Verleumdung in der Praxis - Patricia Vandenberg - E-Book

Verleumdung in der Praxis E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. »So ein Mist, das kann doch alles nicht wahr sein«, schimpfte Dr. Alexandra Kalusa und schlug ärgerlich mit den Händen auf das Lenkrad ihres alten Autos ein. Doch es nützte alles nichts. Der Wagen machte keinen Mucks mehr und blieb regungslos auf dem Parkplatz der Behnisch-Klinik stehen. Ratlos und mit eingezogenem Kopf saß sie im Inneren und sah auf die Windschutzscheibe, auf die der heftige Regen aus dunklen Wolken prasselte. Plötzlich klopfte es an ihre Scheibe. Durch das beschlagene Glas hindurch erkannte Alexa das Gesicht des Kollegen Norden. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« erkundigte sich Dr. Daniel Norden fürsorglich bei der Ärztin, die seit einiger Zeit ihren Dienst in der Behnisch-Klinik tat. Er hatte eben einem seiner Patienten einen Besuch abgestattet und war nun auf dem Weg nach Hause, als er die deprimierte Kollegin auf dem Parkplatz antraf. Alexandra hob den Kopf, kurbelte die Scheibe ein Stück herunter und musterte ihn verzweifelt. »Ich weiß auch nicht, was mit der Karre los ist. Ich habe sie erst gestern aus der Werkstatt geholt, jetzt macht sie schon wieder keinen Pieps mehr. Und ausgerechnet heute hat mein Lebensgefährte keine Zeit, mich abzuholen.« »Ein Unglück kommt selten allein, was?« »Das können Sie laut sagen.« »Soll ich Sie nach Hause fahren?« machte Daniel einen großzügigen Vorschlag und lächelte Alexandra aufmunternd an.

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Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane – 2 –

Verleumdung in der Praxis

Dr. Norden setzt sich zur Wehr

Patricia Vandenberg

»So ein Mist, das kann doch alles nicht wahr sein«, schimpfte Dr. Alexandra Kalusa und schlug ärgerlich mit den Händen auf das Lenkrad ihres alten Autos ein. Doch es nützte alles nichts. Der Wagen machte keinen Mucks mehr und blieb regungslos auf dem Parkplatz der Behnisch-Klinik stehen.

Ratlos und mit eingezogenem Kopf saß sie im Inneren und sah auf die Windschutzscheibe, auf die der heftige Regen aus dunklen Wolken prasselte. Plötzlich klopfte es an ihre Scheibe. Durch das beschlagene Glas hindurch erkannte Alexa das Gesicht des Kollegen Norden.

»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« erkundigte sich Dr. Daniel Norden fürsorglich bei der Ärztin, die seit einiger Zeit ihren Dienst in der Behnisch-Klinik tat. Er hatte eben einem seiner Patienten einen Besuch abgestattet und war nun auf dem Weg nach Hause, als er die deprimierte Kollegin auf dem Parkplatz antraf.

Alexandra hob den Kopf, kurbelte die Scheibe ein Stück herunter und musterte ihn verzweifelt.

»Ich weiß auch nicht, was mit der Karre los ist. Ich habe sie erst gestern aus der Werkstatt geholt, jetzt macht sie schon wieder keinen Pieps mehr. Und ausgerechnet heute hat mein Lebensgefährte keine Zeit, mich abzuholen.«

»Ein Unglück kommt selten allein, was?«

»Das können Sie laut sagen.«

»Soll ich Sie nach Hause fahren?« machte Daniel einen großzügigen Vorschlag und lächelte Alexandra aufmunternd an. »Dann werden Sie wenigstens nicht naß!« Vorsichtig lugte er unter seinem Schirm hervor. Doch die Wolkendecke am Himmel war düster und undurchdringlich. Es würde noch Stunden so weiterregnen.

»Das kann ich nicht annehmen.« Alexandra Kalusa schüttelte die blonden Haare. »Schließlich haben Sie Frau und Kinder zu Hause, die auf Sie warten.«

»Oh, das ist kein Problem. Meine Frau Fee hat sich längst daran gewöhnt, daß ich selten pünktlich bin.«

»Und? Ist das kein Problem für sie?« erkundigte sich Alexandra sichtlich interessiert. Durch den Spalt trieb der Wind ihr Regentropfen ins Gesicht. Dennoch dachte sie nicht daran, diese Unterhaltung zu unterbrechen.

Daniel lachte. »Glücklicherweise nicht. Ich habe schon gehört, daß Ehen an Unpünktlichkeit zerbrochen sein sollen.«

»Da kann ich ein Lied davon singen. Mein Lebensgefährte ist auch nicht begeistert darüber, daß ich in der Klinik immer wieder Überstunden mache. Er versteht einfach nicht, daß ich keine Beamtin bin, die Dienst nach Vorschrift machen kann«, seufzte Alexandra, als sie an die vielen unerfreulichen Diskussionen mit ihrem Partner Norbert Wendt dachte.

»Dann ist er vielleicht froh und dankbar, wenn ich Sie jetzt auf direktem Weg nach Hause bringe«, schlug Daniel der Kollegin noch einmal vor, mit ihm zu fahren.

»Norbert ist nicht zu Hause. Aus Trotz über meine Unpünktlichkeit legt er seine Termine jetzt immer auf den Abend. Heute trifft er sich mit Kollegen zu einer Besprechung beim Thailänder.« Alexandra zuckte mit den Schultern, während sie sich anschickte, auszusteigen. »Aber ich möchte Sie nicht mit meinen privaten Problemen langweilen.«

»Ich bitte Sie, von langweilen kann bei einer charmanten Frau wie Ihnen keine Rede sein«, erklärte Daniel Norden galant und reichte Alexandra Kalusa den Arm.

Sie hakte sich lachend ein.

»Ist Ihre Gattin nicht eifersüchtig, wenn Sie so charmant zu anderen Frauen sind?« fragte sie und ließ sich gerne zu der Familienlimousine der Nordens geleiten.

Daniel lachte herzlich, während er ihr die Beifahrertür öffnete und sie einsteigen ließ.

»Aus diesem Stadium sind wir glücklicherweise längst heraus. In unseren Anfängen gab es auf beiden Seiten immer wieder ein paar Unsicherheiten. Aber inzwischen haben wir gemeinsam mit unseren fünf Kindern so viel erlebt und so viele Schwierigkeiten überstanden, daß wir einander sicher sein können. Was nicht heißen soll, daß wir nicht immer noch an unserer Beziehung arbeiten.«

»Fünf Kinder?« fragte Alexandra bewundernd, nachdem Daniel hinter dem Steuer Platz genommen hatte. »Ich habe nur eine Tochter von zweiundzwanzig Jahren und bin gottfroh, daß sie endlich ein Studium angefangen hat. Allein dieses Thema Schule fünfmal durchzustehen. stelle ich mir als wahre Hölle vor.«

Daniel lächelte amüsiert.

»Es war manchmal schwierig und wird es auch noch eine Weile bleiben, zumal unsere beiden Jüngsten noch die Grundschule besuchen. Allerdings muß ich zugeben, daß ich diesen Part aus Zeitgründen weitgehend meiner Frau überlassen muß.«

»Das ist ja nur natürlich«, konnte Dr. Kalusa das nachvollziehen. »Immerhin sorgen Sie mit Ihrer Arbeit für das Überleben der Familie. So hat jeder seine Aufgabe. Das hatte ich mir früher auch so vorgestellt. Aber es kommt ja immer anders, als man denkt. Leider wollte Fannys Vater von seiner Tochter nichts wissen, und ich mußte selbst sehen, wie ich Job und Kind unter einen Hut bekomme. Aber ich erzähle schon wieder nur von mir«, unterbrach Alexandra ihren Redefluß. »Wenn ich deprimiert bin, rede ich wie ein Wasserfall«, entschuldigte sie sich gleich im Anschluß.

»Manchmal braucht man jemanden, dem man sein Herz öffnen kann«, antwortete Daniel gutmütig, als ein spitzer Schrei aus Alexandras Mund ihn unterbrach.

»Halt, bitte halten Sie an. Ich steige hier aus!« rief sie auf einmal, den Blick starr nach draußen gerichtet.

Daniel konnte den Grund für ihre plötzliche Aufregung nicht ausmachen. Da er nicht neugierig erscheinen mochte, nutzte er die nächste Gelegenheit, um an den Straßenrand zu fahren. Mit fliegenden Fingern öffnete Alexandra die Wagentür.

»Vielen Dank fürs Mitnehmen. Das war sehr freundlich von Ihnen«, erklärte sie atemlos.

»Wollen Sie nicht den Schirm mitnehmen? Dann werden Sie nicht so naß«, rief Daniel ihr nach.

Doch Alexandra hörte ihn nicht mehr. Sie hielt sich ihre Tasche über den Kopf und lief bereits durch den Regen davon. Hinter Daniel Norden ertönte ungeduldiges Hupen, das ihn schließlich ablenkte. Er mußte den Wagen beiseite fahren und hatte keine Gelegenheit mehr, der Kollegin nachzusehen. So sollte er erst viel später den Grund erfahren, warum Dr. Alexandra Kalusa seinen Wagen so fluchtartig verlassen hatte.

*

Zufrieden klappte der Regisseur Jakob Propst sein Notizbuch zu, machte Kamera- und Tonmann ein Zeichen und bedankte sich schließlich bei seiner Interviewpartnerin, die ihm in einem roten Sessel künstlich lächelnd gegenübersaß.

»Es war sehr nett, mit Ihnen zu plaudern«, erklärte er pflichtschuldig und wollte sich schon erheben, als ihn Frauke Maas am Ärmel festhielt.

»Wissen Sie den Sendetermin schon? Ich muß alle meine Freundinnen einladen, damit sie sich die Sendung ansehen können«, plapperte das dunkelhaarige Püppchen aufgeregt.

»Der genaue Termin wird Ihnen per Post mitgeteilt«, gab Jakob ungeduldig zurück. Er mußte sich auf die nächste Aufzeichnung vorbereiten und hatte keine Zeit für Geplauder.

Doch Fräulein Maas schien anderes im Sinn zu haben.

»Es war so aufregend, mit Ihnen zu sprechen. Und was für intelligente Fragen Sie gestellt haben. Ich hab manchmal gar nicht gewußt, was ich drauf sagen soll.«

»Das war unschwer zu erkennen. Aber keine Sorge, wir werden die entsprechenden Stellen herausschneiden«, versuchte der Regisseur betont geduldig, seine Interviewpartnerin zu beruhigen.

Doch Frauke Maas faßte diesen Kommentar ganz anders auf und verzog ihre vollen Lippen zu einem Schmollmund.

»Sie schneiden was aus dem Gespräch raus? War ich denn nicht gut?«

Jakob meinte, ihm würde sofort der Kragen platzen und schöpfte tief Atem.

»Sie waren wunderbar. Ganz ausgezeichnet. Ich hätte mir keine bessere Gesprächspartnerin vorstellen können. Und jetzt müssen Sie mich leider entschuldigen. Ich habe zu tun.« Sanft aber bestimmt zog er den Arm unter Fraukes Hand weg und deutete eine Verbeugung an, ehe er aus dem Raum floh, noch ehe Frauke Maas eine weitere Frage einfallen konnte.

»Puh, ich dachte schon, die läßt mich gar nicht mehr gehen«, seufzte Jakob zu seiner Sekretärin gewandt, die schon an der Tür auf ihn wartete.

»Das hätte der Chef nicht so lustig gefunden. Du hast noch ordentlich Arbeit heute. Das solltest du der jungen Dame auch sagen, die in deinem Büro auf dich wartet.«

»Welche junge Dame denn?«

»Ich habe ihren Namen vergessen. Sie war schon ein paarmal hier«, erklärte die Assistentin, ehe sie Jakob einen Zettel mit einer Uhrzeit in die Hand drückte. »Wir sehen uns in fünfzehn Minuten in Aufnahmeraum 3«, sagte sie ihm noch, ehe sie ihn alleine ließ. »Dort wartet der Wellensittich-Züchter Manfred Kern auf dich«, fügte sie schadenfroh grinsend hinzu.

Jakob betrachtete das Stück Papier in seiner Hand fragend, ehe er es gedankenverloren in seine Hosentasche steckte und in sein Büro ging, um nachzusehen, wer dort auf ihn wartete.

Als er den Raum betrat, war zunächst gar nichts zu sehen. Jakob Propst ließ den Blick über den Schreibtisch schweifen und wollte sich schon wieder abwenden, als sich der große schwarze Bürosessel plötzlich wie von selbst herumdrehte. Ein lachendes Frauengesicht kam zum Vorschein.

»Da bist du ja endlich, Jako! Ich warte schon eine halbe Ewigkeit auf dich.«

»Fanny! Wie oft soll ich dir noch sagen, daß ich eine Arbeit habe.«

»Die dich langweilt wie nichts auf der Welt«, kam die unbeschwerte, ein wenig vorlaute Antwort.

Erschrocken drehte sich Jakob zur Tür um, ob irgend jemand diesen Kommentar gehört hatte. Dann wandte er sich seufzend an die Tochter seiner besten Freundin.

»Bist du vollkommen verrückt geworden? Stell dir vor, das hört hier jemand. Dann bin ich auch diesen Job endgültig los«, erklärte er ihr dann verhalten ärgerlich.

Aber Fanny schien sich nichts aus diesem Tadel zu machen. Sie machte eine abfällige Handbewegung und ihr blonder Pferdeschwanz hüpfte übermütig auf und ab, während ihre blauen Augen fröhlich blitzten.

»Und wenn schon, dann hab ich nur deinen Abschied verkürzt«, antwortete sie lapidar. »Oder willst du mir erzählen, daß du den Rest deines Lebens für Haustier- und Teenie-Magazine arbeiten willst?«

»Ach wieso? Ist doch ganz nett hier. Da muß ich mich wenigstens nicht überanstrengen. Außerdem, von was sollte ich leben, wenn ich die Arbeit hier los bin? Ihr Studenten habt vielleicht Vorstellungen«, seufzte Jakob und setzte sich auf die Schreibtischkante, ohne Fanny aus den Augen zu lassen. »Aber warum bist du hier? Doch sicher nicht, um mit mir über meine Zukunft zu diskutieren«, schlug er einen versöhnlicheren Ton an und musterte das einstige Mädchen, das unter seinen Augen zu einer attraktiven jungen Frau herangewachsen war, wohlwollend.

Fanny gehörte zu der Sorte unbeschwerter, heiterer Frohnaturen, die mit ihrem natürlichen Charme die Herzen der Männerwelt zum Schmelzen brachte. Das wußte sie und spielte geschickt mit ihren Reizen. So lachte sie nun erfrischend und entblößte eine Reihe blitzblanker weißer Zähne.

»Ich bin nur gekommen, um dich zu sehen«, antwortete sie mit entwaffnender Natürlichkeit.

»Das kannst du deinem Großvater erzählen«, wehrte Jakob sofort entschieden ab, konnte sich aber ein geschmeicheltes Lächeln nicht verkneifen. Obwohl er gut und gerne Fannys Vater hätte sein können, fühlte er sich in Lederjacke und lässiger Jeans, mit frechem Lockenkopf und hellwachen braunen Augen immer noch ebenbürtig. Und genau diesen Eindruck vermittelte er.

Das wußte auch Fanny, die ihn mit Blicken förmlich verschlang.

»Wenn es aber so ist?« fragte sie aufreizend. »Was dagegen, wenn ich dich zum Anbeißen finde?« flirtete sie ganz offensichtlich mit ihm.

Doch Jakob Propst besaß trotz aller Faszination noch genügend Verantwortungsgefühl, um sich an seinen bevorstehenden Termin zu erinnern.

»Wenn deine Mutter erfährt, daß du mit mir flirtest, bin ich die längste Zeit ihr bester Freund gewesen.«

»Oder aber gleich ein toter Mann«, lachte Fanny amüsiert. »Aber im Ernst, Mama hat ausnahmsweise gerade einmal andere Sorgen als mich. Norbert hat sie betrogen. Ich glaube, sie könnte deine Gesellschaft ganz gut gebrauchen, wenn sie heute abend von der Arbeit aus der Klinik kommt.«

»Dieser Trottel hat meine wunderbare, einzigartige Alexa hintergangen?« wurde Jakob sofort wütend, als er diese Neuigkeit hörte. »Ich wußte doch, daß dieser Typ ein Versager auf der ganzen Linie ist. Aber deine Mutter wollte ja mal wieder nicht auf mich hören.«

»Tja, ganze acht Jahre lang lag sie wohl mit ihrer Ansicht auch richtig«, antwortete Fanny schulterzuckend und drehte sich noch einmal hin und her, ehe sie aus dem großen Ledersessel sprang. »Auf jeden Fall ist es nun vorbei. Obwohl er auf Knien angekrochen kam und Besserung versprach, hat sie Schluß gemacht. Sie hat diese ewigen Auseinandersetzungen wegen ihrer Arbeitszeiten schon lange satt. Der Betrug hat ihr die Entscheidung nur leichter gemacht.«

»Ich sagte ihr ja, sie soll mich nehmen. Ich würde ihr den Haushalt machen, den Rücken freihalten und Tag und Nacht mit einem warmen Essen auf sie warten.« Auch Jakob war aufgestanden und ging nun Seite an Seite mit Fanny zur Tür. Sie streifte ihn mit einem aufreizenden Blick.

»Warum machst du mir dieses Angebot denn nicht? Ich wäre deutlich empfänglicher dafür als Mama«, fragte sie mit einem Augenaufschlag, der Jakob schwindlig machte.

»Ich könnte dein Vater sein. Hinaus mit dir, du freches Gör. Heute abend komme ich vorbei«, gab er der jungen Frau, die er schon als Baby auf den Knien gehalten hatte, einen Klaps auf den Po.

Fanny kreischte lachend auf, winkte ihm übermütig zu und tänzelte dann unbeschwert den Gang hinunter.

Jakob sah ihr kurz versonnen nach und bemerkte wohl zum ersten Mal ihre schlanken langen Beine, die schmalen Hüften und den schwanengleichen Hals. Dann erinnerte er sich an seinen Termin und wandte sich kopfschüttelnd ab. Niemals durfte er in Fanny die attraktive, unkonventionelle Frau sehen, zu der sie herangewachsen war. Und schon jetzt wußte er, daß ihm das zunehmend schwerfallen würde.

*

Ruckend fuhr die Straßenbahn an, und das Buch, in dem er eben gelesen hatte, fiel Oskar Sternberg aus der Hand. Er wollte sich danach bücken, um es aufzuheben. Doch eine Frauenhand war schneller. Als er aufblickte, sah er in ein Paar

traurig dreinblickender, unglaublich blauer Augen und lächelte dankbar.

Dr. Alexandra Kalusa lächelte zurück. Ihre Fingerspitzen berührten die des Fremden, als sie ihm das Buch wiedergab.

»Sie interessieren sich für Kochen?« fragte sie, um etwas zu sagen und setzte sich auf den gegenüberliegenden Platz. Ein wenig Ablenkung würde ihr gut tun und sie von ihren trüben Gedanken ablenken. Das war ihre Idee, als sie Oskar Sternberg in ein Gespräch verstrickte.

Der sah die fremde Frau mit einem offenen Blick an und lächelte.

»Vielen Dank, ja, Kochbücher sind meine Leidenschaft«, antwortete Oskar Sternberg freundlich.