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Die Digitalisierung bietet der öffentlichen Verwaltung sowohl Chancen wie Herausforderungen. Einerseits ist die Transformation notwendig, um effiziente und nutzerfreundliche Dienstleistungen anzubieten, andererseits sind die gesetzlichen und datenschutzrechtlichen Vorgaben einhalten. Dieses Buch bietet einen umfassenden Überblick über grundlegende Aspekte der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung - von der Analyse der Ausgangssituation über die Begleitung des Veränderungsprozesses bis hin zur erfolgreichen Umsetzung von Digitalisierungsprojekten. Anhand von Best Practices und Erfahrungsberichten erfolgreicher Projekte werden konkrete Handlungsempfehlungen und praxisorientierte Lösungsansätze vermittelt. Inhalte: - Grundlagen der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung - Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie - Change Management in der öffentlichen Verwaltung - Prozessmanagement und -optimierung - Projektplanung, -steuerung und -controlling - Erfolgsfaktoren und mögliche Stolpersteine - Evaluation und Erfolgsmessung
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Seitenzahl: 254
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Petra Henning
Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung erfolgreich gestalten
1. Auflage, November 2023
© 2023 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
www.haufe.de
Bildnachweis (Cover): © iStock, gremlin
Produktmanagement: Dipl.-Kfm. Kathrin Menzel-Salpietro
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Die Intention dieses Praxisleitfadens besteht darin, Entscheidungsträger:innen, Führungskräften und Mitarbeitenden in der öffentlichen Verwaltung eine wertvolle Unterstützung an die Hand zu geben, um die Digitalisierung erfolgreich zu gestalten. Das Buch verfolgt das Ziel, praxisnahe Informationen, bewährte Strategien und Best Practices zu liefern, um den Digitalisierungsprozess effektiv zu planen, umzusetzen und zu evaluieren.
Durch die Digitalisierung ergeben sich in der öffentlichen Verwaltung sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Es gilt, die Potenziale der Digitalisierung auszuschöpfen, um den Bürger:innen und Unternehmen moderne, effiziente und nutzer:innenfreundliche Dienstleistungen anzubieten. Gleichzeitig sind auch rechtliche Rahmenbedingungen, Datenschutz und Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen.
Der vorliegende Praxisleitfaden bietet einen umfassenden Überblick und eine Zusammenfassung der grundlegenden Aspekte der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Ausgangslage, der Begleitung des Veränderungsprozesses und der erfolgreichen Umsetzung von Digitalisierungsprojekten.
Darüber hinaus werden anhand von Best Practices und Erfahrungsberichten erfolgreicher Projekte konkrete Handlungsempfehlungen und praxisorientierte Lösungsansätze vermittelt. Die Leser:innen erhalten somit einen praxisnahen Leitfaden, der ihnen hilft, die Digitalisierung in ihrer Organisation erfolgreich umzusetzen und dabei sowohl die Bedürfnisse der Bürger:innen und der Beschäftigten als auch die Effizienz und Qualität der Verwaltungsprozesse im Blick zu behalten.
Der Praxisleitfaden schließt mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Trends sowie einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen. Er soll den Leser:innen helfen, den Weg in eine digitale und zukunftsfähige öffentliche Verwaltung zu ebnen und einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen.
Um Fortschritte zu erzielen und erfolgreich voranzuschreiten, ist es von großer Bedeutung, die gesamte Organisation umfassend zu betrachten und zu analysieren. Es genügt nicht, allein auf technologische Lösungen zu setzen. Vielmehr sind die Strukturen und Abläufe innerhalb der Organisation ebenso zu betrachten wie die Organisationskultur und das Lernverhalten der Mitarbeitenden. Es ist entscheidend, all diese Aspekte systematisch zu entwickeln, Veränderungen koordiniert und umfassend zu planen und vor allem auch umzusetzen (vgl. Schenk & Schneider, 2019, S. VII).
MegatrendsMegatrends für die öffentliche Verwaltung stellen langfristige, weitreichende und transformative Entwicklungen dar, die die Art und Weise, wie öffentliche Verwaltungen agieren und ihre Dienstleistungen erbringen, maßgeblich beeinflussen.
Dabei handelt es sich um weitreichende Entwicklungen, die über mehrere Jahrzehnte andauern. Sie manifestieren sich in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft wie Wirtschaft, Konsum, Werten, zwischenmenschlichem Zusammenleben, Medien und Politik. Diese Trends sind globale Phänomene, die zwar in ihrer Stärke und Ausprägung variieren können, aber letztlich weltweit beobachtet werden. Aufgrund ihrer Vielschichtigkeit und multidimensionalen Natur erzeugen Megatrends ihre Dynamik und ihren evolutionären Druck durch komplexe Wechselwirkungen (vgl. Zukunftsinstitut, 2023).
Megatrends haben das Potenzial, die Struktur und Funktion der öffentlichen Verwaltungen grundlegend zu verändern, und erfordern eine proaktive und strategische Herangehensweise, um mit den Herausforderungen und Chancen umzugehen.
Beispiele für Megatrends
Digitalisierung und Technologisierung
Digitalisierung, als MegatrendDie rasante Entwicklung von Informationstechnologie, künstlicher Intelligenz, Big Data und anderen digitalen Technologien beeinflusst die öffentliche Verwaltung stark. Dies beinhaltet die AutomatisierungAutomatisierung von Prozessen, die Verbesserung der Datennutzung für evidenzbasierte Entscheidungsfindung und die Bereitstellung digitaler Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger.
Demografischer Wandel
Demografischer WandelDie Alterung der Bevölkerung und die steigende Diversität stellen die öffentliche Verwaltung vor neue Herausforderungen. Angepasste Dienstleistungen, Renten- und Gesundheitssysteme sowie Integrationsmaßnahmen für verschiedene Kulturen sind hier relevante Themen.
Globalisierung
GlobalisierungDie Vernetzung der Weltmärkte und die grenzüberschreitende Mobilität von Menschen stellen die öffentliche Verwaltung vor Aufgaben in Bezug auf internationale Zusammenarbeit, Migration, Handelsabkommen und Umweltfragen, die eine globale Perspektive erfordern.
Nachhaltigkeit und Klimawandel
NachhaltigkeitDie Notwendigkeit, mit den Auswirkungen des KlimawandelsKlimawandel umzugehen und nachhaltige Entwicklungsziele zu erreichen, erfordert eine umweltbewusste Gestaltung von Politiken und Prozessen in der öffentlichen Verwaltung.
Partizipation und Bürgernähe
Bürgerinnen und Bürger erwarten zunehmend, in politische Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden und direkten Einfluss auf die Verwaltung zu nehmen. Hierdurch entstehen neue Formen der BürgerbeteiligungBürgerbeteiligung und des E-Governments.
Wissensgesellschaft und lebenslanges Lernen
Lebenslanges LernenDer Fokus auf lebenslanges Lernen und die Förderung von Innovationen sind essenziell, um den Wandel in der Gesellschaft zu bewältigen. Öffentliche Verwaltungen müssen sich kontinuierlich weiterentwickeln und ihre Mitarbeitenden entsprechend fördern.
Diese Megatrends können einzeln beschrieben und analysiert werden, aber letztendlich entfalten sie ihre Wirkung nicht isoliert, sondern stehen in einem systemischen Zusammenhang. Dies erschwert die Entwicklung konkreter Strategien, die auf diesen Megatrends aufbauen (vgl. Markus & Meuche, 2022, S. 10 f.).
Um diesen Megatrends gerecht zu werden, müssen öffentliche Verwaltungen flexibel, agil und anpassungsfähig sein. Das erfordert eine klare Vision, strategische Planung und eine Kultur der Innovation und Zusammenarbeit. Durch proaktives Handeln und vorausschauende Maßnahmen können öffentliche Verwaltungen die Chancen dieser Megatrends nutzen und gleichzeitig ihrer Rolle als Dienstleister:in für die Bürgerinnen und Bürger gerecht werden.
Digitalisierung, TreiberDie Digitalisierung hält Einzug im öffentlichen Dienst und verändert sowohl die Arbeitsprozesse und die Zusammenarbeit der Beschäftigten als auch das Verhältnis zu den Bürger:innen. Die öffentliche Verwaltung nutzt digitale Technologien, um ihre Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten, die Beschäftigten zu entlasten und den Bürger:innen ergebnisorientierte Dienstleistungen anzubieten. Die Bundesregierung hat die Digitalisierung der Verwaltung zu einem ihrer wichtigsten politischen Ziele erklärt und bereits zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung ergriffen.
Der digitale Wandel in unserem Leben erzeugt nun zunehmend auch großen Druck auf alle Organisationen der öffentlichen Verwaltung, ihre Leistungen und Prozesse zeit- und ortsunabhängig für Bürger und Unternehmen verfügbar zu machen. […] Der Public Sector muss […] ausnahmslos alle Prozesse und Leistungen neu denken, um eine erfolgreiche und integrierte digitale Transformation zu ermöglichen.
Hans Werner Streicher1
Die digitale Transformation des öffentlichen Dienstes ist ein wichtiges Thema, das noch am Anfang seiner Entwicklung steht. Der Transformationsprozess wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, deren Betrachtung ein tieferes Verständnis der notwendigen Veränderungen und des Handlungsdrucks in der öffentlichen Verwaltung ermöglicht (vgl. Giehrl, 2022, S. 40).
In den nächsten zehn Jahren wird es aufgrund der Demografischer Wandeldemografischen Entwicklung eine große Anzahl von Verrentungen geben.
In den Jahren 2000 bis 2020 hatte sich die Zahl der Pensionärinnen und Pensionäre stark erhöht (+53,9 %). Dieser Anstieg ließ sich überwiegend auf die hohe Zahl an Pensionierungen von Lehrerinnen und Lehrern zurückführen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren eingestellt wurden. Aufgrund steigender Schülerzahlen infolge des Babybooms und des Trends zu höheren Schulabschlüssen war damals der Lehrkräftebedarf gestiegen. Im Schuldienst des Landesbereichs hatte sich die Zahl der Ruhegehaltsempfängerinnen und -empfänger in diesen 20 Jahren fast verdreifacht (+181,1 %).
Statistisches Bundesamt (Destatis)2
Gleichzeitig nehmen die Komplexität, Volatilität, Unsicherheit und Ambiguität in der Gesellschaft zu, ebenso wie die steigenden Anforderungen der Anspruchsgruppen an die Verwaltung.
Digitale Technologien wie Social-Media-Plattformen, Online-Bezahldienste, Videokonferenzsysteme und Apps verstärken diese Entwicklung. Personen, die regelmäßig digitale Medien nutzen, erwarten, dass das persönliche Erscheinen bei Behörden der Vergangenheit angehört. Die aktuellen Vorschriften und technischen Ausstattungen der öffentlichen Verwaltungen reichen jedoch nicht aus, um die Digitalisierung der angebotenen und zukünftigen Dienstleistungen zu bewältigen.
Schon deutlich vor der Covid-19-PandemieCovid-19-Pandemie war offensichtlich, dass die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung notwendig ist, um den aktuellen und kommenden Herausforderungen gerecht zu werden. Dies führte zur Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes. Es gab jedoch keine grundlegende Diskussion, wie die zukünftige Gestaltung der Verwaltung gelingen kann.
Alle zwei Jahre erscheint die UN E-Government Survey, die die Entwicklung von E-Government in 193 Nationalstaaten ausweist:
Deutschland rutscht 13 Plätze auf Rang 25 ab. […] Im Vergleich europäischer Staaten befindet sich Deutschland nur im Mittelfeld – Dänemark, Estland und Finnland liegen vorne.
United Nations3
Die Covid-19-PandemieCovid-19-Pandemie hat deutlich auf die Defizite hingewiesen. Obwohl die Verwaltung Maßnahmen ergriffen hat und in die digitale Infrastruktur investiert hat, lassen sich die offensichtlichen Probleme nicht allein durch den Einsatz neuer Technologien lösen.
In Deutschland ist der Fortschritt sowohl beim Ausbau der digitalen Infrastruktur als auch bei der Integration digitaler Technologien und Dienstleistungen im Vergleich zu vielen anderen OECD-Staaten ins Hintertreffen geraten. Dies änderte sich jedoch aufgrund der unerwarteten Auswirkungen der Corona-Krise. Die Pandemie führte zu einem spürbaren Schub in der Digitalisierung, wobei einige Bereiche wie das Homeoffice rasch auf digitale Kommunikation und Prozesse umstellen konnten. In anderen Bereichen wie Bildung und Gesundheitswesen gestaltete sich dieser Übergang jedoch schwieriger.
In Deutschland gibt es Defizite im BreitbandausbauBreitbandausbau, insbesondere bei höheren Übertragungsgeschwindigkeiten, und es besteht ein auffälliges Gefälle zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Auch in Bezug auf den Einsatz digitaler Technologien und Arbeitsweisen hinkt Deutschland hinterher, sei es im Homeoffice, bei bargeldlosen Zahlungsverfahren, in der öffentlichen Verwaltung (E-Government) oder bei digitalen Geschäftsmodellen von Unternehmen. Im Bildungs- und Gesundheitswesen kommen digitale Technologien bisher nur begrenzt zum Einsatz, obwohl diese die Produktivität steigern und neue Möglichkeiten der Wertschöpfung bieten könnten.
Die Gründe für diese Entwicklungen sind vielfältig. In einigen Fällen liegt klassisches Marktversagen vor, insbesondere beim Ausbau der digitalen Infrastruktur, da ländliche Regionen für private Anbieter nicht ausreichend profitabel sind. Hier hat die Bundesregierung bereits mit Regulierung und Subventionsprogrammen reagiert. In anderen Bereichen scheint hingegen ein »Organisationsversagen« vorzuherrschen. Einiges davon, was während der Pandemie schnell umgesetzt wurde, hätte schon vorher realisiert werden können. Doch erst unter dem Druck der Krise sahen sich Organisationen gezwungen, auf digitale Arbeitsweisen umzustellen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Organisationen Schwierigkeiten haben, Prozessinnovationen zu integrieren.
Solche Formen des Organisationsversagens sind zu überwinden, um eine erfolgreiche digitale Transformation zu gewährleisten. Neben der Implementierung digitaler Technologien sind die Anpassung von Arbeitsabläufen und das Erlernen neuer Fähigkeiten erforderlich.
BürokratieJuristische und bürokratische Hindernisse spielen ebenfalls eine wichtige Rolle im Digitalisierungsprozess. Datenschutz hat in Deutschland oft absolute Priorität und beeinträchtigt die Nutzung digitaler Möglichkeiten. Auch Kompetenzkonflikte zwischen Bund und Ländern verzögerten besonders in der öffentlichen Verwaltung die Einführung einheitlicher Verfahren und Standards.
Eine tiefere Analyse zeigt, dass das bestehende System der deutschen Verwaltung den aktuellen Herausforderungen in vielerlei Hinsicht nicht mehr gerecht wird. Die Strukturen der öffentlichen Verwaltung sollten die Prozesse bestmöglich unterstützen und sich schnell an sich ändernde Rahmenbedingungen anpassen. Es werden Führungskräfte und Mitarbeitende benötigt, die effizient und effektiv arbeiten und zeitnah Lösungen für neue Herausforderungen entwickeln. IT-Systeme unterstützen die effiziente Abwicklung von Prozessen. Eine Diskussion über die technologischen Voraussetzungen der Digitalisierung allein greift zu kurz. Es ist eine umfassende Modernisierung erforderlich (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021).
Politiker:innen verwenden Schlagworte wie künstliche Intelligenz, Blockchain oder Big Data, um ihre Entschlossenheit zur Digitalisierung der Verwaltung zum Ausdruck zu bringen. Offen bleibt jedoch die Frage, ob die Verwaltung mit ihren bestehenden Strukturen, Organisationskultur, Prozessen, Mitarbeitenden und vorhandenen Datenbanken in der Lage ist, diese Technologien gewinnbringend zu nutzen. Ein erforderlicher Reifegrad kann nicht verordnet werden, sondern erfordert einen systematischen Transformationsprozess, der an Überzeugungen und an »historisch gewachsenen Strukturen« rüttelt. Dies erfordert die Festlegung messbarer Ziele, ihre kontinuierliche Verfolgung und eine klare Definition von Verantwortlichkeiten (vgl. Markus & Meuche, 2022, S. 1 ff.).
Eine Reihe von Treibern befördert die DigitalisierungDigitalisierung, Treiber des öffentlichen Dienstes:
Einige der wichtigsten Treiber
Kosteneffizienz: z. B. AutomatisierungAutomatisierung von Prozessen
Verbesserung der Servicequalität: z. B. schnellerer und effektiverer Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen
Bürgernähe: z. B. Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und Interaktion zwischen Bürger:innen und Behörden
Wettbewerbsfähigkeit: z. B. Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes durch begünstigendes Umfeld für Unternehmen
Veränderungen in der Arbeitsweise: z. B. Verbesserung der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen Beschäftigten und Abteilungen
Datenbasierte Entscheidungen: z. B. Erzielen einer besseren Informationsgrundlage für politische Entscheidungen und zur Entwicklung von politischen Programmen mithilfe von Daten und Analysen
Gesellschaftlicher Wandel: z. B. Erfüllung der Bedürfnisse und Erwartungen einer zunehmenden Anzahl von Menschen, die digitale Technologien nutzen
1 Streicher, 2020, S. VIII.
2 Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), Presse, 2023.
3 Vgl. United Nations, 2020.
Die DigitalisierungDigitalisierung, Chancen bietet dem öffentlichen Dienst viele Chancen, geht aber auch mit einigen Risiken einher. Somit hat der technologische Wandel sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Menschen.
Der Begriff »Chance« bezieht sich auf eine günstige Gelegenheit oder Möglichkeit, die sich einem bietet, um etwas zu erreichen oder zu verbessern. Eine Chance kann sich auf persönlicher oder beruflicher Ebene bieten und Wachstum, Entwicklung oder Fortschritt bedeuten.
Die Digitalisierung spielt eine entscheidende Rolle für die öffentliche Verwaltung und ist ein wesentlicher Standortfaktor für die Wirtschaft als auch Voraussetzung für eine moderne Gesellschaft.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie betont, dass der digitale Wandel langfristig zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrieproduktion beitragen wird.
Beispiele für Chancen der Digitalisierung
Effizienzsteigerung
Servicequalität
Kosteneinsparungen
Transparenz
Innovation
Effizienzsteigerung4
Die AutomatisierungAutomatisierung und Prozessoptimierung kann die EffizienzEffizienz steigern und die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter:innen reduzieren.
Servicequalität
Die Digitalisierung ermöglicht eine bessere und schnellere Bereitstellung von Verwaltungsdienstleistungen und leistet somit einen Beitrag zur Steigerung der Nutzer, innenzufriedenheitKundenzufriedenheit. Digitale Technologien können die ServicequalitätServicequalität im öffentlichen Dienst in Hinblick auf folgende Aspekte verbessern:
Verfügbarkeit zu jeder Zeit
Digitale Technologien ermöglichen Bürger:innen den Zugriff auf die Angebote des öffentlichen Dienstes unabhängig von Öffnungszeiten der Ämter und Einrichtungen. Durch die Nutzung von Online-Plattformen und Selbstbedienungsportalen können Bürger:innen unabhängig von Zeit und Ort Informationen abrufen, Anträge stellen und Dokumente einreichen. Ein Beispiel für diesen Transformationsprozess stellt die Entwicklung von Bibliotheken zu Smart Libraries5 dar.
Schnellere Bearbeitungszeit
Durch die AutomatisierungAutomatisierung von Prozessen können Arbeitsabläufe beschleunigt und Fehler minimiert werden. Die Reduktion von Bearbeitungszeiten beeinflusst Stellenbedarfe und Durchlaufzeiten positiv.
Bessere Kommunikation
Automatisierte Benachrichtigungen und E-Mails können Bürger:innen über den Stand der (Antrags-)Bearbeitung und die voraussichtliche Gesamtdauer des Vorgangs informieren.
Einfachere Navigation
Durch die Nutzung von Online-Portalen und ChatbotChatbots6 können Bürger:innen leichter durch Antragsprozesse und Verfahren navigieren. Auch die Bereitstellung von Informationen über die notwendigen Schritte und erforderlichen Unterlagen können die Antragsbearbeitung beschleunigen.
Personalisierte Dienstleistungen
Durch digitale Technologie können Dienstleistungen personalisiert werden und von den Bürger:innen übermittelte Informationen und Anliegen gespeichert und genutzt werden. Dies sichert eine schnelle und gezielte Unterstützung im Bedarfsfall.
Kosteneinsparung
Durch den Wegfall von Papier, Reduzierung von Archivflächen und Reduktion von Arbeitsaufwand und den damit verbundenen Personalressourcen etc. können Kosten gesenkt werden.
Transparenz
TransparenzDer Zugang zu Informationen und dem aktuellen Bearbeitungsstand von Anträgen und Verwaltungsvorgängen ist in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen verankert. Hier sind einige wichtige Beispiele:
Informationsfreiheitsgesetz (IFG)
Das IFG regelt den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Informationen, die von öffentlichen Stellen gehalten werden. Es verpflichtet die Verwaltung zur aktiven Informationsbereitstellung und gibt den Bürgern das Recht auf Zugang zu Informationen.
Transparenzgesetze
In einigen Bundesländern gibt es spezielle Transparenzgesetze, die den Zugang zu Informationen über das Verwaltungshandeln regeln, z. B. das Transparenzgesetz7 Rheinland-Pfalz. Diese Gesetze können ähnliche Regelungen wie das IFG enthalten oder spezifischere Bestimmungen zu bestimmten Themenbereichen aufweisen.
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
Die DSGVO regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten und verpflichtet öffentliche Stellen zur Transparenz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Betroffene sind über die Verarbeitung ihrer Daten zu informieren und haben das Recht auf Auskunft und Berichtigung.
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
Das VwVfG regelt das Verwaltungsverfahren und gibt den Bürger:innen das Recht auf Akteneinsicht in die Akten, die die Verwaltung im Zusammenhang mit ihrem Anliegen angelegt hat.
E-Government-Gesetz
Das E-Government-GesetzE-Government-Gesetz (EGovG) fördert den Einsatz von Informationstechnologie in der Verwaltung. Es verpflichtet die Verwaltung zur elektronischen Abwicklung von Verwaltungsverfahren und schafft damit die Voraussetzungen für die Digitalisierung der Verwaltung.
Diese Gesetze und Verordnungen sollen sicherstellen, dass das Verwaltungshandeln transparent ist und die Bürgerinnen und Bürger Zugang zu Informationen über das Handeln der Verwaltung erhalten.
Innovation
Durch durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz oder Blockchain-Technologie werden neue Möglichkeiten für Innovationen im öffentlichen Dienst geschaffen.
Neue Technologien sind mit neuen Arbeitsplätzen verbunden und steigern die Wettbewerbsfähigkeit mit positiven Effekten auf die Beschäftigung. Monotone und körperlich belastende Arbeiten nehmen ab. Somit besteht auch die Möglichkeit, lebensältere Arbeitnehmer:innen zu entlasten und ihnen eine längere Erwerbstätigkeit zu erleichtern, indem die persönlichen Gesundheits- und Lebensumstände in einer digital vernetzten Arbeitsumgebung stärker berücksichtigt werden (vgl. Hermeier, Heupel & Fichtner-Rosada, 2018, S. 5). Auf diese Art kann der Fachkräftemangel gemildert werden.
Die Digitalisierung eröffnet neue Freiräume, Perspektiven und Tätigkeitsfelder (beispielsweise die Entwicklung, Implementierung und Wartung neuer Technologien), die eine höhere Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst erfordern.
Eine frühzeitige Vorbereitung auf digitalisierte Prozesse und gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen der Beschäftigten tragen dazu bei, Prozesse effizienter zu gestalten und Ressourcen zu sparen, was letztlich auch im Interesse der Steuerzahlenden ist.
Der Begriff »Risiko« bezieht sich auf die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Handlung oder Entscheidung negative oder unerwünschte Konsequenzen hat.
Risiken können sich in verschiedenen Bereichen wie Finanzen, Gesundheit, Technologie oder Umwelt zeigen. Die Bewertung von Risiken beinhaltet die Analyse von Faktoren wie der Eintrittswahrscheinlichkeit, der potenziellen Auswirkungen und der verfügbaren Optionen zur Reduzierung oder Vermeidung des Risikos.
Im Rahmen der DigitalisierungDigitalisierung, Risiken von Verwaltungsprozessen sind folgende Herausforderungen und Risiken zu beachten:
Beispiele für Risiken und Herausforderungen der Digitalisierung
Menschliche Interaktion
Diskriminierung
Ungleichheit
Arbeitsplatzsicherheit
Flexibilisierung der Arbeit
Abhängigkeit
Datenschutz und Privatsphäre
IT-Sicherheit und Cyberkriminalität
Komplexität
Barrierefreiheit
Technologischer Wandel
Umwelt und ökologische Auswirkungen
Menschliche Interaktion
Die Digitalisierung kann nicht alle Aspekte der menschlichen Interaktion ersetzen. Zusammenarbeit und Kommunikation von Menschen werden auch weiterhin notwendig und wünschenswert sein, um komplexe Probleme zu lösen.
Diskriminierung
Algorithmen und Technologien können zu DiskriminierungDiskriminierung führen. Daher ist bei ihrer Entwicklung und Anwendung darauf zu achten, dass der Einsatz von Algorithmen und künstlicher Intelligenz (KI) zu keiner Benachteiligung von Menschen führt. So können beispielsweise Bewerber:innen mit bestimmten Merkmalen aufgrund von Algorithmen in der Bewerbungsauswahl benachteiligt werden. Auch die Verwendung von künstlicher Intelligenz kann aufgrund der Datengrundlage bestimmte Gruppen bevorzugen oder benachteiligen. Bei der Entwicklung und Verwendung von Algorithmen und KI ist daher auf TransparenzTransparenz und Chancengleichheit zu achten.
Ungleichheit
Es besteht die Gefahr der Benachteiligung von Menschen, die möglicherweise nicht über die notwendigen Fähigkeiten, Geräte oder den Zugang zum Internet verfügen. In diesem Zusammenhang besteht insbesondere für Menschen mit Einschränkungen bzw. Behinderungen, lebensältere Menschen oder Menschen mit geringem Einkommen die Gefahr, aufgrund der schnelllebigen Veränderungen und Entwicklungen in der digitalen Welt den Anschluss zu verlieren. Im Rahmen der Digitalisierung ist darauf zu achten, allen Bürgerinnen und Bürgern die Inanspruchnahme neuer Technologien zu ermöglichen. Die Gesellschaft kann somit von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren.
Arbeitsplatzsicherheit
Die Veränderung von Arbeitsplätzen mit bisher vorrangig manuellen und repetitiven Aufgaben oder auch der Wegfall von Arbeitsplätzen gehört zu den viel diskutierten Auswirkungen der Digitalisierung. Eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zeigt, dass nur für zwölf Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland eine hohe AutomatisierungAutomatisierungArbeitsplatzautomatisierungswahrscheinlichkeit besteht (vgl. ZEW, 2015).
Beispiele für automatisierte Aufgaben
Automatisierte Datenerfassung und -verarbeitung:z. B. die automatische Erfassung und Verarbeitung von Formulardaten
Elektronische Aktenverwaltung:z. B. Wegfall von Aufgaben im Zusammenhang mit analogen Akten
Automatisierte Prozessabläufe:z. B. die automatisierte Verarbeitung und Entscheidung von Anträgen
Die Automatisierung wird vor allem Arbeitsplätze verändern, aber nicht zwangsläufig ersetzen.
Flexibilisierung der Arbeit
Seit den 1990er-Jahren wird in der arbeits- und industriesoziologischen Forschung über die Konzepte der Flexibilisierung und Subjektivierung von Arbeit diskutiert. Entgrenzung bezieht sich auf Veränderungen in Arbeitsprozessen und -strukturen, die die Trennlinie zwischen Arbeit und dem Privatleben verschwimmen lassen oder teilweise aufheben. Die Subjektivierung von Arbeit ermöglicht Arbeitnehmer:innen mehr Freiheit in der Gestaltung ihrer Arbeit, den Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit beispielsweise durch gesundheitsfördernde Maßnahmen und die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit.
Die Digitalisierung spielt hierbei eine entscheidende Rolle und führt zur FlexibilisierungArbeitsflexibilisierung in drei Dimensionen – räumlich, zeitlich und strukturell:
Die räumliche Dimension umfasst mobiles Arbeiten oder Homeoffice.
Die zeitliche Dimension betrifft die Flexibilität der Arbeitszeiten.
Die strukturelle Dimension bezieht sich auf die Flexibilität von Organisationsstrukturen und Hierarchien.
Die Flexibilisierung von Arbeit hat Auswirkungen auf die Arbeitnehmer:innen und die Organisation der Arbeitsprozesse. Technische und organisatorische Rahmenbedingungen schaffen Möglichkeiten für informelle Kommunikations- und Abstimmungsprozesse. Diese Maßnahmen erfordern jedoch Ressourcen und stehen damit im Widerspruch zu dem Versprechen, Aufwand durch Digitalisierung zu reduzieren (vgl. Hermeier, Heupel & Fichtner-Rosada, 2018, S. 92 ff.).
Abhängigkeit von Technologie
Ausfälle der technischen Infrastruktur, Störungen und Hackerangriffe sind ernst zu nehmende Risiken. Im Zuge der Digitalisierung sind Maßnahmen zu ergreifen und sicherzustellen, dass die Technologie nur für Berechtigte zugänglich und nutzbar ist und die öffentliche Verwaltung auch im Falle von technischen Störungen oder Ausfällen weiterhin in der Lage ist, ihre Dienstleistungen zu erbringen.
Datenschutz8
Die Digitalisierung bringt Risiken für den DatenschutzDatenschutz mit sich, da eine Vielzahl von personenbezogenen Daten im öffentlichen Dienst verarbeitet wird. Dazu gehört das Sammeln von Informationen über Menschen, das Speichern und Teilen von Daten. Die Privatsphäre von Menschen kann auf verschiedene Weise beeinträchtigt werden. Dies kann dazu führen, dass Menschen nicht mehr die Kontrolle über ihre eigenen Daten haben.
Es ist zu gewährleisten, dass diese Daten sicher und vertraulich behandelt werden. Mit zunehmender Digitalisierung nimmt auch das Risiko zu, dass personenbezogene Daten in falsche Hände geraten.
Angemessene Datenschutzmaßnahmen stellen sicher, dass die Privatsphäre der Menschen geschützt wird und dass ihre persönlichen Daten nicht ohne ihre Zustimmung oder ohne einen angemessenen Grund gesammelt oder genutzt werden. Auch bei der zunehmenden Verwendung von IT-Systemen und -Anwendungen und damit der Speicherung von mehr personenbezogenen Daten, um Verhaltensmuster zu erkennen und Profile von Einzelpersonen zu erstellen, ist der Datenschutz zu gewährleisten. Hierzu existieren verschiedene rechtliche Vorgaben, wie z. B. die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Diese Gesetze legen fest, welche Daten erhoben werden dürfen, zu welchem Zweck und wie lange sie gespeichert werden und welche Maßnahmen zum Schutz der Daten ergriffen werden.
Unternehmen und Behörden sind verpflichtet, sich an diese Vorgaben zu halten und den Datenschutz sicherzustellen. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder und Strafen.
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Privatsphäre ist das Risiko von Datenpannen und -lecks. Die digitalen Systeme und Datenbanken, in denen personenbezogene Daten gespeichert werden, können von Cyberangreifern infiltriert werden und einen Datenverlust erleiden. Dies kann nicht nur persönliche Informationen von Einzelpersonen offenlegen, sondern auch die finanzielle Stabilität von Unternehmen und Organisationen gefährden.
Darüber hinaus kann die zunehmende Verwendung von Überwachungstechnologie und intelligenten Geräten dazu führen, dass die Privatsphäre von Menschen vermehrt eingeschränkt wird. Kameras, Mikrofone und andere Sensoren können verwendet werden, um Bewegungen und Aktivitäten von Menschen zu überwachen und aufzuzeichnen, ohne dass diese darüber informiert sind oder dem Geräteeinsatz zugestimmt haben.
IT-Sicherheit9
Eine zunehmende Abhängigkeit von digitalen Systemen erhöht das Risiko von IT-Sicherheitsverletzungen und CyberangriffCyberangriffen, die sensible Daten gefährden können wie beispielsweise Identitätsdiebstahl.
Beispiele für CyberangriffCyberangriffe auf den öffentlichen Dienst
Ransomware-Angriffe
Im Jahr 2020 wurden mehrere Städte in Deutschland von Ransomware-Angriffen getroffen. Hierbei wurden die Systeme der betroffenen Städte durch Schadsoftware verschlüsselt und ein Lösegeld gefordert, um die Systeme wiederherzustellen (vgl. Bundeskriminalamt, 2021). So war beispielsweise das Bissinger Rathaus in Bayern lahmgelegt.
Datendiebstahl
Im Dezember 2020 informierte die Europäische Arzneimittel-Behörde (EMA), dass sie Opfer eines erfolgreichen Cyberangriffs wurde, bei dem teilweise sensible Daten abgegriffen wurden. Darunter befanden sich Dokumente von Pharmaunternehmen wie Pfizer und Biontech, die im Zusammenhang mit dem Zulassungsantrag für ihren COVID-19-Impfstoff standen. In einem späteren Update bezüglich des Cyberangriffs teilte die EMA mit, dass einige der gestohlenen Dokumente, darunter vertrauliche E-Mail-Korrespondenz aus dem November 2020, offenbar im Internet veröffentlicht wurden. Bevor die Informationen geleakt wurden, manipulierten die Angreifer die Daten. Dieser Vorfall hat daher nicht nur zu einem Datenleck geführt, sondern auch zu einer besorgniserregenden Situation, in der die Vertrauenswürdigkeit von Impfstoffen infrage gestellt wurde (vgl. heise online, 2023).
Social Engineering
Die am weitesten verbreitete Form des digitalen Social EngineeringSocial Engineering ist als »PhishingPhishing« bekannt. Hierbei handelt es sich um E-Mails, die scheinbar von einer vertrauenswürdigen Quelle stammen und zu einer gefälschten Website führen, die von Angreifenden erstellt wurden. Der Inhalt der E-Mail erklärt, dass auf dieser gefälschten Webseite umgehend Daten aktualisiert werden müssen oder wichtige Informationen verfügbar sind. Diese Taktik zielt darauf ab, die Empfänger:innen dazu zu verleiten, auf einen bereitgestellten Link zu klicken.
Der Link verfolgt das Ziel, das Opfer mit Malware zu infizieren oder es dazu zu bringen, persönliche Daten einzugeben. Die Angreifer können diese Daten dann sammeln und für ihre eigenen Zwecke missbrauchen. In vielen Fällen ist der Absender der gefälschten E-Mail täuschend echt, was die Opfer in die Irre führt und sie dazu veranlasst, die betrügerische Aktion auszuführen. Die Gutgläubigkeit der Empfänger:innen wird ausgenutzt, um finanzielle oder andere Schäden anzurichten.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat ein nachträglich als gefälscht entlarvtes Videotelefonat mit einem angeblichen Vitali Klitschko geführt. Es wird spekuliert, dass dies möglicherweise eine raffinierte Form des Social Engineering war, bei der gezielt vorbereitete Videoclips genutzt wurden, um den Eindruck eines authentischen Gesprächs zu erwecken (vgl. Golem.de, 2023).
Phishing-Attacken
Das Landratsamt Böblingen wurde Ziel eines Phishing-Angriffs per E-Mail. Durch die Eingabe von Benutzerdaten in gefälschte E-Mails erlangten die Angreifer Zugriff auf einzelne E-Mail-Konten von Mitarbeitenden. In der Konsequenz wurden etwa 200.000 Spammails mit dem Absender des Landratsamtes Böblingen an eine unbekannte Empfängergruppe verschickt. Dabei erfolgte der unberechtigte Zugriff auf einzelne E-Mail-Postfächer und nicht auf die gesamte IT-Infrastruktur des Landratsamtes. Das Landratsamt hat den Vorfall dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI) gemeldet, um die erforderlichen Schritte zur Datensicherheit zu gewährleisten (vgl. Landkreis Böblingen, 2023).
Identitätsdiebstahl
Durch Identitätsdiebstahl können Kriminelle Zugang zu vertraulichen Informationen oder Systemen erhalten.
In der Corona-Krise wurde die Auszahlung der Soforthilfe für Selbstständige und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen vorübergehend gestoppt. Dies geschah als Reaktion auf gefälschte Webseiten, über die mutmaßlich betrügerische Anträge gestellt wurden. Das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium traf diese Entscheidung in Absprache mit dem Landeskriminalamt (LKA). Die Ermittler:innen vermuten, dass Betreiber:innen gefälschter Webseiten mithilfe von gefälschten Antragsformularen Daten abgegriffen haben, die anschließend für kriminelle Aktivitäten verwendet wurden.
Die gefälschten Seiten lockten Antragsteller:innen über Suchmaschinen an und versuchten, ihre Daten zu erfassen. Dieser Täuschungsversuch sollte vermutlich dazu dienen, betrügerische Handlungen durchzuführen. Die gefälschten Seiten waren äußerst realistisch gestaltet und hatten sogar eine ».de«-Endung. Sie enthielten das scheinbare Antragsformular und gaben vor, offiziell zu sein. Trotzdem handelte es sich nicht um staatliche Webseiten, obwohl sie mit Informationen wie dem Impressum des NRW-Wirtschaftsministeriums versehen waren (vgl. tagesschau.de, NRW stoppt Auszahlung von Soforthilfe, 2020).
CyberangriffCyberangriff/Hackerangriff
In Nordrhein-Westfalen (NRW) werden Städte und kommunale Verwaltungen sowie Universitäten vermehrt Ziele von kriminellen Hacker:innen. Diese haben es insbesondere auf staatliche Organisationen und Unternehmen abgesehen.
Viele dieser Angriffe sind der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt, obwohl prominente Ziele wie der Düsseldorfer Handelskonzern Metro oder die Universität Duisburg/Essen Opfer solcher Angriffe wurden. Insbesondere Stadtverwaltungen und Hochschulen in NRW sehen sich nahezu täglich Cyberattacken auf ihre IT-Infrastruktur ausgesetzt, wie eine nicht repräsentative Umfrage unter einigen dieser Institutionen zeigt.
Die Universität Duisburg/Essen erlitt eine Attacke, die Teile des Lehrbetriebs für Tage lahmlegte. Die Angreifenden verschlüsselten Daten und forderten Lösegeld. Die Wiederherstellung aller betroffenen Bereiche gestaltete sich schwierig. Die erfolgreiche Überwindung der Sicherheitssysteme der Universität zeigt laut den Behörden eine beträchtliche kriminelle Energie und Professionalität der Angreifenden auf (vgl. Rheinische Post, 2022).
Der Deutsche Bundestag wurde 2015 Opfer eines Cyberangriffs. Unbekannte Angreifer:innen drangen in das interne Datennetz des Bundestags ein. Dabei waren die IT-Systeme des Bundestags Ziel des elektronischen Angriffs. Expert:innen des Verfassungsschutzes im Cyberabwehrzentrum des Bundes bemerkten den Angriffsversuch und informierten die Bundestagsverwaltung über die Gefahr. Als Reaktion auf den Angriff fuhren die IT-Abteilungen mehrerer Bundestagsfraktionen vorsorglich Teile des Bundestagssystems herunter. Expert:innen bezeichneten den Vorfall als schwerwiegend (vgl. SPIEGELNetzwelt, 2015).
Der Angriff auf den Bundestag ist beispielhaft für die anhaltende Bedrohung durch Cyberkriminalität und den Einsatz von Cyberangriffen als Mittel der Spionage und des Datenraubs. Cyberkriminalität ist ein wachsendes Problem, das Unternehmen, Regierungsbehörden und Einzelpersonen vor eine Vielzahl von Herausforderungen stellt.