Dr. Norden Bestseller 13 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 13 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Dr. Daniel Norden freute sich auf einen gemütlichen Abend mit seiner Frau Fee. Sein kleiner Sohn Danny, der seine Eltern ein paar Nächte in Atem gehalten hatte, weil er anscheinend den ersten Zahn bekam, war heute wieder friedlich. Nach neun Uhr war Dr. Norden von seinem letzten Krankenbesuch zurückgekommen. Es war scheußliches, nasskaltes Wetter, und deshalb erwartete Fee ihren Mann mit einem heißen, duftenden Punsch. Doch kaum hatte er einen Schluck getrunken, als das Telefon läutete. Fee bekam gleich ganz traurige Augen, als sie Nora Wernfrieds erregte Stimme vernahm, die einen Hilfeschrei durch den Draht schickte. Sie kannte Nora Wernfried, die ehemalige große Schauspielerin, die nach einem schweren Unfall der Bühne Adieu sagen musste und dann eine Schauspielschule gründete. Gewiss neigte die alte Dame zur Theatralik, und sie hatte auch tausend Wehwehchen, wenn sie sich einsam fühlte, aber irgendwie hatte Fee jetzt das Gefühl, dass sie sehr schnell Hilfe brauchte. Also war es nichts mit dem gemütlichen Abend. Das Gewissen trieb Dr. Daniel Norden schnell hinaus zu der alten Villa am Kanal. Er war den Weg oft gefahren, jede Woche mindestens einmal, wenn nicht öfter, denn Nora Wernfried beherbergte in ihrem Hause auch einige ihrer Schüler. Finanziell konnte sie es sich leisten, auch Mäzenin zu sein, wenn sie ein besonderes Talent zu entdecken geglaubt hatte. Ein junges Mädchen erwartete ihn schon an der Tür, ein zierliches Ding mit blassem Gesicht, das allein durch übergroße, weit auseinanderstehende Augen lebte. »Nora geht es sehr schlecht«, sagte sie leise. »Wir kennen uns schon, Dr. Norden.

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Dr. Norden Bestseller – 13 –

Hilferuf an Dr. Norden

Muss Madlon auf ihre Karriere als Schauspielerin verzichten?

Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden freute sich auf einen gemütlichen Abend mit seiner Frau Fee. Sein kleiner Sohn Danny, der seine Eltern ein paar Nächte in Atem gehalten hatte, weil er anscheinend den ersten Zahn bekam, war heute wieder friedlich.

Nach neun Uhr war Dr. Norden von seinem letzten Krankenbesuch zurückgekommen. Es war scheußliches, nasskaltes Wetter, und deshalb erwartete Fee ihren Mann mit einem heißen, duftenden Punsch.

Doch kaum hatte er einen Schluck getrunken, als das Telefon läutete. Fee bekam gleich ganz traurige Augen, als sie Nora Wernfrieds erregte Stimme vernahm, die einen Hilfeschrei durch den Draht schickte.

Sie kannte Nora Wernfried, die ehemalige große Schauspielerin, die nach einem schweren Unfall der Bühne Adieu sagen musste und dann eine Schauspielschule gründete. Gewiss neigte die alte Dame zur Theatralik, und sie hatte auch tausend Wehwehchen, wenn sie sich einsam fühlte, aber irgendwie hatte Fee jetzt das Gefühl, dass sie sehr schnell Hilfe brauchte.

Also war es nichts mit dem gemütlichen Abend. Das Gewissen trieb Dr. Daniel Norden schnell hinaus zu der alten Villa am Kanal. Er war den Weg oft gefahren, jede Woche mindestens einmal, wenn nicht öfter, denn Nora Wernfried beherbergte in ihrem Hause auch einige ihrer Schüler. Finanziell konnte sie es sich leisten, auch Mäzenin zu sein, wenn sie ein besonderes Talent zu entdecken geglaubt hatte.

Ein junges Mädchen erwartete ihn schon an der Tür, ein zierliches Ding mit blassem Gesicht, das allein durch übergroße, weit auseinanderstehende Augen lebte.

»Nora geht es sehr schlecht«, sagte sie leise. »Wir kennen uns schon, Dr. Norden. Ich bin Manja Scholow.«

Ja, er kannte sie. Er hatte sie wegen einer Stimmbandentzündung behandelt. Sie hatte seither eine rauchige Stimme, die nicht so recht zu ihrer zierlichen Erscheinung passte, ihr in ihrem Beruf aber dienlich zu sein schien, denn sie wurde häufig bei Synchronisationen beschäftigt.

Aber Dr. Norden wollte sich nicht mit Manja befassen, sondern mit Nora Wernfried. Sie lag angekleidet auf ihrem Bett und war so erregt, dass ein Nervenzusammenbruch zu befürchten war. Dr. Norden zog schnell eine Injektion auf.

Es dauerte fast zehn Minuten, bis sie wirkte. Er wusste, dass sie einen ungeheuren Zigarettenkonsum hatte, manchmal auch Zigarren oder Pfeife rauchte. Deshalb hatten bei ihr Beruhigungsmittel eine schleppende Wirkung. Nora war groß und üppig, auch ihr Gesicht war großflächig, und doch hatte es auch jetzt noch eine Ausdruckskraft, die mehr aussagte, als Worte es vermochten. Sie war voller Angst. Als sie endlich sprechen konnte, bebte ihre Stimme noch immer.

»Es geht um Madlon, Daniel«, stieß sie hervor. Sie sprach jeden mit dem Vornamen an. Zuerst hatte es Daniel befremdet, aber er hatte sich daran gewöhnt. Nora duzte jeden, weil sie der Meinung war, dass dies Gespräche vereinfachte.

Eine Madlon kannte Daniel allerdings noch nicht. »Sie ist süchtig«, sagte Nora. »Es ist entsetzlich. Dieses begabte Mädchen. Aus bester Familie. Eine ganz große Karriere hätte ich ihr vorausgesagt, aber nun ist ihr wohl nicht mehr zu helfen. Ich kann sie nicht im Stich lassen. Sie müssen alles versuchen, Daniel.«

Es überraschte ihn, dass sie nun plötzlich Sie zu ihm sagte, da er sich auch an das Du bereits gewöhnt hatte, aber sie befand sich in einem Zustand völliger Verwirrung, Erschütterung und Resignation. So hatte er sie noch nie gesehen. »Geht es Ihnen jetzt besser?«, fragte er.

»Um mich brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Gehen Sie zu Madlon. Jemand muss ihr doch helfen können. Ich habe die Verantwortung für sie übernommen. Wenn ihr Vater das erfährt, kann ich mir einen Strick um den Hals legen und mich aufhängen.«

Sie befand sich in einem so verwirrten Zustand, dass es sinnlos gewesen wäre, irgendwelche Fragen an sie zu stellen, und anscheinend befand sich unter diesem Dach, in diesem Haus, ein Mädchen in Lebensgefahr.

Manja führte ihn zu einem Zimmer im oberen Stockwerk. Es war nur matt erleuchtet, mit alten Möbeln hübsch eingerichtet. Zwei Betten standen in einem Alkoven hintereinander.

»Ich teile mit Madlon das Zimmer«, erklärte Manja. »Sie muss wahnsinnige Schmerzen haben, Dr. Norden.«

»Wahnsinnige Schmerzen«, wiederholte er geistesabwesend, auf die zusammengekrümmte Gestalt zugehend. Süchtig, hatte Nora gesagt. Das passte nicht zu wahnsinnigen Schmerzen, sofern das Mädchen, das da auf dem Bett lag, unter Drogeneinfluss stehen sollte.

Daniel Norden sah zuerst eine Flut von Haaren und sonst nichts, außer einer dunklen Decke, die bis zum Halse emporgezogen war.

Madlon stöhnte vor Schmerzen. Dr. Norden griff nach ihrem Puls. Seine Finger zuckten zurück, denn der Arm und die Hand waren glühend heiß. Das Mädchen hatte hohes Fieber.

»Bitte, mehr Licht«, sagte er zu Manja.

»Nein«, stöhnte die Kranke. »Es tut mir weh.«

Ihre Stimme klang gequält, aber nicht so wie die einer von Drogen Betäubten.

»Ich bin Dr. Norden. Sie sind krank, Madlon, ich muss Sie untersuchen. Ich will Ihnen doch helfen«, sagte er.

»Mir kann niemand helfen, niemand«, schluchzte sie. »Die Schmerzen werden immer schlimmer.«

»Man kann nichts dagegen tun, wenn man nicht weiß, woher die Schmerzen kommen«, erwiderte Dr. Norden. »Ich verspreche Ihnen, dass Ihre Schmerzen gelindert werden.«

»Das hat mir Götz auch versprochen«, flüsterte Madlon verzagt.

Dr. Norden fragte nicht, wer Götz war. Alles, was er noch wissen musste, konnte er später von Nora erfahren. Er fragte nur: »Was hat er Ihnen gegeben?«

Madlon erwiderte nichts.

»Da, diese Tabletten«, sagte Manja. »Tranquilizer.«

Sie sagte es mit einem verächtlichen Unterton.

»Nicht gerade das Richtige«, meinte Dr. Norden.

»Aber vorübergehend ging es mir schon besser«, murmelte Madlon.

Sie sträubte sich, als Dr. Norden die Decke zurückschlug. Er hatte ihre geschwollenen Handgelenke gesehen, und nun sah er auch die geschwollenen Knie- und Fußgelenke. Dazu das hohe Fieber, die große Schmerzempfindlichkeit. Er konnte die Diagnose schnell stellen.

»Rheumatismus«, stellte er fest.

»Sie sind verrückt«, schrie Madlon auf. Steil richtete sie sich im Bett auf. Der Schock schien die Schmerzen für den Augenblick gebannt zu haben. Ihr Gesicht war verzerrt, aber es war ein schönes Gesicht.

»Gut, meinetwegen bin ich verrückt«, antwortete er humorvoll, »aber in der Diagnose irre ich mich nicht, und ich weiß auch gar nicht, warum Sie sich so aufregen, Madlon.«

»Rheuma haben doch nur alte Leute«, stieß Madlon hervor.

»Da täuschen Sie sich aber gewaltig. Rheuma können auch Kinder haben. Doch es nützt nichts, darüber zu palavern. Davon werden Sie die Schmerzen nicht los. Sie bekommen jetzt eine Spritze und werden spüren, wie es besser wird. Und wenn Sie dann wieder vernünftig denken können, werde ich Ihnen erklären, wie diesen Schmerzen beizukommen ist.«

Sein Ton war energisch. Madlon schloss die Augen. Sie zuckte zusammen, als die feine Nadel unter ihre Haut glitt, aber das war nur eine Abwehrreaktion. Dr. Norden durchschaute dieses junge Geschöpf. Sie wehrte sich verzweifelt dagegen, eine Krankheit zu haben, die nach ihrer Meinung nur alte Menschen haben durften. Sie war blutjung und bildhübsch, hatte einen makellos geformten Körper, der nur durch die Schwellungen an den Gelenken beeinträchtigt war. Dr. Norden dachte sich, dass sie wohl recht eitel wäre und stolz auf ihren schönen Körper, ihr schönes Gesicht und auch auf ihr Talent, das ihr von Nora bescheinigt worden war. Sie hatte Angst, dass dies alles schnell vorbei sein könnte. Man musste ihr zuerst diese Angst nehmen.

Er musste aber auch feststellen, ob eventuell eine erbliche Belastung vorliegen könnte. Sie zu fragen, war sinnlos. Das Mädchen war jetzt erschöpft. Ihr Körper entspannte sich. Sie ließ es sich gefallen, dass er ihr auch noch ein wirksames Schlafmittel gab. Es war wichtig, dass ihre Nerven beruhigt wurden; insofern waren Tranquilizer nicht schädlich, wenngleich gerade diese nicht die richtigen waren. Dr. Norden fragte sich jetzt auch, wie diese Medikamente, die nur ärztlich verordnet werden durften, immer wieder in die Hände von Menschen gelangten, die aus Unüberlegtheit damit nur Unheil stiften konnten, wenn man ihnen auch nicht eine böse Absicht unterstellen wollte.

Manja stand mit verschränkten Armen an der Wand. Sie hatte Dr. Norden unausgesetzt beobachtet. Als er sich jetzt zu ihr umdrehte, sah er ihren Blick schwärmerisch auf sich gerichtet. Das fehlt mir gerade noch, dachte er, denn er konnte diesen Blick richtig deuten.

»Sind Sie mit Madlon befreundet?«, fragte er.

»Sie befreundet sich mit niemandem. Sie duldet uns«, erwiderte Manja kühl. »Jemand hat ihr mal eingeredet, dass sie eine Göttin sei – und so fühlt sie sich.«

Es klang nicht gehässig, nur sarkastisch. Vielleicht trug dazu auch die rauchige Stimme bei.

Madlon war eingeschlafen. Dr. Norden wollte jetzt mit Nora sprechen. Es war zwar schon spät, und er dachte auch an Fee, die bestimmt ungeduldig auf ihn warten würde, aber dieser Fall schien ihm doch so wichtig, dass er mehr über diese Patientin erfahren wollte. Vor allem auch, wie Nora auf den Gedanken gekommen war, dass sie süchtig wäre, was nicht stimmte.

Nora hatte sich beruhigt und zu ihrer Würde zurückgefunden. Sie empfing ihn jetzt in dem Wohnraum, der mehr wie ein Wintergarten wirkte, so viel exotische Pflanzen standen dort herum. Die Atmosphäre war durchaus nicht belebend.

»Sie ist nicht süchtig, sie hat Rheuma«, erklärte Daniel ohne Umschweife. »Ein Möchtegernsanitäter hat ihr Tranquilizer gegeben.«

»Götz«, sagte Nora. »Ich dachte immer, dass Tranquilizer auch Drogen wären.«

»Nicht in dem Sinne, wie Sie meinen. Die Drogen, die Sie fürchten, putschen auf, Tranquilizer beruhigen.«

»Ich verstehe von dem ganzen Kram nichts«, erwiderte Nora mit rauer Stimme, die der von Manja ähnlich klang, »ich rauche und trinke gern einen, das langt mir.«

Sie war ein Unikum, ein Original, durch Charme, Ehrlichkeit und umwerfende Selbstkritik ausgezeichnet.

»Rheuma, das ist doch lächerlich. Madlon ist neunzehn Jahre alt.«

»Die Diagnose müssen Sie schon mir überlassen, Nora«, sagte Daniel trocken. »Davon verstehen Sie nichts.«

»Na schön, erklären Sie es mir«, meinte sie, sich eine Zigarre anzündend. »Ihnen brauche ich wohl gar nicht erst eine anzubieten?«

»Nein, danke. Erzählen Sie mir von Madlon.«

Nora runzelte die Stirn. »Eigentlich heißt sie Magdalena, aber das zieht in unserem Geschäft nicht. Sie hatte sich für Chantal entschieden, aber das ist nun wieder nicht das Richtige. Ich habe genügend Kämpfe mit ihrem Vater ausgefochten, dass er ihr den Schauspielunterricht gestattete. Fredenheim, sagt Ihnen der Name etwas?«

»Nein.«

»Großes Tier. Internationales Management. Er hat überall seine Finger drin. Ist ein Cousin von mir. Jedenfalls ist die Kleine ein irres Talent, aber mit Rheuma? Sie haben mich geschockt, Daniel.«

»Deswegen Siezen Sie mich wohl neuerdings?«, fragte er belustigt.

»Na ja, bei manchen muss man Ausnahmen machen. Sie haben eine bezaubernde Frau. Fee soll nicht denken, dass ich Sie aus Zuneigung dauernd hierher lotse. Die Zuneigung ist zwar vorhanden, aber man braucht sie nicht öffentlich preiszugeben.«

Daniel wusste, was ihre Wirkung auf das Publikum ausgemacht hatte. Sie war nicht nur eine großartige Schauspielerin, sondern auch ein großartiger Mensch.

»Ich bin Madlons Patin«, sagte sie. »Natürlich habe ich Sie unterstützt. Sie wollte doch Schauspielerin werden. Kein Starlet, sondern eine, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Sie wäre eine Iphigenie, wie sie in diesem Jahrzehnt noch nicht hervorgebracht wurde. Rheuma, zum Teufel, ist das etwa erblich?«

»Hatte in ihrer Familie schon jemand Rheuma?«, fragte Daniel interessiert.

»Madlons Großmutter. Und wie. Sie hat die ganze Familie verrückt gemacht. Aber sie war an die Sechzig, als es sich bei ihr bemerkbar machte.«

»Das war dann sicher rheumatoide Arthritis«, sagte Daniel. »An Madlons Krankheit sind Bakterien schuld, womöglich eine Streuung nach einer eitrigen Angina.«

Nora starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Sind Sie ein Wunderdoktor?«, fragte sie staunend. »Sie hatte voriges Jahr eine schlimme Angina.«

»Sie hatte also eine Angina«, wiederholte er.

»Eine ganz schwere. Danach habe ich sie dann ganz zu mir genommen. Hatte einen gewaltigen Krach mit ihrem Alten, aber dann hat er klein beigegeben. »Du musst alles für sie tun, Junge. Sie ist mein Ein und Alles.«

»Als Magdalena oder Iphigenie?«, fragte Daniel hintergründig.

»Du Lauser«, knurrte sie, »es geht mir um ihre Seele und ihren Körper.«

»Okay, wir sprechen uns morgen früh wieder. Sie wird jetzt erst einmal schlafen.«

*

Fee war noch auf, als Daniel nach Hause kam, und sie hatte sogar Danny auf dem Arm, der seinen Papi mit lautem Jauchzen begrüßte.

»Was ist denn hier los?«, sagte Daniel. »Habe ich euch ertappt, ihr Schlingel?«

»Hurra, hurra, der Zahn ist da«, lachte Fee. »Das mussten wir doch gleich verkünden. Zeig das Zähnchen, Danny.«

Danny lachte und man konnte das weiße Streifchen sehen. Mehr war noch nicht zu sehen, wenn auch zu spüren. Und als sie ihn wieder in sein Bettchen legten, zeigte er nicht die geringste Neigung zum Schlafen. Daniel wurde energisch, erntete einen empörten Blick von seinem Sohn, der dann aber den Kopf zur Seite drehte und mit den Fäustchen auf die Matratze hieb.

»Nickelbär«, sagte Daniel verweisend. »Jetzt ist Nacht.«

Danny drückte seine Auflehnung noch mit ein paar schrillen Schreien aus, aber dann herrschte Ruhe. Er wusste schon, dass er mit seinem Aufbegehren nichts erreichen würde. Diesbezüglich war auch Fee konsequent.

»Er ist so lieb«, lobte sie ihren Sohn.

»Das will ich auch hoffen. Ein bisschen was möchte ich auch noch von dir haben«, sagte Daniel.

Müde waren sie jetzt beide nicht mehr. Sie machten es sich ganz gemütlich bei Punsch und Gebäck und leiser Radiomusik.

Daniel erzählte. Fee lauschte interessiert, denn sie war ja auch Ärztin, wenn auch jetzt überwiegend Mutter. Ab und zu sprang sie aber nun wieder in der Praxis ein. Daniel hatte sich breitschlagen lassen, weil er insgeheim zu der Einsicht gekommen war, dass Danny so nicht zu sehr verwöhnt würde, denn das gute alte Lenchen war auch noch da und überglücklich, wenn man ihr die Obhut für Danny anvertraute.

»Wenn man bedenkt, dass in Deutschland so an die zwanzig Millionen Rheumatiker herumkrebsen, sollte man meinen, dass gerade da mehr zur Früherkennung beigetragen wird«, meinte Fee. »Aber wenn die Menschen von unbekannten Schmerzen überfallen werden, glauben sie, man könnte sie für zimperlich halten, wenn sie sich mal einer Generaluntersuchung unterziehen lassen. Für mich ist es jedenfalls eine Überraschung, dass Nora einem Menschen so zugetan ist und nicht nur berufliches Interesse an ihm hat.«

Wie sehr Nora Madlon liebte, sollten sie noch erfahren, denn Madlons Krankheit war nicht von heute auf morgen zu beheben.

Daniel fuhr am nächsten Morgen noch vor Beginn der Sprechstunde zu ihr. Nora, in einen voluminösen Schlafrock gehüllt, empfing ihn selbst. Man sah ihr an, dass sie kaum ein Auge zugetan hatte.

Madlon ging es etwas besser. Die rasenden Schmerzen waren abgeklungen. Sie hatte auch eine verhältnismäßig ruhige Nacht gehabt. Widerstandslos ließ sie sich diesmal die Spritze geben.

Ihre wunderschönen grüngrauen Augen waren umschattet. Dadurch wirkte sie noch ätherischer. Ihr Gesicht hatte eine Reife, die man bei einer Neunzehnjährigen ganz selten fand. Wenn man noch in Betracht zog, dass sie die Tochter eines sehr vermögenden Vaters war und bestimmt sorglos aufgewachsen, konnte man sich diese Reife nur damit erklären, dass sie ganz nach innen lebte.

»Erzählen Sie mir mal von Ihrer Angina«, bat Dr. Norden. »Strecken Sie mal die Zunge heraus.«

»Bäh«, machte sie und bewies, dass sie auch Sinn für Humor hatte.

»Lieber Himmel«, sagte er, »die Mandeln können sich sehen lassen. Ich meine damit, dass man sie besser nicht mehr sehen sollte. Im Grunde bin ich nicht schnell dabei, sie zu entfernen, aber in Ihrem Fall sind sie ein gewaltiger Streuherd.«

Madlon warf ihm einen schiefen Blick zu.

»Nein, ich will nicht«, sagte sie trotzig.

»Dann werden Sie diese Schmerzen nie los. Sie kommen immer wieder. Die Ursache muss ausgerottet werden. Warum wollen Sie sich denn die Mandeln nicht entfernen lassen?«

»Meine Freundin wurde operiert. Da war sie sechzehn, und seither kann sie nur noch ganz leise sprechen«, erwiderte sie.

»Aber sonst geht es ihr gut?«, fragte Daniel scherzhaft.

»Für mich ist das kein Spaß«, sagte Madlon. »Ich brauche meine Stimme.«

»Wer braucht die nicht. Sie wollen aber doch nicht von diesen Schmerzen gepeinigt werden?«

»Sie haben sich durch die Spritze doch schon gebessert. Was war das denn?«

»Penicillin.«

»Können Sie mir nicht mehr davon geben?«

»Ja, aber dann ist nur für eine begrenzte Zeit Ruhe.«

»Du kannst Dr. Norden ruhig glauben, Kind«, sagte Nora. »Er versteht was.«

»Und du weißt genau, dass ich nächste Woche mein erstes Engagement habe. Nein, ich will nicht darauf verzichten.«

Sie schüttelte energisch den Kopf.

»Gestern wolltest du noch sterben«, bemerkte Nora barsch. Ihre Zuneigung für Madlon drückte sich wahrhaftig nicht in Sanftmut aus. Aber sie wusste am besten, wie Madlon zu nehmen war.

»Gestern war es auch schlimm. Das lag am Wetter«, sagte das Mädchen.

»Liebe junge Dame, man darf nicht alles auf das Wetter schieben. Man spürt diese Einflüsse nur an anfälligen Körperteilen.«

»Und dass man seelisch davon beeinflusst wird, leugnen Sie wohl?«, fragte Madlon spöttisch.