehen hatte und erschienen manchmal, als leuchteten sie geradezu. Aber auch mit geschlossenen Augen war Emron eine auffällige Erscheinung. Er hatte markante Gesichtszüge und Lippen, die sich bestimmt weich anfühlten. Er trug die hellblonden Haare an den Seiten kurz, aber das Deckhaar war länger. Einige Strähnen waren ihm in die Stirn gefallen und Mia war versucht, sie zurückzustreichen, wie Emron es häufig tat, aber sie traute sich nicht, ihn zu berühren. Leise schloss sie die Tür hinter sich und ging in die Küche.

Emron schlug die Augen auf und wälzte sich auf den Rücken. Er hatte Mias Gedanken auch während ihres Einkaufs im nahegelegenen Supermarkt die ganze Zeit beobachtet und obwohl er sich zerschlagen fühlte nur gedöst. Sorgen, sie könnte fortlaufen oder ihn verraten, hatte er nicht mehr. Auch ohne seinen Befehl, nicht zu fliehen, wäre sie bei ihm geblieben. Er fand es überraschend interessant, ihr zuzuhören. In seiner Zeit langweilten ihn die Gedanken der meisten Menschen. Emron überlegte, ob Mia anders war, weil sie kein Implantat trug. Sie war ein dickköpfiges und kämpferisches Exemplar. Erst durch seinen expliziten Befehl, ihm zu glauben, hatte sie akzeptiert, dass er aus der Zukunft kam. Ihre Angst war verständlich gewesen, aber inzwischen vollständig verschwunden, auch wenn er sie nicht mehr wie anfangs dämpfte. Dass sie ihm inzwischen vertraute, erschien ihm ein wenig naiv, verursachte andererseits aber auch ein warmes Gefühl in ihm selbst. Es gab nicht viele Menschen, die das bei Emron auslösten.

Obwohl er es seit seiner Ankunft immer wieder vergeblich versucht hatte, suchte er nach Shiro, aber auch diesmal fand er die Gedanken seines Adjutanten nicht. Sattdessen war da nur das Gemurmel von tausenden menschlichen Gedanken um ihn herum. Er suchte darin nach Bildern der Attentäter, blieb aber auch diesmal erfolglos. Waren sie ihm gefolgt? Hatten die Aufständischen seinen Zeitsprung verursacht?

Emron hatte noch nie von einem Zeitreisenden gehört, weder von einem Helos noch von einem Menschen. Er konzentrierte sich auf den Moment des Sprungs. Ein Angreifer hatte auf Shiro geschossen, ihn betäubt. Dann hatte ein anderer Attentäter auf ihn gezielt und die Schallwaffe von Betäubung auf Töten umgeschaltet. Er hatte keine Möglichkeit gehabt, die drei Menschen zu beeinflussen, weil er ihre Gedanken nicht sah, aber der Hass des Mannes, der auf ihn Anlegte, war klar in dessen Gesicht zu lesen gewesen. Er wollte ihn umbringen. Emron war sicher gewesen, zu sterben und dann war er in Mias Zimmer aufgewacht. Je länger er darüber nachdachte, umso weniger glaubte er, die Angreifer hatten den Zeitsprung verursacht. Viel wahrscheinlicher schien ihm, er hatte den Sprung selbst ausgelöst. Aber wie?

Frustriert schloss er die Augen und suchte Mias Gedanken. Sie war in der Küche, putzte Gemüse und dachte an ihn. Es waren positive Gedanken die Emron die Ruhe schenkten, doch noch einzuschlafen.

*

„Mist“, fluchte Mia, ließ den heißen Topfdeckel fallen und hielt die Hand unter kaltes Wasser.

„Alles in Ordnung“, fragte Emron und sie fuhr erschrocken zu ihm herum.

„Schleich dich doch nicht so an.“

„Entschuldige. Hast du dich verletzt?“ Er griff nach ihrer Hand und betrachtete die von der Hitze geröteten Finger. „Das vergeht wieder“, murmelte er.

Sie zog die Hand zurück. „Ich weiß. Tut trotzdem weh.“

Er lächelte sie an und der Schmerz war fort. Erstaunt sah sie auf die noch immer gerötete Hand, dann zu Emron.

„Gern geschehen“, sagte er.

Perplex griff sie nach der bereits geöffneten Flasche Rotwein. „Möchtest du?“

„Gern.“ Er war tatsächlich durstig.

Mias Essen schmeckte überraschend gut, fand Emron, dennoch fühlte er sich nach der Mahlzeit merkwürdig. Er schüttelte den Kopf, um das Gefühl zu vertreiben, aber es änderte sich nicht.

Mia sah ihn besorgt an. „Ist dir nicht gut?“

„Ich weiß nicht, vorhin habe ich mich noch gut gefühlt, aber jetzt ist mir schwindlig. Vielleicht bin ich krank. Ohne Umweltkontrolle fliegen alle möglichen Viren und Bakterien herum.“

Mia schmunzelte. „Das ist nur die Wirkung des Alkohols. Gibt es den bei euch etwa nicht?“

„Du hast mir Drogen gegeben?“ Emron war entsetzt.

„Keine Drogen, nur etwas Wein. Ich wusste ja nicht, dass du nichts verträgst.“

Er lehnte sich zurück und nahm sich vor, zukünftig besser aufzupassen, was er hier konsumierte. Er hatte schon davon gehört, dass Menschen vor der Führung durch die Helos zu Exzessen bei Drogen und anderen Giften neigten. Da Mia offensichtlich nichts dabei fand, ihn zu vergiften, schien der Konsum von Drogen tatsächlich zum gesellschaftlich akzeptierten Verhalten zu gehören.

Sie legte ihre Hand auf seine. „Es tut mir leid. Mir war nicht klar, dass du keinen Alkohol kennst. Ich bin ab sofort vorsichtiger mit den Dingen, die ich dir anbiete.“

„Schon in Ordnung. Ist meine eigene Schuld.“

„Das Gefühl verschwindet nach einiger Zeit von selbst. Komm mit an die frische Luft, dann geht es dir gleich besser.“ Sie zog ihn mit sich auf den schmalen Balkon, den man von der Küche aus betrat.

Emron lehnte sich an die Hauswand und schloss die Augen. Die Sonne hatte die Steine aufgewärmt und sie gaben auch jetzt, nach Sonnenuntergang, noch Wärme ab.

Mia strich über seinen Arm. „Geht’s wieder?“

Er sah in ihr Gesicht und in ihre Gedanken, beides strahlte Zuneigung aus, die Emron ebenfalls empfand. Er legte die Hand an Mias Wange und sie wich nicht zurück als er näher kam. Sie schloss die Augen und er berührte sanft ihre Lippen mit seinen. Er zog sie enger an sich und sie schmiegte sich in seine Arme. Mia erwiderte den Kuss fordernder, als er erwartet hatte, was nicht ohne Wirkung auf ihn blieb. Doch viel zu schnell löste sie sich wieder von ihm.

Mia lächelte zu ihm auf, aber ihr Lächeln gefror. „Was ist mit deinen Augen?“

Er wandte den Blick ab und atmete mehrmals tief durch, erst dann sah er sie wieder an. Seine Augen waren noch immer tiefblau, aber sie hatten das erschreckende Leuchten wieder verloren. Emron ärgerte sich über seine wenig souveräne Reaktion auf diesen simplen Kuss. Es hatte ihm nie an weiblicher Gesellschaft gemangelt, auch wenn es zu seinen Grundsätzen gehörte, seine mentalen Fähigkeiten nicht dazu einzusetzen, eine Frau zum Sex zu überreden. Es gab in seiner Welt mehr als genug Frauen, die nur allzu gern bereit waren, das Bett mit ihm zu teilen, aber Mia war anders. Ihr Schreck beim Anblick seiner Augen zeigte deutlich, wie stark er körperlich auf sie reagierte. So etwas war ihm schon ewig nicht mehr passiert.

„Möglicherweise liegt es an dem Zeitsprung. Vielleicht sollten wir besser Schlafen gehen“, murmelte Emron. Er fühlte sich tatsächlich noch immer müde, seine aufglühenden Augen hatte damit allerdings nichts zu tun.

„Okay.“

Mia schob Emron ins Bad und drückte ihm eine Zahnbürste in die Hand. Als er sie fragend ansah, demonstrierte sie ihm den Gebrauch und ließ ihn dann allein.

Sie zog ein Nachthemd an und legte Kissen und Decke für Emron auf das Sofa im Wohnzimmer. Als sie zurück in ihr Zimmer kam, hatte er es sich allerdings schon in ihrem Bett gemütlich gemacht.

„Äh…, ich hatte für dich ein Bett im Wohnzimmer vorbereitet.“

Emron schlug die Decke zurück und stand auf. Er hatte den Körper einer Statue, nur blauer.

„Geht es dir nicht gut? Bist du krank?“ Sie legte ihre Hand an seine Stirn. Er fühlte sich kühl an, viel zu kühl.

„Ich bin nur müde, kein Grund zur Sorge.“

„Los, leg dich wieder ins Bett, ich komme gleich.“

Er schlüpfte wieder unter ihre Decke und Mia ging mit klopfendem Herz ins Bad.

Auf dem Rückweg blieb sie vor ihrer Zimmertür stehen. Es war eigentlich nicht ihre Art, schon am ersten Abend mit einem Mann im Bett zu landen. Außerdem konnte er genauso plötzlich, wie er in ihrem Zimmer gelandet war, auch wieder verschwinden. Sich zu verlieben war eine ganz schlechte Idee. Aber in einem Bett zu schlafen bedeutete schließlich noch lange nicht, dass sie auch Sex haben würden. Genau, sie würden einfach nebeneinander liegen und schlafen. Sie atmete noch einmal tief durch und betrat den Raum. Möglichst weit von ihm entfernt drehte sie ihm im Bett den Rücken zu. Emron legte den Arm um ihre Taille und zog sie wie selbstverständlich an sich. Sein Körper war eiskalt.

„Ist das mit der Farbe und deiner Körpertemperatur immer so, wenn du müde bist?“, fragte sie.

„Ich lebe den größten Teil des Jahres in wärmeren Zonen, da ist der Ausgleich meiner Körpertemperatur kein Problem.“

„Und was tust du, wenn es kälter ist?“

„Am liebsten das hier.“ Sie hörte sein Grinsen.

„Hast du zu Hause eine Freundin?“

„Du meinst eine Gefährtin? Nein, habe ich nicht.“

„Aber wer…“, sie beendete den Satz nicht, weil sie nicht neugierig wirken wollte.

„Es gibt genug Frauen, die gern mein Bett wärmen. Kannst du dir das nicht vorstellen?“

Neugierig oder nicht. So ein Macho-Spruch ging gar nicht. „Du nimmst dir jeden Abend eine andere mit ins Bett?“

„Warum fällt es dir schwer, zu glauben, dass manche Frauen gern mehrmals bei mir liegen?“

„Aber du führst außerhalb des Bettes keine Beziehung mit diesen Frauen? Sie sind nicht deine Gefährtinnen?“

„Genau.“

Mia verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mit einem Schnauben an die Decke.

„Möchtest du wissen, ob ich mit den Frauen auch Sex habe?“, fragte er.

Sie sah ihn an. „Und, hast du?“

„Manchmal.“

Sie schwang die Beine aus dem Bett, wollte nicht ein weiteres seiner Betthäschen sein, aber Emron zog sie wieder an sich.

„Ich weiß, du begehrst mich“, flüsterte er.

„Halt dich aus meinen Gedanken raus!“

„Ich weiß auch, dein Verstand sagt dir, du solltest keinen Sex mit mir haben und ich werde dich nicht dazu überreden.“

Warum nicht?, dachte sie. Erschrocken sah sie ihn an und sein Schmunzeln bestätigte, er hatte ihren Gedanken gehört. Sie spürte die aufsteigende Röte in den Wangen.

„Weil du recht hast. Ich muss zurück in meine Zeit und ich kann dir nicht sagen, wann ich verschwinden werde. Es wäre nicht fair, dich dazu zu bringen, dich an mich zu binden … Auch wenn ich das gerne möchte.“

Es war ihr peinlich, vor ihm keine Geheimnisse haben zu können, andererseits gab es bei Emron dadurch auch keine Notwendigkeit, sich zu verstellen. Entweder mochte er sie, wie sie war, oder eben nicht und sie konnte daran nichts ändern.

„Ich will nicht, dass du gehst“, murmelte sie.

„Ich weiß.“ Emron strich über ihre Wange, dann küsste er sie. Mia legte die Arme um seinen Hals und intensivierte den Kuss, aber er löste die Lippen von ihren.

„Schlaf, Mia.“ Er küsste ihre Stirn, löschte das Licht und Mia drehte ihm wieder den Rücken zu.

Sie starrte in die Dunkelheit. Glaub nicht, ich weiß nicht, was du tust. Gute Nacht, du verdammter, manipulativer Bastard, dachte sie.

„Dir auch eine gute Nacht, Mia.“

Sie hoffte, sie würde nicht allzu lebhaft träumen und ihm auch noch im Schlaf ein buntes Unterhaltungsprogramm liefern.

Kapitel 4 – So bin ich

„Mia, warum liegt Bettzeug im Wohnzimmer?“ Marc, Mias vier Jahre älterer Bruder, blieb überrascht im Türrahmen stehen. „Oh, Entschuldigung.“ Schnell schloss er die Tür wieder.

Seine Schwester hatte schon einige Beziehungen und ihre Freunde waren auch über Nacht geblieben, aber nie hatte sie jemand bereits am ersten Abend mit heim genommen. Wenn sie den Kerl schon länger gekannt hätte, hätte sie ihm mit Sicherheit von ihm erzählt. Auch das Kopfkissen und die Decke auf dem Sofa im Wohnzimmer legten die Vermutung nahe, dass er eine neue Bekanntschaft war, sie scheinbar aber ursprünglich nicht vor hatte, ihn in ihr Bett zu lassen. Aber so, wie sie sich an den Mann schmiegte, schien sie mit der Situation ganz zufrieden zu sein. Mit missmutigem Blick kochte er Kaffee, den hatte er nach dem Schreck nötig.

„Hey Marc, du bist ja schon wieder zurück.“ Mia tappte verschlafen in die Küche und stellte den Wasserkocher an.

„Trinkt er Tee oder Kaffee?“, fragte Marc.

„Kaffee.“

„Aha, das weißt du also schon. Kennst du ihn schon länger?“

„Nein, erst seit gestern.“

„Du nimmst einen fremden Kerl aus dieser Kneipe mit nach Hause?“ Marc war fassungslos.

„Ja“, antwortete Mia. Sie hatte zwar gestern gar nicht in dem Lokal gearbeitete, in dem sie an drei Abenden pro Woche kellnerte, aber die Wahrheit glaubte ihr Marc ja doch nicht.

„Bist du wahnsinnig? Du wusstest doch, ich war nicht da. Was hättest du gemacht, wenn er ein Verrückter gewesen wäre? Niemand hätte dir geholfen.“

„Oh Marc, jetzt beruhig dich mal wieder. Mir ist nichts passiert und Emron ist nett.“

„Was ist das denn für ein merkwürdiger Name. Kommt er nicht von hier?“

„Nicht direkt von hier. Sei nett zu ihm, ich mag ihn.“

„Ja, ja, ich gebe mir Mühe. Aber sowas machst du nicht nochmal!“

„Als ob ich alle zwei Tage einen neuen Mann anschleppen würde. Reg dich mal wieder ab.“ Sie hasste es, wenn er sich wie ihr Vater aufspielte.

„Er hat aber recht“, sagte Emron hinter ihr. Er trug nur seine Hose. „Hallo, ich bin Emron. Du bist Mias Bruder?“ Er reichte Marc die Hand.

„Marc“, sagte dieser und schlug nach kurzem Zögern ein.

Die Kaffeemaschine blubberte, Marc füllte drei Becher und stellte sie auf den Küchentisch.

Oh nein, dachte Mia, ihr Bruder wollte Emron verhören, das musste sie auf jeden Fall verhindern. „Emron, wir sind gestern so spät heimgekommen, bist du nicht noch müde?“ Hinter Marcs Rücken gestikulierte sie in Richtung Tür.

„Nein, ich habe genug geschlafen. Vielen Dank für deine Sorge.“

Immer las der verdammte Alien ihre Gedanken, aber wenn es wichtig war, tat er es natürlich nicht. Mia setzte sich missmutig zu den Männern.

Marc betrachtete Emron mit gerunzelter Stirn. Unter Mias Bekannten waren einige schräge Typen, vor allem die aus ihrer Greenpeace Gruppe, aber der hier schien ihm noch zehn Klassen merkwürdiger.

„Mia sagt, du kommst nicht von hier?“ Theoretisch wusste Marc, Mia war erwachsen, aber der Beschützerinstinkt gegenüber seiner kleinen Schwester lief häufiger Amok.

„Das ist richtig und es ist nett von Mia, und selbstverständlich auch von dir, dass ich ein paar Tage bleiben darf.“

Marc warf Mia einen empörten Blick zu, die unschuldig in ihrer Tasse rührte.

„Wenn sie das angeboten hat. Aber du schwänzt deshalb nicht die Vorlesung!“, schnauzte Marc Mia an.

„Oh Marc, du bist die schlimmste Glucke der Welt!“ Sie verdrehte die Augen. „Außerdem hatte ich gar nicht vor, zu schwänzen. Emron ist beruflich politisch tätig, er kann als Gasthörer mitkommen.“

Marc wandte sich wieder ihrem Gast zu. „Du bist einer von diesen Weltverbesserern, mit denen meine Schwester rumhängt?“

Emron war verwirrt. Die Welt zu verbessern schien ihm positiv zu sein, warum benutzte Marc diese Bezeichnung als Schimpfwort?

„Du solltest besser mal zu einem unserer Treffen mitkommen, dann würde dir endlich klar, welche Verbrechen dein verdammter Arbeitgeber der Umwelt antut!“, regte sich Mia auf.

Emron lehnte sich zurück und trank seinen Kaffee.

„Stell dir vor, Marc arbeitet für einen Energieversorger, der Atomkraftwerke betreibt!“, wandte sich Mia jetzt an Emron. Das Wort Atomkraftwerke spuckte sie angewidert aus.

„Oh, das ist schlimm“, versuchte er, eine akzeptable Antwort zu geben, scheiterte mit dem halbherzigen Versuch jedoch in beiden Richtungen.

„Selbstverständlich ist das schlimm!“, empörte sich Mia.

„Warum sollte das schlimm sein?“, fragte Marc.

„Ich geh dann mal ins Bad“, sagte Emron. Das Thema Energiegewinnung schien in diesem Haus ein Minenfeld zu sein.

„Was soll das?“ Marc hielt seine Schwester fest, bevor sie ihm entwischte.

„Was ich mache, geht dich absolut nichts an! Ich rege mich ja auch nicht auf, wenn du mal wieder eine von deinen Püppchen anschleppst.“

„Mia, der Typ ist merkwürdig. Ich traue ihm nicht.“

„Du siehst in mir immer noch ein Kind, das bin ich aber nicht mehr. Ich bin eine erwachsene Frau und entscheide selbst, mit wem ich zusammen bin.“

„Das weiß ich, aber es ist doch sonst nicht deine Art, gleich beim ersten Treffen mit einem Kerl Sex zu haben.“

„Wir hatten keinen…“, sie sprach nicht weiter, das war kein Thema, das sie mit ihrem Bruder besprechen würde. Sie schüttelte seinen Arm ab und stapfte in ihr Zimmer, während im Bad die Dusche rauschte.

Marc schlug die Tür seines Zimmers hinter sich zu. Sollte Mia doch sehen, was sie von ihrem unvorsichtigen Verhalten hatte. Keine Sekunde glaubte er, dass sie nicht mit Emron geschlafen hatte, so wie sie den Kerl anschmachtete.

Mit nassen Haaren kam Emron in Mias Zimmer. Sie war dabei aufzuräumen. Aus jeder ihrer Bewegungen sprach Wut.

„Mein Bruder ist so ein arroganter Idiot!“, schimpfte sie. Der Mia-Orkan galt also nicht ihm, stellt Emron mit einer Spur Erleichterung fest.

„Er macht sich Sorgen um dich. Obwohl er ja ansonsten recht leichtfertig mit deiner Sicherheit umgeht.“

„Wie kommst du denn auf die Idee?“

„Er lässt zu, dass du nachts an einem Ort arbeitest, an dem Drogen verkauft werden.“

„Was?“

„Marcs Gedanken zu diesem Ort waren ziemlich deutlich.“

Das waren die falschen Worte, erkannte Emron zu spät.

„Ich brauche keinen Aufpasser. Nicht meinen Bruder und nicht dich. Und ich werde mich ganz gewiss nicht dafür entschuldigen, auf eigenen Beinen zu stehen und Geld zu verdienen.“

Emron hob beschwichtigend die Hände. „Wenn du dort nur wegen des Geldes arbeitest, werde ich dir Geld besorgen.“ Er kannte das Konzept des Handels, mit dem die Menschen vor den Helos gelebt hatten, aus historischen Aufzeichnungen.

„Und wie willst du das machen? Jemand mit deinen Voodoo-Kräften ausrauben? Ich würde niemals gestohlenes Geld annehmen.“

Das hatte er auch nicht in Betracht gezogen, da er ihren Gedanken längst entnommen hatte, dass Mia hohen moralischen Grundsätzen folgte.

„Woher bekommst du dein Geld?“, fragte er, um eine für sie akzeptable Möglichkeit zu finden, an Geld zu kommen.

„Ich arbeite!“

„Das meine ich nicht. Woher bekommst du die Papierstreifen und Münzen.“

„Von der Bank.“

„Dann holen wir dir dort Geld.“ Die simplen Lösungen waren doch immer die besten, dachte er zufrieden.

Mia warf das letzte herumliegende Kleidungsstück in den Wäschekorb und sah ihn an. Ihre Wut war verflogen. „Auch das Geld dort gehört jemandem und der Bankangestellte, den du dazu bringen würdest, dir Geld zu geben, bekäme riesigen Ärger. Das ganze Geld dort ist genau registriert und es fällt auf, wenn nur eine Mark fehlt.“

„Dann lasse ich eben neues Geld für dich machen, das noch niemandem gehört.“

Sie lächelte. „Ja, wenn du das schaffst, bist du mein Held.“

Mia nahm den Wäschekorb und ging ins Bad. Dort startete sie die Waschmaschine und stellte sich anschließend unter die Dusche.

Mia war froh, dass sich Marc in seinem Zimmer verbarrikadierte und nicht zum Frühstück hinauskam. Am besten verbrachten sie den Tag nicht in der Wohnung. Je weniger Gelegenheit Marc hatte, Emron mit Fragen zu löchern, umso besser.

„Würdest du gern im Park spazieren gehen? Es wird heute sicher warm“, fragte sie.

„Sehr gern. Wenn ich mich von der Sonne wärmen lassen, muss ich mir keine Frau suchen, die das übernimmt.“

Mia verschluckte sich an ihrem Kaffee und hustete.

„Das war ein Scherz“, sagte er lächelnd.

„Du hältst dich wohl für wahnsinnig schlau.“

„Selbstverständlich.“

„Eingebildeter Macho-Schlumpf. Los, gehen wir, bevor ich dich doch noch meinem Bruder zum Fraße vorwerfe.“

Der Park lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Emron griff nach ihrer Hand und sie schlenderten über eine große Rasenfläche auf einen Hügel zu.

„Möchtest du rauf? Von oben hat man einen schönen Blick“, schlug sie vor. Er nickte und sie stiegen die Stufen bis zur Aussichtsplattform hinauf. Oben standen vier Bänke, auf einer saß ein knutschendes Pärchen.

„Wolltest du deshalb mit mir hier rauf?“ Er grinste.

Mia wurde rot. „Ich knutsche nicht in der Öffentlichkeit.“

„Wenn du lieber allein mit mir bist, kein Problem.“

Das Pärchen verließ den Hügel.

Mia sah ihn kopfschüttelnd an. „Du solltest die Menschen nicht beeinflussen. Was, wenn jemand etwas merkt?“

„Keine Angst. Die beiden haben gerade beschlossen, einen anregenden Tag bei ihm zu verbringen. Ich habe also niemandem geschadet.“

Mia setzte sich auf eine Bank und wandte das Gesicht der Sonne zu, die an diesem frühen Nachmittag von einem strahlendblauen Himmel schien. Emron nahm neben ihr Platz und genoss die Wärme der Sonne und von Mia, die sich in seinen Arm schmiegte, während er die Umgebung durch die Augen der Menschen im Park beobachtete.

„Hast du schon einen Plan, um den Weg zurück in deine Zeit zu finden?“, fragte sie. Sie waren noch immer allein auf der Plattform, obwohl die Wiese unten von Spaziergängern und Sonnenanbetern bevölkert war. Mia vermutete, dass die Menschen erst wieder Lust auf die Aussicht bekamen, wenn Emron den Hügel verließ.

Er fuhr mit den Fingern durch seine Haare. „Nein, ich habe absolut keine Idee. Ohne digitale Informationen habe ich nicht mal Zugriff auf das beschränkte Wissen deiner Zeit.“

„Erzähl mir genau, was passiert ist. Dabei kommt dir vielleicht eine Idee und eventuell habe ich, obwohl ich nur über das beschränkte Wissen meiner Zeit verfüge, ja auch einen Einfall.“ Sie hörte selbst, sie klang schnippisch, aber seine Überheblichkeit regte sie wirklich auf.

„Ich wollte dich nicht beleidigen, ich weiß, du bist intelligent. Zumindest für einen Menschen.“ Er grinste herausfordernd, doch es war tatsächlich keine schlechte Idee, seine Gedanken laut auszusprechen, überlegte er.

Mia verdrehte die Augen.

„Ich war mit meinem Leibwächter Shiro zusammen, als drei Menschen unaufgefordert den Raum betraten, was nicht möglich sein sollte.“

„Warum sollte das nicht möglich sein?“

Er tippte an seine Schläfe.

„Oh, natürlich“, sagte sie.

„Sie hatten Schallwaffen dabei und richteten sie auf meinen Leibwächter und mich. Ich habe versucht, sie mental unter Kontrolle zu bringen, aber ich konnte sie nicht fassen. Shiro hat sich auf den größten der Gruppe gestürzt und ihm die Waffe aus der Hand geschlagen, ein anderer hat auf ihn geschossen.“

„Oh nein, meinst du, er ist tot?“

„Er wurde nur betäubt, ich wüsste, wenn der Treffer tödlich gewesen wäre.“

„Woher?“

„Wir haben eine besondere Verbindung. Shiro weiß, was ich fühle, bemerkt also sofort, wenn ich in Gefahr bin und ich fühle ihn ebenso, auch wenn ich mich nicht speziell auf ihn konzentriere.“

„Ist er ein Hybride wie du?“

„Nein, Shiro ist nur ein Mensch, wir sind aber gemeinsam aufgewachsen. Du kennst ja mein Problem, die Körpertemperatur konstant zu halten, deshalb haben sie uns schon kurz nach unserer Geburt zusammen in eine Wiege gelegt.“

„Er ist so etwas wie dein Adoptivbruder?“, fragte Mia.

„Ich sagte, er ist nur ein Mensch. Er ist mein persönlicher Adjutant und erster Offizier der Garde.“

„Kommt es oft vor, dass du Menschen nicht erfasst?“

„Nein, nicht wenn sie mir so nah sind.“ Er sah frustriert auf die Spaziergänger am Fuß des Hügels.

„Wie ist das mit Helos, kannst du die erfassen?“

„Ich kann weder die Gedanken von Helos lesen, noch ihre Handlungen beeinflussen.“

„Na dann sind die Angreifer eben Helos“, sagte Mia.

„Es waren Menschen, da bin ich sicher.“

„Dann eben Hybriden. Du siehst doch auch wie ein Mensch aus.“

„Das ist unmöglich.“

„Warum, weil jemand mit den Super-Helos-Genen so etwas nicht tut?“, fragte sie herausfordernd.

„Nein, es gibt einfach keine weiteren Hybriden, ich bin der Einzige.“

„Das kannst du doch gar nicht wissen. Auch andere Helos können sich in Menschen verliebt und Kinder bekommen haben.“

„Du verstehst das nicht!“ Er stand auf, hatte das Bedürfnis, sich zu bewegen.

„Dann klär mich dummen Menschen doch mal auf, oh allwissender Emron.“ Langsam ging ihr seine arrogante Geheimniskrämerei wirklich auf den Keks.

„Mein Vater hat sich nicht in meine Mutter verliebt, das entstammt nur deiner naiv-romantischen Fantasie. Sie war Versuch Nummer 1478, um einen Hybriden zu erschaffen. Alle 1477 Versuche davor sind gescheitert.“

„Du kennst nicht mal ihren Namen?“ Sie sah ihn entsetzt an.

„Warum sollte ich, sie hat nur den minderwertigen Teil meiner DNA geliefert, sonst habe ich nichts mit ihr zu tun.“

„Aber sie hat dich doch ausgetragen, oder nicht?“

„Ja, hat sie. Die Geburt hat sie aber nicht überlebt.“

„Das tut mir so leid.“

Ihr mitleidiger Blick regte Emron noch mehr auf. „Warum? Sie hätte keine weiteren Hybriden gebären können, sie war wertlos.“

„Das meinst du nicht so. Das ist nur dein Versuch, mit ihrem Verlust fertig zu werden.“

Emron griff ihren Arm und zog sie zum Rand der Plattform. „Siehst du die Menschen da unten?“

Mia sah hinunter und die Spaziergänger fielen in einer synchronen Bewegung auf die Knie, legten die Stirn auf die Erde und streckten die Arme mit nachobengerichteten Handflächen nach vorn aus.

„So sieht meine Welt aus. Ich bin ihr Herr, ihr Gott!“ Schmerzhaft gruben sich seine Finger in ihren Oberarm.

Sie sah ihn mit großen Augen an.

„Und so fühlt es sich an, ein Mensch meiner Zeit zu sein.“ Er ließ sie los und sie fiel in der gleichen Haltung zu Boden.

„Emron, bitte, tu das nicht.“ Ihre Stimme war kaum zu hören.

Er wandte sich ab und der Bann war gebrochen.

Die Menschen im Park standen auf, verwirrt sahen sie sich um. Mia kniete mit tränennassen Wangen am Boden. Emron fuhr mit den Händen durch seine Haare und schloss die Augen. Er hätte das nicht tun dürfen. Mias entsetzter Blick brannte in seinem Kopf.

„Komm, steh auf.“ Er reichte ihr die Hand und sie ließ sich von ihm auf die Beine ziehen. Schweigend folgte sie ihm den Hügel hinunter und zurück in ihre Wohnung.

*

Thomas Felten, der eben seine Fotoausrüstung für eine Reportage zusammensuchte, die er für das örtliche Klatschblatt schrieb, starrte mit offenem Mund aus dem Fenster seiner Wohnung in der fünften Etage auf den Park. Er nahm die Kamera hoch und schoss eine Serie von Fotos von den auf Knien liegenden Menschen unter ihm und davon, wie sie sich nach kurzer Zeit wieder erhoben. Dann griff er sein Tonbandgerät und das Mikrofon und rannte die Treppe hinunter. Diese Fotos zusammen mit den Interviews der Leute würden seine Eintrittskarte als fester Mitarbeiter in die Redaktion werden, da war er sicher.

*

Drei blaue Lichtblitze flammten in einem kleinen Wäldchen am Rande des Parks auf. Da sich die Menschen im Park noch immer über das eben Erlebte unterhielten, bemerkte niemand das Erscheinen der drei Attentäter, die Emron und Mia mit Blicken folgten. Einer hob seine Waffe und zielte damit auf Emron.

„Warte, Niro“, sagte die Frau und zog einen Scanner heraus, den sie in Emrons Richtung hielt.

„Nicht schießen, es ist zu früh. Wir folgen ihm und stellen fest, wo er sich verkrochen hat. Wir beseitigen ihn später.“

Kapitel 5 – Bruder

Marc horchte an Mias Tür bevor er klopfte und hineinschaute. Niemand war da, was ihn erleichterte. Er hatte keine Lust, sich weiter mit Mia zu streiten und auf die Gesellschaft ihres merkwürdigen neuen Freundes verzichtete er gern.

Als er die Wohnungstür hörte, sah er sich um. Mia kam mit rotgeweinten Augen herein, Emron folgte ihr mit betretener Miene. Bei Marcs Anblick straffte er seine Haltung, strahlte pure Arroganz aus.

„Was hat er getan?“, fragte Marc und zog seine Schwester zu sich, weg von Emron, der ihm immer unsympathischer wurden.

„Nichts!“, maulte sie und löste sich aus dem Griff ihres Bruders.

Marc funkelte Emron an, der Mia stumm in ihr Zimmer folgte.

„Es tut mir leid, ich sollte gehen und dich in Ruhe lassen“, sagte Emron, als sie allein waren.

„Ich will nicht, dass du gehst. Das da eben im Park, das warst nicht du.“

„Doch, genau das bin ich. Das würde dir jeder aus meiner Zeit bestätigen.“

„Auch Shiro?“

Emron setzte sich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. „Besonders Shiro.“

Sie trat vor ihn und legte ihre Hand an seine Wange. Er schmiegte sich in ihre Berührung.

„Du bist fürsorglich, nutzt nicht mal meine Schwäche für dich aus, obwohl du mich gestern leicht hättest überreden können“, sagte sie.

„Ich weiß.“ Er zog sie auf seinen Schoß.

„Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Ihre Stimme war kaum hörbar.

„Das solltest du nicht.“ Er strich ihr langes braunes Haar hinter ihr Ohr. „Ich weiß doch gar nicht, wie es weitergeht. Wer weiß, was den Zeitsprung ausgelöst hat, ich könnte jeden Moment zurückspringen.“

Sie berührte seine Lippen mit ihren, glitt mit den Fingern durch sein blondes Haar. „Ein Grund mehr, nicht zu gehen. Wenn du plötzlich zurück in deine Zeit springst, will ich nicht bereuen, unsere gemeinsame Zeit verschwendet zu haben“, flüsterte sie.

Er trug sie zum Bett und bedeckte ihren Körper mit seinem. Sie schob ihre Hände unter sein Shirt und strich über Emrons Rücken. Als er sie ansah, glühten seine Augen dunklblau. Er zog das T-Shirt aus, dann öffnete er ihre Bluse.

„Eure Kleidung ist unpraktisch, so viele Knöpfe“, flüsterte er.

„Dann ziehe ich sie besser aus.“

„Wenn du mit den Folgen deiner Handlungen leben kannst.“ Er küsste ihren Hals, atmete ihren Geruch ein und fühlte die Wärme ihrer Haut, dann ließ er ihr mehr Raum, damit sie ihre Kleidung loswerden konnten.

Sie stand nicht unter seiner Kontrolle, hatte seine Helos-Seite gesehen und wollte ihn dennoch. Ihn, Emron, nicht den Herrscher, den Gott. Er küsste sie behutsam, aber Emrons Zärtlichkeit wurde von Mias Leidenschaft verdrängt. Seine Haut schimmerte blau und sie spürte seine Erregung.

„Ich glaube, blau ist meine neue Lieblingsfarbe“, raunte sie.

„Dann ist meine Lieblingsfarbe rot. Dein Gesicht ist wesentlich häufiger rot als meines blau.“ Er lachte leise und griff ihre Handgelenke, als sie versuchte, ihn für diese Frechheit zu boxen.

Aufreizend rieb er sich an ihrer Mitte, während er lächelnd Ihre Hände auf das Bett drückte. Er genoss es, ihren beschleunigten Atem zu hören, ihren Blick zu sehen, der von Begehren sprach. Er drang nur wenig in sie ein und ihr Körper bäumte sich unter seinem auf.

„Was mache ich nur mit so einem ungehorsamen Menschen, der die Hand gegen seinen Herrn erhebt?“

„Ich bin eine emanzipierte Frau und habe ganz bestimmt keinen Herrn.“ Sie biss in seine Unterlippe.

Er drehte sich mit ihr auf den Rücken, so dass sie rittlings auf ihm saß. „Na dann, tu was du nicht lassen kannst, kleiner Mensch.“

Sie beugte sich zu ihrem Nachttisch und holte ein Kondom aus der Schublade.

„Was ist das?“, fragte er.

„Äh, ich will nicht schwanger werden und ich nehme nicht die Pille.“

„Ich kann dich nicht schwängern. Ich bin kein Mensch, schon vergessen?“

„Es wäre mir dennoch lieber.“

„Wie du willst.“

Er beobachtete mit gerunzelter Stirn, wie sie ihm das Kondom überstreifte. Dann hob sie ihr Becken und nahm ihn langsam in sich auf. Emron sah mit geöffneten Lippen, wie sie sich auf ihm bewegte. In seiner Zeit gab es keine Frauen wie Mia. Sie war frei, ihre Gedanken folgten nur den von ihr eingeschlagenen Wegen. Sie stand unter keiner Kontrolle und daher waren ihre Gefühle so wertvoll. Alles, was sie für ihn fühlte, hatte seinen Ursprung allein in ihr selbst. Er tauchte in ihren Geist ein wie in ihren Körper, ließ sich von ihrem Begehren und ihren Gefühlen zu ihm überschwemmen. Als er das Beben ihres Körpers fühlte, zog er sie auf seine Brust und ergoss sich in ihr.

Sie lagen eng aneinandergeschmiegt unter der Decke. Niemals hatte sich Emron so zufrieden und erfüllt gefühlt, wie hier mit Mia in diesem primitiven Zeitalter. Der Gedanke, keinen Weg zurück in die Zukunft zu finden, verlor seinen Schrecken, nur Shiro fehlte ihm. Aber für den Fall, dass er doch zurücksprang, musste er Vorkehrungen treffen. Er würde Mia beschützen, dafür sorgen, dass sie in Sicherheit war, auch wenn er vielleicht nicht mehr bei ihr sein konnte. Vor allem durfte sie sich nicht mit ihrem Bruder entzweien. Marc war ihr bester Schutz in dieser Welt, in der es aufgrund der fehlenden Helos-Kontrolle so viel Brutalität, sogar Kriege, Morde und Vergewaltigungen gab. Auch musste er verhindern, dass sich Mia weiterhin beim Verteilen von Drogen in Gefahr brachte, nur um Geld zu verdienen. Er musste ihr dringend so viel davon besorgen, dass sie die gefährliche Arbeit aufgab. Vielleicht sollte er ihr eine Leibwache beschaffen, überlegte er. Bei dem Gedanken an einen Mann, der Mia ständig begleitete, verwarf er diese Idee aber wieder. Mia würde das sowieso niemals akzeptiere, sie rebellierte ja schon gegen ihren eigenen Bruder.

„Du bist so still. Worüber denkst du nach?“, fragte sie und strich über seine festen Bauchmuskeln. Als sie mit den Fingernägeln über seine Seite fuhr, zuckte er schaudernd. Der Herr und Gott ist kitzlig, dachte sie schmunzelnd.

„Morgen werde ich für dich Geld besorgen, damit du dich bei dieser Arbeit nicht mehr in Gefahr bringst.“

„Im Roxy ist es nicht gefährlich, selbstverständlich werde ich weiter dort jobben.“

„Warum? Ich dachte, du arbeitest nur dort, um dein Leben zu finanzieren.“

„Das ist auch so, aber ich werde kein gestohlenes Geld von dir annehmen, das habe ich dir doch schon gesagt.“

„Und wenn ich es nicht stehle?“

„Suchst du dir einen Job?“

„Selbstverständlich nicht!“ Empört sah er sie an. „Wer stellt das Geld her?“

„Die Bundesdruckerei in Bonn.“ Belustigt sah sie ihm beim Grübeln zu.

„Und das Geld dort gehört niemandem?“

„Die Banknoten werden erst zu Geld, wenn sie in den Geldkreislauf kommen, ab dem Zeitpunkt gehören sie dann auch jemandem.“

„Aber solange sie in der Bundesdruckerei sind, gehören die Banknoten niemandem?“

„Es ist dann kein Geld, nur bedrucktes Papier.“

„Dann haben wir ja die Lösung. Ich lasse dir neues Geld drucken, das kannst du bedenkenlos annehmen.“

„Die Bundesdruckerei ist so gut gesichert, da kommst du nie rein.“

„Bist du sicher?“

Sie setzte sich auf. „Du bist verrückt, mach das nicht! Du willst doch nicht auffallen.“

„Noch mehr will ich, dass du in Sicherheit bist und das erreiche ich am effektivsten, indem ich dir genug Geldscheine besorge.“ Bevor Mia etwas erwiderte, küsste er sie und zwar so lange, bis jeder Gedanke an seinen Plan aus ihrem Kopf verdrängt war.

*