Dr. Norden Bestseller 7 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 7 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Dr. Daniel Norden legte nach einem kurzen Gespräch den Telefonhörer auf und wandte sich seinem Patienten zu. »Ich bin zu einem dringenden Fall gerufen worden, Herr Ackermann. Sind Sie einverstanden, dass wir die Blutsenkung übermorgen machen?« »Aber sicher, Herr Doktor. Ich habe ja Zeit.« Der alte Herr zwinkerte freundlich. Er war immer freundlich, trotz seines schmerzhaften Leidens. Daniel Norden mochte ihn sehr. Er sagte schnell seiner Frau Fee Bescheid, die im Labor Röntgenaufnahmen auswertete. »Ich muss zu Detloff, Fee. Er hat wieder einen schweren Herzanfall. Kannst du die Stellung allein halten? Das hier hat Zeit.« »Ich werde mir Mühe geben, den Herrn Doktor zu ersetzen«, erwiderte Fee mit einem bezaubernden Lächeln, bekam einen zärtlichen Kuss und begab sich ins Sprechzimmer. Helga Moll, die Sprechstundenhilfe, war heute auch nicht da. Sie hatte eine so schwere Erkältung, dass sie von ihrem Chef ein paar Tage Bettruhe verordnet bekommen hatte. Es war Grippezeit, und so kamen weniger Patienten in die Sprechstunde. Dafür aber mussten mehr Hausbesuche gemacht werden.

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Dr. Norden Bestseller – 7 –

Wer ist Vanessa Hunter?

Eine böse Verwechslung liegt hier vor

Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden legte nach einem kurzen Gespräch den Telefonhörer auf und wandte sich seinem Patienten zu.

»Ich bin zu einem dringenden Fall gerufen worden, Herr Ackermann. Sind Sie einverstanden, dass wir die Blutsenkung übermorgen machen?«

»Aber sicher, Herr Doktor. Ich habe ja Zeit.«

Der alte Herr zwinkerte freundlich. Er war immer freundlich, trotz seines schmerzhaften Leidens. Daniel Norden mochte ihn sehr.

Er sagte schnell seiner Frau Fee Bescheid, die im Labor Röntgenaufnahmen auswertete.

»Ich muss zu Detloff, Fee. Er hat wieder einen schweren Herzanfall. Kannst du die Stellung allein halten? Das hier hat Zeit.«

»Ich werde mir Mühe geben, den Herrn Doktor zu ersetzen«, erwiderte Fee mit einem bezaubernden Lächeln, bekam einen zärtlichen Kuss und begab sich ins Sprechzimmer.

Helga Moll, die Sprechstundenhilfe, war heute auch nicht da. Sie hatte eine so schwere Erkältung, dass sie von ihrem Chef ein paar Tage Bettruhe verordnet bekommen hatte.

Es war Grippezeit, und so kamen weniger Patienten in die Sprechstunde. Dafür aber mussten mehr Hausbesuche gemacht werden.

Wenn es jetzt auch nicht mehr ganz so schlimm war wie am Anfang, als Fee als junge Ehefrau mit in die Praxis ihres Mannes eingestiegen war, gab es doch immer noch Patienten, vor allem Patientinnen, die nur von Dr. Norden behandelt werden wollten.

Dr. Daniel Norden war inzwischen eilends zu dem Haus des Bankiers Gottfried Detloff gefahren, der einer seiner schwierigsten und ungeduldigs­ten Patienten war und in keiner Weise seinem Vornamen Ehre machte.

Friedlich war er nie, und gottergeben würde er nie werden. Fluchen konnte er wie ein Stallknecht, aber heute war ihm das vergangen. Er lag still und blass in seinem Bett, und als Dr. Norden sich über ihn beugte, fürchtete er das Schlimmste.

Margit Detloff, die einzige und maßlos verwöhnte Tochter des Bankiers, hatte Dr. Norden selbst eingelassen.

Der kritischen Situation ungeachtet, die diesen Arztbesuch nötig machte, verschwendete sie lockende Blicke an den blendend aussehenden Arzt, aber es war eine wirkliche Verschwendung, denn Daniel Norden sah darüber hinweg.

Allen Grobheiten zum Trotz, die er von Gottfried Detloff schon hatte einstecken müssen, konnte er diesem Mann nicht böse sein. Er war die Aufrichtigkeit in Person und genoss in seinen Kreisen einen ausgezeichneten Ruf. Seit sechs Monaten war er bei Dr. Norden in Behandlung, und Daniel war der Überzeugung gewesen, dass sich sein Herzleiden im Rahmen halten ließe, wenn er sich mehr schonen würde. An solche Ratschläge hatte sich der Bankier auch gehalten, und dieser Anfall kam Dr. Norden völlig überraschend.

Er gab dem Patienten eine Spritze, fühlte den Puls und beobachtete ihn. Margit Detloff stand hinter ihm, und sie beobachtete den Arzt.

»Es wäre besser, wenn wir Ihren Vater in die Klinik brächten«, sagte Dr. Norden.

»Sobald es ihm wieder bessergeht, wird er uns ins Gesicht springen, wenn wir das täten«, sagte Margit.

Ihre Stimme klang merkwürdig gleichmütig.

»Ist dieser Anfall durch eine Aufregung ausgelöst worden?«, fragte Daniel.

»Was weiß ich«, meinte Margit mit leichtem Kopfschütteln. »Er kam überraschend früh heim, blubberte vor sich hin, führte ein Telefongespräch, bei dem er ziemlich brüllte, aber das sind wir ja gewohnt, und dann wankte er in sein Zimmer. Ich hinterher, und als ich merkte, dass er wieder einen Anfall bekam, gab ich ihm seine Tropfen.«

»Die richtige Dosis?«, fragte Daniel.

Margit kniff die Augen zusammen. »Natürlich. Wollen Sie mir eine Schuld zuschieben?«

»Keinesfalls, nur können ein paar Tropfen zuviel bei Aufregung schädlich sein.«

»Ich habe ihm in der Aufregung eher zu wenig gegeben und Sie dann gleich angerufen«, sagte Margit ironisch.

Wie eine liebevoll besorgte Tochter redete sie nicht gerade, und dabei sprach man doch davon, dass sie ihres Vaters Augapfel sei.

Margit Detloff war unzweifelhaft ein attraktives Mädchen, aber sie hatte nicht die geringste Ausstrahlung von Wärme. Vielleicht mochte sie auf manche Männer sexy wirken, doch da­rüber machte Dr. Norden sich keine Gedanken, und ihm fehlte dafür auch das Verständnis.

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Patienten zu, der jetzt leise stöhnte. Ganz dicht beugte er sich zu ihm herab.

»Können Sie mich verstehen, Herr Detloff?«, fragte er. »Ich bin es, Dr. Norden. Ihr Zustand macht die Einweisung in eine Klinik erforderlich. Sind Sie einverstanden?«

Er hatte das schnell gesagt, da er merkte, dass seine Stimme das Be­wusst­sein des Mannes erreichte, wenn er auch die Augen fest geschlossen hielt.

»Ja«, erwiderte Gottfried Detloff kaum vernehmbar, »Klinik.«

Dr. Norden war überrascht, aber Margit auch.

»Hast du auch richtig verstanden, Papa?«, fragte sie schrill. »Du sollst in die Klinik.«

Ein Zucken lief über das breite Gesicht des Kranken.

»Ja«, sagte er nochmals.

»Bitte, regen Sie Ihren Vater jetzt nicht auf«, wies Dr. Norden die junge Dame ziemlich scharf zurecht. »Rufen Sie bitte diese Nummer an, und bestellen Sie einen Krankenwagen.«

Ein flammender Blick traf ihn, aus dem er eine Regung von Hass hätte lesen können, wenn er sich Gedanken darüber gemacht hätte. Aber seine Gedanken waren bei dem Kranken, von dem er in jeder Situation Protest gewohnt war.

Margit Detloff verließ das Zimmer, wenig später erschien der Butler, ein älterer ruhiger Mann. Dr. Norden kannte ihn. Er hieß Jonathan und machte jetzt einen sehr verstörten Eindruck.

»Ich möchte mit der Behnisch-Klinik telefonieren, Jonathan«, sagte Dr. Norden.

Der Mann nickte. Seine Lippen zitterten so stark, dass er kein Wort hervorbrachte.

Margit hielt den Hörer noch in der Hand, als Dr. Norden aus dem Zimmer trat.

»Ich habe Ihren Befehl ausgeführt«, sagte sie mit klirrender Stimme. »Sie sind sich anscheinend nicht bewusst, was Sie meinem Vater antun.«

»Ich habe seine Zustimmung, und es ist zu seinem Besten«, erwiderte Dr. Norden ruhig.

Dann rief er die Klinik an und ließ sich mit seinem Freund Dr. Behnisch verbinden. Er wusste, dass er von Dieter Behnisch in diesem dringenden Fall keine Absage bekommen würde.

Kaum hatte er das Gespräch beendet, kam auch schon der Krankenwagen. Ohne Widerspruch ließ Gottfried Detloff sich abtransportieren.

*

Dr. Felicitas Norden hatte inzwischen alle Patienten versorgt, doch da schlug der Gong nochmals an.

Sie meinte, dass ihr Mann zurückkommen würde, aber es trat ein anderer ein.

»Schönste aller Ärztinnen, wie

hübsch, von Ihnen persönlich empfangen zu werden«, begrüßte er Fee.

Sie kannte ihn recht gut, diesen Harald Johanson. Ein richtiger Playboy, aber mit so viel Charme, dass man ihm einfach nicht böse sein konnte.

Er war ein Sportsmann und das ers­te Mal in die Praxis gekommen, als er vom Pferd gestürzt war. Außer ein paar Hautabschürfungen hatte er damals keine Verletzungen davongetragen, aber seither kam er immer, wenn ihm etwas fehlte. Mal war es eine Zerrung, dann auch mal ein blaues Auge, eine verstauchte Hand, oder er brauchte eine Nachimpfung, weil er zu irgendeiner Safari reisen wollte.

Er konnte es sich leisten. Er war der Alleinerbe eines mächtigen Konzerns.

Nach Fees Meinung ein Luftikus, aber einer, den man dennoch gut leiden konnte. Sie erinnerte sich plötzlich, dass er auf Empfehlung des Bankiers Detloff zu ihnen gekommen war, und dass man von einer Heirat mit dessen Tochter Margit munkelte.

»Wo fehlt es denn heute?«, fragte sie lässig.

»Ich habe meinen Impfpass verkramt«, erwiderte er. »Und da ich

am Wochenende nach Afrika starten will …« Er grinste jungenhaft.

»Obgleich Herr Detloff einen schweren Herzanfall hat?«, fragte Fee.

Sein Gesicht wurde ernst. »Wieso? Gestern war er doch in bester Form. Was ist los, ma belle?«

»Lassen Sie das meinen Mann nicht hören, sonst kündigt er Ihnen die Freundschaft«, sagte Fee. »Daniel wurde dringend zu Herrn Detloff gerufen und ist noch bei ihm.«

Harald Johanson sah sie nachdenklich an. Er wirkte seltsam ernst, und Fee verstand jetzt, dass Daniel tatsächlich etwas für ihn übrig hatte.

»Ich wusste nicht, dass er wirklich leidend ist«, sagte er. »Choleriker haben ja manchmal schlechte Tage.«

»Ich werde Ihnen einen neuen Impfpass ausstellen«, sagte Fee in das Schweigen hinein, das seinen Worten folgte.

Er schien es nicht zu hören. Sein Blick schweifte zum Fenster hinaus. Auf seiner Stirn stand eine steile Falte. Er sah plötzlich sehr männlich aus, fast hart.

Überrascht betrachtete ihn Fee. »Vielleicht möchten Sie jetzt zu Fräulein Detloff fahren«, sagte sie leise.

»Nein, das möchte ich nicht!«, stieß er hervor, sich das Haar aus der Stirn streichend. »Wenn Sie gestatten, würde ich gern auf Ihren Mann warten.«

Eigentlich hatte Fee die Praxis zumachen wollen, um hinauf in die Wohnung zu fahren, aber sie brachte es nicht fertig, ihn fortzuschicken. Sollte er warten, sie konnte in der Zeit die Röntgenaufnahmen auswerten.

Sie hatte den Impfpass ausgestellt, als Daniel schon kam. Er war sichtlich erstaunt, Harald Johanson hier vorzufinden, und ganz frei von Eifersucht war der Blick nicht, den er auf seine Frau richtete.

Schnell erklärte ihm Fee, mit welchem Anliegen Harald gekommen war, und der warf ein: »Dann hörte ich von Ihrer Frau, dass Herr Detloff einen Herzanfall hatte, und wollte mich gern vergewissern, wie es ihm geht.«

»Nicht gut«, erwiderte Daniel. »Er wird jetzt ständig beobachtet.«

»Er hat nicht protestiert, dass er in die Klinik gebracht wurde?«

»Nein, ich konnte ihn selbstverständlich nicht gegen seinen Willen einweisen«, erklärte Daniel.

»Wie hat es Margit aufgenommen?«, fragte Harald.

»Recht gelassen«, erwiderte Dr. Norden ironisch.

Mit einem eigentümlichen Blick sah Harald ihn an. »Besteht Lebensgefahr?«, fragte er heiser.

»Das kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Die nächsten Stunden werden es entscheiden. Gefahr besteht immer, wenn man ein krankes Herz hat.«

»Dann kann ich nur hoffen, dass ich nicht unabsichtlich der Anlass war«, sagte Harald dumpf.

»Wieso Sie? Hatten Sie eine Ausei­nandersetzung mit ihm am heutigen Vormittag?«, fragte Daniel.

»Nein, das nicht, aber eigentlich sollte meine Verlobung mit Margit verkündet und am Wochenende gefeiert werden, und ich habe Platzangst bekommen. Ich konnte einfach nicht anders. Ich liebe meine Freiheit zu sehr. Herr Detloff hat es allerdings sehr gelassen aufgenommen, als ich es ihm ges­tern Abend mitteilte.«

»Ich will nicht indiskret sein, aber hat Fräulein Detloff Ihre Entscheidung auch gelassen aufgenommen?«, fragte Daniel, während Fee Harald aufmerksam betrachtete.

Er runzelte die Stirn. »Es gibt jedenfalls gute Gründe, die ihr eine gewisse Zurückhaltung auferlegen«, erwiderte er ausweichend. »Ich glaube nicht, dass ich mir einen Vorwurf machen muss, oder sie mir einen machen könnte.«

Das war eine Erklärung, die so ziemlich alles offenließ, und über die man nachdenken konnte.

Harald erkundigte sich dann noch, in welche Klinik Gottfried Detloff gebracht worden war und verabschiedete sich als vollkommener Gentleman.

»Merkwürdig«, sagte Fee, »er war mir direkt sympathisch.«

»Aber nicht zu sehr, mein Schatz«, sagte Daniel sogleich. »Lenchen wird warten«, fügte er dann schnell hinzu.

Sie fuhren nach oben. Ihre Wohnung befand sich in einem Penthouse auf dem Dach desselben Hauses. Das leider ziemlich schwerhörige Lenchen wartete bereits und brummelte vor sich hin, dass man doch einmal pünktlich essen könne.

»Mit der Heirat scheint es also nichts zu werden«, bemerkte Fee beiläufig. »Ich möchte gern wissen, was der tiefere Grund ist.«

»Vielleicht ihre eiskalten Augen«, sagte Daniel leichthin. »Da erstarren alle Gefühle.«

»Ich kenne sie nicht«, sagte Fee.

»Sei froh«, erwiderte Daniel lakonisch. »Du hast nichts versäumt. Aber es kann durchaus sein, dass sie ihrem Vater Theater gemacht hat, weil die Verlobung platzt. Immerhin ist Johanson eine blendende Partie.«

»Sie haben doch selbst Geld genug«, stellte Fee fest.

»Aber einen Mann, der so gut aussieht und dazu noch gespickt ist, findet man nicht so rasch. Uns kann das egal sein, Fee. Ich möchte nur, dass Detloff wieder auf die Beine kommt. Er muss sich furchtbar aufgeregt haben, dass es zu diesem Zusammenbruch kommen konnte, aber in dieser Zeit wird es wohl auch bei ihm geschäftliche Sorgen geben.«

*

Harald Johanson war zur Behnisch-Klinik gefahren. Er hatte mit Dr. Jenny Lenz sprechen können, aber sie hatte ihm auch nur sehr vorsichtig Auskünfte gegeben. Was ihn jedoch bestürzte, war die Tatsache, dass Margit nicht in der Klinik weilte, auch wenn sie am Krankenbett ihres Vaters unerwünscht war, wie die Ärztin ihm zu verstehen gab.

Harald fuhr zu seiner Wohnung. Er hatte Wohnungen in verschiedenen Städten, von den komfortablen Besitzungen abgesehen, die ihm auch gehörten. Diese Wohnung war ihm jedoch die liebste. Er hatte sie ganz nach seinem Geschmack eingerichtet, und jeder, der sie kennenlernte, musste zugeben, dass Harald Johanson einen fantastischen Geschmack besaß.

Wer Harald genauer kannte, musste manche Eigenheiten an ihm feststellen, doch niemand hätte ihm zugetraut, dass Gottlieb Detloffs Erkrankung ihm so nahegehen könnte.

Grübelnd blickte er lange Zeit zum Fenster hinaus. Das Telefon läutete ein paar Mal, doch er meldete sich nicht.

Gestern hatte er ein langes und aufschlussreiches Gespräch mit Gottfried Detloff gehabt, das ihm manche Überraschung beschert und ihn sehr zum Nachdenken angeregt hatte.

Heute musste er über einige Bemerkungen noch intensiver nachdenken, und er versuchte, sich diese ganz genau in Erinnerung zu rufen.

Als er Detloff um die Unterredung gebeten hatte und vorschlug, dass sie sich in seinem Stammlokal treffen könnten, war der Ältere sofort einverstanden gewesen. Er hatte nicht einmal gefragt, warum Harald denn nicht zu ihnen kommen wolle.

Ja, diese Bereitwilligkeit hatte ihn in Erstaunen versetzt und es ihm auch erleichtert, ganz offen zu sprechen.

Harald Johanson rekonstruierte den Verlauf des Abends, indem er sich nun Notizen machte. Er schrieb in Stichworten auf, was ihm in der Erinnerung haften geblieben war, ohne sich selbst Rechenschaft darüber ablegen zu können, warum er das tat.

Über eine Stunde saß er so, und dann las er nochmals, was er sich notiert hatte.

20 Uhr Treffen in der Klause. Kamen fast gleichzeitig. D. bestellte sein Leibgericht: Rehschäuferl, hausgemachte Spätzle, Pfifferlinge und Preiselbeeren.

Harald schüttelte den Kopf. Als ob das wichtig wäre. Komisch, dass er es sich überhaupt gemerkt hatte, da die Unterredung doch so wichtig für ihn gewesen war und er sich durchaus nicht behaglich gefühlt hatte, bis er seine Gedanken dann ausgesprochen hatte. Dazu war es aber erst nach dem Essen gekommen.

»Nun, was haben Sie auf dem Herzen, Harald?«, hatte Detloff gefragt.

Mit sehr schlechtem Gewissen hatte er es ausgesprochen. »Es tut mir leid, aber ich möchte jetzt noch keine offizielle Verlobung.«

»Jetzt nicht oder überhaupt nicht?«, hatte Detloff ruhig gefragt.

»Ich fürchte, dass ich nicht zum Ehemann tauge«, hatte er erwidert.

»Das finde ich auch«, sagte Gottfried Detloff. »Margit muss nicht alles durchsetzen, was sie will. Es wird künftig sowieso einige Veränderungen bei uns geben.«

Harald stützte jetzt seine Hand auf und legte sein Kinn hinein. Er starrte auf den Bogen. Hatte es Detloff wirklich so gesagt, und welche Bedeutung konnte diese Erklärung haben?

Nein, gestern Abend hatte er da­rüber nicht nachgedacht. Er war nur froh gewesen, dass dieser cholerische Mann nicht aufbrauste, sondern verblüffend ruhig blieb.

Es wird einige Veränderungen geben! Hatte er finanzielle Verluste gehabt? Nein, das hätte sich doch schon herumgesprochen.

»Spielt da ein anderer Mann mit?«, hatte Detloff gefragt, so ganz beiläufig, als ginge es ihn gar nichts an.

Mehreres spielte mit, worüber sich Harald auslassen wollte, auch ein Mann und sogar noch ein zweiter. Aber das war es ja nicht gewesen, was ihn zu seinem Entschluss gebracht hatte. Er war sich plötzlich klargeworden, dass Margit in keiner Beziehung die Frau war, die er sich an seiner Seite vorstellen konnte. Daran war keine andere Frau schuld, sondern ein paar Bemerkungen von Margit anlässlich einer Party, die sie gemeinsam besucht hatten – und auch ihr Benehmen auf dieser Party.

Man konnte weiß Gott nicht sagen, dass Harald strenge moralische Grundsätze hatte, aber bei ihm gab es gewisse Grenzen, die er nicht überschritt und von anderen nicht überschritten sehen wollte, vor allem nicht von einer Frau, die einmal seinen Namen tragen sollte.

Mit ruhigem Gewissen hatte er so Detloffs Frage beantworten können, dass es keine andere Frau in seinem Leben gäbe, die in absehbarer Zeit Frau Johanson werden sollte.

»Ich werde für eine Zeitlang von der Bildfläche verschwinden«, hatte er gesagt, »und Margit wird sich inzwischen hoffentlich zu trösten wissen. Bewerber hat sie ja genug.«

Mit einem ganz eigentümlichen Blick hatte ihn Detloff angesehen. »Ihr vermeintliches Erbe ist natürlich verlockend für so manchen«, hatte er gesagt.

Hatte er wirklich »vermeintlich« gesagt? Harald dachte wieder nach. Aber wenn dieser Mann Sorgen gehabt hätte, wenn ihm das Wasser gar bis zum Halse stehen würde, hätte er doch alles versucht, um gerade ihn bei der Stange zu halten. In der Not griff sogar ein so ehrbarer Geschäftsmann nach dem rettenden Strohhalm, noch dazu, wenn dieser so nahe war.

»Ich habe viele Fehler in meinem Leben gemacht«, hatte Gottfried Detloff zu ihm gesagt. »Ich bin recht froh, dass Sie so vernünftig sind, Harald. Ja, ich bin sehr froh und hege jetzt auch die Hoffnung, dass Sie sich eines Tages des Erbes würdig erweisen, das Ihnen hinterlassen wurde.«

Ganz väterlich wohlwollend hatte er das gesagt, und sie schieden als die besten Freunde mit dem Versprechen, immer freundschaftlich verbunden bleiben zu wollen.

Und heute sollte dieser so erstaunlich friedfertige Gottfried Detloff ein schwerkranker Mann sein?

Harald hatte nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass er unter Herzbeschwerden litt. Margit hatte das nie erwähnt. Als Detloff ihm damals Dr. Norden als Arzt empfohlen hatte, hatte er nur beiläufig bemerkt, dass Norden Routineuntersuchungen bei ihm vornehmen würde.

Ein Arzt, zu dem man Vertrauen haben könne, hatte er erklärt.

Dieser Ansicht war Harald auch. Er mochte Daniel, weil er jung und modern war, weil er das Leben liebte und seinen Kranken vorbildlich half, und auch, weil er eine so entzückende Frau hatte, die Harald verehrte.

Es gehörte zu seinen Prinzipien, sich niemals ernsthaft um eine verheiratete Frau zu bemühen, und er hatte auch sofort gewusst, dass dies bei Fee Norden völlig sinnlos gewesen wäre. Aber ebenso klar war ihm, dass er für eine solche Frau sofort und ohne Bedenken seine Freiheit aufgegeben hätte.

Aber wann traf man eine solche Frau schon einmal? Ein Riesenglück hatte Dr. Norden gehabt. Beneidenswert war er.

Diese Gedanken schob Harald schnell beiseite. Er trat wieder ans Fens­ter und blickte hinaus. Widersprüchliche Empfindungen spiegelten sich auf seinem interessanten Gesicht.