Die zeitlose Ayurveda-Küche - Alexander Pollozek - E-Book

Die zeitlose Ayurveda-Küche E-Book

Alexander Pollozek

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Beschreibung

Dieses Buch ist eine Einladung zum genussvollen Umgang mit sich und dem Leben. Kochen wird im Ayurveda als eine ehrenvolle und spirituelle Tätigkeit angesehen und besteht aus der inneren Verbindung mit der Lebensenergie der Nahrungsmittel - der Seelenqualität Prana - und ihrer bewussten Verarbeitung. Essen ist Medizin, sagt der Ayurveda. Das älteste Gesundheitssystem der Welt weiß über die Gesetzmäßigkeiten des Lebens und wurde von der zeitlosen Weisheit aller Kulturen beeinflusst. So ist Ayurveda eine Art „Urwissen“ und überall da zuhause, wo es Leben gibt. Dieses Buch, wertvoller Wegweiser, unverzichtbares Nachschlagewerk, Therapeutenratgeber, Lektüre und genussvoller Rezeptelieferant zugleich beherzigt die Heilkraft der Nahrung in der Ayurvedaküche auf besondere Weise. Alexander Pollozek und Dominik Behringer betrachten den Ayurveda aus ihrem jeweiligen therapeutischen Blickwinkel und führen ihre langjährigen Erfahrungen als Therapeut bzw. Koch in diesem Buch zusammen. „Jeder kann auf der Klaviatur der alten ayurvedischen Kochkunst spielen, sie erlernen, praktizieren und verfeinern“, versprechen die beiden Experten. So wird tägliches Kochen mit guten Produkten, frischen Kräutern und feurigen Gewürzen zu einem wichtigen Beitrag der Selbstheilung bzw. Eigentherapie. Nach dem umfangreichen Einführungsteil in die Ursprünge, Prinzipien und die spirituellen Hintergründe des Ayurveda weisen die Autoren in die Energetik der Nahrung ein. Wie eine Offenbarung lesen sich die Nahrungsmittellisten, die Einteilung in Stoffwechseltypen, Monodiäten, die übersichtlichen Tabellen mit den Vata-, Pitta-, Kapha bzw. Triguna-Analogien, wie auch die Tabukombinationen, die Goldenen Essregeln und die Grundregeln der sattvischen Küche. Dann wird der Ratgeber zum einmaligen Kochbuch. Dominik Behringer, in vielen Klosterküchen zuhause, greift tief in die Schatzkiste der ayurvedischen Heilküche. Fast 100 genussvolle vegane Rezeptideen mit vielen farbigen Fotos sind auf Konstitution, Jahreszeit und die momentane Verdauungskraft abgestimmt. Man will sofort nachkochen!

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Alexander Pollozek & Dominik Behringer

Die zeitlose Ayurveda-Küche

Heilkraft unserer Nahrung

Alexander Pollozek & Dominik Behringer

DIE ZEITLOSE AYURVEDA-KÜCHE

Heilkraft unserer Nahrung

1. Auflage 2012

2. überarbeitete Auflage 2012

3. überarbeitete Auflage 2013

ISBN 978-3-95582-160-9

Coverabbildung: © Jutta Schneider und Michael Will, © yuliaglam - Fotolia.com, Kara-Kotsya - Fotolia.com

Herausgeber:

Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, 79400 Kandern

Tel.: +49 7626 9749700

E-Mail: [email protected]

www.narayana-verlag.de

© 2012, Narayana Verlag

Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form - mechanisch, elektronisch, fotografisch -reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme kurzer Passagen für Buchbesprechungen.

Sofern eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet werden, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen (auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind).

Die Empfehlungen dieses Buches wurden von Autor und Verlag nach bestem Wissen erarbeitet und überprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

1 Einführung

2 Die individuelle Konstitution

3 Die ayurvedische Ernährungslehre

4 Die Ayurveda-Küche

5 Lebensmittelkunde

6 Basisrezepturen

7 Rezepte

8 Kinderernährung nach Ayurveda

9 Heil- oder Reinigungsdiäten

10 Anhang

Inhalt

1 Einführung

Historische Quellen der Ayurveda-Medizin

Definition von Ayurveda als Methode

Definition der ayurvedischen Heilküche

Ayurveda in der westlichen Gesellschaft

Ayurveda und die Azidose/Anti-Milch-Propaganda

2 Die individuelle Konstitution

Die Entstehung des Kosmos mit seinen 25 Grundsubstanzen gemäß Sankhya-Philosophie

Tabelle: Die fünf Elemente und 20 Qualitäten

Gurvadi Guna - die 20 Qualitäten aller Substanzen und ihre Wirkungen auf VPK

Das Tridosha-Konzept – die ayurvedische Drei-Säfte-Lehre

Der Luftikus – Vata

Der Hitzkopf – Pitta

Der stille Genießer – Kapha

Tabelle: Die fünf Elemente und Tridosha

Tabelle: Analoge Ebenen der Tridosha im Überblick

Konstitutionsmerkmale und individuelle Verhaltensmuster

Tabelle: Hauptmerkmale der Konstitutionstypen

Tabelle: VPK und Gunas

Die fünf grundlegenden Lehrsätze des Ayurveda

Prakruti/Vikruti (Konstitution/Krankheit)

Anleitungen zum Krankwerden/Anleitungen zum Gesundbleiben 63/

Der Prakruti–Typtest

Auswertung des Typtests

Die Stoffwechseltypen

3 Die ayurvedische Ernährungslehre

Grundlagen der Ayurveda-Ernährung

Die Energetik der Nahrung

Tabelle: Die sechs Geschmacksrichtungen (Rasaguna) und ihre Wirkungen im Überblick

Tabelle: Bhuta agni (Stoffwechselfeuer) und die Transformation von Nahrung in Bewusstsein

Tabelle: Die Energetik der Nahrung anhand der sechs Geschmacksqualitäten

Tabelle: Die sechs Geschmacksqualitäten im Wandel der Jahreszeiten

Das Konzept von Agni

Tabelle: Die sechs Stadien der Verdauung

Dhatvagni-Paka - der Stoffwechsel durch die Gewebefeuer

Die acht Umwandlungsprozesse in den Körpergeweben

Das Triguna-Konzept

Wie wirkt Nahrung auf unser Bewusstsein und welchen Geist prägt sie?

Die zirkadianen Rhythmen und deren Wirkung auf VPK

Tridosha Mandala der Jahres- und Tageszeiten

Der doshaspezifische Einfluss der Jahreszeiten und ausgleichende Maßnahmen (Rtucharya)

Das Essritual

Tabelle: Die Unterdrückung der 13 körperlichen Reflexe (Vegasamdharana) und ihre Behandlung

Die zehn goldenen Essregeln

Die toxischen Nahrungskombinationen

Antagonistischer Gebrauch von Nahrungsmitteln

4 Die Ayurveda-Küche

Die sattvische Küche

Grundausstattung der ayurvedischen Küche

Liste der in der sattvischen Küche gebräuchlichsten Lebensmittel und Gewürze

5 Lebensmittelkunde

Nahrung im Industriezeitalter

Einteilung/Bewertung der Nahrungsmittel nach Caraka

Getreide

Leguminosen/Hülsenfrüchte

Fleisch – Fisch – Eier

Gemüse und Salate

Früchte

Fermentierte Getränke

Wasser

Milch und Milchprodukte

VPK-Nahrungsmittelliste

Küchenheilmittel

Ajwan – Königskümmel

Asant – Hing

Bockshornklee – Methi

Chili – Mirch

Curryblätter – Kadhi Patta, Mitha Neem

Fenchel – Badi Shep

Grüne Mungbohnen – Moong

Honig – Madhu

Ingwer – Adrak

Kardamom – Elaichi

Knoblauch – Lahasun

Kokosnuss – Naral

Koriander – Dhania

Kreuzkümmel/Cuminsamen – Jeera

Minze – Pudina

Muskatnuss – Jaiphala

Safran – Keshara

Schwarzer Pfeffer – Kali Mirch

Tamarinde oder Sauerdattel – Chinch

Turmerik/Gelbwurz – Kurkuma

Zimt – Dalchini

Zitronengras – Pati Chaha

Zwiebel – Kannda

Weitere Küchenheilmittel

Äpfel

Bananen

Kirschen

Datteln

Antidots

Erste Hilfe aus der Küche

Vitamine und Mineralien

6 Basisrezepturen

Zeichenerklärung/Legende

Basisrezepte

Ghee V°P°K°

Paneer – selbst gemachter Frischkäse V°P°K+

Chapatiteig/Rotiteig V+P°K+

Alumasala V+P°K°

Gewürzmischungen

Rasammasala V+P°K°

Garamasala V–P+K–

Digestivmasala V–P+K–

7 Rezepte

Suppen und Dals (Hülsenfrüchte)

Chanadal-Suppe V+P°K°

Chanasabji-Gemüse mit Dal V+P–K°

Dalbhat/Dalfry V°P°K°

Getreidesuppe für die kalte Jahreszeit V°P+K–

Karotten-Ingwersuppe V°P°K°

Kürbissuppe mit Fenchel V°P°K°

Leichte Gemüsesuppe V°P°K°

Mungdalsuppe V°P°K°

Rote Linsensuppe V°P+K–

Rasam mit grünen Bohnen V+P°K°

Kokosrasam V°P–K°

Spinatrasam V+P+K–

Tomatenrasam V°P+K–

Dosas und Pfannkuchen

Gemüse-„Omelett“ ohne Eier V°P°K–

Kräuterpfannkuchen V°P°K+

Kürbisomelett mit Meerrettichsoße V°P°K–

Holunderküchle V+P°K–

Masala-Dosa V+P°K–

Gemüsegerichte

Alu Matar – Kartoffeln und Erbsen in Tomatensoße V+P°K–

Alu-Bhandghobisabji – Kohl und Kartoffeln geschmort V+P–K–

Auberginen-Khaddi V°P+K°

Bengalisches Kürbiscurry V°P°K+

Bittergemüse V°P–K°

Bittermelonen-Sabji V°P–K°

Brinjal Poriyal – gefüllte Auberginen V+P°K–

Gefüllte Kohlblätter V°P°K°

Gefüllte Paprika V°P–K°

Gemüsebällchen in Soße V°P°K+

Getreidebratlinge mit Gemüse V°P°K°

Grüne Bohnen in Kichererbsensoße V+P°K–

Kaschmir-Kartoffeln V+P–K°

Kichererbsencurry V+P°K–

Kürbis-Kuzambhu V°P–K+

Mangoldgemüse mit Kartoffeln V°P°K°

Palak Paneer, selbst gemachter Frischkäse in Spinat V–P+K+

Pasta Verdura V°P°K+

Ayurvedisches Ratatouille V°P°K°

Weißkohl geschmort V°P°K°

Reisgerichte und Kicharis

Ayurvedisches Risibisi V+P°K°

Biryani/Pilaw V°P°K°

Gewürzreis V°P°K°

Herbstkichari V–P+K°

Kichari V°P°K°

Powerkichari V–P+K–

Zitronenreis V°P°K–

Snacks

Alukofta V°P°K+

Alupatra-Kartoffelschnecken V+P–K°

Aluthikka V+P°K°

Dal Katschauri V+P°K+

Dalthikka V+P°K–

Hirsebällchen V+P+K–

Kürbisschnitze aus dem Ofen V°P°K°

Pakora-Teig V°P°K°

Spicy Wedges mit Gemüsedip V°P°K°

Vegetarische Frikadellen V+P°K°

Frühstück und Dessert

Apfel-Samosa V–P°K+

Apfelkrapfen in Sirup V°P°K°

Gedünstetes Obst V°P°K°

Geschmortes Obst V°P°K°

Getreideporridge V°P°K°

Halava, Grießdessert V–P–K+

Karotten-Halava V°P–K°

Hausrezept gegen Übergewicht, und erhöhte Cholesterinwerte V–P+K+

Kheer – Milchreis V°P°K+

Laddu – Indisches Konfekt, aus geröstetem Kichererbsenmehl V°P°K+

Mandelkheer V–P–K+

Porridgevariationen mit Obst V°P°K°

Sandesh – Käsedessert V°P°K+

Chutneys und Raitas

Ananas-Chutney V–P+K–

Apfel-Chutney V°P°K°

Brombeer-Chutney V–P+K–

Gurken-Raita V–P°K+

Joghurt-Minzchutney V–P°K°

Karotten-Chutney V+P°K°

Kokos-Chutney V+P–K°

Tamarinden-Chutney V–P–K°

Getränke

Gewürzmilch V–P–K+

Gewürztee-Mischungen

Honigwasser V–P–K+

Limonade V+P°K°

Mangolassi V–P°K+

Safranlassi V°P°K°

Safranmilch V–P–K+

Sommerbowle V–P°K°

Stoffwechseltrunk V–P+K–

8 Kinderernährung nach Ayurveda

9 Heil- oder Reinigungsdiäten

Saftfasten

Monodiäten für Vata-Typen

Flüssigkeitsfasten

Weizenkorndiät

Power-Reisdiät

Monodiäten für Pitta-Typen

Wassermelonendiät (vereinfachte Form)

Chlorophylldiät

Leberreinigungsdiät

Gemüsemusdiät

Saftfasten

Monodiäten für Kapha-Typen

Schleimfreie Diät

Kurkumareis-Diät

Selleriediät

Monodiät für alle Typen

Kichari-Diät

Übergewicht und Ayurveda

Ganzheitliche Empfehlungen zum Gewichtsabbau

10 Anhang

Liste der E-Nummern

Bibliografie

FAQ

Bezugsquellen und Links

Danksagungen

Nachwort von Alexander Pollozek

Nachwort von Dominik Behringer

Sanskrit-Glossar

Stichwortindex

Abbildungsverzeichnis

Vorwort von Alexander Pollozek

In diesem Buch werden Missstände und Fehlentwicklungen in der Lebensmitteltechnologie und dem Lifestyle aufgezeigt, die wir verändert wissen wollen. Es lädt ein zu Diskussionen und kritischen Selbstreflexionen. Gesundheit ist heute in erster Linie ein Informationsproblem. Die zeitlose und aktuelle Lebensphilosophie des Ayurveda kann durch ihre Schlichtheit und Ursprünglichkeit den eigenen Blick auf die Dinge schärfen.

Wir, die Autoren dieses Buches, wollen provozieren, aufrütteln und einen Spiegel vorhalten. Möglicherweise fühlen Sie sich in alten Gewohnheiten und Denkmustern ertappt. Wir möchten Sie aber auch ermutigen, neue Wege zur Verbesserung Ihrer Lebensführung und Ihrer Gesundheit zu beschreiten.

Ayurveda fordert für uns ein altes Geburtsrecht ein

Im Ayurveda werden Phänomene oft nüchtern, unvoreingenommen und sachlich benannt und eingeordnet – ohne Wertung und ohne moralistisch zu werden. Jede Erscheinung in unserer Welt hat ihre Daseinsberechtigung, sonst wäre sie nicht existent. Oft wird das, was wir uns wünschen, nur durch die extreme Überzeichnung des Gegenteils klar. Wer sich dann persönlich angegriffen oder beleidigt fühlt, hat die universale Lehre vom langen Leben missverstanden. Ayurveda stellt uns alles Wissen bereit, damit wir von unserem ältesten Geburtsrecht Gebrauch machen: das Leben glücklich, gesund und im Einklang mit dem Ganzen zu genießen.

Ein Nachschlagewerk, in dem der Heilaspekt von Nahrung vorrangig ist

Wir möchten erreichen, dass der Koch von heute der Nahrung und dem Umgang mit ihr wieder mehr Achtung entgegenbringt. Er soll die Seelenqualitäten der Lebensmittel wieder verstehen lernen und sie zum Wohle des Essers einsetzen. Dieses Buch ist ein Nachschlagewerk für alle, die für sich, ihre Familie oder im professionellen Rahmen kochen. Dafür sind durchaus Geschicklichkeit und Passion vonnöten. Will man nicht nur die Gaumen seiner Gäste und Familienmitglieder erobern, sind Menschenkenntnis, Lebenserfahrung und Wissen um die Energetik der Nahrung unabdingbar. Die Qualität der Lebensmittel bei der Herstellung, die Kombination derselben in einem Gericht und der alchemistische Prozess des Kochens selbst bestimmen nachhaltig den Energiehaushalt des Essers. Wie die Nahrung anschließend richtig verzehrt wird, ist ein weiteres Mysterium, dem wir in diesem Buch auch auf den Grund gehen. In den Tank Ihres Autos füllen Sie auch nicht jede x-beliebige Flüssigkeit. Und so ist der menschliche Kraftstoff die Prana-Energie in den Lebensmitteln – das, was uns und jede Körperzelle am Leben erhält.

Wie stellt man Heilnahrung her?

Durch den Prozess des Veredelns kann man der Nahrung ihre medizinischen Qualitäten und ihre Prana-Energie entlocken, um daraus Heilnahrung zu komponieren. Seit 20 Jahren berichten uns Patienten, wie sie sich täglich ernähren. Zwölf Jahre lang haben Gourmetköche in Vier- und Fünf-Sterne-Hotels unsere Kurgäste ayurvedisch bekocht – so gut sie konnten. Schmerzlich mussten wir erkennen, dass ein guter Sterne- oder Diätkoch noch lange kein guter Ayurveda-Koch ist.

Ayurveda versus Zeitgeist

Uns liegt besonders am Herzen, eine so uralte und zeitlose Lebensphilosophie wie den Ayurveda im heutigen Zeitgeist zu verankern. Eine Lehre bleibt nur lebendig, wenn man sie mit der Problematik der jeweiligen Zeitströmung konfrontiert. Ayurveda findet erstaunliche Antworten auf unsere globale Umweltverschmutzung, auf das Problem der toxischen Nahrungsmittelzusätze oder die Behandlung zahlreicher moderner Zivilisationsseuchen. Wollte man den Ayurveda heute unkritisch übernehmen und als starre Doktrin predigen, würde man dieser Lehre, die Mensch und Natur dient, großes Unrecht tun.

Seit über drei Jahren bekochen wir unsere Gäste selbst in unserem Kurzentrum – begeisterte Kurgäste gaben den Anstoß zu diesem Buch

Die Erfahrung lehrte uns, dass die Zubereitung von Heilnahrung eine wahre Kunst und die halbe Therapie sein kann. Wir freuen uns darauf, mit Ihnen die verblüffenden Erfahrungen zu teilen, die Hunderte von Gästen in unserem Hause machen durften.

Im Kapitel „FAQ“ (frequently asked questions – häufig gestellte Fragen) haben wir viele der Kernfragen gesammelt, die dem Koch tagtäglich und in zahlreichen Kochkursen immer wieder gestellt wurden. Viele Gäste berichteten, dass sie in keinem Buch lernten, frei nach der ayurvedischen Methode zu kochen.

Ayurvedisch zu kochen ist die Kunst der Improvisation, gepaart mit Wissen, Hingabe und Intuition

Es ist vergleichbar mit klassischem Klavierunterricht. Viele Jahre lernt man, mit den Augen an das Blatt geklammert, nach Noten zu spielen. Das Spielen ohne Noten muss man dann lernen wie ein neues Instrument. Wer nur nach Kochbuch kochen kann, ist unfrei und hat die Methode selbst meist nicht verinnerlicht. Erst wenn man das Buch aus der Hand legen kann und seiner Intuition folgt, gepaart mit dem Wissen um Harmonien und Gesetze, eröffnen sich dem inneren Auge neue Dimensionen.

Stellen Sie sich vor, Sie sind irgendwo eingeladen…

Sie sollen spontan etwas kochen und haben nur einige wenige Zutaten zur Verfügung. Es sind sehr unterschiedliche Gäste vor Ort. Wie können Sie nach ayurvedischen Kriterien ein köstliches Mahl zaubern, das jedem schmeckt und vor allem jedem bekommt? Das ist möglich! Noch Wochen später spricht man über dieses gelungene Essen. Es geht darum, wieder Freude am Kochen zu haben – und noch viel mehr! Lernen Sie die innere Notwendigkeit zu verspüren, täglich für sich selbst aus gewöhnlichen Nahrungsmitteln Heilnahrung herzustellen. Wer das tut, übernimmt schon zu 50 % Verantwortung für die Gesundheit seines Körpers, seiner Gefühle und Gedanken.

Der Schlüssel zu dauerhafter Gesundheit ist die exakte Kenntnis der eigenen Natur – unser genetisches Strickmuster

Ayurveda lehrt uns, dass wir Eigenverantwortung für unser Wohlergehen übernehmen dürfen. „Bei mir ist das alles Veranlagung“ zählt nicht mehr als Ausrede. Jeder hat die Chance, aus alten Gleisen zu springen – es ist unsere eigene Entscheidung. Unser ererbtes Reiz-Reaktions-Muster hingegen lässt uns immer wieder auf die gleichen Reize in gleicher Weise reagieren. Warum ist das so? Drehen wir einfach an der folgenreichsten Stellschraube des Lebens – der Ernährung!

Die alte Kochkunst der vedischen Brahmanen beruht auf den therapeutischen Prinzipien des Ayurveda

Sie hat eine reiche Tradition, die die abendländische Kochkunst verarmt erscheinen lassen mag. Man verwendet unzählige Kräuter und Gewürze – die Juwelen der Verdauung. Eine Antwort auf die Tatsache, dass die moderne, westliche Küchenkultur die Geschmacksrichtungen so einseitig anspricht, ist auch das erhöhte Suchtpotenzial bei uns Westeuropäern und den westlich orientierten Indern. Der Durchschnittseuropäer konsumiert täglich künstliche Genuss- und Aufputschmittel in großen Mengen: Weißmehlprodukte, Kaffee, Zucker, Softdrinks, Alkohol und Nikotin.

Die Folge dieses Teufelskreises ist ein chronischer Mangel an Prana-Energie. Sie ist nur in frisch zubereiteten, sanft gegarten Speisen auf Basis von Getreiden, Hülsenfrüchten, Samen, Obst und Gemüse, versetzt mit Gewürzen und Küchenkräutern, enthalten.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie am Ende dieses Buch aus der Hand legen und den Mut haben, gemäß diesen zeitlosen Prinzipien eine schmackhafte und vitalisierende Mahlzeit zu zaubern.

Viel Freude bei der Lektüre wünscht Ihnen Alexander Pollozek

Vorwort von Dominik Behringer

Viele der von mir Bekochten haben mich gebeten, mein Wissen zu teilen. Sonst hätte ich wahrscheinlich nie die Idee gehabt, ein Kochbuch zu schreiben.

Genauso wenig wäre ich, wie oft gefordert, auf die Idee gekommen, selbst ein Restaurant zu betreiben. Ich hatte mit dem Kochen in der Gastronomie komplett abgeschlossen und den Glauben daran verloren, dass man als Koch in Europa auf ganzheitlicher Ebene arbeiten kann. So hatte ich mir geschworen, nur noch so zu kochen, dass ich nicht mit meinem Gewissen in Konflikt komme – also für mich selbst und meine Lieben daheim. Aber dann kam eine Anfrage des Triguna-Zentrums, wo ich nun weiter Erfahrungen sammeln kann, wie wirksam und heilsam bestimmte Kost ist. Sie, liebe Leser, werde ich nun ein wenig daran teilhaben lassen.

Heilküche oder Kurküche bedeutet nicht zwangsläufig Diät, fade Kost und Verzicht. Überzeugen Sie sich selbst, wie vielfältig und schmackhaft man auch im Krankheitsfall essen darf – und damit sogar noch die Gesundung unterstützt.

Durch meine Zusammenarbeit mit meinem jetzi-gen Lehrmeister Alexander Pollozek konnte ich meine Erfahrungen mit Diätküche und symptomorientiertem Kochen um die Erfahrung der europäischen Essgewohnheiten und Bedürfnisse erweitern. Ich konnte den praktischen Nutzen und verblüffenden Effekt kennenlernen, der allein mit Ernährung erzielt werden kann.

Im Lauf meiner Berufserfahrungen habe ich mich mit relativ vielen Ernährungstheorien auseinandergesetzt. Ich stellte immer wieder fest, dass die wenigsten länger als zehn Jahre propagiert und praktiziert werden. Das liegt nicht unbedingt daran, dass Wissenschaftler so rasante Fortschritte erzielen, immer tiefer in die Materie eindringen und permanent neue Erkenntnisse zutage fördern. Es liegt vielmehr im Ansatz ihrer Bemühungen begründet.

Moderne Ernährungswissenschaftler können alle Inhaltsstoffe von Nahrung, also Proteine, Fettsäuren, Vitamine etc., synthetisch herstellen. Dennoch sind diese Bausteine nicht in der Lage, uns über einen längeren Zeitraum zu ernähren, ohne unseren Organismus aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das beste Beispiel hierfür sind Astronauten. Obwohl sie alle Ingredienzien in Tubenform mit sich führen, benötigen sie zusätzlich Vitalstoffe, die sie auf der ISS beispielsweise in Form von im Glaskasten unter Kunstlicht angebautem Blattsalat zu sich nehmen müssen. Sie stehen unter ständiger medizinischer Überwachung und werden nach spätestens einem Jahr wieder zur Erde zurückgeholt. Grund dafür ist, dass nach einem Jahr synthetischer, toter Nahrungsaufnahme ihr Gesundheitszustand besorgniserregend ist. Natürlich sind auch andere Faktoren, wie das Fehlen der Schwerkraft und des Sonnenrhythmus, von großer Bedeutung. Meiner Ansicht nach hat allerdings die Nahrung mindestens ein ebenso großes Gewicht.

Wenn also die Vitalitätsenergie von so großer Bedeutung ist, fragt man sich, warum sich nur wissenschaftliche Randgruppen (z. B. Quantenphysiker und Biophysiker) mit der Erforschung dieser feinstofflichen Substanz auseinandersetzen. Hier ist der Ansatz für ein ganzheitlicheres Betrachten der Nahrungsaufnahme zu finden.

Es ist faszinierend, dass eines der ältesten erfahrungsmedizinischen Systeme über ein derartig komplexes Wissen sowohl im chemisch-analytischen als auch im feinstofflichen Bereich verfügt. Das war für mich Grund genug, der Sache auf den Grund zu gehen und den Ayurveda unter die Lupe zu nehmen. Nicht nur die Verbindung der Nahrungsaufnahme mit „heiligem, holistischem“ Gedankengut war für mich interessant, sondern auch die hingebungsvolle Art, diese Philosophie in Alltag und Praxis umzusetzen.

In meiner mehr als zehnjährigen Erfahrung als Koch habe ich kein besseres System kennengelernt, das erlaubt, Ernährung individuell „maßzuschneidern“. Daher bin ich dem Ayurveda treu geblieben und lasse Sie nun an meinen Erfahrungen teilhaben.

Mein Beitrag zu diesem Buch erhebt nicht den Anspruch auf vollständige Wahrheit oder Unfehlbarkeit – ebenso wenig wie ich vedische Quellen über andere geisteswissenschaftliche Quellen erheben will. Vielmehr bitte ich die Leser dieses Buches zu ergründen, zu hinterfragen und konstruktiv zu kritisieren, wenn sie es für erforderlich halten.

Wenn ich mich auf alte traditionelle Quellen berufe, geschieht das zum einen aus meiner sentimentalen Verbundenheit zu diesen Traditionen, zum anderen aus dem Nichtvorhandensein modernerer Quellen, die diese Thematik behandeln.

Ayurveda ist eine traditionelle Lehre, die in unserer Zeit nicht nur eine Renaissance, sondern auch eine konstante Weiterentwicklung erlebt. Daher halte ich das Auseinandersetzen und Verknüpfen mit modernen Erkenntnissen für wichtig, um die geistige Entwicklung der Menschen unabhängig vom kulturellen, religiösen oder spirituellen Hintergrund voranzutreiben.

Mit guten Gedanken! Dominik Behringer

Alexander Pollozek und Dominik Behringer in der Küche

1 Einführung

Historische Quellen der Ayurveda-Medizin

Definition von Ayurveda als Methode

Definition der ayurvedischen Heilküche

Ayurveda in der westlichen Gesellschaft

Die Geschichte des Ayurveda muss genau genommen von zwei Seiten beleuchtet werden.

Es existieren die traditionelle Überlieferung aus vedischem Zusammenhang und eine wissenschaftlichgeprüfte Historie.

Beide stehen in krassem Widerspruch zueinander. Da- mit sich jeder ein eigenes Bild machen kann, stellen wir

die beiden einander gegenüber und überlassen dem Leser die Entscheidung, welche Version er für wahrscheinlicher hält. Zuerst wenden wir uns der Darstellung innerhalb der Tradition zu.

In der ayurvedischen Tradition gibt es die Darstellung der Entstehung nur in philosophischem und mythologischem Kontext. Die Entstehung des Ayurveda historisch zu datieren ist ebenso unmöglich wie sinnlos. Er ist eine Wissenssammlung, die aus einem unbestimmten Zeitraum bis zum erstmaligen Niederschreiben vor ebenfalls unbestimmbarer Zeit stammt. Schätzungsweise wird die Wissenssammlung seit etwa 5.000 Jahren betrieben, mit Unterbrechung nach dem Zerfall der vedischen Hochkultur. Die ältesten bekannten Schriften sind ursprünglich etwa 3.000 Jahre alt, aber immer wieder abgeschrieben und heute nur noch aus jüngerer Zeit verfügbar. Das Prinzip der Mahabhutas (5 Elemente) findet sich allerdings schon auf Steinschriften aus Indien, die auf ein Alter von 11.000 Jahren datiert werden können (Die 4 Elemente – Der geheime Schlüssel zur geistigen Macht, Emil Stejnar, Ibera-Verlag, Wien, 2008).

Sämtliche Verfasser vedischer Texte weisen darauf hin, dass dieses Wissen universell und zeitlos ist und seit Anbeginn der Schöpfung existiert. Des Weiteren herrscht eine große Kluft zwischen schulgeschichtlicher, anthropologischer Forschung und der orientalischen asiatischen Geschichtsschreibung in Bezug auf historische Zeiträume.

Die vedischen Verfasser weisen auch immer wieder auf den zyklischen Aspekt der Zeit hin. Hiernach wird erst in diesem gegenwärtigen Zeitalter des Kaliyuga (astronomisches Zeitalter der Dunkelheit) das Niederschreiben gewisser Wissenskomplexe notwendig. Grund dafür ist der zunehmende Verlust der menschlichen Fähigkeit des Sruti-Siddha, dem Behalten aller einmalig gehörten Zusammenhänge. Das Kaliyuga begann vor 5.400 Jahren. Interessant ist, dass das Erscheinen der ersten komplexen Schriftart, dem Deva-Nagari (dem heutigen Sanskrit), in ebendiesen Zeitraum fällt.

Die klassischen Schulen

Die ältesten uns bekannten Texte gehen direkt auf zwei Verfasser zurück, die auch als Begründer der zwei führenden Schulen gelten: Caraka und Sushruta. Ältere Texte, die der mythischen Figur Dhanvantari1 zugeordnet werden, sind heute nicht mehr existent oder vor der Öffentlichkeit verborgen.

Die genaue Lebenszeit beider Ärzte ist nicht genau zu bestimmen. Laut den ayurvedischen Revitalisierungsaktivisten haben sie definitiv gelebt, wenn auch ungewiss ist, wann und wo.

Sushrutas Leben und Wirken wird auf etwa 800 v. Chr. datiert. Naheliegend ist, dass Caraka und Sushruta, wenn überhaupt, in zwei verschiedenen Jahrtausenden gelebt haben.

Historische Quellen der Ayurveda-Medizin

Die ältesten uns bekannten handschriftlichen Texte werden auf die Zeit zwischen 300 v. Chr. und 200 v. Chr. datiert. Zwischen 300 v. Chr. und 600 n. Chr. muss eine Art Kanonisierung der vorliegenden Texte durch damalige Verantwortliche für den medizinischen Bildungsbereich geschehen sein. Das geht eindeutig aus Zeitzeugenberichten und späteren Quellen hervor.

Der Meisterchirurg Sushruta2 lebte der Legende nach etwa 800 v. Chr. Den Überlieferungen zufolge war er, Sohn des Vishvamitra, von seinem Vater an die Schule des Divodasa Kasi Raja Dhanvantari in Varanasi (Benares) geschickt worden, um die Grundlagen der Medizin zu studieren. Während seines Studiums spezialisierte er sich auf Shalya (Chirurgie) und machte es zu seinem Lebensinhalt. Über seine Erfahrungen schrieb er ein Buch. So entstand die Sushruta Samhita, das berühmte anatomische Standardlehrwerk des Altertums. Bemerkenswert an dieser Schrift ist, dass sie im Altertum sowohl ins Arabische als auch ins Griechische übersetzt wurde. Sie wird in allen medizinischen Quellen der Antike erwähnt – sowohl in Europa als auch im restlichen Mittelmeerraum.

Sushruta hatte sich auf das Behandeln von Kampfwunden auf den Schlachtfeldern der damaligen Zeit spezialisiert. Dies garantierte seinerzeit reichlich Arbeit. So erwarb er sich weit über die Grenzen seines Landes hinaus einen Ruf als Wundarzt und Feldchirurg. Diese Tätigkeit kann als Schlüssel dazu angesehen werden, warum Sushruta über so exakte anatomische Kenntnisse verfügte, was in diesem Zeitalter eher ungewöhnlich war. Diese Kenntnisse waren für die damalige Zeit so präzise, dass sie in unserer bekannten Antike bis ins Spätmittelalter in Südeuropa als anatomisches Standardlehrwerk galten.

In der Sushruta Samhita wird erwähnt, dass das niedergeschriebene Wissen eine Abschrift der Lehren Dhanvantaris ist. Gleichzeitig wird erwähnt, dass Mitschüler Sushrutas wie Aupadhenava, Aurabhra und Skalavat Paua ebenfalls schriftliche Abhandlungen über plastische Chirurgie geschrieben haben. Diese Schriften existieren nicht mehr. Daher nahm Sushrutas Werk den Platz des Standardlehrwerks ein. Ebenso interessant ist Sushrutas Bericht über das Anfertigen einer eisernen Beinprothese nach der Amputation bei einer jungen Frau.

Neben der Anatomie Sushrutas ist das nächste Hauptwerk des Ayurveda das von Caraka – die Caraka Samhita. Sie ist das zentrale Werk ayurvedischer Heilkunde und Standardliteratur an ayurvedischen Universitäten in Indien. Caraka definiert zunächst ganz allgemein die menschliche Natur ganzheitlich. Er legt Regelwerke für gesundes Verhalten fest und erläutert grundlegende Naturheilverfahren, die größtenteils auf der ganzen Welt bis heute bekannt und genutzt werden. Hierzu gehören die Diätetik, Dampfbäder, Kräuterabkochungen, heiße Wickel, Ölmassagen usw.

Caraka beschreibt ein ganzheitliches Menschenbild, das sowohl geistige Realitäten als auch die seelische Ebene dem Menschen als ebenso wichtig zuordnet, wie das Wissen um die Funktionen auf der physischen Ebene. Man kann sagen, dass der Ayurveda durch Ergänzungen moderner medizinischer Erkenntnisse das älteste ganzheitliche erfahrungsmedizinische Wissen der Menschheit darstellt. Hierbei sind alle möglichen Realitäten im somatischen wie im psychischen Bereich berücksichtigt.

Die Verfasser weisen immer wieder daraufhin, dass dieses Wissen vom Ursprung her deduktiver Art ist. Es entstammt also der gleichen spirituellen Dimension wie unsere Seelen und existiert seit Anbeginn der Zeit. Alle Sammlungen von Texten späteren Erscheinens stellen den induktiven erfahrungswissenschaftlichen Teil dar.

Die Schulen teilten sich früh in zwei Linien: Diagnostik/Innere Medizin und Chirurgie. Die chirurgische Schule geht über Sushruta und auf Divodasa Dhanvantari (schriftlich erstmalig erwähnt im 9.–6. Jahrhundert v. Chr.) zurück. Er gilt als der Urvater der chirurgischen Schule.

In der traditionellen Überlieferung verläuft der Entwicklungspfad der Schulen folgendermaßen:

Bharadvaj: erster Mensch, der dieses Wissen in deduktiver Form empfängt; Sharngadhaa Samhita

(Sammlung ayurvedischer Rezepte aus dem 13. Jahrhundert v. Chr.).

Madhava Nidana-Diagnostik: im 9. Jahrhundert v. Chr. erstmalig schriftlich erwähnt; hier wird die erste Verwendung von Quecksilber auf das 14. Jahrhundert v. Chr. zurückdatiert.

Asthanga Hridayam: angeblich im 8. Jahrhundert v. Chr. erstmalig schriftlich erwähnt.

Atreya Punarvasu: erste Ärzteschule, 6.–8. Jahrhundert v. Chr. gegründet.

Atreya: schreibt die Caraka Samhita im 1. Jahrhundert v. Chr. in der heute bekannten Form nieder.

Die Historie aus indologischer/ethnologischer Sicht

Der uns heute bekannte Ayurveda ist in dieser professionalisierten Form ein Kind des 20. Jahrhunderts. Seine Ursprünge liegen nicht allein in Indien. Vielmehr hat der asiatische Medizinpluralismus über Jahrhunderte, möglicherweise über Jahrtausende hinweg ein vielschichtiges Gewebe entwickelt, das man heute unter dem Begriff „Ayurveda“ zusammenzufassen versucht.

Die verschiedenen medizinischen Traditionen wurden über Jahrhunderte hinweg in Indien nur innerhalb bestimmter Familien weitergegeben. So kommen auch die verschiedenen Spezialisierungen der alten Traditionen zustande. Die Verwendung der klassischen Texte und Methoden spielten hier nachweislich keine Rolle. Die meisten Vaidya-Familien waren erwiesenermaßen nicht einmal des Sanskrit kundig („Kölner Ethnologische Arbeitspapiere“, Bonn 1992).

Nach den eigenen vedischen Quellen ist der Ayurveda göttlichen Ursprungs, d. h., er wurde durch Götter und Weise (Rishis) offenbart. Daran knüpfen sich die Jahrtausende alte Erfahrungswerte durch die praktische Anwendung des offenbarten Wissens. Durch das Verbundensein mit der religiösen Tradition Indiens erhebt der Ayurveda einen Anspruch auf Absolutheit und gleichzeitig darauf, wissenschaftlicher Urheber der Humanmedizin zu sein.

Bei einem genaueren Betrachten der historischen Hintergründe entsteht allerdings ein völlig anderes Bild. Wir haben für unsere Recherchen die ethnologische Magisterarbeit von Ronald Kaiser mit dem Titel „Die Professionalisierung der ayurvedischen Medizin und deren Rolle im indischen Medizinpluralismus“ eingehend studiert und dort die besten Belege über die Historie des Ayurveda gefunden.

Zum einen zeigen die dort angegebenen Quellen eine andere Entstehungsgeschichte als die ayurvedaeigenen Überlieferungen. Zum anderen entsteht ein anderes Bild der gegenseitigen Beeinflussung von indischer, arabischer, griechischer und graeco-arabischer Unani-Medizin. Danach ist viel wahrscheinlicher, dass mehr Teile des Ayurveda von anderen medizinischen Traditionen übernommen wurden als umgekehrt. Damit muss der Urheberanspruch des Ayurveda als älteste Medizin infrage gestellt werden.

Sowohl indologische als auch viele indische Quellen stehen im Widerspruch zueinander, was historische Fakten und Zeiträume betrifft. An dieser Stelle werden wir uns nur kurz mit den beiden grundlegenden Unverständlichkeiten der ayurvedischen Geschichte befassen:

Die grundlegenden Werke der klassischen Periode

• Caraka Samhita und Sushruta Samhita

• Die einseitige Einflussnahme des Ayurveda auf andere medizinische Traditionen

Die Werke des Altertums, die die Basisliteratur des Ayurveda darstellen, stammen nach den Indologen aus verschiedenen Epochen. Sie beziehen sich auf chinesische Dokumente, die einen Arzt mit Namen Chara oder Caraka am Hofe des Königs Kaniska erwähnen. Es ist nicht gesichert, dass er auch der Autor der nach ihm benannten Samhita ist. Selbst in der Caraka Samhita findet sich der Hinweis, dass einige Teile der Originalversion verloren gingen und im 12. Jahrhundert von einem Kashmiri namens Drdhabala ergänzt wurden.

Auch Sushruta lässt sich als historische Person nicht datieren und es existiert kein Beweis für seine Existenz. Sicher ist allerdings, dass ausgerechnet die Chirurgie eher in griechischer, mesopotamischer und arkadischer Medizin praktiziert und gelehrt wurde als in ayurvedischer. Die Sushruta Samhita beschreibt aber hauptsächlich das Thema Chirurgie. Sie beschreibt 121 Operationsinstrumente und Techniken der plastischen Chirurgie, z. B. die Entwicklung einer Nasenplastik sowie die Herstellung von Beinprothesen.

Die von Vedantisten behaupteten medizinischen Kenntnisse in Rigveda und Atharvaveda heben sich nicht über den Kontext Krankheit und Dämonologie hinaus, kennen keine Materia Medica und keine vielschichtigen Therapiemethoden. Lediglich die Existenz von Heilpflanzen wird erwähnt.

Der älteste genau datierte Nachweis über ein Tridosha-Konzept, eine Lehre über Verdauung, Einfluss von Jahreszeiten und benannten Krankheiten sowie Medikamenten, lässt sich im sogenannten Bower-Manuskript finden, das auf ca. 500 n. Chr. datiert wird. Die Sprache dieses Manuskripts ist älter als die der Caraka- und Sushruta Samhita, von denen heute nur Fassungen aus dem 11. oder 12. Jahrhundert existieren. Interessant ist aber an dieser Stelle, dass es arabische Übersetzungen der beiden Texte aus dem 8. Jahrhundert gibt. Die Texte existierten also schon vorher.

Der erste literarische Beweis über ein Ungleichgewicht der Säfte, das Krankheiten hervorrufen kann, findet sich in einem Manuskript von Katyayana von 313 v. Chr. Dazwischen existiert das sogenannte Quizil-Fragment aus dem 2.–3. Jahrhundert n. Chr., in dem ebenfalls die drei Doshas Wind, Galle und Schleim erwähnt werden. Das älteste bekannte Dokument der Caraka Samhita ist nach dem deutschen Indologen Julius Jolly in noch schlechterem Zustand als die Sushruta Samhita. Deren heutige Version wurde aus verschiedenen Kommentaren aus dem 11. und 12. Jahrhundert n. Chr. zusammengesetzt.

Die dem Autor Vagbhata zugeordnete Samhita stammt aus dem 6.–7. Jahrhundert n. Chr. und ist das jüngste der drei klassischen Standardlehrwerke. Alle zusammen werden Astangahrdaya Samhita genannt, das „Herz der acht Glieder“.

Es bleibt also zu bemerken, dass die frühe Datierung der Samhitas auf bis zu 1.000 Jahre v. Chr. wissenschaftlich nicht haltbar ist, auch wenn es vonseiten der Ayurveda-Bewegung immer wieder behauptet wird. Auch die von Indologen gemachten Angaben von 100/200–400 n. Chr. sind nur Schätzungen. Nachgewiesen wurde ein medizinisches Konzept, das über die Dosha-Lehre hinausgeht, erst im 5. Jahrhundert n. Chr.

Insgesamt nehmen die Autoren der Werke über Indologie an, dass sich die medizinischen Traditionen dennoch unabhängig voneinander parallel entwickelt haben. Es ist eine Tatsache, dass im 6. Jahrhundert v. Chr. griechische Ärzte an den Höfen der persischen Könige arbeiteten, zu deren Imperium auch Indien zählte. Eine einseitige Einflussnahme der ayurvedischen auf die griechische Medizin wird also eher ausgeschlossen.

In seiner heutigen Form ist Ayurveda ein Produkt des Zusammenschlusses vieler medizinischer Traditionen, auch europäischer. Die Behandlungsarten wie Aderlass, Einläufe und Ausleitungsverfahren finden im 16. Jahrhundert in den Krankenhäusern der portugiesischen Kolonialherren erstmalig in Indien Erwähnung. Auch das Pulsfühlen als Diagnosemethode wird erst spät von der Unani-Medizin übernommen. Zungenbelag mit der Verdauung in Zusammenhang zu bringen entstammt nachweislich der europäischen Medizin.

Während der Herrschaft der persischen Mogulkaiser ab dem 15. Jahrhundert fand ein ausgesprochen reger Austausch von medizinischem Wissen unter Unani-Ärzten, Vaidyas und buddhistischen Heilertraditionen statt. Die muslimischen Herrscher waren Patrone der Vaidyas, während die Hindukönige die Unani-Ärzte förderten. Von einer Unterdrückung der Ayurveda-Tradition durch Besatzungsmächte kann also nicht die Rede sein. Selbst die Briten unternahmen Anstrengungen, die indischen Heilkünste zu fördern und in diesem Bereich ein eigenes Bildungswesen aufzubauen. Leider war zu diesem Zeitpunkt (frühes 19. Jahrhundert) Indien voll von Heilern, die nur magisch-mystisch oder religiös in der Praxis orientiert waren, jede Menge Scharlatane inklusive.

Erste Bestrebungen der indischen Provinzregierungen entwickeln im 19. Jahrhundert ein medizinisches Bildungssystem. Es entstanden die ersten klassischen ayurvedischen Schulen, die, angelehnt an europäische Medizin, Anatomie, Chirurgie und Anwendungen der klassischen Ayurveda-Medizin lehrten. Auch hier spielte der Austausch zwischen Europäern und Indern eine wichtige Rolle. Die heute existierenden Schulen sind erst im letzten Jahrhundert (also nach der Unabhängigkeit Indiens 1947) eröffnet oder reaktiviert worden. Das einheitliche Bildungswesen für Ayurveda wird vom CCIM (Central Council for Indian Medicine) reguliert. Der indische Studiengang fängt beim Bachelor-Studiengang über fünf Jahre an und geht über insgesamt neun Jahre weiter bis zum Doktor der Medizin (M.D.).

Die vedische Kochkunst und ihre Ursprünge

Die Entwicklung der vedischen Kochkunst lässt sich nicht mehr datieren, da viele der heute noch bekannten Rezepte auch bereits in Jahrtausende alten Schriften Erwähnung finden, z. B in der Bhagavata Purana, der Caraka Samhita und anderen. Einige der orthodoxen spirituellen Schulen besitzen Klöster, die Jahrtausende alte Rezeptsammlungen auf ayurvedischer Grundlage archivieren. Heilkundige und Hüter des Wissens waren und sind bis heute Eingeweihte der spirituellen Schulen. Strengere ayurvedische Diäten und Kochrituale finden sich in ganz Indien und Asien nur noch in Klöstern oder Tempeln von Hindus und Buddhisten. Speziell in brahmanischen Kreisen wird die vedische Kochkunst seit Jahrtausenden entwickelt und kultiviert. Die speziellen Diäten (Sattvika bis Tamasika) werden von dort an die Menschen außerhalb weitergegeben. Auf deren Empfehlungen und Vorbildfunktion hin hat sich speziell in Indien auch die bürgerliche Kochkultur entwickelt.

Da sich im Laufe der Jahrhunderte die Lebensgewohnheiten in Bezug auf Landwirtschaft und Konsumgüter auch durch klimatische Änderungen immer wieder verändert haben, finden wir auch eine stetige Weiterentwicklung der Forschung im Ernährungsbereich.

„Der, der täglich Heilnahrung zu sich nimmt,

genießt ein harmonisches Leben.

Er bleibt unberührt von den Sinnesobjekten, gibt und vergibt, liebt die Wahrheit, dient den Mitmenschen und bleibt frei von Krankheit.“

(Vagbhata Sutrasthana)

Im Laufe der letzten 100 Jahre wurden im Westen moderne Ernährungstheorien entwickelt. Sie sind meist widerlegt worden oder stellten sich als ineffektiv oder teilweise sogar gefährlich heraus, und verschwanden deshalb wieder. Im Gegensatz dazu ist die ayurvedische Ernährungslehre die älteste zeitlose Erfahrungswissenschaft der Menschheit. Grund dafür ist, dass sie die Individualität jedes Körpers berücksichtigt. Demzufolge liefert sie zuverlässige Ergebnisse im Bereich der Prävention und Ernährungstherapie.

Zwischen moderner wissenschaftlicher Forschung und Ayurveda stellt sich die Vertrauensfrage. Der Unterschied beider Schulen liegt in der Methodik: Die Rishis und die vedischen Ärzte der Antike betrachteten ihren eigenen Körper als Experimentierfeld. Durch exakte sinnliche Wahrnehmung und Beobachtung kamen sie zu Ergebnissen, die auch heute jeder Mensch reproduzieren kann – un-abhängig von Rasse, Kultur, Glauben, Gewohnheit und Klima. In der modernen wissenschaftlichen Forschung wurde das Experimentierfeld in die Tierwelt der kleinen Säugetiere verlagert. Dabei ist statistisch jedes Ergebnis mittels Laboruntersuchungen und technischen Messdaten am toten Säugetier reproduzierbar. Interessant ist aber, dass die sogenannten „modernen“ ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse sich größtenteils mit den ayurvedischen Angaben aus grauer Vorzeit decken.

Die historischen Einflüsse Indiens schlagen sich auch in der ayurvedischen Küche nieder. Die heute bekannte indische bürgerliche Küche geht natürlich maßgeblich auf das alte Wissen zurück. Man muss aber beachten, dass der Norden des Landes über Jahrhunderte hinweg immer wieder von Belagerern und Eroberern besetzt war, die erheblich Einfluss auf die kulturellen Gepflogenheiten genommen haben. So führten die persische Küche der Moguln und die Vorlieben der englischen Kolonialherren zu einer überraschend fleischlastigen Küche Nordindiens. Die Portugiesen brachten beispielsweise die bis dahin unbekannte Chilischote nach Indien, die einen festen Platz in der indischen Küche gefunden hat. Die toxischen Nahrungsmittelkombinationen hingegen, nach ayurvedischen Maßstäben bemessen, finden wir eher noch in der bürgerlichen Küche Südindiens berücksichtigt.

Definition von Ayurveda als Methode

Im Juli 2010 wurde eine ZDF-Kochsendung mit dem bekannten bayerischen Sternekoch Lanz ausgestrahlt.

Überraschenderweise sprach er dort über die uralte ayurvedische Küchentradition, natürlich ohne sie namentlich zu erwähnen.

Er bereitete eine Gewürzmischung zu, in der die antikarzinogene Wirkung der Kurkumawurzel durch die Beigabe von schwarzem Pfeffer 100-fach verstärkt wird.

War das ein wegweisendes Signal für die bahnbrechende Heilküche des indischen Subkontinents?

Ayurveda die zeitlose Mutter aller Heilkünste

Was bedeutet Ayurveda wortwörtlich?

Ayurveda ist das älteste überlieferte Medizinsystem der Menschheit. Ayus ist das lebendige Gefüge aus Körper, Sinnesorganen, Geist und Bewusstsein. Veda bedeutet das erfahrbare praktische Wissen. Ayurveda, die „Wissenschaft vom langen, gesunden Leben“, ist eine umfassende Humanwissenschaft und Erfahrungsmedizin. Sie wirkt ordnend und ausgleichend auf das menschliche Leben in all seinen Bereichen.

Gesundheit im ayurvedischen Sinn

Ein Mensch wird gesund genannt, wenn

• seine Bioenergien (Vata, Pitta und Kapha) in Harmonie sind (Sama doshah),

• er über eine ausgewogene Verdauung/einen ausgewogenen Stoffwechsel verfügt (Samagnish),

• seine Gewebe richtig aufgebaut und die Abfallstoffe adäquat ausgeschieden werden (Sama dhatu, mala kriyah),

• seine Sinnes- und Tastorgane richtig arbeiten (Prasannatmendriya),

• seine Seele und sein Geist sich in einem Zustand dauerhaften Glücks befinden (Manah svastha ityabhidhiyate).

Sushruta Samhita, 15.38, 1. Jahrhundert v. Chr.

Gesundheit im abendländischen Sinn

„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ (WHO, Genf, 1948)

Ayurveda ist eine universale, zeitlose Heil- und Selbstheilmethode. Da die menschliche Seele dem „kristallisierten, höheren Bewusstsein – der Summe aller Erfahrungen“ in uns entspricht, kann man Ayurveda als „Medizin des Bewusstseins“ bezeichnen. Nur das, was wir bewusst tun, vermag uns wirklich zu heilen.

Ayurveda ist überall auf unserem Globus anwend-bar, unabhängig von Rasse, Kultur, Religion, politischen Überzeugungen, Gewohnheiten und klimatischen Bedingungen. Wer die Grundprin-zipien des Ayurveda beherrscht, kann diese globale Methode den jeweiligen lokalen Bedingungen und Bedürfnissen auf der Erde anpassen.

Die logische Folge wird stets ein harmonisches Gleichgewicht auf der Ebene von Körper, Sinnesorganen, Geist und Bewusstsein sein.

Die indischen Rishis (Priesterärzte der Antike) empfingen in tiefer Hingabe und Versenkung die Naturgesetze. Sie waren in der Lage, den Fluss des Lebens zu kontrollieren. In Selbstversuchen ersannen sie Methoden und Verfahren, durch welche der Mensch sich vor Krankheiten schützen konnte und so in immer größere Harmonie mit dem Leben und der Umwelt gelangt.

Definition der ayurvedischen Heilküche

Ayurvedisch kochen heißt: heißt:

In einer Hauptmahlzeit

• alle sechs Geschmacksrichtungen (Rasa) zu vereinigen: süß, sauer, salzig, bitter, scharf und herb,

• den Wandel der Jahreszeiten (Rtu), die Konstitution des Menschen (Prakruti) und seinen momentanen, gestörten Zustand (Vikriti) zu beachten,

• das Verdauungsfeuer (Agni) zu stärken sowie die Verdauung (Samana) und die Ausscheidung (Apana) anzuregen,

• durch eine gezielte Auswahl an Nahrungsmitteln, Gewürzen und den Stoffwechsel anregenden Zubereitungsmethoden alle fünf Sinne (Jnanendriyas) anzusprechen. In ayurvedisch zubereiteten Speisen wird das „Gegengift“ in Form von sogenannten Antidots gleich mitgeliefert (siehe Tabelle, S. 214),

• die richtigen Nahrungskombinationen (Pathyapathya) zu wählen und damit ayurvedische Trennkost zu praktizieren.

Der Esser ist wichtiger als das Essen

Die Komplexität seines Wohlbefindens hängt von folgenden Faktoren ab:

- der Individuellen Konstitution: V, P, K, VP, PV, VK, KV, PK, KP, VPK (siehe S. 68 „Der Prakruti-Typtest“),

- der aktuellen körperlichen und seelischen Verfassung,

- der gegenwärtigen Lebensphase (Kapha-Wachstumsphase, Pitta-Midlife oder Vata-Seniorenalter),

- dem Zustand des individuellen Agni/Ama (Verdauungsfeuer/Ausscheidung) je nach Jahreszeit,

- der intuitiven Wahrnehmung und dem Einsatz der Sinne beim Essen: Was tut gut – was nicht?

Hier zählt man weder Kalorien noch zerlegt man die Nahrung in Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate oder Spurenelemente.

In der ayurvedischen Ernährungswissenschaft haben die subjektive Erfahrung und das subjektive Empfinden eines jeden Menschen mehr Bedeutung als die objektiven Inhaltsstoffe der Nahrung. Die Nahrung soll individuell verträglich sein, also der momentanen Verdauungskapazität entsprechen.

Auch soll sie den unterschiedlichen Bedürfnis-sen eines Menschen, seinem Alter, Beruf, seiner körperlichen und seiner geistigen Verfassung angemessen sein. Gesunde Ernährung ist somit für jeden etwas ganz Persönliches.

Ein ayurvedisches Axiom lautet: „Nahrung ist Medizin, Medizin ist Nahrung.“ Die Nahrung sollte so zubereitet werden, dass man mit ihr gleichzeitig das Gegengift zu sich nimmt. Das sind Gewürze, Samen oder Kräuter, die helfen, die Speisen optimal zu verdauen. Voraussetzung für das sichere Hantieren mit diesen Zutaten ist die Kenntnis der

Energetik der Nahrungsmittel: Rasa, Guna, Karma, Virya, Vipak (siehe Kap. 3, S. 82 ff.), die Tridosha-Lehre (siehe Kap. 2, S. 46 ff.) und ihre Wirkung auf das Bewusstsein: Sattva, Rajas, Tamas (siehe Kap. 3, S. 114 ff.).

Es gilt, sorgfältig qualitativ hochwertige Nahrungsmittel auszuwählen. Dazu gehören Wurzeln, Milch und Getreide, möglichst aus biologischem Anbau. Es sind Früchte und Gemüse der Jahreszeit aus der Region vorzuziehen. Alle Zutaten sollten einen hohen Nährwert haben, natürlich hergestellt und so wenig wie möglich industriell verarbeitet sein (siehe Kap. 3, S. 133 ff.).

Ein weiterer Faktor, der bei der qualitativen Auswahl von Nahrungsmitteln eine Rolle spielt, betrifft die alkalische Balance in Speisen, also das Gleichgewicht zwischen säuernden und basisch wirkenden Nahrungsmitteln der pH-Werteskala. Leider gibt es viel Verwirrung um die korrekte pH-Wert-Bestimmung. Viele Konsumenten sind unsicher, wo der pH-Wert eigentlich gemessen werden soll. Im Säure-Basen-Milieu des Speichels oder im Magen? Im Blut oder im Urin? Oder ist das Säure-Basen-Verhalten der Nahrungsmittel selbst ausschlaggebend? Alles ist richtig, aber nichts ausschließlich. Auch in diesem Fall lohnt die ganzheitliche Betrachtung der Phänomene.

Man kann die Verwirrung aus ayurvedischer Sicht aufklären. Beginnen wir mit den Nahrungsmitteln und den ihnen innewohnenden Qualitäten (Gunas), Geschmacksrichtungen (Rasas) und pharmakologischen Wirkungen (Karmas).

Diese stehen fest, basierend auf jahrhundertealten Erfahrungen. Die meisten Zitrusfrüchte haben in ihrem natürlichen Zustand einen sauren Rasa (Geschmack), wirken aber erst nach der Assimilation im Blut alkalisierend. Wenn diese Substanzen mit dem Speichel in Berührung kommen, nimmt man die einzelnen Rasas wahr. Hier spielen Säure und Base noch keine Rolle. Im sauren Magenmilieu könnte man den heißen Virya (Energie einer Substanz) mit einer säuernden Wirkung vergleichen; ein kühler Virya wäre mit einer basischen Wirkung vergleichbar. Säuren erhitzen, Basen wirken kühlend.

Das mit Nährstoffen angereicherte Blut (Ahara rasa), entspricht der Nachverdauungswirkung (Vipak). Allerdings gibt es hier einen süßen Vipak (K++/vermutlich basisch3), einen sauren Vipak (P++/ vermutlich säuernd4) und einen scharfen Vipak (V++). (Weitere Details über die Energetik der Verdauung im Kap. 3, S. 92)

„Was des einen Nahrung,

ist des anderen Gift.“

(Paracelsus)

Der pH-Wert im Urin ist, ayurvedisch betrachtet, weniger relevant als die Frage, ob über die drei Ausscheidungsprodukte Stuhl, Urin, Schweiß (Mala) überschüssiges Vata, Pitta oder Kapha ausgeschieden wurde. Hierüber lassen sich physio-pathologische Rückschlüsse ziehen und man kann so die Ursache der Stoffwechselstörung analysieren – ein völlig anderer Weg.

Generell leiden Vegetarier weit weniger unter Übersäuerung. Der Stoffwechsel, d. h. die Enzymaktivität, die Zellatmung sowie das Herz-Kreislauf- System werden stark von Veränderungen des pH-Werts im Blut beeinflusst.

Diese Veränderungen finden nicht plötzlich, sondern über Wochen und Monate statt. Sie sind das Resultat des gesamten Ernährungsverhaltens. Vegetarier ernähren sich in erster Linie von basischen und pH-neutralen Nahrungsmitteln und einer geringen Menge an säuernden Stoffen. Das ist der Grund, weshalb man kaum Vegetarier kennt, die unter den sogenannten Zivilisationskrankheiten leiden. Die oben genannten pH-Veränderungen sind das Ergebnis einer langjährigen unausgewogenen, säurelastigen Ernährung. Jeder Mensch kann durch veränderte Kost sein Blut basischer machen. Basisches Blut ist der Garant für ein Höchstmaß an Gesundheit und mentaler Ausgeglichenheit.

Die drei großen Gruppen der Säure-Basen-Diät

1.Basennahrung: Süße und saure natürliche Früchte und Fruchtsäfte, Trockenfrüchte, nahezu alle Gewürze und Gemüse, Salate, Pilze, Kartoffeln, Bohnen (Hülsenfrucht), Kokos- und Haselnuss, Bulgur, selbst gemachter Frischkäse (Paneer), Hüttenkäse, Buttermilch. Basische Nahrung wirkt aufbauend und harmonisierend auf Organe, Gewebe, Nerven und Drüsen.

2.Säure bildende Nahrungsmittel: Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Käse, Eier, Erbsen, Linsen und die meisten Kohlenhydrate, insbesondere Süßigkeiten und Weißmehlprodukte, Brot und Backwaren.

3.pH-neutrale Nahrungsmittel: Fette wie Ghee, Butter, Margarine, Speiseöle, Buchweizen, Milch, Sahne und Sauermilchprodukte. Da diese Fette sehr konzentriert sind, können sie, im Übermaß genossen, säuernd wirken. Das wiederum belastet das Verdauungssystem, insbesondere die Organe der Fettverdauung wie Leber, Gallenblase und Pankreas. Bei Kindern unter zwölf Jahren wirkt sich das besonders problematisch aus. Ihre Organe sind noch nicht voll belastbar durch schweres Essen.

Im Verhältnis sollte die tägliche Kost aus ⅔ Basennahrung und ⅓ sauren Nahrungsmitteln bestehen. Bei der durchschnittlichen US-amerikanischen Kost verhält es sich genau umgekehrt. Machen Sie also Gemüse zum Kern Ihrer Ernährung, begleitet von Früchten, Nüssen, Hülsenfrüchten und einfachen Milchprodukten. Schränken Sie Süßigkeiten, Kohlenhydrate und tierische Proteine ein. Seien Sie maßvoll in der Verwendung von Fetten und Ölen. Sie werden sich dadurch besser fühlen!

Ayurveda in der westlichen Gesellschaft

Diätrichtungen im Vergleich

Im Ökotest von 1993 wurden erstmals u. a. folgende Diätrichtungen untersucht: Vegetarismus (ovo-lacto/vegan), Makrobiotik, Haysche Trennkost, Ayurveda, Rohkost und anthroposophische Ernährung. Unbedenklich für Jung und Alt und auf lange Sicht ohne Gesundheitsrisiken waren lediglich die anthroposophische und die ayurvedische Ernährungsweise. Bei letzterer ist für Kinder und Heranwachsende bis zur Volljährigkeit ein ausschließlicher Genuss nicht ratsam. Die zu intensiven Gewürze oder bitteren und scharfen Gemüse wie Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer und Chili wirken zu stimulierend auf das Hormon- und Nervensystem. Alle anderen Richtungen können vorübergehend oder bei Allergien und Stoffwechselproblemen eine reinigende und entlastende Wirkung auf den Organismus haben. Bei zu langem Genuss führen sie – von typbedingten Ausnahmen abgesehen – zu Mangelerscheinungen und Gesundheitsproblemen.

Beide, die anthroposophische und die ayurvedische Ernährungsweise, sind ganzheitliche, spirituelle, also den ganzen Menschen in seinem Umfeld spiegelnde Systeme

Körper, Sinne und Bewusstsein sind gleichberechtigt. Nach Rudolph Steiner5 ernährt man sich so wie in Europa vor dem zweiten Weltkrieg: höchstens einmal pro Woche Fleisch oder Fisch, regelmäßig Hülsenfrüchte, Milchprodukte in Maßen, viel ungespritztes Gemüse, Salate, Gartenkräuter und Obst der Jahreszeit. Alles ist möglichst in der gleichen Region gereift (in der man selbst lebt), d. h. aus einem Umkreis von 50–100 km.

Schlussendlich ist in der anthroposophischen Betrachtung der geistige Aspekt der Nahrung ebenso wichtig wie in der Triguna-Lehre. Auch hier geht es darum, so viel wie möglich ätherisches, also feinstoffliches Bewusstsein aus der Nahrung zu ziehen. Das gemeinsame Ziel lautet: allumfassende Gesundheit und spirituelles Wachstum.

Ayurveda-Küche versus indische Küche

Den meisten sind der exotische Geschmack und die stark gewürzten Speisen der bürgerlichen indischen Küche bekannt. Die verschiedensten Koch-traditionen des indischen Subkontinents gehen auf die vedische Tradition zurück und orientieren sich in Bezug auf Kombination und Auswahlkriterien an den Grundprinzipien des Ayurveda.

Viele unserer Gäste meinten, die indische Volksküche sei mit der ayurvedischen Heilküche gleichzusetzen. Das trifft aber nicht zu. Die Definition der ayurvedischen Heilküche zeigt deutlich, womit sie sich von der indischen Küche abgrenzt. Die brahmanische Priesterkaste Indiens hat sich meist an die Prinzipien der Ayurveda-Küche gehalten. Ein Großteil der Hindus isst vegetarisch. In den ayurvedischen Medizinschriften hingegen werden die Qualitäten, Vorzüge und Nachteile des Verzehrs einzelner Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch oder Milch genauestens analysiert. Es geht dabei um die typenspezifische Zu-/Abträglichkeit und den therapeutischen Nutzen dieser Nahrungsmittel sowie die pathologischen Folgen missbräuchlichen Verzehrs. Fleisch war also in der indischen Antike keineswegs tabu – unter gewissen Voraussetzungen natürlich. Die Ausübung bestimmter religiöser, spiritueller Praktiken und Meditationstechniken legte den Verzicht auf Fleisch- oder Fischverzehr nahe. (Mehr dazu im Kapitel 3, S. 113 ff. )

Wie jedes andere Land sind die Inder in ihre kulturellen Traditionen eingebettet und haben klimatisch bedingte Essgewohnheiten

Die persische Mogulherrschaft führte im 16. Jahrhundert den Fleischverzehr ein. Die Portugiesen brachten etwas später die Chilischote nach Indien. Die Kuh war und ist bis heute die Lebensgrundlage der indischen Familie in ländlicher Gegend. Die hinduistische Religion ist die einzige Weltreligion ohne Religionsstifter. In ihr ist sogar die Nahrung Gott Brahma zugeordnet und das (Verdauungs-)Feuer wird als Gottheit namens Agnideva verehrt.Alle Lebewesen haben hier gleiches Recht auf Leben und seelische Entwicklung. Menschen, die den Tieren das Leben nehmen, verstricken sich nach Auffassung der Hindus in karmische Prozesse, die bis in spätere Reinkarnationen negative Auswirkungen haben können. Deshalb haben die Hindus die älteste vegetarische Tradition der Erde. Diese Gegebenheiten prägen trotz äußerer Einflüsse die Küche Indiens. Indien war zudem das letzte Land,

in dem der McDonald’s-Konzern Fuß gefasst hat – ein positives Zeichen starker und gesunder Ess-traditionen. Die junge Generation der Oberschicht in den indischen Metropolen ernährt sich heute genauso schlecht und unbewusst wie die meisten Menschen in den westlichen Industrieländern.

Ayurvedisch kochen heißt nicht indisch kochen

Die uns bekannten indischen Gewürze sind heute auch in der westlichen Welt wieder zunehmend gefragt – nicht allein wegen ihrer intensiven und exotischen Gaumennoten, sondern vor allem wegen ihrer wohltuenden Wirkung. Viele von ihnen waren schon vor Beginn des 20. Jahrhunderts beliebt und eine Luxusware, die nur wohlhabenden Kreisen vorbehalten war. Wenn man alte Handelsregister der Hafenstädte Europas durchforstet, findet man über Jahrhunderte Gewürze wie Anis, Fenchel, Asant, Cumin, Gelbwurz, Koriander, Zimt, Kardamom und andere aus dem Orient.

Wenn wir unseren heimischen Gerichten Gewürze wie Cumin, Kardamom oder Fenchel hinzufügen, kann es sein, dass das Ganze plötzlich „indisch“, „orientalisch“ oder „weihnachtlich“ schmeckt. Mit Sicherheit gibt es in jedem Teil der Welt äquivalente Gewürze, die den Eigenschaften der bekannten ayurvedischen Gewürze entsprechen. Hierzulande finden wir in der Hildegard-Küche die bei uns beheimateten Wildkräuter und Gewürze. Hildegard von Bingen hat in Anlehnung an die ayurvedische Drei-Säfte-Lehre gearbeitet.

Selten wird in indischen Restaurants Europas nach ayurvedischen Kriterien gekocht

Die Speisen sind, wie in jeder anderen Küchentradition, meist einseitig oder unzeitgemäß zubereitet. Indische Gerichte sind oft viel zu fett. Sie werden in Joghurt oder Sahne gekocht, mit säuernden Tomatensoßen, Brot aus Weißmehl, zu scharf oder schlichtweg überwürzt und mit in altem Frittierfett gebackenen Zutaten serviert. Die Nachtische sind üppig und oft viel zu süß.

Erstaunlich ist, dass diese Küche dennoch vielen Europäern weitaus besser bekommt als jede westliche Fast-Food-Küche. Das liegt vermutlich an den Juwelen der Verdauung – den Gewürzen.

Ayurvedisch kochen heißt

das Prinzip der unterschiedlichen Energetik von Lebensmitteln zu verstehen, erwünschte Eigenschaften gezielt hervorzuheben oder durch einfache Kunstgriffe (z. B. mithilfe von Antidots) Ausgleich zu schaffen. Dieses Prinzip lässt sich auf jede Kochtradition übertragen, sofern man sich mit Energetik befasst. Das haben wir für Sie in wochenlanger Recherche getan.

Ayurvedisch kochen können Sie überall auf der Welt. Indisch kocht man besser nur für indische Mägen. Ayurvedisch kochen heißt stets, ein sensibles Gleichgewicht zwischen Genuss, Sättigung, Befriedigung der Sinne und einem individuellen Maß an Zuträglichkeit zu finden. Die Auswahl der Speisen sollte sich überwiegend auf die Nahrungsmittel heimischer Herkunft, entsprechend der saisonalen Erntezeit, beschränken.

Die vorherrschende Qualität der Jahreszeit bestimmt die Art der Zubereitung:

• warme, ölige Speisen und Gewürze im Herbst und Frühwinter – der Vata-Zeit,

• kühlende Speisen, mehr Rohkost und Früchte im Sommer – der Pitta-Zeit,

• trockene, leichte, schleimlose, eiweiß- und fettarme, gut gewürzte Speisen im Spätwinter und Frühjahr – der Kapha-Zeit. (Näheres dazu siehe Kap. 3, S. 90, 118 ff. 122 ff.).

Speziell in den asiatischen Kochtraditionen kommt genau das gleiche Prinzip zum Einsatz. Chinesen und Japaner haben ebenso feingliedrige Energetiksysteme. Energetisch ausgewogen zu kochen ist also keineswegs nur eine indische Fähigkeit.

Ayurveda und die Azidose/Anti-Milch-Propaganda

Anhänger der sogenannten Azidosetherapie (sie dient der Entsäuerung des Körpers) vertreten die These, dass insbesondere das Milcheiweiß vom erwachsenen Menschen nicht aufgespalten werden kann. In der Folge würden die Lymphgefäße verkleben. Der Zwischenzellraum würde mit zahllosen sauren Schlacken und Zelltrümmern überflutet. Das wird als Grundlage allen zivilisatorischen Übels angesehen. Man rückt den „Milcheiweißsündern“ mit unangenehmen Azidosemassagen zu Leibe, untersagt ihnen den Verzehr von Milchprodukten und verabreicht Basenpulver. Auf diese Weise meint man, den Übeltäter namens „Azidose“ erfolgreich bekämpfen zu können. Aber warum trifft das nur auf einen Teil der Bevölkerung zu? In der Lebensmittelbranche und auch in der klassischen Schulmedizin befasst man sich nur selten mit der Konstitutionslehre.

Die Milchverachtung hat auch genetische Ursachen

Um Milch bzw. den darin enthaltenen Milchzucker überhaupt verdauen zu können, wird das Enzym Lactase benötigt. Dieses Enzym fehlt vielen Völkern rund um den Globus, besonders den Afrikanern, den Chinesen, den Indianern, den Aborigines Australiens und den Ostasiaten – mit Ausnahme der Inder und der Nordeuropäer.

Wird die Laktose nicht aufgespalten, kommt es zu Darmspasmen, Blähungen und Durchfällen. Das Milcheiweiß beginnt im Darm zu gären, führt zu Flüssigkeitsansammlungen und sehr schmerzhaften, kolikartigen Symptomen.

Warum fehlt so vielen Menschen das Enzym Lactase? Die Fähigkeit nordeuropäischer Erwachsener, Milch zu verdauen, ist eine junge entwicklungsgeschichtliche Anpassung. Kein Säugetier verträgt im Erwachsenenalter Milch. Auch unsere Vorfahren sind als Erwachsene über Generationen ohne Milch ausgekommen. Eine populärwissenschaftliche These behauptet, dass die Umstellung unseres Körpers vor 10.000 Jahren mit der Sesshaftigkeit, also durch Ackerbau und Viehzucht, begann. Die Rinder dienten zunächst als Arbeitstiere, später, und besonders in Notzeiten, als Fleisch- und Milchlieferanten. Nur die Menschen in der nördlichen Hemisphäre überlebten, die Milch als primäre Proteinquelle problemlos trinken und verdauen konnten.

Die Mittelmeervölker vertragen hingegen Milch nicht so gut; Käse oder Joghurt sind dagegen weniger ein Problem. Eine Erklärung der Genetiker ist das Wetter. Im Nord-Süd-Gefälle Europas ist die Sonneneinstrahlung sehr unterschiedlich. Die Haut produziert bei Sonneneinstrahlung Vitamin D, was für die Kalziumaufnahme im Dickdarm wesentlich ist. Durch die helle Haut können wir auch bei geringer Sonnenstrahlung mehr UV-Licht absorbieren. Dies reicht aber trotzdem nicht aus, um uns vor Vitamin-D-Mangel (Rachitis) oder Kalziummangel (Osteomalazie) zu schützen. Hier kommt die Milch ins Spiel: Sie enthält große Mengen an Kalzium. Andererseits erleichtert die Lactase die Kalziumaufnahme im Darm erheblich. Die Anpassung unserer Erbanlagen durch unsere helle Haut und das Enzym Lactase brachte uns immerhin 2 % Überlebensvorteil. Dieser Prozess dauerte etwa 5.000 Jahre.

Aus ayurvedischer Sicht kann man in Sachen Ernährung und Therapien nichts zum allein selig machenden Wunderheilmittel erheben Die Kuhmilch wird in der ayurvedischen Ernährungslehre als wertvolles Nahrungsmittel eingestuft – allerdings unter bestimmten Voraussetzungen und nicht für jedermann zu jeder Zeit (weiteres siehe S. 172 und S. 336,). Keine einzelne Diät- wie Therapierichtung kann allen Menschen gerecht werden. Die Antwort liegt in der Betrachtung der individuellen Konstitution – dem genetisch determinierten, individuellen Reiz-Reaktions-Muster eines jeden Menschen (siehe Kap. 2, S. 41 ff.).

Diätetische Einschränkungen des Ayurveda in Bezug auf Milchprodukte

• DerKapha-Typ mit seiner lymphatischen Konstitution sollte Milchprodukte generell eher meiden (Näheres siehe „Prakruti-Typtest“, S. 68 ff.). Er neigt zur Verschleimung der Atemwege, zu vermehrter Lymphaktivität, Ödemen, Diabetes, Stoffwechselträgheit, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Milch besteht wie Kapha aus dem Erd/Wasser-Element. Gleiche Qualitäten verstärken einander. Milch ist süß, schwer, kalt, träge, leicht ölig, schleimig.

• In der Kapha-Jahreszeit erzeugenSchleim vermehrende Nahrungsmittel wie Milchprodukte zahlreiche vermeidbare Krankheiten. In Westeuropa ist das die Zeit vom 1. Februar bis 1. Juni jedes Jahres. Schon in christlichen Urzeiten war das die klassische Fastenzeit. Besonders Kapha-Typen haben in dieser Jahreszeit die o. g. Beschwerden. Aber auch Pitta- und Vata-Typen können bei regelmäßigem Verzehr von Milchprodukten gesundheitliche Probleme bekommen. Vermehrte Magen-Darm-Infekte, periodische Erkältungen, Nebenhöhlenentzündungen, Heuschnupfen o. Ä. treten gehäuft in der Kapha-Jahreszeit auf. Wenn man in jener Zeit weitgehend auf Milchprodukte verzichtet, bleiben erstaunlich viele Symptome aus.

• Milch wirkt, kalt getrunken, wie Gift.Milch sollte stets allein und mit bestimmten schleimlösenden Gewürzen aufgekocht werden. Dann bezeichnet man Milch als Amrit (Leben spendenden Nektar). Milchprodukte dürfen auf keinen Fall mit bestimmten Nahrungsmitteln kombiniert werden (siehe Kap. 3, S. 144-145 ff. „Die toxischen Nahrungskombinationen“). Milch, mit Früchten kombiniert, erzeugt beispielsweise einen unverdaubaren, toxischen Komplex im Magen. Die enzymatischen Prozesse laufen unvollständig ab. Ama (unverdaute Nahrungsschlacken) sind das Resultat. Sie sind Nahrungsgrundlage für zahlreiche Parasiten und der Ursprung vieler Allergien und Schleimkrankheiten. Hier gibt es eine Übereinstimmung mit der Azidosetheorie – man spricht hier von Übersäuerung. Im Ayurveda ist von Verschleimung und Obstruktion der Verdauungskanäle die Rede. Die Symptome müssen allerdings konstitutionell unterschiedlich behandelt werden.

Fünf Gründe weshalb wir die Milch ausSupermärkten, mitunter sogar aus Bioläden, nicht vertragen

Man muss sich fragen, ob die Milch vor 3.000 Jahren hochwertiger war. Das lässt sich zweifellos bejahen.

1.Die Umweltbelastung von Luft, Wasser und Boden hat in den letzten 50 Jahren drastisch zugenommen. Die Milchqualität ist damit geringer, da Milch, ähnlich wie das Wasser, ein äußerst sensibles Medium ist.

2.Die Hornentfernung.