Dr. Norden Bestseller 17 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 17 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Herr Doktor, was soll ich denn nur machen, wenn Sie nicht da sind?«, jammerte Frau Krollmann. »Wer soll mir denn meine Spritzen geben?« Solche und ähnliche Worte hatte Dr. Daniel Norden während der letzten Tage oft zu hören bekommen, und er hatte immer wieder geduldig die gleiche Antwort gegeben. »Dr. Ziemann wird das genauso gut machen, Frau Krollmann. Ich werde Sie nachher gleich mit ihm bekannt machen.« Dr. Norden und seine Frau Fee wollten endlich einmal richtig Urlaub machen, und es war längst beschlossen, dass der erste Geburtstag ihres Söhnchens im Familienkreis auf der Insel der Hoffnung gefeiert werden sollte. Die Anhänglichkeit seiner Patienten in allen Ehren, das hatte auch sein Schwiegervater Dr. Cornelius gemeint, aber denen war auch nicht gedient, wenn dann Daniel eines Tages mal zusammenklappte. Er hatte mit einer verschleppten Erkältung zu kämpfen, die er immer wieder mit Medikamenten unterdrückt hatte, doch nun fühlte er sich selbst urlaubsreif. Nur immer mal ein verlängertes Wochenende, damit war es nicht abgetan. Er hatte nun auch in Dr. Werner Ziemann einen Vertreter gefunden, dem er vertraute. Das war heutzutage gar nicht mehr so einfach, denn meist sprachen sich die Ärzte untereinander ab mit ihrer Urlaubseinteilung. Doch hier in dem Neubauviertel war das nicht so einfach. Weit und breit war Dr. Norden der einzige Arzt für Allgemeinmedizin.

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Dr. Norden Bestseller – 17 –

Wenn Dr. Norden Urlaub macht

… ist er auch dort vor keiner Aufregung sicher

Patricia Vandenberg

»Herr Doktor, was soll ich denn nur machen, wenn Sie nicht da sind?«, jammerte Frau Krollmann. »Wer soll mir denn meine Spritzen geben?«

Solche und ähnliche Worte hatte Dr. Daniel Norden während der letzten Tage oft zu hören bekommen, und er hatte immer wieder geduldig die gleiche Antwort gegeben.

»Dr. Ziemann wird das genauso gut machen, Frau Krollmann. Ich werde Sie nachher gleich mit ihm bekannt machen.«

Dr. Norden und seine Frau Fee wollten endlich einmal richtig Urlaub machen, und es war längst beschlossen, dass der erste Geburtstag ihres Söhnchens im Familienkreis auf der Insel der Hoffnung gefeiert werden sollte. Die Anhänglichkeit seiner Patienten in allen Ehren, das hatte auch sein Schwiegervater Dr. Cornelius gemeint, aber denen war auch nicht gedient, wenn dann Daniel eines Tages mal zusammenklappte.

Er hatte mit einer verschleppten Erkältung zu kämpfen, die er immer wieder mit Medikamenten unterdrückt hatte, doch nun fühlte er sich selbst urlaubsreif. Nur immer mal ein verlängertes Wochenende, damit war es nicht abgetan.

Er hatte nun auch in Dr. Werner Ziemann einen Vertreter gefunden, dem er vertraute. Das war heutzutage gar nicht mehr so einfach, denn meist sprachen sich die Ärzte untereinander ab mit ihrer Urlaubseinteilung.

Doch hier in dem Neubauviertel war das nicht so einfach. Weit und breit war Dr. Norden der einzige Arzt für Allgemeinmedizin. Die anderen waren Fachärzte, die nur in Notfällen mal Hausbesuche machten.

Ja, eigentlich war der junge Dr. Norden so gesehen ein altmodischer Arzt, immer zu erreichen, immer und zu jeder Stunde zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Allerdings hatte er auch einen Patientenkreis, der dies nicht schamlos ausnützte, ihn andererseits aber auch schwer vermisste, wenn er mal nicht da war.

Er war mit Leib und Seele seinem Beruf ergeben, in früheren Zeiten oftmals verkannt worden, weil er so gut aussah, dass die überwiegende Anzahl seiner Patienten aus Frauen bestand, aber das hatte sich mit den Jahren mehr und mehr gegeben, und seit er mit Fee verheiratet war, blieben jene weg, die den »schicken« Dr. Norden gar zu gerne für sich interessiert hätten.

Frau Krollmann kam dreimal die Woche zu ihm. Sie war von schweren Arthrosen geplagt und deshalb mit ihren fünfundsechzig Jahren schon ein richtiges verhutzeltes Weiblein.

Dr. Norden war der erste Arzt, der ihr geholfen hatte. Er hatte sie zum Sanatorium Insel der Hoffnung geschickt und setzte nun die Nachbehandlung fort.

»Nächstes Jahr fahren Sie wieder zur Insel«, versprach er, »aber sie müssen jetzt auch zu Dr. Ziemann gehen, und wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, dann sagen Sie auch anderen Patienten, dass sie Vertrauen zu ihm haben können. Er braucht es nämlich«, fuhr er leise fort. »Er hat seine Frau verloren und muss allein für zwei Kinder sorgen.«

Frau Krollmann war zugänglich gestimmt, weil Dr. Norden sie ins Vertrauen zog.

Sie fühlte sich sehr geschmeichelt und erhob nun keinen Widerspruch mehr, als Dr. Ziemann hereingebeten wurde.

Er war mittelgroß, schlank und sicher nicht viel älter als Dr. Norden, aber er hatte bereits fast ergrautes Haar. In seinem Gesicht hatten sich tiefe Kummerfalten eingegraben, aber gerade das machte ihn Frau Krollmann so sympathisch. Sie hatte in ihrem Leben selbst viel durchgemacht, und sie vermochte den Menschen ins Herz zu sehen.

Dr. Norden zeigte ihm das Krankenblatt und wechselte ein paar lateinische Worte mit ihm.

»Immer ganz feine Nadeln nehmen, unsere Frau Krollmann ist sehr empfindlich«, sagte Dr. Norden schmunzelnd. »Aber sonst ist sie sehr tapfer.«

Er wusste ganz genau, wie er seine alten Leutchen behandeln musste, die doch noch bedeutend empfänglicher für eine persönliche Anteilnahme waren als die Jüngeren.

»Ich hoffe, dass sich Frau Krollmann nicht über mich beklagen muss«, sagte Dr. Ziemann.

»Wir werden uns schon zusammenraufen«, sagte Frau Krollmann. »An die Billie habe ich mich auch gewöhnt, nachdem Molly uns verlassen hat.«

Dr. Norden lächelte versteckt. Er nahm Frau Krollmann diese Vertraulichkeit gewiss nicht übel, und es hatte sich so manch einer daran gewöhnen müssen, dass nicht mehr Helga Moll im Vorzimmer saß. Mit ihren Nachfolgerinnen hatte er ein bisschen Pech gehabt, weil sie seinen Anforderungen entweder nicht entsprachen oder aus privaten Gründen wieder weggingen.

Aber Billie Meißner war eine Perle, jung, resolut, unverdrossen und auch überaus tüchtig. Sie machte auch ihre Späßchen, genauso wie Molly, und auch das alles in allem war Anlass für die Nordens gewesen, ihren Urlaub beruhigt planen zu können.

Frau Krollmann hatte versprochen, pünktlich zur nächsten Spritze zu kommen und sich dann wortreich und mit den besten Wünschen für einen schönen Urlaub verabschiedet. Sie war für heute die letzte Patientin.

»Nun schauen Sie nicht so skeptisch drein, lieber Ziemann«, sagte Dr. Norden aufmunternd. »Es steht nichts zu fürchten.«

»Das sagen Sie«, meinte Dr. Ziemann. »Für Ihre Patienten sind Sie einfach nicht zu ersetzen.«

»Ach was, machen wir kein Drama aus meinem Urlaub. Wir freuen uns darauf. Wie ist es, essen Sie heute mit uns?«

Daniel wollte gern, dass auch Fee seinen Vertreter ein bisschen näher kennen lernte. Bisher war dazu noch keine Zeit gewesen. Seit drei Tagen war Dr. Ziemann erst hier, und er hatte sich sehr gewissenhaft auf seine Pflichten vorbereiten wollen. Daniel fand nichts an ihm auszusetzen. Für ihn war der Kollege ein tragischer Fall, schuldlos in ein Schicksal verstrickt, das wohl auch ihn aus der Bahn geworden hätte.

Er hatte von diesem Schicksal durch seinen Freund Dr. Dieter Behnisch erfahren, in dessen Klinik Veronika Ziemann vor einem Jahr an den Folgen eines schweren Autounfalls gestorben war.

Auf der Fahrt zu ihren Eltern, bei denen die beiden Kinder Sascha und Annette zu Besuch weilten, war ihr Wagen von einem Lastzug, der von einem betrunkenen Fahrer gesteuert wurde, überrollt worden. Ein junges Leben war vernichtet, eine glückliche Familie zerstört. Dr. Ziemann, Oberarzt an einem Krankenhaus im Rheinland, war monatelang nicht mehr fähig gewesen, seinen Beruf auszuüben. Er war auch jetzt noch nicht fähig, als Chirurg im Operationssaal zu stehen, sonst hätte Dieter Behnisch ihm selbst eine Chance gegeben.

Langsam nur hatte Dr. Ziemann sein seelisches Gleichgewicht wiedergewonnen. Er konnte nicht einfach auf einen anderen Beruf umsatteln. Er war Mitte Dreißig und seine Kinder sieben und neun Jahre alt. Jetzt wurden sie von seinen Schwiegereltern versorgt. Sein Schwiegervater war ein pensionierter Beamter, der im Vorgebirge ein Häuschen besaß. Reichtümer hatte er nicht sammeln können, und Dr. Ziemann als Oberarzt auch nicht. Das Leben zwang ihn, zurückzufinden zu seinem Beruf, zu sich selbst, denn die Kinder brauchten ihn.

Er hatte nun die Möglichkeit, in einigen Monaten die Praxis eines alten Landarztes übernehmen zu können, der sich nach einem arbeitsreichen Leben zur Ruhe setzen wollte, aber dazu musste er nun erst noch Erfahrungen in der Praxis eines Arztes sammeln, der sich in allen Krankheiten auskannte. Klipp und klar hatte ihm der gute Dr. Hofstetter gesagt, dass er ihn nicht als »Lehrbuben« seinen kritischen Landleuten vorstellen könne, sonst wären sie gleich misstrauisch. Es war ein gut gemeinter Ratschlag gewesen. Dr. Ziemann bekam jetzt schon einen Vorgeschmack, wie schwer es war, den vertrauten Arzt ersetzen zu wollen. Und auf dem Lande war man noch skeptischer. Gewiss war das auch ein Grund, dass so wenige Ärzte sich bereit fanden, sich auf dem Lande niederzulassen, obgleich sie dort rar waren und wirklich ganz dringend gebraucht wurden. Nicht der einzige Grund gewiss, denn die meisten wollten die Annehmlichkeiten der Stadt nicht entbehren.

Ihm würde das nicht schwerfallen. Er war jetzt schon entschlossen dazu, und er wollte in den vier Wochen, in denen er Dr. Norden vertrat, so viel wie nur möglich lernen.

Hoffentlich würden ihm da die Patienten keinen Strich durch die Rechnung machen.

Er hatte die Einladung zum Essen angenommen. Es gab doch noch so manches zu besprechen, denn schon am späten Nachmittag wollten die Nordens ihre Fahrt zur Insel antreten.

Billie Meißner räumte ihren Schreibtisch eben gewissenhaft auf. Sie war ein schlankes, gut gewachsenes Mädchen, nett und ansehnlich, ohne ausgesprochen hübsch genannt werden zu können.

»Dann machen Sie es gut, Billie. Sie wissen ja schon überall Bescheid«, sagte Dr. Norden. »Und wenn was nicht klar ist, rufen Sie an.«

»Wird gemacht, Herr Doktor«, erwiderte sie munter. »Wir werden schon klarkommen. Dr. Ziemann hat ja Erfahrung.«

»Sie ist ein nettes Mädchen«, sagte Dr. Norden, als sie im Lift aufwärts fuhren. »Ich bin sehr zufrieden mit ihr. Und so schwierig wie Frau Krollmann sind auch nicht alle Patienten. Aber Sie werden mit ihr auch schon zurechtkommen. Reden Sie nett mit den Leuten, hören Sie sich auch ein bisschen Klatsch an. Das mögen sie. In solch einer Praxis wollen sie nicht eine Nummer sein. Im Krankenhaus kommen und gehen sie, und selten sieht man sie wieder. Bei uns ist es so, dass ein paar nette, verständnisvolle Worte oft mehr helfen als das beste Medikament, oder sagen wir besser, dass es dann erst seine Wirkung tut. Ich weiß, dass es eine große Umstellung für Sie ist, Herr Kollege.«

»Aber eine, die sich lohnt. Ich habe schon sehr viel von Ihnen gelernt, und Sie haben mir sehr geholfen«, erwiderte der andere.

»Sie verhelfen uns zu unserem Urlaub«, sagte Daniel lächelnd. »Was meinen Sie, wie dankbar Ihnen meine Frau ist.«

Und gleich darauf standen sie Fee gegenüber, dieser hinreißend schönen, natürlichen, liebenswerten Ehefrau des Dr. Norden.

Selbst Ärztin mit eigenem Doktortitel, hatte Fee ihre Berufstätigkeit weitgehendst eingeschränkt, seit der kleine Daniel, Danny genannt, auf der Welt war. Ab und zu sprang sie schon mal in der Praxis ein, wenn der große Daniel durch Hausbesuche überlastet war, aber ihr lebhafter Sohn beanspruchte sie doch sehr, und das zweite Kind war bereits unterwegs.

Danny schrie auch jetzt sogleich nach seinem Papi. Papi war das erste Wort, das er sprechen konnte, und da er noch kein Jahr alt war, musste man es schon gebührend zur Kenntnis nehmen, wie deutlich er es sagte und dabei auch genau wusste, wen er meinte.

Während Daniel Norden sich diesem Temperamentsbündel widmete, überspielte Fee geschickt Dr. Ziemanns Verlegenheit.

Der Tisch war hübsch gedeckt. Lenchen, die sich Danny zuliebe ganz an ihren Hörapparat gewöhnt hatte und nicht mehr lautstark angeredet werden musste, servierte das Essen.

Sie war schon ein bisschen aufgeregt, denn natürlich musste sie mit zur Insel der Hoffnung fahren. Man hätte sie ja nicht vier Wochen allein lassen können.

Allerdings hatte Lenchen da ihre Bedenken geäußert, denn die Blumen mussten versorgt werden und überhaupt würde alles verstauben, wenn sich niemand kümmerte. Doch das wollte Billie gern besorgen. Sie hatte sich dazu bereit erklärt, als Dr. Norden über diese Notwendigkeiten gestöhnt hatte.

Nachdem man sich nun bei Tisch und einem sehr guten Essen, das nichts von Lenchens Nervosität ahnen ließ, unterhielt, kam Fee ein anderer Gedanke.

»Eigentlich wäre es doch sehr praktisch für Sie, Herr Ziemann, wenn Sie während der Zeit Ihr Quartier hier aufschlagen würden«, bemerkte sie nebenbei. Sie warf ihrem Mann einen schrägen Blick zu und wusste, dass er ihren Vorschlag billigte. Sie brauchten sich nur mit Blicken zu verständigen.

»In der Praxis drunten ist es wahrhaft ein bisschen nüchtern«, meinte auch Daniel, der schon den gleichen Gedanken wie Fee gehegt hatte, ihr aber nicht vorgreifen wollte.

»Sie sind sehr entgegenkommend, aber das kann ich nicht annehmen«, erwiderte Dr. Ziemann.

»Und warum nicht? Ich vertraue Ihnen meine Patienten an, warum dann nicht auch die kleinen Annehmlichkeiten, die Ihnen die Wohnung bietet, damit Sie sich auch mal entspannen können. Ab und zu werden Sie ja wohl zum Schlafen kommen«, sagte Daniel.

»Es wäre schon recht, wenn immer jemand da ist«, mischte sich Lenchen ein. Damit allerdings wollte sie bloß ihr Einverständnis kundtun.

Sie verschwand gleich wieder. »Unser Lenchen ist schon in der zweiten Generation bei uns«, erklärte Daniel.

»So was gibt es heute auch noch«, sagte Dr. Ziemann, der jetzt schon nicht mehr ganz so gehemmt war.

Sie sprachen noch über manches, was die Praxis anbetraf und auch über die Insel der Hoffnung.

Natürlich hatte Dr. Ziemann darüber schon genug gehört und gelesen. Schließlich war Dieter Behnisch lange Jahre mit Dr. Norden befreundet.

»Vielleicht sollten Sie auch mal ein paar Wochen dort sein, bis Sie den letzten Anlauf für die Landpraxis nehmen«, sagte Daniel.

»Im Herbst ist das leicht mal einzurichten.«

»Paps freut sich immer, wenn er Kollegen von seinen Heilmethoden überzeugen kann«, warf Fee lächelnd ein.

»Die man sich wohl zu eigen machen sollte«, sagte Dr. Ziemann gedankenvoll.

»Wie wollen unsere Insel nicht immer selbst hochloben, Fee«, sagte Daniel.

»Warum nicht? Propaganda brauchen wir keine zu machen. Wir haben doch selber nicht glauben wollen, dass diese Idee so Zuspruch findet. Wir wären doch gar nicht böse, wenn es viele kleine Inseln der Hoffnung gäbe. Anfangs dachten wir, dass der Name überhaupt nicht ankommen würde. Man ist in der heutigen Zeit doch geneigt, Namen zu finden, die exotisch klingen, möglichst kurze, die einem gleich im Ohr haften bleiben. Aber wie es scheint, setzen die geplagten Menschen doch sehr viel auf die Hoffnung.«

»Was bleibt schon, wenn man die nicht mehr hat«, sagte Dr. Ziemann mit schwerer Stimme.

Ein paar Sekunden trat Schweigen ein. Da saß ein Mann an ihrem Tisch, der das Schlimmste erfahren hatte, was einem Menschen widerfahren konnte. Er hatte einen über alles geliebten Menschen auf grausame Weise verloren. Er war Arzt und hatte nicht helfen können. Fee strömte alles Blut im Herzen zusammen, als sie auf seinen gesenkten, früh ergrauten Kopf blickte.

»Sie werden in vierzehn Tagen ein freies Wochenende haben«, sagte sie weich. »Vielleicht möchten Sie Ihren Kindern dann einmal München zeigen. Wir haben nichts dagegen, wenn die Kinder auch hier wohnen, Herr Ziemann. Es ist Platz genug.«

»Sie sind zu gütig, gnädige Frau«, sagte er mit gepresster Stimme.

Wieder sah Fee ihren Mann an, dann stand sie auf. »Red ihm seine Bedenken aus, Daniel«, sagte sie. »Von Mann zu Mann geht das besser.«

Während sie die letzten Sachen zusammenpackte, gelang es Daniel, Werner Ziemann davon zu überzeugen, dass er gern das freundschaftliche Angebot annehmnen könnte.

Daniel fühlte sich ihm gegenüber mehr als Arzt als Kollege. Auch dieser Mann brauchte Lebenshilfe, Beweise des Vertrauens, Freunde.

»Vielleicht verstehen Sie mich nicht«, sagte Werner Ziemann gequält. »Ich wollte an diesem Wochenende mit meiner Frau fahren, aber da stand die Chance für mich auf dem Spiel, Chefarzt werden zu können, und die wollte ich nützen. Veronika hatte mir zugeredet. Sie wissen ja, wie dünn gesät solche Chancen sind, wenn man im Krankenhaustrott ist. Ich ließ sie allein fahren, weil die Ferien zu Ende gingen. Ich werde es mir immer zum Vorwurf machen.«

»Haben Sie nie daran gedacht, dass andernfalls Ihre Kinder beide Eltern verloren haben könnten?«, fragte Daniel heiser.

Werner Ziemann sah ihn bestürzt an. »Nein, daran dachte ich nie.«

»Dann denken Sie jetzt daran. Das Schicksal mag unerbittlich und vorbestimmt sein. Ich kann Ihre Gewissensqualen verstehen. Aber Ihnen ist es bestimmt gewesen, weiterzuleben. Sie haben Ihre Kinder und eine große Aufgabe. Ich bin nicht für große Worte, aber es würde mich unendlich freuen, wenn wir ein bisschen dazu beitragen könnten, Sie mit diesem schrecklichen Schicksal zu versöhnen.«

Werner Ziemann war aufgestanden und ging hinaus auf den Dachgarten.

Er drehte sich zu Daniel um. »Ich wollte diesen Mann umbringen, Herr Kollege. Diesen gewissenlosen, betrunkenen Mann. Ich war blind vor Hass, dass er mir meine Frau und meinen Kindern die Mutter genommen hat.«

»Aber Ihnen wären höchstenfalls auch nur mildernde Umstände zugesprochen worden, wie ihm vermindert Zurechnungsfähigkeit«, sagte Daniel ruhig. »Und weder Ihnen noch Ihren Kindern wäre damit gedient gewesen.«

»So deutlich hat seither niemand mit mir gesprochen. Alle haben mich behandelt wie einen Irren«, sagte Dr. Ziemann. »Aber ich war bei klarem Verstand. Ich dachte nur daran, wie ich Veronika rächen könnte. Ich habe gar nicht zugehört, wenn sie alle auf mich einredeten. Ich habe nur an sie gedacht, der ich doch nicht mehr helfen konnte.« Er machte eine kleine Pause. »Sie lieben Ihre Frau. Sie können mich verstehen. Wir haben eine wunderbare Ehe geführt. Ein Stück von mir selbst ist von mir genommen worden.«

»Ich verstehe Sie, Herr Ziemann. Vielleicht hilft Ihnen die Zeit, vielleicht helfen Sie sich selbst, wenn Sie anderen helfen. Was soll ich viel sagen. Sehen Sie es bitte so, dass wir Ihnen gerne helfen möchten.«

Fee hatte ein bisschen gelauscht. Sie tat das manchmal, nicht aus Neugierde, sondern nur deshalb, um sich selbst einstellen zu können, wenn Daniel etwas entschied. Jetzt war sie innerlich ganz ruhig, denn sie wusste, dass sie in einer ganz schwierigen Situation wieder einer Meinung waren.

Es war nicht immer so. Manchmal behielt sie recht, manchmal Daniel. Es war selten, aber es geschah doch, aber das war schließlich nur der Beweis, dass sie ihre eigene Persönlichkeit behielten und unterschiedliche Ansichten auf einen Nenner bringen konnten, und das geschah immer.

Als jetzt das Telefon läutete, trat sie schnell in Erscheinung. Bevor Daniel den Telefonhörer aufheben konnte, sagte sie: »Walten Sie Ihres Amtes, Herr Kollege. Wir sind schon nicht mehr da.«

Ein bisschen Anspruch auf Privatleben hatten sie schließlich auch. Die Koffer waren gepackt. Lenchen hatte in der Küche Ordnung gemacht. Dr. Ziemann war bereit, um für Daniel einzuspringen.

»Dr. Norden ist im Urlaub?«, hatte die weibliche Stimme gefragt.

»Ja, ich bin die Vertretung«, erwiderte er zögernd.

»Wenn es möglich ist, kommen Sie bitte sofort. Mein Vater hat hohes Fieber«, vernahm er.

Dr. Ziemann sah Daniel an. »Meyen, Tulpenstraße«, sagte er.

»Ist mir nicht bekannt, aber wie es scheint, ein guter Anfang für Sie. Auf Wiedersehen, Herr Ziemann.«

»Auf Wiedersehen«, sagte auch Fee, »und das Gästezimmer steht für Ihre Kinder bereit.«

*

Putzmunter saß Danny in seinem Autositz, aber dem traute Lenchen nicht, und so hielt sie ihn auch noch krampfhaft fest.

»Es kann nichts passieren, Lenchen«, sagte Daniel schmunzelnd, als er in den Rückspiegel blickte.

»Ich traue dem modernen Zeug nicht«, brummte sie.

Danny schaute interessiert zum Fenster hinaus. Er sah Kühe auf der Weide.

»Kuhlemuhle«, sagte er. Daniel und Fee staunten. »Er nimmt wahr, was er sieht«, sagte Daniel.

»Ich habe ihm bloß Bilder gezeigt«, sagte Fee. »Du, er ist intelligent.«

»Nun schnapp nicht gleich über«, lachte Daniel. »Sein Lernprozess beginnt erst …«