Die Zukunft ist nur eine Illusion - Rolf W. Meyer - E-Book

Die Zukunft ist nur eine Illusion E-Book

Rolf W. Meyer

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Beschreibung

An einer südkalifornischen Universität leitet der Wissenschaftler Bryan Stone als Spezialist für Verhaltensökologie des Homo sapiens sapiens eine Veranstaltung, in der die Wesensart des Menschen im Mittelpunkt steht. Denn es ist seine "Affennatur", die eine Besonderheit darstellt. Dadurch dass seine Studentinnen und Studenten Einblicke in die Entwicklungs- und Kulturgeschichte des Menschen erhalten, wird ihnen sein widersprüchlicher Charakter bewusst. Er äußert sich sowohl in seinem vernunftbegabten als auch in seinem zerstörerischen Verhalten. Als die Frage um die Zukunft des Menschen angesprochen wird, findet unerwartet ein Ereignis mit globaler Auswirkung statt, das die Weltbevölkerung in eine Sackgasse zu führen droht.

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Seitenzahl: 80

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Rolf W. Meyer

Die Zukunft ist nur eine Illusion

oder

Vom verständigen Menschen zum

Impressum

Rolf W. Meyer

Die Zukunft ist nur eine Illusion

Copyright: © 2017 Rolf W. Meyer

Umschlag & Satz: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de

Die Namen der Personen, die an der Veranstaltung an einer fiktiven südkalifornischen Universität teilnehmen, und der Name des amerikanischen Präsidenten sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten mit den Namen von lebenden Personen sind daher rein zufällig.

Der Homo sapiens ist und bleibt immer auch ein Homo rapiens, ein Räuber mit ungeheurer destruktiver Kraft, der die Welt in den Untergang führen kann.

John Gray, britischer Philosoph

Vorwort

Es ist wieder einer jener schönen Sommertage, der normalerweise gute Laune aufkommen lässt. Vom Pazifik her weht eine erfrischende Brise, die die Autofahrt auf dem U.S. Highway 101 im dichten Verkehr erträglicher macht. Bryan Stone (47) ist auf dem Weg zum Institut für Humanevolution des Department of Natural Sciences an einer südkalifornischen Universität, an der er als Paläoanthropologe forscht und lehrt. Sein Spezialgebiet ist die Verhaltensökologie des Homo sapiens sapiens. Während der Autofahrt, die im Stop–and-Go- Rhythmus erfolgt, kreisen seine Gedanken um die gegenwärtigen militärischen Konflikte, die sich im Südpazifik, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Europa abspielen. „Hat denn der Mensch nichts aus seiner Kulturgeschichte lernen können?“, denkt er bei sich. Schon seit langem verfolgt er besorgt, mit welchem Unvermögen Politiker auf internationale Konflikte reagieren.

Sobald aber Bryan Stone den Campus der Universität erreicht hat, ändert sich bei ihm die Stimmung. Hoch motiviert nähert er sich dem Institut für Humanevolution, in dessen Hörsaal er für seine Studentinnen und Studenten eine ganztägige Veranstaltung durchführen will, in der die Wesensart des Menschen im Mittelpunkt steht. Denn es ist die „Affennatur“, die eine Besonderheit des Menschen ausmacht.

Der Wissenschaftler betritt gut gelaunt den Hörsaal, wo seine Studentinnen und Studenten ihn schon gespannt erwarten. Bryan Stone genießt bei ihnen ein hohes Ansehen aufgrund seiner Fachkompetenz, der persönlichen Ausstrahlung und Aufgeschlossenheit ihnen gegenüber. Nachdem er schwungvoll seinen Rucksack mit den Arbeitsunterlagen auf den Tisch gelegt hat, begrüßt er seine Zuhörerschaft und verkündet augenzwinkernd im Hinblick auf seine Autofahrt auf dem Highway: „Wer glaubt, dass jede Verbesserung der Fortbewegung des Menschen zugleich eine Erweiterung des geistigen Horizontes bedeutet, wird auf unseren Highways eines Besseren belehrt. Die moderne Automobilität des Menschen hat nicht die Welt entscheidend verändert, sondern die Spezies Mensch selbst.“

Die Reaktion seiner Studentinnen und Studenten zeigt, dass sein Einstieg gelungen ist.

„Ich möchte Ihnen mein heutiges Veranstaltungsthema vorstellen“, kündigt Bryan Stone an, nachdem sich die Heiterkeit im Hörsaal wieder gelegt hat. „Wir wollen über drei Grundfragen sprechen, die die Menschheit schon immer beschäftigt haben.“

Mit Kreide schreibt er an die Tafel: „Woher kommen wir?“ „Wer sind wir?“ „Wohin gehen wir?“

„Diese Fragestellungen sind übrigens das Thema eines Gemäldes des französischen Malers Paul Gauguin (1848 – 1903), das er innerhalb von vier Wochen Ende des Jahres 1897 in seiner selbst gebauten Hütte in Tahiti fertiggestellt hatte. Es gilt als dessen berühmtestes Kunstwerk. Zu sehen ist dieses Kunstwerk im Museum of Fine Arts in Boston.“

Nach dieser kurzen Erklärung stellt er seiner Zuhörerschaft die Frage: „Haben Sie eine Vorstellung davon, seit wann es Leben auf der Erde gibt und zu welchem Zeitpunkt unsere direkten Vorfahren, Vertreter des Homo sapiens sapiens (‚der besonders verständige Mensch‘), auf der Erde erschienen sind?“

Ein Raunen geht durch den Vorlesungssaal und einige Veranstaltungsteilnehmer melden sich zögerlich. Ihren Antworten kann Bryan Stone entnehmen, dass sie nur ungenaue beziehungsweise keine konkreten Vorstellungen haben. Er schlägt daher vor, einen kurzen Abriss zur Erdgeschichte zu geben.

„Die Entwicklung des Lebens verläuft in Zeiträumen, die für uns Menschen kaum fassbar sind. Erst seit etwas mehr als hundert Jahren haben Wissenschaftler eine Vorstellung davon, wie alt der Planet Erde tatsächlich ist, seit wann es Leben auf unserer Erde gibt und wie vergleichsweise kurz die Existenz der Menschen und ihrer fossilen Vorgänger ist.

Die Evolution benötigt große Zeiträume. Es ist der Strom der Zeit, aus dem Arten von Lebewesen hervorgehen und der sie wieder mit sich fortreißt. Vor etwa 14 Milliarden Jahren entstand der Kosmos, die Urerde bildete sich vor etwa 5 Milliarden Jahren im Rahmen des Sonnensystems. Die feste Erdrinde entstand vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. Vor etwa 3,8 Milliarden Jahren begannen sich in den Urozeanen organische Moleküle (wie z.B. Nukleinsäuren, Proteine, Kohlenstoffhydrate, Lipide) zu entwickeln, die später Großbausteine für lebende Systeme darstellten. Seit etwa 3,2 Milliarden Jahren gibt es Leben auf der Erde. In 5 Milliarden Jahren wird die Erde wieder ‚untergehen‘ und die Sonne zu einem Roten Riesen werden.“

Dann entscheidet sich Bryan Stone für eine einprägsame Erläuterung: „Zur Veranschaulichung der abstrakten Zeitspannen evolutionärer Prozesse übertragen wir diese auf ein Kalenderjahr. Die Säugetiere entstehen am 8. Dezember gegen 21.12 Uhr (vor etwa 190 Millionen Jahren), die Primaten am 23. Dezember gegen 11.36 Uhr (vor etwa 70 Millionen Jahren). Die Vormenschen und Menschen spalten sich vom Ast der Schimpansen und Bonobos frühestens am 31. Dezember gegen 6.29 Uhr ab (vor höchstens 8 Millionen Jahren). Die Vormenschen Australopithecinen (‚südliche Affen‘) beginnen am 31. Dezember gegen 12.19 Uhr (vor etwa 3,8 Millionen Jahren) aufrecht zu gehen. Noch am selben Tag kommen um 17.17 Uhr (vor etwa 2,3 Millionen Jahren) Steinwerkzeuge auf. Die Herstellung und der Gebrauch des Feuers erfolgt gegen 22.32 Uhr (vor 500 000 Jahren). Homo sapiens erscheint gegen 22.50 Uhr (vor 400 000 Jahren) auf der Szene, der Homo sapiens sapiens, auch anatomisch moderner Mensch genannt, in Ostafrika gegen 23.27 Uhr (vor etwa 200 000 Jahren).“

***

Bryan Stone unterbricht seine Ausführung, um den Studentinnen und Studenten Gelegenheit zu geben, diese Informationen zu verarbeiten. Dann fährt er fort: „Bevor wir uns mit dem Ursprung des anatomisch modernen Menschen beschäftigen und damit auf die erste Grundfrage ‚Woher kommen wir?‘ eingehen, schlage ich drei Definitionen vor. Auf deren Grundlage können wir weiter arbeiten.“

Der Wissenschaftler notiert an der Tafel:

Homininae (Homininen): Der Mensch und seine ausgestorbenen Vorfahren (Homo-Formen und Vormenschen-Formen)

Hominidae (Hominiden): Die großen Menschenaffen (Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse, Bonobo) und Mensch einschließlich aller ausgestorbenen Vorfahren

Hominoidea (Hominoiden): Die kleinen Menschenaffen Gibbons, die großen Menschenaffen und der Mensch einschließlich aller ausgestorbenen Vorfahren.

Kurz darauf stellt er die Frage in den Raum: „Wo begann die Evolution der Homininen?“. Gespannte Erwartung zeigt sich in den Gesichtern der Zuhörerschaft. „Die Geschichte der Vormenschen und Menschen begann in Afrika“, erklärt Bryan Stone, „wobei am Anfang dieser Entwicklung Veränderungen der natürlichen Umwelt standen.“

Dann folgt seine Erkärung: „1981 prägte der französische Paläoanthropologe Yves Coppens den Begriff ‚East-Side-Story‘. Er brachte damit zum Ausdruck, dass Veränderungen der Umwelt in Ostafrika vor 15 Millionen Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach entscheidende Anstöße gaben für die Entwicklung der Homininen, in deren Verlauf unsere Art (Homo sapiens) beziehungsweise unsere Unterart (Homo sapiens sapiens) entstanden ist. Ausschlaggebend dabei war die Entstehung des ostafrikanischen Grabenbruchsystems, auch Rift Valley genannt. Es zieht sich heute noch sichtbar über eine Länge von 6000 km von Sambesi bis zum Jordan-Tal im Vorderen Orient.“

„Wie kam es zur Bildung des Rift Valley?“, möchte einer der Studenten wissen.

„Dazu müssen wir uns an dieser Stelle mit einem geologischen Ereignis aus der Erdgeschichte beschäftigen“, erwidert sein Professor. „Vor etwa 15 Millionen Jahren setzten im Osten des afrikanischen Kontinents tektonische Verschiebungen durch aufsteigende Lava ein. Die Spannungen in der Erdkruste führten schließlich zum Aufreißen der Erdoberfläche. Der große afrikanische Graben entstand. Gleichzeitig begann eine weltweite, langsame Abkühlung des Klimas. Die Ausdehnung der Regenwälder in der Mitte Afrikas ging zurück. Durch die tektonischen Verschiebungen und die Auffaltung neuer Gebirge am großen Graben geriet Ostafrika in den Regenschatten. Aus dem geschlossenen Waldareal östlich des Grabens entstand eine mosaikartige Savannenlandschaft mit offenen Grasflächen.“

„Gibt es neben geologischen Beweisen noch weitere wissenschaftliche Belege dafür, dass Afrika der ausschließliche Ort der Entstehung des Homo sapiens sapiens ist?“, wird gefragt.

Bryan Stone freut sich über das große Interesse im Auditorium an dem Thema und stellt dazu eine in der Paläoanthropologie vertretene Theorie vor.

„Durch die ‚Out-of-Africa-Theorie‘ wird die wissenschaftlich belegbare Ansicht vertreten, dass die Gattung Homo ihren Ursprung in Afrika hatte. Man spricht daher von der Wiege der Menschheit. Deren Gattungsangehörige verbreiteten sich von dort aus über die ganze Welt. Während sich ‚Out-of-Africa I‘ auf die Entstehung und die Ausbreitung von Homo erectus bezieht, dessen älteste bisher gefundenen Fossilien außerhalb Afrikas rund 1,8 Millionen Jahre alt sind, wird die Bezeichnung ‚Out-of-Africa II‘ oder Recent African Origin, auf die Ausbreitung von Homo sapiens angewandt. Paläoanthropologische Belege hierfür sind beispielsweise die Fossilien Omo 1 und Omo 2 sowie die Herto-Schädel aus Äthiopien. Bisher vertrat man die Ansicht, dass diese fossilen Funde mit ihrem archäologischen Alter zwischen 190 000 und 160 000 Jahren BP [Before Present] zu den ältesten sicher datierten Nachweisen des archaischen Homo sapiens zählen. Die Auffassung der meisten Paläoanthropologen war bislang, dass sich der Homo sapiens sapiens vor etwa 200 000 Jahren in Ostafrika entwickelt hat. Nun ergab allerdings die Auswertung der Untersuchungsergebnisse an Fossilien von Homininen und Steinwerkzeugen, die ein Forschungsteam unter Leitung des Anthropologen Jean-Jacques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in der Höhlenfundstelle Jebel Irhoud in Marokko im Jahr 2007 entdeckt hatten, dass es sich um Belege für den Homo sapiens sapiens mit einem Alter von etwa 300 000 Jahren handelt. Das neue Datierungsergebnis lässt die Annahme zu, dass sich die Art Homo sapiens nicht aus einer einzigen Population in Ostafrika entwickelt hat. Vielmehr haben fließende evolutionäre Prozesse in ganz Afrika stattgefunden, die zur Entwicklung von Homo sapiens sapiens geführt haben und wesentlich älter sind als bisher angenommen.“

Bryan Stone unterbricht seinen Vortrag und notiert an der Tafel den Begriff „mitochondriale Eva“, um die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf einen weiteren wissenschaftlichen Beweis zu lenken.