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Nina-Marie hat eine kleine, feine Buch- und Blumenhandlung am Stadtrand. Seit dem Verlust ihrer großen Liebe hat sie sich in die Arbeit gestürzt und findet Trost darin, wunderschöne Sträuße zu binden oder ihre Kundinnen und Kunden und mit einer Buchempfehlung glücklich zu machen. Dass sie selbst noch einmal glücklich sein kann, daran glaubt sie nicht mehr. Als sie eines Tages einen wohlriechenden Strauß an einen übellaunigen älteren Herren ausliefert, wendet sich das Schicksal. Der Herr ist ein Bestsellerautor, der aber seit langem nicht mehr schreibt. Und auch sein Sohn ist Nina-Marie nicht unbekannt... Der Zufall beginnt, eine zarte Liebesgeschichte zu schreiben, die Ninas Leben neu aufblühen lässt.
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Seitenzahl: 487
Veröffentlichungsjahr: 2025
Lilli Beck
Roman
Der Zufall kennt Wege, da kommt die Absicht niemals hin!
Ich blinzle träge in die letzten Sonnenstrahlen, die durch das hohe Fenster fallen und das Hotelzimmer in goldenes Licht tauchen. Ich wünsche mir, die Strahlen hätten Zauberkräfte und würden die Zeit anhalten. Um für den Rest meines Lebens in Paris zu bleiben. Für immer in Erics Armen zu liegen. Das süße Kribbeln in meinem Magen zu spüren, wenn er mich küsst, seinen warmen Atem an meinem Ohr. Laut zu lachen, wenn er zärtlich hineinpustet und es kitzelt. Oder ihn jeden Tag neu kennenzulernen. Noch einmal den magischen Moment erleben, als wir uns zum ersten Mal in die Augen gesehen haben.
Eric ist meine große Liebe. Die eine schicksalhafte Liebe, die alle Schwierigkeiten überwindet, die nichts erschüttern kann und die ein Leben lang anhält. Die der Zufall perfekt eingefädelt hat. Auf den Zufall ist immer Verlass, glaubt Eric. Ich war von dieser angeblichen Zuverlässigkeit nicht überzeugt. Für mich gehörten Zufälle in die Schublade mit den Unglückstagen. An denen ich bei Regenwetter in eine Pfütze trete, den Bus verpasse oder die Schulkameradin treffe, die mich früher wegen meiner rotblonden Haare mit dummen Sprüchen geärgert hat.
Das änderte sich, als ich Eric kennenlernte. Die Situation hätte absurder nicht sein können, aber unter dem Aspekt des hochgepriesenen Zufalls betrachtet, war sie einfach nur perfekt. Wenn ich daran denke, muss ich kichern.
»Darf ich mitlachen?« Eric dreht den Kopf und schaut mich an. Das späte Sonnenlicht lässt seine moosgrünen Augen noch ein wenig grüner erscheinen. Setzt seinem zerzausten rotblonden Schopf einen glänzenden Kranz auf. Lässt sein gut geschnittenes Gesicht wie gemeißelt aussehen.
»Ich musste daran denken, wie Zufälle das Leben verändern können.«
»Und sogar Leben retten. Das Penicillin beispielsweise wurde von Sir Alexander Fleming nur zufällig entdeckt«, doziert Eric gespielt belehrend und haucht mir einen Kuss auf die Wange. »Dass der Zufall aber uns beide zusammengebracht hat, war ein Masterpiece. Als wäre ich die Kugel auf dem Roulettetisch deines Lebens gewesen und direkt auf Zero gerollt.«
Ich gluckse bei dem Vergleich. »Damit wurde quasi die Bank gesprengt. Rien ne va plus.«
»Oui, ma chérie.«
Ich kuschle mich in seine Halskuhle, atme den Duft nach Zedernholz ein. »Woran hast du vorhin gedacht, als wir einfach nur dagelegen und in die Sonne geblinzelt haben?«
»An die berühmte Frau auf dem Eiffelturm, die angeblich jeden Tag hinauffährt, weil sie diesen verdammten Turm hasst und es der einzige Platz in ganz Paris ist, wo sie ihn nicht sehen kann.«
»Echt jetzt?« Ich weiß, er will mich nur zum Lachen bringen, simuliere aber Empörung und schnappe übertrieben nach Luft. »Wir liegen eng umschlungen in einem luxuriösen Polsterbett, und du denkst an eine andere Frau? Du liebst mich nicht mehr!«
»Wie kommst du nur auf so eine absurde Idee?« Er zieht mich fest an sich, küsst mich zärtlich auf den Mund. »Ich liebe dich mit jedem Atemzug mehr. Mit jedem Tag intensiver. Solange ich lebe.«
»Dann will ich jetzt sofort die französischste und romantischsteLiebeserklärung! Eine, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat. Eine, die den Eiffelturm ins Wanken bringt. Eine, die uns unsterblich macht. Bitte, bitte …«, bettle ich und lächele ihn an.
»Hmm … mal überlegen …« Er lockert seine Arme und dreht sich langsam aus unserer Umarmung. Richtet sich auf. Rutscht an die Bettkante, fasst sich an die Brust. Plötzlich keucht er. Sein Atem geht schwer.
Ich beuge mich zu ihm. »Alles in Ordnung?«
Er nickt, holt tief Luft und lässt sie langsam, aber sehr geräuschvoll ausströmen. Es klingt ein wenig nach dem Pfeifen eines Wasserkessels. »Schon vorbei.«
Er lügt. Ich weiß es ganz sicher. Aber ich darf nichts sagen. Ich darf keine Angst haben. Und vor allem darf ich meine Angst nicht zeigen.
Er stützt sich mit den Fäusten an der Bettkante ab. Ich sehe, dass er sich konzentrieren muss, ehe er mit dem nächsten Atemzug relativ schwungvoll aufsteht. »Bin gleich zurück …« Er steuert Richtung Badezimmer, das links neben der Zimmertür liegt.
Ich beiße mir auf die Lippen. Bezwinge den Impuls, ihm zu folgen, nachzusehen, ob es ihm auch wirklich gut geht. Eric hasst es, bemuttert zu werden. Also beherrsche ich mich und bewundere stattdessen seinen athletischen Körper. Seinen muskulösen Rücken. Die breiten Schultern. Den wohlgeformten Po. Eric ist attraktiv und sein Körper trotz der Krankheit wunderschön. Er kann es mit jeder griechischen Marmorstatue aufnehmen. Von allen Seiten. Hört man allerdings seinen nordischen Namen, betrachtet man seine helle Haut mit den Sommersprossen und das rötlich blonde Haar, denkt man vielleicht an einen modernen Wikinger. An einen, mit dem man sofort auf ein Schiff steigen und über die Meere fahren möchte.
Als er aus dem Badezimmer zurückkommt, hat er meinen Lippenstift in der einen Hand und in der anderen den kleinen runden Spiegel, den ich zum Schminken benutzte. Als er vor dem Bett steht, sehe ich, dass er seine Lippen geschminkt hat.
Unwillkürlich muss ich laut lachen. »Was hast du vor?«
Er streckt mir den Schminkspiegel und den Lippenstift entgegen. »Lippen anmalen.«
»Rote Lippen für eine Liebeserklärung?«
Er grinst übermütig. »Lass dich einfach überraschen.«
Ich rapple mich hoch und überkreuze die Beine zum Schneidersitz, ehe ich mir den Mund schminke. Die Konturen werden nicht ganz sauber, weil ich ständig grinsen muss, aber es wird schon gehen. Als ich es endlich geschafft habe, schaue ich zu ihm auf. »Gut so?«
»Niedlich, als hätte es eine Dreijährige gemacht«, urteilt er und verlangt den Lippenstift zurück. »Aber es ist der schönste Mund der Welt, und es wird trotzdem funktionieren. Komm bitte mit zum Fenster …« Er streckt mir seine Hand entgegen.
Jetzt bin ich wirklich gespannt. Schnell entknote ich die Beine und lasse mich von Eric aus dem Bett ziehen.
Der Blick aus dem Fenster über die Dächer von Paris ist einfach atemberaubend. Die Sonne ist hinter den Häusern verschwunden, die Stadt glitzert in der Dämmerung, wir können den beleuchteten Eiffelturm sehen, und ich bin froh, dass wir noch kein Licht angemacht haben und niemand bei uns hineinschauen kann.
Plötzlich beugt sich Eric an die Fensterscheibe, drückt seine Lippen darauf und hinterlässt einen Abdruck. »Jetzt du, direkt darüber …«, sagt er, »vielleicht ein bisschen schräg, damit man erkennen kann, dass es zwei Lippenpaare sind …«
Ich komme mir etwas seltsam vor, als ich die kühle Fensterscheibe küsse, gleichzeitig kribbelt mein ganzer Körper, weil es auf eine leicht verrückte Art romantisch ist. Und genau deshalb habe ich mich in ihn verliebt. Erics Ideen sind immer überraschend und niemals gewöhnlich.
Eric legt seinen Arm und mich. Wir treten einen halben Schritt zurück und betrachten unser Werk.
»Moment … es fehlt noch was«, sagt Eric. Mit dem Lippenstift schreibt er Je t’aime … moi non plus über die Abdrücke und umrandet das Werk mit einem großen Herz. Dann dreht er sich zu mir und lächelt mich liebevoll an. »Mach ein Foto. Was immer die Zukunft bringt, es wird dich an Paris erinnern.«
Meine Augen füllen sich mit Tränen, als ich mein Smartphone vom Nachttisch nehme, auf die Kamerafunktion tippe und ein wenig zurücktrete. Dann einen Minischritt zur Seite, um die ultimative Perspektive zu suchen.
Gefunden!
Der Eiffelturm im Hintergrund, überall Lichtpunkte und im Vordergrund das Herz mit unseren Lippen.
Eine Liebeserklärung für die Ewigkeit.
Und der Turm wackelt ein bisschen. Könnte aber auch an meinem Tränenschleier liegen, der alles um mich herum verschwimmen lässt. Als würde ich in das Traumland blicken, in dem ich meine große Liebe gefunden habe.
Ich drücke meine Nase in die Freilandrosen der Sorte Aphrodite und atme den berauschenden Duft ein. Sie duftet nicht nur berauschend, sondern erinnert mit den gefüllten blassrosa Blütenköpfen auch an Biedermeierrosen. Gebunden mit Schleierkraut werden sie zu einem romantischen Strauß.
»Aua …«
Ich habe mich an den Dornen gestochen und muss sofort an den Spruch meiner Mutter denken: Wer Rosen liebt, darf sich nicht an den Dornen stören, der muss den kurzen Schmerz ertragen. Wenn es das nur wäre: ein kurzer Schmerz. Ohne das kleinste Zucken würde ich ihn aushalten, wenn ich dafür dieses große Leid nicht mehr spüren müsste, das mich an manchen Tagen schier zu Boden drückt, mir den Schlaf raubt und mein Leben wie einen langen schwarzen Tunnel erscheinen lässt, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Eric ist nicht mehr da.
Meine große Liebe. Verloren an die Ewigkeit.
»Nina-Marie?«
Die Stimme meiner Mutter aus dem Hinterzimmerbüro. Nur sie nennt mich bei meinem doppelten Vornamen, der zustande kam, weil meine Eltern sich nicht auf den Namen einigen konnten. Sie fand Nina so hübsch, aber mein Vater wollte mich unbedingt Marie nennen, nach seiner Mutter. Den Kompromiss habe ich jetzt am Hals. Mir war das schon im Kindergarten zu doof. Wollte jemand meinen Namen wissen, habe ich »Nina« geantwortet. In der Schulzeit hat sich das manifestiert, und es ist bis heute dabei geblieben. Nur Mama bleibt stur.
»Bei den Rosen«, rufe ich ihr über die Schulter zu.
Wir verkaufen die beiden vielleicht schönsten Dinge der Welt: Bücher und Blumen, weshalb unser Laden auch Buch & Blume heißt. Meine Mutter Paula ist gelernte Floristin, ich bin ausgebildete Buchhändlerin. Im Blumenladen helfe ich am Morgen, wenn sie manchmal vor Ladenöffnung auf den Großmarkt fährt, um frische Ware zu besorgen oder sehr viele Bestellungen vorzubereiten sind. Aber am liebsten bin ich in meiner Buchhandlung, die ich mir schon als Teenager gewünscht habe. Mein Traum wurde wahr, als die Änderungsschneiderei neben dem Blumenladen schloss. Das war kurz nach Erics Tod. Kurzerhand hatte meine Mutter das Ladenlokal angemietet, und ich konnte endlich meinen eigenen Buchladen eröffnen. Mit einer exklusiven überschaubaren Auswahl, mehr ist auf fünfzig Quadratmetern nicht möglich. Wie sich bald herausstellte, war die neue Aufgabe genau die richtige Therapie für mich. Mich in die Arbeit zu stürzen, mich mit dem besonderen Duft von frisch gedruckten Büchern zu betäuben und mit den Kunden über Neuerscheinungen zu plaudern, lenkt mich ab, wenigstens kurzzeitig. Außerdem sind Blumen und Bücher eine unschlagbare Kombination. Wer sich ein Buch als Geschenk einpacken lässt, dem empfehle ich je nach Anlass einen Strauß oder eine einzelne Blume dazu. Das wertet auch das schmalste Büchlein auf.
Sekunden später steht Mama neben mir. »Wie geht es dir?« Sie schaut mich aus blaugrauen Augen an und lächelt über das runde Gesicht auf diese liebevoll-besorgte Art, wie es nur Mütter vermögen.
Dennoch kann ich diesen Kontrollblick nicht leiden. Aber egal, wie oft ich versichere, dass es mir gut geht und ich mich nicht in der nur wenige Minuten entfernten Havel ertränken will – sie macht sich unablässig Sorgen. Nicht zuletzt, weil sie weiß, wie es sich anfühlt, wenn man plötzlich allein dasteht. Sie wurde vor fünf Jahren von meinem Vater wegen einer anderen Frau verlassen.
»Bestens«, behaupte ich, halte ihrem Blick stand und hänge noch ein: »Ich habe auch hervorragend geschlafen« an. Dass ich wie so oft die halbe Nacht gelesen habe, würde ich ihr niemals gestehen. Normalerweise glaubt sie mir sowieso nicht. Im Grunde ist es unwichtig, was ich sage.
Auch heute kauft sie mir meine Ausrede nicht ab, das sehe ich an ihrem Blick, der mich durchdringend scannt. »Du solltest mal wieder ausgehen, dich amüsieren. Verabrede dich mit deiner Freundin Suse, zieh dir was Hübsches an und unternimm was mit ihr. Flirte ein bisschen. Immer nur zwischen Grünzeug und Büchern, das macht auf Dauer depressiv.«
Ich schenke ihr ein Lächeln. »Verabredungen nennt man heute Dates, Mama.«
»Ist doch schnurz, wie das jetzt heißt. Du bist jung, du solltest dich amüsieren und nicht jeden Abend bei mir auf dem Sofa hocken«, merkt sie an, wendet sich schließlich ab und betrachtet die Rosen. »Ah, die Freiland-Aphrodite, die wir direkt bei einem Großhändler in Südfrankreich beziehen, ist pünktlich eingetroffen. Frau Lehmann hat eben angerufen und drei große Sträuße bestellt. Du weißt ja, wie immer keine bestimmte Sorte, Hauptsache, sie duften.« Sie beugt sich über den schwarzen Kunststoffkübel, in dem fünfzig Stängel mit je drei oder vier Blütendolden stehen, und atmet tief ein. »Betörend, einfach betörend. Diese Sorte ist definitiv eine der schönsten.«
»Wann möchte sie die Sträuße abholen?« Frau Lehmann ist meine Lieblingsstammkundin.
»Am Nachmittag, so gegen vier, da wäre sie ohnehin unterwegs.«
»Das schaffen wir locker. Es ist ja noch nicht mal zehn.«
Meine Mutter blickt auf ihre altmodische Armbanduhr. Sie ist aus Gold mit einem runden Ziffernblatt an einem braunen Lederarmband, und sie trägt sie, seit ich denken kann. Würde ich in einer Menschenmasse nur einen Arm mit dieser Uhr erblicken, wüsste ich sofort, das ist Mama.
»In einer Minute ist es so weit. Soll ich aufsperren?« Erneut mustert sie mich, als wäre ich zu schwach, um die Ladentür auch nur anzufassen.
»Danke, ich mach’s gleich. Nur noch schnell den Tisch säubern, sieht sonst so unordentlich aus, wenn überall Blätter liegen.«
Verständnislos mustert sie den Tisch, der bis auf zwei grüne Rosenblätter sauber ist, und zuckt die Schultern. »Wie du meinst.« Sie streicht sich beiläufig über das kastanienbraune Haar und informiert mich im Weggehen: »Ich bin im Büro.«
»Okay, Mama.«
Zu unserem Team gehört noch Ellen, eine fünfundzwanzig Jahre alte Floristin, groß gewachsen, schwarzes, sehr kurzes Haar und meist Doc-Martens-Stiefel an den Füßen. Dass sie Blumen über alles liebt, kann man sofort erkennen, wenn sie an warmen Tagen luftige Klamotten trägt und jeder ihre wunderschönen Blumen-Tattoos bewundern kann.
Ellen und ich kümmern uns um die Kunden, Mama um die Bestellungen, die Anrufe und den leidigen Papierkram, wofür ich ihr ewig dankbar bin. An einem Schreibtisch würde ich noch mehr grübeln, als ich es ohnehin schon tue. Die Arbeit mit Büchern zwingt mich zur Konzentration. Sie verleiht meinen Tagen Struktur und gibt mir Halt. Die Blumen sagen mir, ich darf den Kopf nicht hängen lassen.
Ursprünglich war vorgesehen, dass mein älterer Bruder Armin eines Tages den Blumenladen von Mama übernimmt. Leider ist er allergisch gegen Blütenpollen und zahlreiche Gräser. Seit zehn Jahren serviert er jetzt Cocktails, Biolimo und kleine vegane Gerichte in seiner schummrigen Bar in Berlin-Kreuzberg.
Ich nehme noch einen tiefen Atemzug von Aphrodite und schiebe den ansehnlichen Bund dann zur Seite. Die Hälfte davon reserviere ich für Frau Lehmann, der Rest wird verkauft sein, ehe der Tag zur Neige geht. Was ich schon jetzt bedaure, aber wir leben ja vom Verkauf. Leider bekommen wir von der Aphrodite nur eine begrenzte Anzahl. Noch kurz die Glasfläche des Arbeitstisches säubern und ich bin bereit, aufzusperren.
Buch & Blume liegt in der Ritterstraße mitten in der idyllischen Altstadt von Spandau und öffnet täglich um zehn. An Muttertagen, vor Ostern, Pfingsten, Weihnachten und ähnlichen Stoßzeiten schließen wir eine Stunde früher auf. Und die Sache mit dem »zuverlässigen Zufall« geschah an Muttertag.
An der Tür trafen sich unsere Blicke zum ersten Mal.
An der Tür habe ich mich in ihn verliebt.
An der Tür erinnere ich mich jeden Morgen an diese Situation. Es ist wie ein unsichtbares Band zwischen Eric und mir. Das sich immer wieder neu vor mir aufrollt. Im Moment des Türöffnens sehe ich ihn vor mir, wie er mich mit hochgezogenen Augenbrauen so vertraut anlächelt, als würden wir uns schon ewig kennen.
Der heutige Tag beginnt gemächlich. Die erste Kundin im Buchladen, eine Mutter mit einem Baby im Tragesack vor der Brust, hat einen ähnlichen Sorgenblick wie meine Mutter.
Ich lächle besonders freundlich, als ich ihre Bestellung aufnehme; zwei Bücher über die Entwicklung eines Babys im ersten Jahr.
Als sie den Laden verlassen hat, sause ich in unsere Minitoilette und werfe einen prüfenden Blick in den ovalen Spiegel über dem Waschbecken. Dunkle Schatten unter meinen Augen lassen mich ein wenig krank aussehen.
Ab morgen werde ich mich zusammenreißen, motiviere ich mich streng. Ab morgen werde ich nie mehr ohne Make-up aus dem Haus gehen und nur noch positiv denken. Angeblich soll es schon genügen, die Mundwinkel nach oben zu ziehen, und schon meldet das Gehirn: Alles mega!
Nüchtern betrachtet besteht kein Grund zur Klage. Ich bin gesund. Neunundzwanzig Jahre alt. Das ganze Leben liegt noch vor mir. Think pink!
Mit hochgezogenen Mundwinkeln verkaufe ich tatsächlich zwei Krimis von Curt Fernau. Ich liebe seine Bücher, habe alle Bände gelesen und selbstverständlich vorrätig. Es sind keine »Leichenpornos«; ein Literaturkritiker hat diesen Begriff für jene Bücher verwendet, in denen mit brutalsten Methoden massenhaft Tote produziert werden. Fernaus Geschichten sind anders, eher psychologisch mit raffiniert durchdachten Plots. Ich kann nicht genug von ihnen kriegen.
Später erinnert mich meine Mutter noch an den Brautstrauß, der bald abgeholt wird. Unweigerlich muss ich an den Ring denken, den Eric … Nein! Ich verdränge die Erinnerung. Ich würde nur in Tränen ausbrechen. Entschlossen ziehe ich die Mundwinkel nach oben und konzentriere mich auf die Arbeit.
Cremeweiße Rosen und exotischer Korallenfarn, die ich zu einem kugelrunden Bouquet binde und mit feiner Perlenschnur umwickle. Ich befestige gerade weißes Kreppband um die Stiele, als ein junger Mann den Laden betritt.
Er hält mir ein Handy vor die Nase. »Ich hätte gern so einen Strauß …«
Auf dem Display erkenne ich Erdbeeren, Ananasstückchen und dunkle Weintrauben, gesteckt auf lange Holzstäbchen und mit hellgrüner Zitronenmelisse zu einem halbrunden Gebilde vereint, zusammengehalten von einer roten Schleife. »Meine Freundin will eine Diät beginnen.«
»Wie romantisch. Allerdings muss ich erst Obst besorgen, es kann also etwas dauern. So gegen fünf können Sie ihn abholen.«
»Schon klar«, sagt er grinsend. »Sie sind ja kein Obstladen.«
Mit einem einzigen Satz ist es dem jungen Mann gelungen, meine Melancholie zu vertreiben.
Mittags erkundigt sich ein älterer Herr mit grau melierten Locken, die bis auf den Hemdkragen reichen, nach dem Band Liebesgedichte von Hermann Hesse. »Für meine Frau zum siebzigsten Geburtstag.«
Heute scheint Tag der Romantik zu sein, denke ich gerührt. »Leider ist das Büchlein nicht vorrätig. Aber ich kann es gerne bestellen, dann wäre es morgen da. Oder ich schicke es mit der Post.«
»Ja, bitte, bestellen Sie es, ich hole es dann am Nachmittag ab.«
Nach dem Bezahlen verabschiedet er sich mit einem Augenzwinkern, als wären wir Verbündete in Sachen Geburtstagsüberraschung.
Kurz nach vier betritt Frau Lehmann den Laden. Die in Jeans und rot-weißem Streifenpulli gekleidete blonde Endvierzigerin ist nicht nur wegen des ansehnlichen Umsatzes meine Lieblingskundin, sondern auch wegen ihrer Leidenschaft für Bücher. Sie liest gerne und kauft regelmäßig im Buchladen. Was sie beruflich macht, hat sie mir noch nicht verraten, sie direkt zu fragen, hat sich leider noch nicht ergeben. Es interessiert mich aber sehr. Ich kann es nicht genau benennen, doch es scheint, als habe sie ein Geheimnis. Keine speziellen Wünsche bezüglich der Blumen zu äußern, ist extrem ungewöhnlich und macht mich neugierig. Und was verbindet sie mit dem Duft? Heute werde ich noch mal versuchen, Frau Lehmann »durch die Blume« auszufragen.
»Kleinen Moment, Ihre Sträuße stehen bereit …« Ich begebe mich in unseren angrenzenden kühlen Arbeitsraum, wo Ellen gerade die grüne Bindeware sortiert.
Gemeinsam bringen wir die in Kübeln stehenden Sträuße nach vorne und stellen sie auf den Ladentisch. »Heute habe ich diese Freilandrose mit weißem Flieder gemischt, den wir ja leider nur jetzt im Mai bekommen. Meiner Meinung nach ist es eine sehr hübsche Kombination, auch in der Duftrichtung. Aber wenn Sie gerne etwas anderes hätten …«
»Nein, nein, die Zusammenstellung sieht wunderschön aus und …«, sie beugt sie zu einem Strauß, »riecht traumhaft. Sie haben wirklich ein Händchen für die Auswahl.«
So viel zu meinem Talent, jemanden auszufragen.
Während Frau Lehmann ihr Portemonnaie aus dem sandfarbenen Ledershopper holt, daraus eine Kreditkarte nimmt und bezahlt, erkundigt sie sich, welches Buch ich gerade lese.
»Den zuletzt erschienenen Krimi von Curt Fernau. Den fand ich einfach supergut und wollte ihn noch mal lesen … Kennen Sie ihn?« Als sie verneint, gebe ich den Inhalt in Kurzform wieder. »Ich bin ein großer Fan seines Schreibstils und warte sehnsüchtig auf ein neues Buch.«
Frau Lehmann hat aufmerksam zugehört, während sie mir beim Verpacken der Blumen zugesehen hat. »Sie können gut erzählen, das ist mir schon mehrmals aufgefallen. Macht Spaß, Ihnen zuzuhören. Ich lese gerade ein Sachbuch.« Ohne den Titel oder das Thema des Buches zu erwähnen, steckt sie die Kreditkarte zurück in ihre Geldbörse und die in den Shopper. »Und danke für die traumhaften Sträuße. Leider bin ich heute sehr in Eile …«
Ich entschlüssle das als Themenwechsel und biete an, beim Transport der Blumen ins Auto behilflich zu sein.
»Sehr freundlich, aber mein Wagen steht nur drei Minuten entfernt auf dem Parkplatz Altstadt-West.« Sie holt einen grünen Kunststoffbeutel aus ihrer Umhängetasche, den sie auseinanderfaltet und aufhält. »Damit kann ich die Blumen gut transportieren.«
Vorsichtig verstauen wir die eingewickelten Sträuße in der grünen Tasche und verabschieden uns mit einem Lächeln.
Irgendwann werde ich das Geheimnis der Duftsträuße herausfinden.
Nach Ladenschluss eile ich in die fußläufig zu erreichende Stadtbibliothek an der Carl-Schurz-Straße, die noch bis zwanzig Uhr geöffnet hat.
Als geborene Spandauerin ist das ehemalige Postgebäude im historischen Stadtkern ein vertrauter Anblick für mich. Wie wunderschön das rote, teilweise von Efeu bewachsene Backsteinhaus mit den Erkern und Säulen ist, bemerke ich deshalb kaum noch. Viel zu selten habe ich Zeit, durch den großen Torbogen und das kunstvoll geschmiedete Eisententor in den Innenhof zu gehen. Oder mich auf die Bank unter dem Schatten spendenden Baum zu setzen und zu lesen. Zu Schulzeiten habe ich hier Bücher ausgeliehen, heute möchte ich meine ausgelesenen Exemplare in den öffentlichen Bücherschrank stellen. Manchmal nehme ich mir auch welche mit, denn mich nur in meinem Laden zu bedienen, wäre auf Dauer zu kostspielig. Bücher helfen mir durch die schlaflosen Nächte, in denen sich das Gedankenkarussell unablässig dreht. In denen mich die Sehnsucht nach Eric wach hält.
Um Liebesromane oder Reiselektüre mache ich einen großen Bogen, aber mit einem spannenden Krimi kann ich vergessen, was geschehen ist. Höre auf, darüber nachzudenken, warum das Schicksal so grausam war.
Ich setze bewusst ein Lächeln auf und stoppe am schwarzen Brett in der Nähe des Eingangs. Hier werden die unterschiedlichsten Kurse angeboten; mal sehen, ob für mich etwas dabei ist. Yoga für Anfänger? Der Bastelkurs für Kinder fällt mangels Nachwuchs auch flach. Günstige Sprachreisen wären schon eher eine Überlegung wert. Aber das ist interessant: Lebenskrise meistern, Verlust verarbeiten! Neugierig lese ich die Informationen dazu:
Stecken Sie in einer Lebenskrise? Haben Sie einen schweren Verlust erlitten? Vielleicht hilft es Ihnen, sich mit Betroffenen auszutauschen. Jeden Donnerstag kommen wir zusammen und reden darüber. Nicht nur über den Tod oder lebensbedrohliche Krankheiten. Vielleicht ist der Ruhestand doch nicht so erfüllend wie erhofft. Oder Sie müssen eine Trennung verarbeiten. Jeder ist herzlich willkommen. Anmeldung nicht erforderlich, einfach vorbeikommen. Teilnahme ist kostenlos.
Ich lese den Text ein zweites Mal und muss an das Katzenpärchen denken, das mein Bruder und ich als Kinder hatten. Die beiden Pelznasen sind mit zwölf Jahren fast zeitgleich gestorben, und ich war am Boden zerstört. Armin nahm es weniger tragisch; Katzen leben nicht so lange wie Menschen, hat er mir altklug erklärt. Ich war trotzdem untröstlich. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass er einmal Veganer wird, und zwar aus Mitgefühl für die geschundenen Kreaturen der Massentierhaltung.
Als ich mir die Adresse des Treffpunkts einpräge, frage ich mich, warum ich mir gerade diesen Aushang merke? Ob mir der Zufall gerade zugezwinkert hat? Ob ich vor fremden Menschen darüber reden möchte, dass ich Eric verloren habe? Ob es mich trösten würde? Beim nächsten Gedanken weiß ich, dass Eric die Zuverlässigkeit des Zufalls beschwören würde. Dass er mich drängen würde, die Gelegenheit zu nutzen. Dass es mir helfen könnte.
Meine Augen füllen sich mit Tränen, mein Herz beginnt zu rasen, und mir wird heiß wie unter hohem Fieber. Ich merke, wie mich eine tiefe Traurigkeit erfasst und durchschüttelt.
Um mich zu beruhigen, hetze ich nach draußen und spaziere am Viktoria-Ufer unter den Schatten spendenden Bäumen entlang. Und überlege ernsthaft, die Selbsthilfegruppe auszuprobieren. Frei zu reden macht mir keine Probleme, nicht mal in der Grundschule hatte ich Angst, aufzustehen und laut vorzulesen. Aber möchte ich vor Fremden über meine Liebe zu Eric reden? Darüber, was wir erlebt haben? Warum ich den Verlust auch nach über zwei Jahren nicht überwunden habe? Ganz sicher wird das in einem Weinkrampf enden. Ich heule ja schon los, wenn ich nur an Eric denke. Nein, lieber doch nicht.
Ganz blöde Idee.
Vorhaben gestrichen.
Aufatmend marschiere ich nach Hause.
Ich lebe wieder in meinem Teenagerzimmer. Mit Eric habe ich in Berlin-Charlottenburg gewohnt und war in einer Buchhandlung angestellt. Das Leben in der Metropole war anders als das, welches ich jetzt im beschaulichen Spandau führe. Bunt. Schnell. Aufregend. Abwechslungsreich. Überraschend. Auch wenn Spandau zu Berlin gehört, hat es den Charme einer Kleinstadt mit den entsprechenden Vorteilen. Einer davon ist die Nähe unseres Betriebs in der Ritterstraße zu Mamas Vierzimmerwohnung am Lindenufer. Meine Eltern haben die gut geschnittene Altbauwohnung mit der Wohnküche in den Neunzigern bezogen. Zeitgleich konnte mein Vater, der gelernter Gärtner ist, den zauberhaften antiken Blumenladen in der Ritterstraße übernehmen. Nach einer Renovierung wurde er zu Blumen Danner und später dann zu Buch & Blume. Die Wohnung am Lindenufer hat meine Mutter nach der Trennung wegen der unschlagbar günstigen Miete behalten. Mit dem Scheidungsurteil in der Hand hat sie sich noch am selben Tag an die Umgestaltung gemacht. Die alte Resopalküche war zuerst an der Reihe. Mit hellen modernen Schränken, einer Kochinsel und Sitzecke am Fenster wurde sie zu einer behaglichen Wohnküche umgebaut, in der wir die meisten Mahlzeiten einnehmen.
Kurz vor acht betrete ich die Wohnung in der vierten Etage und werde von einem verführerischen Duft nach Gebratenem empfangen. Nach dem Drama um Eric konnte ich lange Zeit kaum etwas essen, mein Appetit kam nur sehr langsam zurück. Jetzt läuft mir das Wasser im Mund zusammen, und mein Magen meldet sich mit leisem Knurren. Ich bin hungrig. Wie jeden Tag habe ich nicht gefrühstückt und mittags nur ein halbes Käsebrot und einen Apfel gegessen. Eindeutig zu wenig für die teilweise anstrengende körperliche Arbeit.
Im Flur streife ich die Sneakers von den Füßen. »Hallo, Mama«, rufe ich in Richtung Küche, in der sie gerade kocht. Einmal am Tag muss der Mensch was Warmes in den Bauch bekommen, ist ihr Credo.
»Hallo, Nina-Marie, wir können gleich essen.«
In eingespielter Routine decke ich den Tisch mit dem guten Porzellan. Dazu Kristallgläser und feines Silberbesteck, als wäre es ein besonderer Tag.
Nach der Küchenrenovierung hat Mama den »schön gedeckten Tisch« eingeführt. Von Oktober bis April zünden wir sogar Kerzen an. Sie wollte jeden einzelnen Tag feiern, an dem sie nicht mehr hintergangen wird. Keine Träne wollte sie dem untreuen Hallodri nachweinen. Er sei es nicht wert, sich in ein Loch zu verkriechen und elend zu fühlen. Das einzig Wertvolle, was ihr aus dieser Ehe abgesehen von uns Kindern geblieben sei, sei die goldene Uhr, scherzt sie gerne.
Die Zucchinipuffer mit der würzigen Joghurtsauce schmecken köstlich. Ich nehme eine zweite Portion und lobe Mamas Kochkünste. Sie ist eine hervorragende Köchin, ganz im Gegensatz zu mir. Ich gehöre zu den Menschen, die am Herd keine gute Perfomance abgeben, um es mal vorsichtig auszudrücken.
»Das Rezept stammt von Armin, ich gebe aber ein Ei dazu. Wenn ich deinen Bruder besuche, bekocht er mich, ich assistiere und passe gut auf. Er ist ja so unglaublich kreativ«, erklärt sie und ich höre deutlich, wie stolz sie auf ihren Erstgeborenen ist.
»Ich werde ihm bald wieder einen Besuch abstatten, war schon viel zu lange nicht mehr da«, entgegne ich und meine es auch so.
»Das würde dir bestimmt guttun, dann kommst du mal wieder unter Menschen. Du solltest dich amüsieren, flirten, lachen und was ihr jungen Leute sonst noch so alles treibt.«
Ich weiß, sie meint es gut, aber nach ausgehen, feiern, tanzen, daten oder gar flirten ist mir überhaupt nicht. Allein der Gedanke daran lässt mich frösteln.
»Du hast heute endlich mal gut gegessen«, lobt mich Mama, als wäre ich nicht neunundzwanzig, sondern drei und müsste zum Essen gedrängt werden, was leider zutrifft.
»Was hältst du von einer Selbsthilfegruppe, in der über Lebenskrisen geredet wird?«, wechsle ich das Thema.
Meine Mutter lässt das Besteck auf ihren Teller sinken und sieht mich erstaunt an. »Selbsthilfegruppe? Da sitzt man doch im Kreis auf Stühlen und redet über seine Probleme, richtig? Kenne ich aus Fernsehfilmen. Stelle ich mir ein bisschen wie im Kindergarten vor, da machen sie doch auch Stuhlkreise.« Sie lacht vergnügt. »Wie kommst du jetzt auf die Idee?«
Ich erzähle von dem Aushang am Schwarzen Brett und dass ich überlege, es auszuprobieren.
»Wunderbar, ganz wunderbare Idee, Nina-Marie. Meine Bemerkung wegen des Kindergartens tut mir leid, fiel mir nur so ein. Wenn du meinst, dass es was bringt oder dich sogar tröstet, nur zu«, sagt sie in aufmunterndem Tonfall und fragt, wann die Gruppe sich trifft.
»Donnerstags um acht in der Nähe der Bibliothek. Die Uhrzeit ist eigentlich ungünstig, weil wir dann immer essen. Andererseits …« Ich räume den Tisch ab und stelle das Geschirr in die Spülmaschine.
»Einen Tag in der Woche kann ich darauf verzichten. Du kannst dir ja vorher eine Pizza in den Laden liefern lassen. Dann marschierst du dorthin und guckst dir die Teilnehmer an. Wenn sie dir nicht gefallen, sagst du einfach, du hättest dich in der Tür geirrt.«
Typisch meine Mutter, immer eine Lösung parat. Nur für den Riss in meinem Herzen hat sie keine. Und Pizza ist schon gar keine Lösung, die bringt mich erst recht an den Rand der Tränen.
Zwei Tage später wird mir um fünf vor sieben eine Pizza mit Spinat und Mozzarella geliefert. Ellen verabschiedet sich drei Minuten später. Ich schließe hinter ihr ab und begebe mich mit dem würzig duftenden Pizzakarton in Mamas Büro.
Der Raum hat ein Fenster, durch das man in den begrünten Hinterhof schauen kann. Ein rechteckiger Glastisch auf Chrombeinen aus den neunziger Jahren dient als Schreibtisch. Ein Bildschirm mit Tastatur steht in der Mitte des Tisches, der Rechner darunter. Davor ein schwarzer Schreibtischstuhl mit ergonomischem Rückenteil auf Rollen. Die restliche Einrichtung – Aktenregale, ein Schubladencontainer, die Kaffeemaschine, dazu Teekanne, Tassen, Teller und Besteck – ist zweckmäßig. Mama möchte sich trotzdem neu einrichten, sobald es die Umsätze zulassen. Nur die neongrün geschriebene Weisheit an der Wand über der Kaffeemaschine dürfte bleiben: Bücher fürs Herz, Blumen für die Augen, mehr braucht es nicht zum glücklich sein!
Kaum habe ich den Pizzakarton geöffnet, sehe ich Eric vor mir, wie er ein Stück auf der Hand balanciert, bemüht, dass der Mozzarella nicht hinabgleitet. Eine Zeit lang haben wir uns von kaum etwas anderem ernährt. Wir haben uns gegenseitig mit Pizza gefüttert oder gewettet, wer die längsten Käsefäden ziehen kann.
Die Erinnerung macht mich traurig und ich überlege, die Selbsthilfegruppe sausen zu lassen. Doch dann gebe ich mir einen Schubs und renne um zehn vor acht in das nahe liegende Hotel, wo das Treffen stattfindet.
Es ist ein lauer Maiabend, die meisten Geschäfte in der Altstadt schließen in wenigen Minuten. Kaufwillige sind kaum noch unterwegs. Ich sehe auch keine verliebten Pärchen, worüber ich sehr dankbar bin. Händchenhaltende Paare lassen mich unweigerlich melancholisch werden.
Vor dem Hotel zittern meine Hände, und ich friere. An der Frühlingsluft kann es nicht liegen, ich bin eindeutig nervös. Aber ein Rückzieher wäre feige. Ich atme durch und kontrolliere mein zurückgebundenes rotblondes Haar in der gläsernen Eingangstür, ehe ich sie aufschiebe.
An der Rezeption erfahre ich von einer dunkelhaarigen Endvierzigerin, wo das Treffen stattfindet.
»Rechts am Lift vorbei, dann die zweite Tür links, kleiner Konferenzraum«, erklärt sie freundlich.
In der weißen Hemdbluse mit dem blauen Seidentuch über der Schulter könnte sie auch Flugbegleiterin sein, das perfekte Lächeln beherrscht sie bereits.
Es ist ein kurzer Weg durch einen schummrigen Flur. Bei jedem einzelnen Schritt auf dem dunkelgrünen Noppenteppich suche ich nach Gründen, das Vorhaben doch noch abzubrechen. Am Konferenzraum bin ich immer noch unschlüssig und starre die Tür an. Ich sollte da nicht reingehen. Vielleicht sind Kunden unter den Teilnehmern, und vor denen mein Leid auszubreiten, wäre mir peinlich. Vielleicht würde dann auch niemand mehr bei mir kaufen.
Ich drehe mich zum Gehen und pralle beinahe mit einem Mann zusammen, der offensichtlich inkognito unterwegs ist. Eine Basecap verdeckt sein Haar, ein Vollbart die untere Gesichtshälfte, eine Sonnenbrille seine Augen. Er ist einen halben Kopf größer als ich und trägt Jeans und einen Blouson.
»Niemand da?« Er zieht ein Handy aus der Tasche der grauen Sportjacke und guckt über den oberen Brillenrand auf das Display. »Zwei Minuten vor acht. Komisch, es hieß acht Uhr. Normalerweise gibt es doch immer ein paar Übereifrige, die bei solchen Treffen superpünktlich sind.« Mit dieser Erklärung schiebt er die Brille wieder auf die Nasenwurzel, legt seine Hand auf die Türklinke und drückt sie locker auf.
Ich weiß vor Peinlichkeit nicht, was ich sagen soll.
Falls er meine Unsicherheit bemerkt, übergeht es sie. »Die hat geklemmt …«, behauptet er höflich, tritt einen Schritt zur Seite und lässt mich vorgehen.
Ich hebe den Kopf und begebe mich in einen Raum, den ich auf den ersten Blick etwa halb so groß wie meine Buchhandlung einschätze. Auf Armlehenstühlen sitzen sieben Personen im Kreis. Unwillkürlich muss ich an die Bemerkung meiner Mutter denken, Stuhlkreis wie im Kindergarten. Möglichst unauffällig betrachte ich die Anwesenden. Drei Frauen, zwei Männer, einer mit Glatze. Niemand davon gehört zu meiner Kundschaft, auch der Sonnenbrillenmann neben mir nicht.
»Hallo, herzlich willkommen, setzt euch«, begrüßt uns eine der Frauen. Sie scheint anzunehmen, dass der neben mir stehende Sonnenbrillenmann und ich zusammengehören.
»Ähm …« Ich räuspere mich und suche nach passenden Worten, den Irrtum aufzuklären, da hat sich der »Türöffner« schon einen der vier seitlich bereitstehenden Stühle geschnappt und zu der Runde gesetzt.
»Mein Name ist Sandra, ich bin die Leiterin der Gruppe. Nimm dir doch auch einen Stuhl«, spricht sie mich nun direkt an und lächelt aufmunternd.
Die geschätzte Enddreißigerin mit den üppigen Kurven und der auf die Schultern fallenden dunklen Lockenpracht wirkt sympathisch. Und in ihrem geblümten Wickelkleid mit den halblangen Ärmeln hebt sie sich positiv von den durchweg dunkel gekleideten Anwesenden ab.
Ich murmle ein »Dankeschön« und hole mir einen Stuhl.
Sandra rutscht etwas zur Seite. Ich verstehe das als Aufforderung, mich neben sie zu platzieren. Was ich gerne tue.
»Für die Neuen unter uns …«, beginnt Sandra und schaut in die Runde. »Wir duzen uns und nennen uns beim Vornamen. Wir starten mit einer kurzen Vorstellungsrunde, wer seinen Klarnamen nicht nennen mag, überlegt sich ein Pseudonym. Aber bitte keine Phantasienamen wie Einhorn oder Dino …« Einige reagieren mit Kichern. »Es ist auch nicht nötig, etwas über die Familie oder den Beruf zu erzählen. Wer anonym bleiben möchte, findet bestimmt eine Möglichkeit, sein Thema zu umschreiben oder nur so viel zu verraten, damit wir im Bilde sind.«
Ich überlege, ob ich als Pseudonym eine Rose, vielleicht Aphrodite wählen sollte? Nein, das ist schräg, ich werde mich Marie nennen. Im Moment bin ich ohnehin noch unentschlossen, ob ich bleibe. Der Sonnenbrillenmann macht mich nervös. Vielleicht beobachtet er mich durch seine dunklen Gläser.
»Und noch eine Info für die Neuen«, redet Sandra weiter: »Worüber wir reden und was wir von uns preisgeben, bleibt in dieser Gruppe. Wir tragen nichts nach außen und erzählen niemanden von unseren Gesprächen. Mit der Teilnahme verpflichtet ihr euch automatisch zu Stillschweigen. Verstanden?«
Allgemeines Nicken und zustimmendes Gemurmel.
Anschließend erzählt Sandra noch von sich. Sie ist von Beruf Sozialpädagogin, hat diese Gruppe gegründet und finanziert die Miete für den Raum sowie ihr Honorar aus öffentlichen Geldern. »Das war’s erst mal von mir. Möchte sich jemand vorstellen?«
»Ich«, meldet sich der Mann, der mir die Tür geöffnet hat. »Mein Name ist Peter, ich bin hier, weil ein Freund durch einen schweren Unfall sein Augenlicht verloren hat. Leider gibt es keine Heilung. Seitdem hat er sich vollkommen zurückgezogen. Er geht nicht mehr aus dem Haus, achtet nicht mehr auf sich und lehnt jede Hilfe ab. Ich komme nicht mehr an ihn ran, und das macht mich traurig und oft auch wütend. Was natürlich ungerecht ist. Dann wieder bin ich vollkommen verzweifelt, kann mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren und hatte deshalb bereits Schwierigkeiten. Ich weiß einfach nicht weiter.« Erst jetzt nimmt er die Sonnenbrille ab und starrt mit düsterer Miene auf das dunkelbraune Gestell in seinen Händen. »Seit einigen Wochen trage ich nun ständig diese extrem dunkle Brille. Ein Versuch, um nachvollziehen zu können, wie es ist, von ständiger Dunkelheit umgeben zu sein. Ein hilfloser Versuch, ich weiß, denn ich sehe ja immer noch alles, nur ein wenig abgedunkelt.« Er kneift die Lippen zusammen, als habe er zu viel von sich preisgegeben, und lässt den Kopf sinken.
Mich hat sein kurzer Vortrag berührt. Blind zu sein, stelle ich mir entsetzlich vor. Und mich verwundert, wie klar er gesprochen hat, ohne nachzudenken, frei und flüssig. Er könnte ein junger Lehrer sein, ich schätze ihn auf Anfang dreißig. Auf jeden Fall scheint es für ihn vollkommen normal zu sein, vor Menschen zu reden.
Sandra nickt ihm zu. »Danke Peter, für deine Offenheit. Mag jemand dazu etwas sagen?« Sie schaut ein weiteres Mal in die Runde, erhält aber keine Antwort.
Nach kurzer Pause seufzt die Nachbarin neben Peter. »Mein Name ist Ursula. Ich bin dreiundfünfzig, seit zwei Jahren geschieden und fühle mich einsam … allein zu leben ist schrecklich …« Schniefend drückt sie ein Papiertaschentuch an die Nase.
»Wolltest du dich nicht für einen Sprachkurs anmelden? Davon hast du doch das letzte Mal gesprochen«, erinnert sich die ungefähr gleichalte Nachbarin. »Meine Scheidung ist gerade mal neun Monate her, ich bin anfangs verrückt geworden. Dann habe ich erkannt, dass Untätigkeit mich nicht weiterbringt. Niemand wird an meiner Tür klingeln und mich aus dem Loch rausholen. Das muss man selber machen. Änderungen muss man aber auch wollen. Schon Kleinigkeiten helfen. Ich bin übrigens Marlene und komme seit einem halben Jahr hierher. Mir hat es geholfen, einfach über meine Situation zu reden, und ich merke, wie es jeden Tag besser wird. Auch wenn ich noch lange nicht über den Berg bin. Deshalb freue ich mich jede Woche auf das Treffen.« Sie lächelt Sandra dankbar an.
»Ich weiß, ich weiß …« Ursula überkreuzt die Beine, verschränkt die Arme und kauert sich zusammen, soweit das auf dem Stuhl überhaupt möglich ist. »Ich schlafe aber immer noch so wenig, komme morgens nur schwer aus dem Bett und bin den ganzen Tag erschöpft. Oft schaffe ich kaum den Haushalt, kann mich nicht einmal aufraffen, einzukaufen. Wie könnte ich mich da auf so etwas Schwieriges wie eine Fremdsprache konzentrieren?«
Ich kann Ursula gut nachfühlen. Ohne meine Mutter, ohne Buch & Blume hätte ich die erste Zeit nicht überstanden. Gerade anfangs hätte ich mich ohne die Motivation durch den neuen Buchladen monatelang unter der Bettdecke verkrochen. Bücher und Blumen haben mein Leben gerettet.
Der Glatzkopf hebt zögerlich die Hand, lässt sie aber gleich wieder fallen.
»Jens, bitte, du hast dich ja ziemlich verändert.« Sandra betrachtet ihn mit einem Lächeln.
»Ja, also … ich bin der Jens, und ich wurde von meiner Freundin mit meinem besten Freund betrogen. Habe ich ja schon mal erzählt. Ich habe dadurch gleich zwei Menschen verloren …« Er zieht die Nase hoch, ich sehe Tränen in seinen strahlend blauen Augen. »Das …«, er streicht mit der linken Hand kurz über den kahlen Kopf, »hab ich gestern machen lassen, wie damals Yoko Ono wegen John Lennon. Ich musste irgendwas tun, die Wut hat mich innerlich aufgefressen. Wenn ich jetzt in den Spiegel schaue, ist da ein ganz anderer Jens. Ich glaube, dass es mir hilft.«
Diese Phase der Selbstzerstörung habe ich bereits hinter mir. Eine Glatze habe ich mir zwar nicht scheren, aber mein Haar streichholzkurz schneiden lassen.
»Auch wenn das gemein von deinem Freund und deiner Freundin war, ist das nicht wirklich zu vergleichen. Lennon wurde umgebracht, Yoko Ono musste ihren toten Mann betrauern … ich heiße übrigens Markus«, meldet sich der Grauhaarige neben Jens und mustert ihn durch die randlose Brille.
Markus könnte um die sechzig sein, sitzt kerzengerade und hat seine feingliedrigen Hände auf den übergeschlagenen Beinen abgelegt. In dieser Pose und dem sehr gut sitzenden hellgrauen Anzug mit dem rosa Hemd, dem offen stehenden Kragen und einem rosa Einstecktuch wirkt er auf mich nicht wie jemand, der in einer Krise steckt.
»Für mich ist die Schlampe gestorben.« Jens wischt sich ein paar Tränen aus dem Gesicht. »Sie hat mir das Herz gebrochen und mir auch noch meinen besten Freund genommen.«
Es entbrennt eine Diskussion um radikale Schnitte, wie sinnvoll sie sind und ob sie tatsächlich helfen. Das Scheidungsopfer Marlene ist der Meinung, es könne helfen, zum Beispiel Bilder vom untreuen Ehemann zu verbrennen, wie sie es getan hat.
Ich gehöre eher zu den »Ursulas«, die weinend im Bett liegen und mit dem Schicksal hadern. Dann wieder habe ich die Wohnung bis zur Erschöpfung geschrubbt. Ich hätte jeden Putzwettbewerb gewonnen. Nach Hungerphasen habe ich mich abwechselnd mit Süßem oder Salzigem vollgestopft und auch exzessiv Sport betrieben. Ich bin auf dem Laufband im Gym oder an der Havel entlanggejoggt, oft bis an den Rand eines Kreislaufkollapses.
»In der Medizin gibt es den Spruch: Wer heilt, hat recht. Das würde ich auch für uns anwenden wollen«, erklärt Sandra. »Was immer man glaubt, tun oder unternehmen zu müssen, einfach ausprobieren, natürlich nur, solange man sich selbst oder jemand anderem damit keinen Schaden zufügt. Und Bilder zu verbrennen ist ungefährlich, sofern es im Spülbecken stattfindet. Das nur als kleiner Tipp.«
»Ich kann dich gut verstehen«, sagt Markus und nickt Jens aufmunternd zu. »Mein Mann ist vor einem halben Jahr gestorben. Lungenkrebs. Er war starker Raucher, wir wussten beide, wie es endet, sobald wir die Diagnose bekamen. Aber sein Tod hat eine große Lücke hinterlassen, und ich war anfangs zutiefst verzweifelt, wusste nicht, wie ich weiterleben soll. Er war meine große Liebe, wir waren über dreißig Jahre zusammen und haben geheiratet, sobald es für Homosexuelle erlaubt war. Mir helfen diese Treffen sehr, und das Tagebuch, ich habe ja schon davon erzählt …« Er nimmt seine randlose Brille ab und massiert die Nasenwurzel mit dem Mittelfinger der linken Hand.
»Das klingt interessant«, sagt Peter, der inzwischen die dunkle Brille in die Jackentasche gesteckt hat.
Markus erzählt, dass er nach dem Tod seines Mannes angefangen hat, gemeinsame Erlebnisse aufzuschreiben. »So eine Art Erinnerungsbuch. Alles, was mir spontan einfällt, vom ersten Kennenlernen bis zu seinem letzten Atemzug. Und ich klebe ganz altmodisch Fotos dazu, die noch aus der analogen Zeit stammen. Es ist ein schönes Gefühl, die Bilder von Urlauben, Geburtstagen oder unseren Weihnachten zu berühren. Einfach über sein Gesicht zu streicheln. Manche würden es kitschig nennen, aber es ist wie eine Verbindung …«, er schluckt sichtbar vor Rührung, »zu meiner großen Liebe.«
»Ich finde, es ist eine sehr schöne Idee, Markus. Und ich kann mir gut vorstellen, wie hilfreich es sein kann, Bilder aus der gemeinsamen Zeit anzusehen. Zahlreiche Studien belegen auch, dass Schreiben bei der Verarbeitung helfen kann«, kommentiert Sandra den Bericht von Markus. Dann dreht sich überraschend zu mir. »Möchtest du dich auch vorstellen?«
Bis jetzt habe ich gehofft, hier als stumme Zuhörerin sitzen zu können. Nicht wahrgenommen zu werden. Den anderen Schicksalen zu lauschen. »Ja … ähm … ich bin … Nina …«, sage ich und gebe meinen Klarnamen nun doch preis. Falls einer der Anwesenden jemals Bücher oder Blumen bei uns kauft, wird es keine Irritationen geben. »Und ich …« Wieder stocke ich und suche nach einer möglichst unverfänglichen Formulierung. Zu blöd, dass ich mir das nicht vorher überlegt habe. Schließlich fällt mir ein, wie ich meine Situation schildern kann: »… habe einen sehr wichtigen Menschen verloren. Seitdem bin ich nur noch traurig und verzweifelt.« Ich mache eine Pause, möchte weiterreden, überlege es mir aber anders und starre vorbei an den Anwesenden ins Leere.
»Es wird besser, jeden Tag ein bisschen, versprochen«, sagt Markus und nickt mir zu.
»Danke«, sage ich leise, glaube aber nicht daran. Ich warte schon so lange auf Besserung.
Kurz darauf ist die Stunde vorbei. Sandra betont noch einmal, dass jeder Einzelne nächste Woche wieder herzlich willkommen ist. Dann wünscht sie uns allen eine gute Nacht ohne Albträume. Sie scheint zu wissen, dass manche von uns darunter leiden.
Gedankenverloren begebe ich mich auf den Nachhauseweg. Bisher habe ich nur mein eigenes Schicksal gesehen, nicht darüber nachgedacht, dass auch andere Menschen Schlimmes durchgemacht haben. Zu hören, wie andere mit ihrem Schicksal umgehen, hat mir gezeigt, dass man den Schmerz überwinden kann. Vielleicht nicht sofort, aber ich werde daran arbeiten.
Das monotone Geräusch von Regen holt mich aus dem Schlaf. Träge öffne ich die Augen. Fahles Morgenlicht fällt durch einen schmalen Spalt des Verdunkelungsvorhangs. Ich taste nach meinem Handy, das auf dem runden Nachttisch liegt. Das Geräusch kommtvon der Regen-App, die ich zum Einschlafen benutze. Gewöhnlich stelle ich dazu den integrierten Timer auf zwei Stunden. Gestern Abend habe ich es offenbar vergessen. Normalerweise hätte der Akku schlappmachen müssen, aber das Telefon steckt am Ladekabel. Es hat also unablässig »geregnet«, und ich konnte durchschlafen. Die ganze Nacht. Unglaublich.
Heute ist Donnerstag, aber ich habe beschlossen, nicht noch einmal zu der Selbsthilfegruppe zu gehen. Ich fühle mich einfach unwohl bei dem Gedanken, Fremden von meinem Schicksal zu erzählen oder warum ich nur bei Regen einschlafen kann.
Die unablässig fallenden Tropfen erinnern mich an romantische Regennächte im Campervan, wenn Eric und ich unterwegs waren. Als wir Arm in Arm im eingebauten Bett lagen und den Tropfen lauschten, die auf das Blechdach trommelten.
Ehe mich die Emotionen niederdrücken, verdränge ich die Erinnerung mit einem tiefen Atemzug und schäle mich aus der Bettdecke.
Ohne die antike Blütenlampe anzuschalten, tapse ich zum Fenster, um die blickdichten Vorhänge aufzuziehen. Im Halbdunkel stolpere ich über die Sneakers, die ich gestern achtlos von den Füßen gekickt habe. Unwillkürlich denke ich an Peter, der von seinem erblindeten Freund erzählt hat. Von allen Schicksalen hat mich das am meisten berührt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, für den Rest meines Lebens in Dunkelheit zu leben. Unselbstständig und auf Hilfe angewiesen zu sein.
Doch ich kann meine Schlamperei sehen, sobald Tageslicht den Raum flutet, und dafür bin ich heute direkt dankbar. In den Läden halten wir penible Ordnung. Achten darauf, dass keine Blätter auf dem Kachelboden herumliegen. Dass der Verkaufstisch mit der Kasse sauber ist und ihn keine Wasserflecken zieren. Dass die Bücherregale ordentlich aussehen und die herausgenommenen Exemplare schnellstens wieder einsortiert werden. Zu Hause schaffe ich es seltsamerweise nicht. Solange ich arbeite, bin ich wie ein vollgeladener Akku. Nach Feierabend ist er sofort leer.
Die Abende verbringe ich mit Mama auf dem Sofa, meist vor dem Fernseher. Zum Glück ist meine Mutter kein Fan von endlosen Krimiserien, Dating- oder Quizshows. Sie liebt Filme und hatte neulich sogar Spaß an einem lakonischen Aki-Kaurismäki-Film, der zu meiner Stimmung gepasst hat. Dennoch sollte ich nicht die restlichen Abende meines Lebens mit meiner Mutter auf der Couch verbringen. So bequem das auch ist. So sehr mir diese Gewohnheiten auch das Gefühl verleihen, es sei alles in Ordnung. Dass ich in Sicherheit bin. Und mein Leben nicht in unzählige Scherben zerbrochen ist, die ich nicht zusammensetzen kann. Denn genau das ist vor zwei Jahren geschehen, damals, als Eric starb.
Seitdem verharre ich in einem Vakuum und schaffe es nicht, mich daraus zu befreien.
Seit Wochen merke ich, wie erschöpft ich bin. Wie mich jeder Anfall von Trauer körperlich anstrengt. Dass ich mich an manchen Tagen wie ein zerfleddertes Buch mit Leserillen und umgeknickten Seiten fühle. Wie sehr sehne ich mich danach, wieder ein normales Leben führen zu können, ohne ständig in Tränen auszubrechen. Wenn schon kleine Veränderungen das bewirken können, bin ich bereit, es zu versuchen. Wieder unter Menschen zu gehen, wie meine Mutter vorgeschlagen hat. Diese Stunde in der Selbsthilfegruppe war nicht unbedingt das, was man unter einem lustigen Abend versteht. Aber ich habe die »gewohnten Pfade« verlassen, und das ist doch ein erster Schritt?
Ob ich mich mal wieder mit Suse in einen Club wage? Wie früher, bevor ich Eric kennenlernte. Wir haben die Nächte durchgetanzt. Im Morgengrauen auf der Schönhauser Allee bei Konnopke Berlins berühmteste Currywurst gefrühstückt. Und dann den restlichen Sonntag verschlafen.
Während ich eine lange Dusche genieße, nehme ich mir fest vor, Suse eine Nachricht zu schicken. Sie ist meine beste Freundin. Und die Einzige, die nach zwei Jahren Trauer und Tränen noch bereit ist, mich zu treffen. Die nicht genervt die Augen verdreht, wenn ich stumm neben ihr sitze und seufzend meinen Gedanken nachhänge. Die den Mut hat, mich anzuschubsen und zu sagen: »Nina, so leid es mir tut, für heute ist dein Kontingent an Seufzern verbraucht.« Dazu macht sie ein Froschgesicht, und ich muss lachen. Dann verziehen sich die dunklen Wolken, Sonnenstrahlen kommen hervor, und alles wird heller.
Suse war mit mir auf dem Gymnasium und wechselte nach dem Abi auf eine Schauspielschule. Wenn ich sie anderen als Schauspielerin vorstelle, fügt sie »eine arbeitslose« hinzu, falls sie gerade ohne Engagement ist. Was ihr jedoch selten etwas ausmacht. Sie jobbt dann als Kellnerin und behauptet, das wäre wie ein Kurs in Method Acting. An mir studiert sie »Trauer«. Da Suse noch keinen schweren Verlust hinnehmen musste, bin ich ein geeignetes Studienobjekt. Zumindest ein paar Stunden lang.
Frisch geduscht und die Haare gewaschen, creme ich mein Gesicht verschwenderisch ein. Vielleicht wird so das Grau meiner Haut absorbiert. Die Kosmetikindustrie verspricht der geschätzten Kundin doch gerne die Wirkung eines Jungbrunnens. Mir würde es genügen, wenn die dunklen Schatten unter meinen Augen verschwinden. Im Vertrauen auf diese Versprechungen knete ich auch noch ein spezielles Öl in mein wieder schulterlanges Haar.
Eine Veränderung kann ich sofort in die Tat umsetzen: nicht mehr ohne Frühstück aus dem Haus gehen. Meist trinke ich nämlich nur eine Tasse Kaffee. Zeit genug habe ich. Es ist noch nicht einmal sieben. Ich werde meine Mutter mit einem üppigen Frühstück überraschen. Am Herd bin ich zwar keine Sterneköchin, aber Kaffee und ein Ei kochen kriege ich locker hin.
Ich schlüpfe in mein »Putzfrauenkleid« aus grün-weiß gestreiftem Hemdenstoff und betrete voller Tatendrang die nach Osten ausgerichtete Küche. Der Raum wird bereits von den ersten Sonnenstrahlen erhellt, die es zu dieser frühen Stunde über die Dächer geschafft haben.
Konzentriert decke ich zuerst den Tisch. Anschließend fülle ich den Wassertank der Maschine auf. Es ist ein ziemlich altes Gerät ohne digitale Finessen und problemlos zu bedienen. Ich erinnere mich an einen Löffel pro Tasse und einen für die Kanne, und nehme fünf gestrichene Teelöffel. Dazu eine Prise Salz, das hebt den Geschmack. Noch zwei Eier in einen Topf mit Wasser legen und Herd einschalten nicht vergessen.
Während das Wasser in den Goldfilter tröpfelt und sich bald würziges Kaffeearoma verbreitet, beginnen auch die Eier zu kochen.
Jetzt habe ich Zeit für eine WhatsApp an Suse:
Lust auf einen Method-Acting-Kurs?
Die Antwort lässt auf sich warten. Nicht ungewöhnlich. Vermutlich hat Suse bis spät am Abend gekellnert und schläft noch. Oder war meine Frage derart schräg, dass sie keine Lust hat zu antworten? Ich überlege gerade, ob ich mich gedulden oder erneut schreiben soll, als meine Mutter die Küche betritt. Im Morgenrock, und auch ihr rundes Gesicht ist mit einer zarten Fettschicht überzogen.
»Was riecht denn hier so verbrannt?« Sie schnüffelt mit gekräuselter Nase und steuerte dann direkt auf den Toaster zu. »Dämlicher Kasten«, knurrt sie, klopft mit der flachen Hand an die Seite und erst jetzt springen die Toastscheiben heraus.
»Der klemmt manchmal«, informiert sie mich und lässt die komplett schwarzen Brotscheiben in den Mülleimer plumpsen. Sie wendet sich dem gedeckten Tisch zu, und ein Lächeln liegt auf ihren Lippen. »Wie schön. Und der Kaffee blubbert auch schon.«
»Probier lieber erst, ehe du dich freust«, warne ich sie vorsichtshalber.
Wie sich herausstellt, ist mein Kaffee etwas zu dünn geraten. Dafür sind die Eier nach gefühlt fünfzehn Minuten ganz bestimmt »durch«.
»Die Absicht zählt«, sagte sie großzügig und setzt frischen Kaffee auf.
Mein erster Versuch, etwas zu ändern, war also ein Fiasko. Nur die Eier sind genießbar – in Scheibchen auf perfekt goldgelb geröstetem Toastbrot.
Desillusioniert verlasse ich um zehn vor neun die Wohnung. Heute allein, Mama hat einen Friseurtermin und wird gegen Mittag aufkreuzen. Ihr Angebot, für mich einen Termin bei ihrem Friseur zu vereinbaren, habe ich abgelehnt. Für heute habe ich genug von Veränderungen. In einem Anfall von Schmerz und Trauer würde ich vielleicht eine radikale Rasur verlangen. Und einmal Stoppelfrisur hat genügt. So ein Armeelook verwächst sich ja nicht von heute auf morgen. Es dauert Monate, ehe man sich wieder im Spiegel erkennt. Ich bin ja schon erleichtert, dass dieses Haaröl tatsächlich wie versprochen gewirkt hat und meine spröden Naturlocken jetzt glänzen wie die eines Supermodels, das seine Mähne über die Schultern wirft und siegessicher in die Kamera lächelt.
Der Weg zu Buch & Blume führt durch die teils sehr idyllischen Straßen der Altstadt. In den letzten Jahrzehnten wurden etliche noch gut erhaltene Altbaugebäude renoviert und herausgeputzt. Und die Inhaber der kleinen Läden, die Andenken, Kleidung oder Zigarren anbieten, geben sich große Mühe mit ihren Dekorationen. Gewöhnlich betrachte ich die Auslagen der Geschäfte und lasse mich inspirieren. Heute checke ich die WhatsApp-Nachrichten. Suses Antwort bleibt aus. Schade. Noch bin ich voll motiviert, mit ihr am nächsten Samstagabend irgendeinen Club zu stürmen.
Die Stunde vor der Öffnung um zehn Uhr ist meine Lieblingszeit. Zuerst schlendere ich einmal über die Verkaufsfläche und schöpfe Kraft aus der Tatsache, dass der Traum von einer eigenen Buchhandlung wahr geworden ist. Stolz betrachte ich die deckenhohen dunkelbraunen Bücherregale, die auf dem honigfarbenen Eichenparkett richtig edel wirken. Darin die alphabetisch und nach Genre sortierten Exemplare. Krimis, Thriller, Rom Coms, Romanbiographien und historische Romane. Die Spiegel-Bestseller liegen auf einem Extratisch in der Mitte des Raumes, damit die Kundschaft direkt darauf zuläuft. Kinderbücher führe ich keine. Ohnehin könnte ich nicht mit dem Kinderbuchladen in der nächsten Querstraße konkurrieren. Auch Koch- und Sachbücher, Lyrik und Klassiker fehlen in meinem Sortiment. Aber ich bestelle gerne das Gewünschte. Werde ich gefragt, welches von den vorrätigen Büchern ich gelesen habe, antworte ich meist: »Testen Sie mich und wählen Sie ein Buch aus.« Die Klappentexte kann ich meist wiedergeben und damit die Zweifler beeindrucken.
Als Nächstes überprüfe ich das Wechselgeld in beiden Kassen. Sobald neue oder für Kunden bestellte Ware geliefert wird, widme ich mich meiner Lieblingsaufgabe: Bücher auspacken, den ganz speziellen Duft einatmen und die Exemplare einsortieren.
Kurz vor Ladenöffnung wird ein Karton für den Blumenladen geliefert. Ich kann mich nicht erinnern, etwas bestellt zu haben. Der Absender ist ein Großversand für Gartenbedarf. Gespannt krame ich ein Teppichmesser aus der Schublade unter der Kasse. In dem Moment piepst mein Smartphone.
Wie elektrisiert lege ich das Messer weg und greife nach dem Telefon, das hinten in der Jeanstasche steckt.
WhatsApp von Suse: Hi, Nina, was für ein Zufall! Wollte mich auch melden. Sitze im Zug nach Hamburg. Vertrag mit Theatertruppe ergattert. Tournee auf Kreuzfahrtschiff. Megagute Kohle. Melde mich demnächst. Love Suse 😊
Dazu ein Selfie im Zugabteil. Sie strahlt über das hübsche Gesicht, die blonden Locken nachlässig zu einem Dutt auf dem Oberkopf gebunden, und auf der Stupsnase sitzt eine verspiegelte Sonnenbrille.
Was für eine Überraschung. Angeblich verdienen Künstler auf diesen Schiffen tatsächlich überdurchschnittlich gut. Ich freue mich für sie und schreibe sofort zurück:
WOW! Megatolle News. Viel Erfolg und ich freu mich auf ein Treffen. 😊 Bis bald, Umarmung! Love Nina
Ich kann es kaum erwarten, Suse wiederzusehen. Mich mit ihr zu amüsieren. Ich überlege sogar, neue Klamotten anzuschaffen.
Gut gelaunt widme ich mich dem Karton. Fahre mit dem Teppichmesser durch das Paketband und halte gleich darauf die nächste Überraschung in Händen.
Zehn Solarspringbrunnen.
Dass Ellen und ich diese praktischen Springbrunnen bestellt haben, ist mit tatsächlich entfallen. Es sind flache kreisrunde Scheiben von zwanzig Zentimetern Durchmesser, die mittels eines Akkus von der Sonne aufgeladen werden. Die Scheibe legt man einfach in einen großen Pott oder eine Wanne mit Wasser, und nach etwa einer Stunde Ladezeit sprudelt die Fontäne los. Seerosen, künstliche oder echte dazu, fertig ist ein zauberhafter Miniteich.
Im Vorratsraum steht eine Vintage-Metallschale, die in einem gusseisernen Gestell ruht und sich perfekt als Insekten- und Vogeltränke eignet. Umringt von blühenden Topfpflanzen wird sie zum Eyecatcher, der Passanten zum Innehalten vor dem Laden und natürlich zum Kauf animieren soll.
Als ich den Pappkarton mit den Füßen flach trete, sehe ich vor dem Schaufenster einen dunkelhaarigen jungen Mann, der mich mit zusammengekniffenen Augen anstarrt. Er kommt mir bekannt vor, und ich deute zur Eingangstür als Zeichen, dass ich aufschließen werde. Doch er dreht sich um und läuft mit großen Schritten davon, als hätte ich ihn bei etwas Verbotenem erwischt. Eigenartig.
Kurz vor neun erscheint Ellen. Wie gewöhnlich in dunkler Kleidung, den unvermeidlichen Docs an den Füßen und heute mit Sonnenbrille.
Begeistert begutachtet sie die Lieferung. »Wie cool, dann hole ich die antike Schale und mache mich sofort ans Dekorieren«, sagt sie und stürmt los.
Der Vormittag ist relativ ruhig, nur eine Kundin im Buchladen, die eine Bestellung abholt. Wir können in Ruhe die Topfpflanzen vor dem Laden arrangieren. Bis der Akku des Springbrunnens aufgeladen ist und wir endgültig zufrieden sind mit der Anordnung der Töpfe und den Schnittblumen in den Kübeln, vergehen dann doch zwei Stunden. Der erwünschte Effekt stellt sich aber sofort ein, und bei Ladenschluss haben wir die Hälfte der Solarspringbrunnen verkauft. Dazu reichlich Topfpflanzen, Schnittblumen und eine Anzahl Kakteen. Zum ersten Mal seit vielen Wochen überkommt mich ein Gefühl der Zufriedenheit.
Als meine Mutter die Abrechnung erledigt hat, ist auch sie ganz begeistert. »Was für ein großartiger Umsatz. Fast so gut wie an Muttertagen.«
Muttertag!
Das Wort trifft wie ein vergifteter Pfeil mitten ins Herz. Ich schnappe möglichst unauffällig nach Luft. Sie bemerkt es trotzdem.
»Tut mir leid, Nina-Marie«, sagt sie sofort bedauernd und streicht mir sanft über den Rücken. »Vergiss, was ich gesagt habe, es hat doch nur mit Geld zu tun.«
Wenn vergessen nur so einfach wäre. Ein Wort, und die Erinnerungen springen mich an wie tollwütige Hunde.
Auf dem Nachhauseweg laufe ich schweigend neben meiner Mutter her. Beobachte junge Frauen, die mit Kinderwagen zielstrebig durch den Ort laufen, ohne auch nur eine Sekunde in die Schaufenster zu blicken. Ich freue mich für die Hunde der Rentner, die an jeder Ecke stehen bleiben oder Stadttauben aufscheuchen und ihre Häufchen schnell noch beschnüffeln dürfen, ehe sie weitergezogen werden. Ich recke meine Nase in den Abendwind, der viel zu heiß ist für Ende Mai, und genieße den Weg durch das abendliche Spandau. In diesen Minuten fällt die Hektik des Tages von mir ab.
»Heute ist doch Donnerstag«, stellt meine Mutter fest.
»Hm …«
»Warum gehst du nicht noch mal zu dieser Gruppe?«, flüstert sie mir dann zu, als hätten wir ein Geheimnis.
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. »Wohin?«
Sie wiederholt ihren Vorschlag und fügt hinzu: »Die Gruppe hat dir nämlich gutgetan. Auf mich hast du am nächsten Tag jedenfalls spürbar fröhlicher gewirkt.«
»Du übertreibst«, werfe ich ihr vor.
»Überhaupt nicht. Und du darfst mir ruhig glauben, ich kenne dich nämlich seit Ewigkeiten«, sagt sie und grüßt einen vorbeieilenden Herrn. »Hallo, Herr Sarnezki.«
»Genau seit neunundzwanzig Jahren«, rechne ich ihr vor.
Wenn meine Mutter mit Ich-kenne-dich-seit-Ewigkeiten argumentiert, bedeute das: Sie kennt meine Bedürfnisse besser als ich selbst.
»Und, gehst du?«
»Nee, ich habe Hunger und will lieber mit dir zu Abend essen. Die Gruppe trifft sich auch nächsten Donnerstag wieder.« Mein Einwand wird zuerst kommentarlos hingenommen.
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