Dr. Norden Bestseller 12 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 12 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

0,0

Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Es war ein kühler Frühlingsabend gewesen, als Dr. Daniel Norden zum ersten Mal in das Haus des Großindus­triellen Cecil von Jendrik gerufen wurde. Ein Frühlingsabend des vergangenen Jahres. Dr. Norden war noch nicht mit seiner bezaubernden Fee verheiratet gewesen, und es hatte noch keinen kleinen Danny Norden gegeben. Vieles war im Leben des Arztes seither geschehen, aber an Cecil von Jendrik war er von Zeit zu Zeit erinnert worden. Daniel Norden hatte schon bei seinem damaligen Besuch festgestellt, dass sein Patient ein vom Tode gezeichneter Mann gewesen war. Er hatte mit Leonie von Jendrik, der Mutter des Kranken, darüber gesprochen. Sie war eine sehr steife, betont distanzierte Frau, hager, streng und eisig. Sie hatte sehr abweisend und sarkastisch reagiert, und Daniel Norden hatte nicht geglaubt, dass er noch einmal in diese großartige, kostbar eingerichtete Villa gerufen würde. Nach vier Monaten war das dann doch der Fall gewesen. Cecil von Jendriks Leiden hatte sich verschlimmert. Er litt unsagbare Schmerzen und musste in die Klinik gebracht werden. So lernte auch Dr. Dieter Behnisch, der Kollege und Freund von Dr. Norden, den Industriellen kennen. Dr. Behnisch unterhielt sich eingehend mit Daniel über diesen schweren Fall. Er gab nach einem Klinikaufenthalt von acht Wochen dem Patienten noch eine Überlebenschance für höchstens sechs Monate. Doch Cecil von Jendrik fühlte sich angeblich wohl, als er aus der Klinik entlassen wurde, und Daniel wurde von Frau von Jendrik als »Quaksalber«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 146

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Norden Bestseller – 12 –

Mit der Vergangenheit leben

Kann Dr. Norden einer unglücklichen Frau helfen?

Patricia Vandenberg

Es war ein kühler Frühlingsabend gewesen, als Dr. Daniel Norden zum ersten Mal in das Haus des Großindus­triellen Cecil von Jendrik gerufen wurde. Ein Frühlingsabend des vergangenen Jahres.

Dr. Norden war noch nicht mit seiner bezaubernden Fee verheiratet gewesen, und es hatte noch keinen kleinen Danny Norden gegeben.

Vieles war im Leben des Arztes seither geschehen, aber an Cecil von Jendrik war er von Zeit zu Zeit erinnert worden.

Daniel Norden hatte schon bei seinem damaligen Besuch festgestellt, dass sein Patient ein vom Tode gezeichneter Mann gewesen war. Er hatte mit Leonie von Jendrik, der Mutter des Kranken, darüber gesprochen. Sie war eine sehr steife, betont distanzierte Frau, hager, streng und eisig. Sie hatte sehr abweisend und sarkastisch reagiert, und Daniel Norden hatte nicht geglaubt, dass er noch einmal in diese großartige, kostbar eingerichtete Villa gerufen würde.

Nach vier Monaten war das dann doch der Fall gewesen. Cecil von Jendriks Leiden hatte sich verschlimmert. Er litt unsagbare Schmerzen und musste in die Klinik gebracht werden. So lernte auch Dr. Dieter Behnisch, der Kollege und Freund von Dr. Norden, den Industriellen kennen.

Dr. Behnisch unterhielt sich eingehend mit Daniel über diesen schweren Fall. Er gab nach einem Klinikaufenthalt von acht Wochen dem Patienten noch eine Überlebenschance für höchstens sechs Monate. Doch Cecil von Jendrik fühlte sich angeblich wohl, als er aus der Klinik entlassen wurde, und Daniel wurde von Frau von Jendrik als »Quaksalber« bezeichnet. Allerdings erfuhr er nichts davon, sonst wäre er weitere zwei Monate später nicht nochmals in dieses Haus gegangen.

Diesmal wurde er allerdings nicht zu Cecil von Jendrik gerufen, sondern zu einem kleinen Jungen, der Marc hieß. Er war fünf Jahre alt und hatte die Masern. Bis zu diesem Tage hatte Daniel Norden nicht gewusst, dass Cecil von Jendrik einen Sohn hatte. Marc war sein Sohn. Ein zartes stilles Kind, das schwer unter den Masern zu leiden hatte.

Nun kam Dr. Norden zwei Wochen lang jeden Tag in dieses Haus, doch Leonie von Jendrik sah er dabei nie, nur immer ein ebenfalls sehr steifes, streng aussehendes Kinderfräulein.

Zweimal war auch Cecil von Jendrik zugegen, der sich den Anschein geben wollte, als ginge es ihm bestens. Er war einige Wochen in seinem Haus im Tessin gewesen, und die gebräunte Haut mochte einen oberflächlichen Betrachter täuschen. Der Arzt ließ sich nicht täuschen. Er wusste, wie schwer leberkrank dieser Mann war.

Cecil von Jendrik war fünfundvierzig Jahre alt, sah aber weit älter aus. Und sympathisch fand Daniel ihn nicht, nur schwierig und etwas sehr merkwürdig. Der kleine Marc schien jedenfalls nicht viel für seinen Vater übrig zu haben und noch weniger für seine Großmama. Er machte auf Daniel stets einen scheuen Eindruck, und es berührte den jungen Arzt, der gut mit Kinder umzugehen verstand, eigenartig, dass das Kinderzimmer nahezu spartanisch eingerichtet war und Marc kaum Spielzeug besaß. Einen schon recht zerzausten Teddy liebte er jedoch abgöttisch, und er nannte ihn sehr zärtlich Aimee. Zuerst hatte Daniel es als »Emmi« verstanden, aber als Marc es einmal deutlich sagte, hatte er gestaunt. Wie kam ein Kind auf diesen ausgefallenen Namen für einen Teddy?

Er fragte Marc. Jetzt war regelrechte Furcht in den schönen traurigen Augen des Jungen.

»Das darf ich nicht sagen, und ich sage es sonst auch nie. Du verrätst mich doch nicht, Onkel Doktor?«

Nein, diese Absicht hatte Daniel nicht, und er versprach es dem Jungen auch, aber er erfuhr nicht, warum der Teddy für Marc Aimee hieß.

Marc wurde gesund. Es tat Daniel leid, dass er den Kleinen nun nicht mehr sehen konnte, denn Marc hatte geweint, als er das letzte Mal gekommen war. Ganz seltsam hatte er sich benommen.

»Du bist der einzige Mensch, den ich mag«, sagte Marc.

»Aber du hast doch deinen Vater und eine Großmama«, hatte Daniel tröstend erwidert, »und ein Kinderfräulein.«

»Die Nurse ist grob, Papa ist krank und Großmama hasse ich«, stieß der Kleine hervor.

Ein erschreckendes Bekenntnis, das Daniel unter die Haut ging.

»Aber warum, Marc?«, fragte er.

»Sie haben meine Aimee-Mami verjagt. Onkel Doktor, hast du sie nicht mal getroffen?«

Daniel wusste gar nicht, was er meinte. Er war so verwirrt und bestürzt, dass er nur nein sagte.

»Aber wenn du sie triffst, dann sagst du ihr, dass ich ganz schreckliche Sehnsucht nach ihr habe und sie nie vergesse, bitte, bitte. Sie ist ganz wunderschön. Sie sieht aus wie eine Prinzessin mit Silberhaaren. Du wirst sie bestimmt gleich erkennen.«

Der Junge war fieberfrei. Fantasieren konnte er nicht, aber vielleicht lebte er in einer Traumwelt. Vielleicht war seine Mutter gestorben und man hatte es ihm nicht gesagt, oder er wollte es nicht glauben.

Jedenfalls konnte Daniel keine Fragen mehr stellen, denn plötzlich stand Leonie von Jendrik in der Tür und sagte: »Ihre Besuche sind jetzt überflüssig geworden, Herr Dr. Norden. Schicken Sie die Rechnung. Ich hätte Sie nicht gerufen, aber mein Sohn wollte es.«

Es war ein eisiger Abschied, wie Daniel ihn noch nie erlebt hatte. Er war beliebt bei seinen Patienten, und jetzt tat ihm vor allem das Kind leid, das laut zu schluchzen begann.

»Ein Junge weint nicht, wie oft habe ich dir das gesagt, Marc!«, sagte Leonie von Jendrik schrill.

Wieder einmal wurde Daniel buchstäblich aus dem Hause gewiesen, und das nahm er doch nicht so hin. Er rief Cecil von Jendrik in seinem Büro an und sagte ihm offen seine Meinung über diese Art der Behandlung.

Cecil entschuldigte sich für seine Mutter. Er schickte das doppelte Honorar. Daniel, der auch seinen Stolz hatte, schickte davon wieder den überzahlten Teil zurück, obgleich seine Sprechstundenhilfe Molly eigentlich der Meinung war, dass es dies wahrhaftig nicht gebraucht hätte.

Es vergingen wieder Monate, und in Daniel Nordens Privatleben hatte sich so viel verändert, dass er auch den kleinen Marc fast vergessen hatte. Er hatte seine Fee geheiratet. Felicitas Cornelius, das Fräulein Doktor mit den strengen Grundsätzen, eine richtige Fee mit ihren silberblonden Haaren.

Doch Daniel war so von ihrem Liebreiz eingefangen, dass er nicht mehr an die Aimee des kleinen Marc gedacht hatte, die der Junge als eine Prinzessin mit Silberhaaren bezeichnet hatte.

An einem Abend im Januar wurde Daniel von Cecil von Jendrik persönlich angerufen und um einen Besuch gebeten. Mit schon versagender Stimme rief ihn der Mann, und Daniel fuhr eilends zu der Villa. Diesmal empfing ihn ein anderes Kinderfräulein, und aus dem Obergeschoß kam die schrille Stimme der Hausherrin: »Du kannst jetzt nicht zu Papa, Marc.«

Cecil von Jendrik war dem Tode nun ganz nahe. Er hatte zwar noch länger gelebt, als auch Dr. Behnisch vermutet hatte, aber nun ging es rapide dem Ende entgegen. Er wollte nicht in einer Klinik sterben, aber er wusste, dass er sterben musste.

Daniel verabreichte ihm Betäubungsmittel, um die qualvollen Schmerzen zu lindern. Er blieb bei dem Kranken, um die Wirkung zu beobachten.

Für einige Minuten war Cecil von Jendrik dann ganz gegenwärtig.

»Ich habe keinen Menschen, dem ich vertrauen kann«, sagte er zu Daniel. »Marc hatte Vertrauen zu Ihnen, und darum bitte ich Sie, den Brief an sich zu nehmen, der in meiner Schreibtischschublade liegt. Auch den zweiten. In diesem befindet sich eine ausreichende Summe, die es ermöglichen wird, die besten Detektive zu beschäftigen, um Aimee zu finden. Sie war meine Frau.«

Das hatte er gerade noch deutlich sagen können, dann folgte ein unverständliches Gemurmel. Er verlor das Bewusstsein und starb am nächsten Tag, ohne es wiedererlangt zu haben.

Mit steinerner Miene trat Frau von Jendrik Dr. Norden entgegen.

»Ich sagte Ihnen, dass Ihr Sohn schwer krank ist«, erklärte Daniel.

»Und jetzt ist er tot«, sagte sie tonlos.

Marc kam die Treppe herabgelaufen. »Onkel Doktor, nimm mich mit«, schrie er verzweifelt. »Ich will nicht hierbleiben!«

Es war fast ein Drama, das sich hier abspielte. Hart wurde er von seiner Großmutter angeredet, und hilflos musste Daniel zusehen, wie er von dem Kinderfräulein hinausgezerrt wurde.

»Er war schon immer exzentrisch, das hat er von seiner Mutter«, erklärte Frau von Jendrik kalt. »Man muss ihn streng erziehen. Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen, Herr Doktor.«

Und wieder musste Daniel gehen, diesmal mit kalter Höflichkeit verabschiedet.

Fee las ihm dann aus der Zeitung vor, dass Cecil von Jendrik mit großem Pomp begraben worden war. Auch ein Bild war in dieser Zeitung. Neben Leoni von Jendrik stand klein und verloren Marc am Grabe seines Vaters. Daniel drehte sich das Herz um.

Er hatte zwei Briefe, die er nun seiner Bestimmung zuführen musste.

Auf dem einen stand: Dr. Norden, erst nach meinem Tode zu öffnen! Auf dem andern: Inhalt zwanzigtausend Euro, bestimmt für die Suche nach Aimee von Jendrik.

Sie waren beide gleich groß und entsprechend umfangreich.

Daniel öffnete jenen Brief, der für ihn bestimmt war, unter den Augen seiner Frau. Es war schwer, die Schrift des todkranken Mannes zu entziffern, und der zweite Umschlag, der in diesem enthalten war, trug eine Anschrift.

Herrn Marcus von Jendrik, Greenwood Cottage, Sanderhurst, England.

»Wenn das ein Verwandter ist, und es muss einer sein, wird er doch wohl zur Beerdigung gekommen sein«, sagte Fee. »Daniel, wie kann es kommen, dass er dir diese Briefe anvertraute?«

»Weil er niemanden hatte, dem er vertrauen konnte. Armer reicher Mann«, sagte Daniel.

»Nicht einmal einem Anwalt?«, fragte Fee.

»Anscheinend nicht. Meiner Meinung nach hat seine Mutter das Regiment geführt. Mir tut nur der kleine Marc leid. Er mochte auch seinen Vater nicht besonders gern.«

»Kann man dann dieses Kind seiner Großmutter überlassen?«, fragte sie nachdenklich.

»Liebling, was soll ich tun? Die Leute sind stinkreich. Es wird sich niemand finden, der Interesse daran zeigen wird, sich mit ihr anzulegen. Ich kann da doch nicht die Fürsorge hinschicken.«

»Warum nicht, wenn es um eine Kinderseele geht?«, fragte Fee.

Er sah sie nachdenklich an. »Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen. Jetzt wollen wir erst einmal den Brief entziffern.«

Der lautete so: Sie, Herr Dr. Norden, wussten, dass ich sterben muss. Ich wusste es auch. Ich bin froh, dass dieses Leben bald zu Ende sein wird, und mit all den Schmerzen werde ich büßen, was ich Aimee, meiner Frau, angetan habe. Ich bitte Sie inständig, meine Mutter mit keinem Wort davon zu unterrichten, worum ich Sie gebeten habe. Bitte, senden Sie umgehend den Brief an meinen Cousin Marcus und beauftragen Sie die besten Detektive, um Aimee zu finden, damit Marc zu seiner Mutter kommt. Es ist ungewöhnlich und ich weiß, dass ich an einen Fremden eine Bitte richte, die Konflikte mit sich bringt. Aber Marcus wird Sie fürstlich entschädigen für alle Mühe, und ich bin überzeugt, dass er von sich aus alles tun wird, um Aimee zu finden. Nur meine Mutter darf davon nichts erfahren. Ersparen Sie mir bitte nähere Erklärungen. Marcus wird sie Ihnen wahrscheinlich geben. Ich weiß, dass es wirklich nicht in Ihrer Macht steht, Marc zu beschützen, aber vielleicht findet der Junge ja den Weg zu Ihnen. Dann bitte ich Sie inständig, ihm zu helfen. Er soll nicht dafür büßen, was ich getan habe. Zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet Ihr Cecil Jendrik.

»Erschütternd«, sagte Fee. »Welch traurige Schicksale gibt es doch. Wir müssen etwas für den Jungen tun, Daniel.«

»Vordringlich ist, dass dieser Marcus von Jendrik hierherkommt«, sagte Daniel.

In dem zweiten Umschlag befanden sich vierzig Fünfhunderteuroscheine.

»Gewaltiges Vertrauen hat er dir bekundet«, sagte Fee. »Ein erkleckliches Sümmchen. Es könnte jemand schwach dabei werden.«

»Er hat gewusst, dass ich nicht schwach werde, und du weißt es auch, Fee.«

»Gewiss, wenn aber die Mutter Jendrik dahinterkommt, kann es Ärger geben.«

»Sie wird nicht dahinterkommen. Du kennst sie doch gar nicht, Fee.«

»Irgendwie scheint sie wie die böse Hexe aus einem Märchen zu sein. Eine Großmama, die ihren Enkel drangsaliert, habe ich noch nicht kennengelernt.«

»Nichts ist unmöglich auf dieser Welt, mein Liebes. Aber jetzt muss

ich in Erfahrung bringen, ob dieser Marcus von Jendrik im Lande ist.«

»Da könnte uns Isabel eventuell behilflich sein«, sagte Fee.

Isabel Guntram, die ebenso attraktive wie clevere Journalistin, war Fee in früheren Jahren ein Dorn im Auge gewesen, denn sie hatte gemeint, dass sie Daniel näher stünde als irgendeine andere Frau. Die Eifersucht war längst vorbei, Isabel wusste so ungefähr alles, was in der Highsociety vor sich ging, von Taufen, über Hochzeiten bis zu Beerdigungen, und was sie selbst tatsächlich einmal nicht wusste, brachte sie schnell in Erfahrung.

So auch diesmal. Zuerst freute sich Isabel über Fees Anruf, erkundigte sich nach dem Befinden der werdenden Mutter, und als Fee dann mit ihrem Anliegen herausgerückt war, versprach sie, schleunigst genaueste Informationen zu besorgen und möglicherweise noch am Abend bei ihnen aufzukreuzen.

»Das wird dann eine lange Nacht«, seufzte Daniel.

»Aber wir kommen vielleicht schon einen Schritt weiter. Möglicherweise brauchen wir keine teuren Detektive zu beschäftigen.«

»Und was geschieht dann mit den zwanzigtausend Euro?«

»Die machen wir zu einer Stiftung für die Insel der Hoffnung«, sagte Fee realistisch. »Damit kann Armen geholfen werden.«

»Mal sehen, ob Isabel etwas zu berichten weiß«, sagte Daniel. »Anscheinend war Cecil von Jendrik nicht publicityfreudig. Und seine Mutter ist die eisigste Unnahbarkeit.«

Dass dies nicht immer so gewesen war, erfuhren sie dann von Isabel. Sie wirbelte herein, Frühlingsdüfte mit sich tragend. Aber das war nur ein neues exclusives Parfüm, das zu ihr passte.

»Man wagt ja nicht, euch zu stören, ihr ewigen Flitterwöchner«, sagte sie. »Blendend schaust du aus, Fee. Du hast zugenommen, Daniel. Na, du wirst es auch brauchen, wenn du Vater wirst.«

Sie hatten sich viel zu erzählen, denn Isabel hatte das Wochenende auf der Insel der Hoffnung verbracht, dem Sanatorium, das die Idee von Daniels Vater gewesen war und das nun von Dr. Cornelius, Fees Vater, geleitet wurde, der der beste Freund von Friedrich Norden gewesen war.

Doch Daniel wollte zuerst hören, was Isabel in Erfahrung gebracht hatte.

»Sonst verlieren wir uns wieder in Familientratsch«, sagte er.

»Alter Spötter«, sagte Isabel neckend. »Ihr habt die wundervollste Familie, die man sich vorstellen kann. Also, ich habe euch allerhand mitgebracht. Zu der Zeit, als Cecil von Jendrik heiratete, war ich in den Staaten, deshalb musste ich erst recherchieren. Die Hochzeit ging für diese Kreise auch ziemlich sang- und klanglos über die Bühne. Seine Frau war ja nicht von Adel, sondern vor der Ehe Reporterin. Ja, ihr habt richtig gehört, sie war eine Kollegin von mir und deshalb haben sich andere Kollegen veranlasst gefühlt, darüber zu schreiben. Sie haben sich ganz schöne Unannehmlichkeiten eingehandelt, denn die Seniorin des Hauses war mit solcher Berichterstattung nicht einverstanden. Sie muss Haare auf den Zähnen haben.«

»Wem sagst du das«, seufzte Daniel.

»Du kennst sie?«, fragte Isabel.

»So, dass es mich fröstelt.«

»Es war also von seiner Seite eine Liebesheirat«, warf Fee ein.

»Anscheinend. Allerdings muss sie bildschön sein.«

Isabel kramte in ihrer Tasche und holte Zeitungsausschnitte hervor. »Sogar auf den lächerlichen Fotos sieht sie wie ein Engel aus«, sagte sie.

Tatsächlich erblickten Fee und Daniel ein zauberhaft schönes Gesicht, umgeben von einem duftigen Spitzenschleier. In ihren Händen hielt die Braut ein Bukett aus kostbaren Orchideen.

»Man sagt immer, dass es Unglück bringt, wenn das Gesicht der Braut von dem des Bräutigams abgeschnitten wird«, fuhr Isabel fort. »Es hat sich bewahrheitet. Nach einjähriger Ehe, nachdem sie dem Industriellen den Erben geboren hatte, folgte die Scheidung.«

»Schon nach einem Jahr?«, fragte Daniel. »Aber Marc kann sich an seine Mutter erinnern.«

»Dann muss er sie später wiedergesehen haben. Ein Jahr nach der Trauung wurde die Ehe geschieden. Aimee von Jendrik verschwand im Nichts.«

»Wie hieß sie vorher?«, fragte Daniel.

»Janacek, Ihr Vater war gebürtiger Pole, naturalisierter Franzose. Ihre Mutter war eine berühmte französische Schauspielerin.«

»Es muss Leonie von Jendrik in die Knie gezwungen haben, dass ihr Sohn diese Frau heiratete«, sagte Daniel gedankenvoll. »Eine Prinzessin wäre ihrem Sohn wohl angemessen gewesen nach ihrem Dafürhalten.«

»Prinzessin mit dem Silberhaar nannte man sie«, sagte Isabel.

»So nannte sie auch Marc«, meinte Daniel sinnend, »irgendjemand muss ihm das gesagt haben.«

»Und was weißt du über Marcus von Jendrik?«, fragte Fee.

»Dass er auf der Beerdigung seines Cousins nicht zugegen war«, erwiderte Isabel. »Mit Sicherheit nicht. Über ihn weiß man gar nichts. Da kann ich euch nicht weiterhelfen. Wahrscheinlich ist er so ein verknöcherter Eigenbrötler, der mit der Verwandtschaft nichts zu tun haben will.«

»Dann musst du den Brief sofort und per Eilboten absenden, Daniel«, sagte Fee.

»Welchen Brief?«, fragte Isabel.

Eine Aufklärung mussten sie ihr nun schon für ihre Hilfe geben. Isabels Augen wurden kugelrund.

»Verschwenden wir nicht unnötige Zeit mit Vermutungen. Halten wir uns an die Tatsachen«, sagte Daniel. »Sie war also eine geborene Janacek. Ihre Mutter war Französin und Schauspielerin. Weißt du deren Namen?«

Isabel sah ihn irritiert an. »Bastienne«, erwiderte sie.

»Aimee Bastienne klingt gut«, sagte Daniel.

»Das wäre aber auch nur eine Vermutung«, meinte Fee.

»Aber eine naheliegende«, sagte Isabel. »Da muss ich Daniel recht geben. Ich werde mich mal umhorchen, ob irgendwo eine Aimee Bastienne bekannt ist.«

»Wenn sie nicht ihren ganzen Namen geändert hat«, sagte Fee nachdenklich. »Aber wir können ja ein bisschen Detektiv spielen, bis sich dieser Marcus von Jendrik meldet.«

Isabel nahm den Brief gleich mit und gab ihn per Express auf dem Telegrafenamt auf.

*

Der nächste Tag brachte Dr. Norden eine Riesenüberraschung. In der Vormittagssprechstunde ging es lebhaft zu. Fee war auch vollauf beschäftigt, und Molly musste dauernd den Türöffner betätigen.

Helga Moll war selten aus der Ruhe zu bringen, aber als nun eine aufgeregte Frau mit einem anscheinend ohnmächtigen Kind in den Armen hereinkam, rief sie sofort nach Dr. Norden.

Die Frau war aufgeregt und voller Angst. Sie brachte nur unzusammenhängende Worte über die Lippen. »Marc hat …« Weiter kam sie dann nicht, denn Dr. Norden kam aus dem Sprechzimmer und erkannte den kleinen Marc sofort.