Hände Weg von Marilu - Patricia Vandenberg - E-Book

Hände Weg von Marilu E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. In rasender Geschwindigkeit schoss das Flugzeug über die graue Startbahn, die in morgendliches Licht getaucht war. Bald darauf erhob es sich scheinbar mühelos in die Lüfte. Mit weit aufgerissenen, braunen Augen saß Marilu am Fenster und blickte hinab auf die immer kleiner werdenden Häuser ihrer Heimat. Der Boden unter ihr entfernte sich in Sekundenschnelle. Ihre Mutter Nora, die bis zum Abflug nervös und unruhig gewesen war, lehnte sich zurück. Sie atmete auf. »Nicht mehr lange, und wir sind in München.« Liebevoll strich sie ihrer Tochter übers Haar. »Wie lange sind wir denn diesmal unterwegs?«, Marilu sah ihre Mutter fragend an. Nora setzte sich gerade auf. Bislang hatte sie diese Frage ausweichend beantwortet. Doch nun war es an der Zeit, Marilu die Wahrheit zu sagen. »Wir werden für immer in Deutschland bleiben.« »Was?« Das Gesicht des Mädchens war schneeweiß geworden. Nora senkte beschämt die Augen. »Ich weiß, dass ich dich angelogen habe. Aber ich hatte keine andere Wahl. Sonst wärst du womöglich nicht mit mir gekommen.

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Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane – 13 –

Hände Weg von Marilu

Ich beschütze meine Tochter vor der ganzen Welt

Patricia Vandenberg

In rasender Geschwindigkeit schoss das Flugzeug über die graue Startbahn, die in morgendliches Licht getaucht war. Bald darauf erhob es sich scheinbar mühelos in die Lüfte. Mit weit aufgerissenen, braunen Augen saß Marilu am Fenster und blickte hinab auf die immer kleiner werdenden Häuser ihrer Heimat. Der Boden unter ihr entfernte sich in Sekundenschnelle. Ihre Mutter Nora, die bis zum Abflug nervös und unruhig gewesen war, lehnte sich zurück. Sie atmete auf.

»Nicht mehr lange, und wir sind in München.« Liebevoll strich sie ihrer Tochter übers Haar.

»Wie lange sind wir denn diesmal unterwegs?«, Marilu sah ihre Mutter fragend an. Nora setzte sich gerade auf. Bislang hatte sie diese Frage ausweichend beantwortet. Doch nun war es an der Zeit, Marilu die Wahrheit zu sagen.

»Wir werden für immer in Deutschland bleiben.«

»Was?« Das Gesicht des Mädchens war schneeweiß geworden.

Nora senkte beschämt die Augen.

»Ich weiß, dass ich dich angelogen habe. Aber ich hatte keine andere Wahl. Sonst wärst du womöglich nicht mit mir gekommen. Und du bist doch meine Tochter, mein Sonnenschein. Ohne dich kann ich nicht leben.«

Marilu schnaubte verächtlich.

»Soweit ich mich erinnern kann, hast du von meiner Existenz bisher nicht viel mitbekommen«, entgegnete sie altklug.

»Was soll das heißen? Nur weil mir meine Karriere wichtig ist, heißt das noch lange nicht, dass ich mich nicht um dich gekümmert habe.« Es fiel Nora sichtlich schwer, ihren Zorn zu unterdrücken. Sie warf ihr blondes langes Haar in den Nacken. Ihre Augen funkelten herausfordernd. Aber so leicht ließ sich das Mädchen nicht einschüchtern. Es war in einer Welt der Erwachsenen groß geworden und wusste sich zur Wehr zu setzen.

»Stimmt«, gab sie ihrer Mutter überraschend recht. Ihre tiefbraunen Augen blickten spöttisch drein. »Du hast dich immer fabelhaft um Babysitter, Ballettstunden, Tanzkurse und Malstunden gekümmert, damit ich euch aus dem Weg war. Noch nicht einmal abholen musstet ihr mich, weil das Nonna übernommen hat.«

Am liebsten hätte Nora ihrer Tochter eine schallende Ohrfeige verabreicht. Angesichts der Tatsache, dass sie in einem bis auf den letzten Platz gefüllten Flugzeug saßen und die Passagiere schon neugierig herüberschauten, versagte sie sich diesen Impuls jedoch. Dennoch zogen Mutter und Tochter die Aufmerksamkeit auf sich. Entschuldigend lächelnd wandte Nora sich an ihren Sitznachbarn.

»Diese Kinder von heutzutage. Sind mit nichts zufrieden. Früher wären wir froh gewesen, wenn uns jemand so verwöhnt hätte«, versuchte sie, sich in ein gutes Licht zu rücken. Doch Marilu war nicht schüchtern und beugte sich ebenfalls nach vorne.

»Keine Sorge, das sagt sie nur, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Meine Eltern haben nämlich nie Zeit für mich.«

Der Herr auf dem Außensitz ließ deutlich erkennen, was er von diesem seltsamen Paar hielt und wandte sich kommentarlos ab. Empört starrte Nora an Marilu vorbei. Unweigerlich wanderten ihre Gedanken zu dem Leben, das sie hinter sich gelassen hatte. Und zu dem Mann. Diesmal sollte es endgültig sein. »Wovon leben wir in München?«, riss Marilus Stimme sie aus ihren verwirrten Gefühlen, die zwischen Trauer und Freude, Wut und Enttäuschung schwankten. Ihre Tochter klang auf einmal wie eine ganz normale Elfjährige.

Seufzend wandte Nora sich ihr zu und strich ihr zärtlich über das lange Haar.

»Es ist alles vorbereitet. Ich habe eine Stelle als Chefredakteurin bei einer tollen Frauenzeitschrift bekommen. Das Angebot konnte ich unmöglich ausschlagen.«

»Und wo sollen wir wohnen?«

»Zuerst einmal bei Esther. Du erinnerst dich doch an Esther? Sie hat uns vor ein paar Jahren mal besucht. Inzwischen ist sie mit meinem ehemaligen Chef Robert verheiratet. Die beiden haben zwei süße Kinder, Lilli und Tobi«, versuchte Nora, ihrer Tochter die nahe Zukunft schmackhaft zu machen.

Aber Marilu schüttelte unwillig den Kopf.

»Ich hasse kleine Kinder. Die machen Lärm und sind frech.«

»Wie kannst du so was sagen? Du kennst die beiden doch gar nicht.«

»Der kleine Bruder von Sara ist auch so.«

»Das heißt doch nicht, dass alle Kinder so sein müssen wie der Bruder deiner besten Freundin.«

Doch Marilus Miene blieb verschlossen. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte missmutig aus dem Fenster.

»Trotzdem«, sagte sie. Und gleich darauf: »Warum hast du Papa verlassen?«

Nora holte tief Luft. Die Wahrheit tat so weh.

»Adelio war es. Er wollte nicht mehr.«

»Kein Wunder. Ihr habt euch ja nie gesehen«, stellte Marilu unbarmherzig fest. »Wenn Papa gekommen ist, bist du gegangen. Und umgekehrt.«

»Ist das ein Grund, eine Ehe zu beenden?« Obwohl Nora wusste, dass sie diese Diskussion nicht mit einem Kind führen sollte, konnte sie nicht anders. Wenn sie nur an die letzten Auseinandersetzungen mit ihrem italienischen Ehemann dachte, stieg der Zorn in ihr auf. »Er wollte mich zu Hause einsperren. Aus mir eine typisch italienische Mamma machen. Aber das bin ich nicht. Das geht nicht. Und das habe ich ihm von Anfang an gesagt«, beharrte sie eigensinnig. Marilu zuckte nur mit den Schultern und lehnte sich zurück. »Wenn ich groß bin, bekomme ich ganz viele Kinder und werde eine normale Hausfrau. Ich kümmere mich nur um meine Familie und den Haushalt«, stellte sie eigensinnig fest. Nora starrte ihre Tochter entgeistert an.

»Na bravo! Dabei dachte ich, ich hätte dir ein paar moderne Ansichten beigebracht. Eine Frau hat dasselbe Recht auf Karriere wie ein Mann. Und ich sehe nicht ein, dass ich darauf verzichten soll, nur weil dein Vater sich das einbildet. Ende der Diskussion.« Mit einer resoluten Handbewegung beendete Nora das Gespräch mit ihrer Tochter. Sie hatte in den vergangenen Wochen genug diskutiert, gestritten, geweint und erklärt. Es war genug. Sie wollte nur noch nach vorne blicken, in ihr neues, verheißungsvolles Leben, das mit der Landung in München beginnen sollte.

*

Esther lag im Bett und versuchte, mit geschlossenen Augen die Geräusche zu sortieren, die an ihr Ohr drangen. Sie hörte, wie ein Stuhl über den neuen Holzboden geschoben wurde. Schranktüren öffneten sich und schlugen mit lautem Krachen wieder zu. Als ein Topf laut scheppernd zu Boden fiel, saß sie senkrecht im Bett. Jetzt war klar, dass nicht ihr Mann Robert in der Küche hantierte, um Frühstück zu machen. Mit einem Satz war Esther aus dem Bett.

»Lilli, Tobi, was stellt ihr jetzt schon wieder an?« Im Laufen griff Esther nach dem Morgenmantel. Sie hastete die Treppe hinunter, verfing sich im wehenden Stoff, taumelte haltsuchend. Doch vergebens. Mit einem Schreckensschrei stürzte die junge Mutter die letzten Stufen hinunter und landete auf beiden Knien. Der Schmerz verschlug ihr den Atem. Für einen kurzen Moment sah sie Sterne vor den Augen.

»Mami wehtan?« Die kleine Lilli stand neben ihrer Mutter, hatte den Kopf schiefgelegt und tätschelte ihr das Haar, wie es Esther für gewöhnlich zu tun pflegte.

»Es geht schon wieder, mein Schatz«, antwortete Esther vor Schmerz keuchend. Langsam setzte sie sich auf die unterste Stufe und besah sich das Malheur.

Inzwischen war auch Tobi herbeigekommen. »Au weia, das blutet«, stellte er mit Kennermiene auf das linke Knie seiner Mutter fest. »Weiß schon, das brennt wie Feuer und tut brutal weh. Brauchst du ein Pflaster?« Er war ein Spezialist auf diesem Gebiet. Esther schüttelte tapfer den Kopf. »Geht schon. Aber was ist mit dir passiert? Du bist ja total staubig. Und du auch, Lilli.«

»Is Mehl.« Der kleine blond gelockte Engel strahlte über beide Wangen.

»Tante Nora kommt doch heute. Wir backen ihr grade einen Kuchen«, verkündete Tobi voller Stolz, und seiner Mutter schwante Fürchterliches. »Was war das gerade für ein Geräusch? Was ist runtergefallen?« forschte Esther vorsichtig und erhob sich stöhnend. Blut rann aus der großflächigen Schürfwunde. Humpelnd wagte sie sich in Begleitung ihrer Kinder in die Küche vor.

»Och, nur der Topf mit dem Teig. Wir haben aber alles schön aufgekratzt und in den Ofen gestellt. Bald ist der Kuchen fertig«, berichtete Tobi mit stolzgeschwellter Brust von seiner Heldentat. »Duchen, Duchen«, klatschte Lilli vor Freude in die dicken Händchen. Als sie in der Küche angelangt war, ließ sich Esther vor Schreck und Schmerz auf einen Stuhl fallen. Es sah noch schlimmer aus, als sie erwartet hatte. Überall klebten Teigreste. Am Herd; auf dem neuen, dunkelroten Fransenteppich, der den Holzboden in der Küche schützen sollte; an Schränken und Türgriffen. Es war grauenhaft.

»Verdammt noch mal«, konnte sich Esther einen Fluch nicht verkneifen.

»Dammt nomal«, ertönte augenblicklich das Echo.

Esther starrte ihre kleine Tochter an.

»Ja, genau, verdammt, verdammt, verdammt«, stieß sie mit einer Heftigkeit hervor, die sie selbst erschreckte. Lilli erschauerte. Ihre großen blauen Augen füllten sich mit Tränen. Doch Esther war außerstande, ihre Tochter zu trösten. Blut rann über ihr Schienbein, der Schmerz pulsierte im Knie, das immer dicker wurde. Stöhnend erhob sie sich. »Ich helf dir, Mami«, versprach Tobi feierlich. Bevor Esther ihn davon abhalten konnte, hatte er sich ein raues Bodentuch geholt und bearbeitete damit die empfindlichen Fronten der hochglänzenden Küche. »Hör sofort auf damit, hast du verstanden?«, schrie sie so laut, dass Tobi entsetzt innehielt.

»Aber du sagst doch immer, dass wir dir helfen sollen«, verteidigte er sich schwach.

Lilli kreischte in den höchsten Tönen dazu. Und nun klang auch die Stimme ihres Bruders weinerlich. Esther hatte kein Mitgefühl und keine Geduld.

»Auf so eine Hilfe kann ich wahrlich verzichten. Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht? In ein paar Stunden sind Nora und Marilu hier. Und hier herrscht das totale Chaos. Wie stehe ich jetzt vor meiner eleganten Freundin da?« Esther war mit den Nerven am Ende. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie Tobi das Tuch aus der Hand riss und ihm einen Klaps auf die Hand versetzte. Der kleine Junge starrte seine Mutter an und brach in empörtes Geheul aus. Laut stampfend verließ er die Küche. Lilli hielt sichtlich verwirrt inne. Sie sah zu ihrer weinenden Mutter, auf deren blutendes Knie und entschloss sich dann, sich ihrem Bruder anzuschließen. Sie stimmte wieder in sein Gebrüll ein und verschwand ebenso energisch aus der Küche. Esther blieb alleine zurück und gab sich eine Weile ganz ihrer Verzweiflung hin. Von Tag zu Tag erschien ihr das Leben mit diesen beiden Kleinkindern anstrengender zu werden. Sie sehnte sich nach Ansprache und Unterstützung. Aber ihr Mann Robert war kaum zu Hause. Er arbeitete beinahe Tag und Nacht in der Redaktion einer erfolgreichen Zeitschrift. So hatte sich Esther unbändig gefreut, als ihre ehemalige Kollegin und Freundin Nora ihren Besuch angekündigt hatte. Beinahe sofort waren ihr Bilder von entspannten Einkaufs-Touren, gemütlichen Kaffeestunden und weinseligen Abenden durch den Sinn gegangen. Doch allem Anschein nach würde auch dieses Ereignis wieder in einem Chaos enden wie so viele, seit die beiden Kinder ihr Leben durcheinanderbrachten. Ein stechender Geruch ließ Esther aus ihren Gedanken hochfahren.

»Du meine Güte, stinkt das«, rief sie erschrocken aus. Dicker Qualm stieg aus dem Herd. Esther riss die Ofentür auf. Der Plastikgriff des Topfes war geschmolzen und fiel in dicken Tropfen auf den heißen Boden des Ofens, wo sie zischend festbrannten. Es war nicht zum Aushalten. Am liebsten wäre Esther wieder ins Bett gegangen und hätte die Bettdecke über den Kopf gezogen, um zu vergessen. Aber das war nicht möglich. Wie so vieles andere auch, seit sie Hausfrau und Mutter war. Der Vormittag war arbeitsreich und anstrengend gewesen. Die Patienten hatten sich förmlich die Klinke in die Hand gegeben, um ihre Leiden von Dr. Daniel Norden behandeln zu lassen. Einige Fälle hatten ihm Kopfzerbrechen bereitet. So war er tief in Gedanken versunken, als er sich kurz vor der Mittagspause die Hände wusch, um dann mit seiner Familie gemeinsam zu essen. »Da ist noch eine Patientin, die Ihre Hilfe braucht.« Die treue Assistentin Wendy musste ihren Chef dreimal ansprechen, ehe er reagierte. Überrascht blickte Dr. Norden hoch. »Wie bitte?«

Wendy lächelte nachsichtig.

»Sie sind ganz schön geistesabwesend heute.«

»Kein Wunder. Ein schwieriger Fall jagt den anderen.« Daniel seufzte und trocknete sich die Hände ab. »Zudem häufen sich heute die Unfälle. Manchmal bin ich doch versucht, an Sternenkonstellationen zu glauben«, erklärte er augenzwinkernd. »Dann kann ich Ihren Glauben unterstützen. Frau März ist eben in die Praxis gekommen. Sie hatte auch einen Unfall. Sie ist die Treppe hinuntergestürzt und hat sich das Knie verletzt«, schilderte Wendy kurz das Geschehene. »Da heute Freitag ist und sie Besuch erwartet, will sie das Risiko nicht eingehen und bis Montag abwarten.«

»Eine weise Entscheidung. Bitten Sie Frau März herein«, willigte Daniel Norden ohne Zögern ein. »Und rufen Sie meine Frau an, dass es später wird. Sie und die Kinder sollen nicht mit dem Essen auf mich warten.«

Dieser Anweisung hätte es nicht bedurft. Aber Wendy lächelte nur nachsichtig, während sie ihre Aufgaben zuverlässig wie immer erfüllte.

Während sie mit Felicitas telefonierte, begrüßte Daniel Norden seine Patientin, die humpelnd hereingekommen war. »Liebe Frau März, was machen Sie für Sachen?«, fragte er, als er das lädierte Knie kritisch begutachtete.

Esther hatte einen katastrophalen Vormittag hinter sich. Die Anteilnahme des Arztes tat ihr deshalb doppelt gut.

»Das macht die ständige Hektik. Immer muss ich auf der Hut sein, dass die Kinder nichts anstellen. Dabei übersieht man schon mal eine Stufe«, erklärte sie und versuchte zu lächeln. Es gelang ihr nur halbwegs. Nicht die kleinste Nuance entging Daniel Norden, während er seine Patientin untersuchte. Weder der gereizte Unterton in ihrer Stimme, den sie geschickt zu verbergen versuchte. Noch die dunklen Ringe unter ihren Augen, die von schlaflosen Nächten und Überforderung sprachen. Die verkniffenen Mundwinkel erzählten ein Übriges. Doch zunächst widmete sich Dr. Norden der erheblichen Verletzung, die sich Esther bei ihrem Sturz zugezogen hatte.

»Da haben Sie ganze Arbeit geleistet«, erklärte er ernsthaft, nachdem er das angetrocknete Blut vorsichtig entfernt hatte. »Die Wunde ist verschmutzt. Ich werde also zunächst die Fremdpartikel mit einer Pinzette entfernen. Dann spüle ich die Verletzung mit physiologischer Kochsalzlösung, um auch kleinste Verunreinigungen zu entfernen«, erklärte er sein Vorhaben, während er Esther zur Liege führte. »Keine Angst, das tut nicht weh.«

»Ich habe keine Angst und würde mich vermutlich freuen, wenn Sie mir vierzehn Tage Klinikaufenthalt verordnen würden.«

»Das klingt ja nicht gerade heiter.«