Irgendwo in Venedig - Patricia Vandenberg - E-Book

Irgendwo in Venedig E-Book

Patricia Vandenberg

0,0

Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. »Das darf doch nicht wahr sein!« Mit gelindem Entsetzen starrte Amelie Sander auf ihre altehrwürdige Nähmaschine, die auf einmal keinen Mucks mehr machte. Der wertvolle, mittelbraune Mohairstoff steckte unter dem Füßchen der Maschine fest und rührte sich keinen Millimeter. Der Faden hatte sich im unteren Teil der Maschine verfangen und die feinen Haare des pelzigen Stoffes mit sich gezogen. Verzweifelt griff sich Amelie in die weichen, blonden Haare. »Was mache ich denn jetzt? Der Bär für Frau Monheim muß morgen fertig werden. Ich weiß doch ohnehin kaum, wie ich das schaffen soll.« Doch was Amelie auch versuchte, der Stoff rührte sich keinen Millimeter mehr, und auch die Maschine ließ sich nicht mehr in Gang bringen. Nach einer Weile gab die Bärenmacherin ihre Versuche auf und sah sich in ihrer kleinen Werkstatt um. Von allen Seiten wurde sie von schwarzen Knopfaugen in pelzigen Gesichtern angestarrt. Doch diesmal schienen ihr die Blicke ihrer Bärenkinder eher vorwurfsvoll denn freundschaftlich zu sein. »Was schaut ihr mich alle so an? Kann ich etwa was dafür, daß die dumme Maschine kaputt gegangen ist?« fragte Amelie ernsthaft und legte den Kopf schief, als erwarte sie eine Antwort, die sie auch tatsächlich zu bekommen schien, denn plötzlich nickte sie. »Aha, so ist das also. Kuno Pelzig meint, ich hätte eher mit meiner Arbeit anfangen sollen, dann stünde ich jetzt nicht so unter Druck. Und selbstverständlich seid ihr anderen alle seiner Meinung«, wiederholte sie die stummen Vorwürfe ihrer Teddybären. »Und wißt ihr was?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 115

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane – 3 –

Irgendwo in Venedig

Gestohlene Stunden oder Anfang vom Glück?

Patricia Vandenberg

»Das darf doch nicht wahr sein!« Mit gelindem Entsetzen starrte Amelie Sander auf ihre altehrwürdige Nähmaschine, die auf einmal keinen Mucks mehr machte. Der wertvolle, mittelbraune Mohairstoff steckte unter dem Füßchen der Maschine fest und rührte sich keinen Millimeter. Der Faden hatte sich im unteren Teil der Maschine verfangen und die feinen Haare des pelzigen Stoffes mit sich gezogen.

Verzweifelt griff sich Amelie in die weichen, blonden Haare. »Was mache ich denn jetzt? Der Bär für Frau Monheim muß morgen fertig werden. Ich weiß doch ohnehin kaum, wie ich das schaffen soll.«

Doch was Amelie auch versuchte, der Stoff rührte sich keinen Millimeter mehr, und auch die Maschine ließ sich nicht mehr in Gang bringen. Nach einer Weile gab die Bärenmacherin ihre Versuche auf und sah sich in ihrer kleinen Werkstatt um. Von allen Seiten wurde sie von schwarzen Knopfaugen in pelzigen Gesichtern angestarrt. Doch diesmal schienen ihr die Blicke ihrer Bärenkinder eher vorwurfsvoll denn freundschaftlich zu sein. »Was schaut ihr mich alle so an? Kann ich etwa was dafür, daß die dumme Maschine kaputt gegangen ist?« fragte Amelie ernsthaft und legte den Kopf schief, als erwarte sie eine Antwort, die sie auch tatsächlich zu bekommen schien, denn plötzlich nickte sie.

»Aha, so ist das also. Kuno Pelzig meint, ich hätte eher mit meiner Arbeit anfangen sollen, dann stünde ich jetzt nicht so unter Druck. Und selbstverständlich seid ihr anderen alle seiner Meinung«, wiederholte sie die stummen Vorwürfe ihrer Teddybären.

»Und wißt ihr was? Ihr habt auch noch recht. Deshalb gehe ich jetzt hoch zu Florin und frühstücke erst mal. Bestimmt hat er schon frische Hörnchen gekauft und Milchkaffee gekocht.«

Amelies Ton klang beinahe beleidigt, und sie stand auf, um diesen Plan direkt in die Tat umzusetzen. Schon an der Tür zu ihrer gemeinsamen Wohnung konnte sie am Kaffeeduft riechen, daß sie ihre Ahnung nicht getrügt hatte.

»Komm rein und setz dich, Elfchen«, begrüßte Florin seine Mitbewohnerin denn auch mit einem Küßchen auf die Wange. »Es ist alles gerichtet. Frische Croissants, knusprige Brötchen, goldgelber Honig und duftender Kaffee. Was kann sich ein Herz noch mehr wünschen?« fragte er lächelnd und schenkte Kaffee ein, während sich Amelie setzte.

»Eine funktionierende Nähmaschine«, kam prompt die unerwartete und wenig muntere Antwort.

»Herrje, was ist passiert, Elfchen?« fragte Florin besorgt, während er ihr zwei Löffel Zucker in den Kaffee streute, ein Brötchen aufschnitt, mit gelber Butter bestrich und goldfarbenen, flüssigen Honig darauftropfen ließ.

Amelie beobachtete ihn eine Weile stumm dabei, ehe sie antwortete. Erst als er ihr den Teller hinschob und sie fragend ansah, seufzte sie.

»Meine Nähmaschine hat heute morgen endgültig den Geist aufgegeben. Dabei läuft der Laden gerade so gut an. Ich habe jede Menge Aufträge, aber noch nicht genügend Einkünfte, um eine neue Maschine zu kaufen.«

»Meinst du nicht, daß man sie reparieren kann?«

»Das alte Ding?« Amelie lachte unfroh. »Kein Mechaniker kennt sich heutzutage noch mit dieser alten Technik aus.«

Diesem Argument gab sich Florin zunächst geschlagen.

»Ist nicht noch etwas von dem Kredit übrig, den du für die Renovierung der Werkstatt aufgenommen hast?« erkundigte er sich besorgt.

Amelie schüttelte deprimiert den Kopf.

»Leider nein, das ist alles verbraucht.«

Nachdenklich rührte der Kunsthistoriker in seiner Tasse.

»Ich könnte meinen Vater fragen. Bestimmt leiht er mir ein paar hundert Euro. Darauf kommt es jetzt wirklich nicht mehr an.«

Dieser Vorschlag war nett gemeint, doch Amelie schüttelte entschieden den Kopf.

»Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich habe schon genug Schulden bei dir und keine Ahnung, von was ich die zurückzahlen soll. Und wenn Sina erfährt, daß du mir Geld leihst, hast du verständlicherweise eine Menge Ärger am Hals. Immerhin wollt ihr bald heiraten und braucht jeden Cent. Wegen eurer finanziellen Lage muß deine zukünftige Frau ohnehin schon auf eine große Hochzeit verzichten.« Amelie erinnerte sich noch gut an die Enttäuschung von Florins Verlobter. Tränen hatten in Sinas Augen geglitzert, als er ihr eröffnet hatte, daß die Traumhochzeit eines finanziellen Engpasses wegen durch eine wesentliche kleinere Veranstaltung ersetzt werden mußte.

»Aber ich könnte doch meinen Vater bitten, die Kosten zu übernehmen. Immerhin ist es Brauch, daß die Brauteltern die Hochzeit bezahlen«, hatte Sina einen vorsichtigen Vorschlag gemacht, den Florin jedoch entschieden abgelehnt hatte. Obwohl er alles andere als ein Macho war, wollte er von solchen Bräuchen nichts wissen.

Diese Erinnerung ging Florin jetzt auch durch den Kopf, als er sinnend am Tisch saß. Er seufzte traurig.

»Wenn Sina nicht so eifersüchtig wäre, hätte ich sie nicht belügen müssen«, preßte er durch die Lippen. »Dann wäre vieles einfacher. Aber so läßt sie mir ja keine Wahl.«

Trotz der schwierigen Lage mußte Amelie lachen. Es war ein helles, kindliches Lachen, das vollkommen zu ihrem mädchenhaften Aussehen und Benehmen paßte. Nicht umsonst hatte Florin den Kosenamen »Elfchen« für seine Sandkastenfreundin gewählt.

»Bitte sei mir nicht böse, aber Sina kennt dich wirklich schlecht. Allein der Gedanke daran, daß du fremdgehen könntest, bringt mich zum Lachen.«

»Du kennst mich eben besser als sie und weißt, was für ein weicher, sensibler Kern unter meiner rauhen Schale steckt«, scherzte Florin und fuhr sich durch das halblange, feine Haar, das ihm in die Stirn fiel. Der spärliche Bart auf seinem Kinn war beinahe ebenso weich wie sein Haupthaar, und seine Lippen waren schön geschwungen und voll.

Amelie lachte noch lauter.

»Schöne rauhe Schale, die du da hast«, spottete sie gutmütig und verspeiste trotz ihrer Sorgen voller Appetit das leckere Honigbrötchen.

»Mach dich nur lustig über mich«, gab Florin augenzwinkernd zurück, ehe er wieder ernst wurde. »Aber was machen wir denn jetzt mit deiner Nähmaschine?«

»Ehrlich gesagt habe ich noch keine Ahnung. Aber mach dir keine Sorgen. So leicht lasse ich mich nicht unterkriegen. Mir fällt bestimmt eine Lösung ein.«

»Dein Wort in Gottes Ohr«, gab Florin mit einem Blick auf seine Uhr zurück. »Leider muß ich jetzt los. Sina und ich haben einen Termin beim Pfarrer, um die Einzelheiten für die Hochzeit zu besprechen.«

»Dann wünsche ich viel Erfolg. Und schöne Grüße an deine Liebste«, antwortete Amelie. Ihren strahlenden Augen sah man an, daß sie es vollkommen ernst meinte und sich aufrichtig mit ihm für sein Glück freute.

Florin konnte nicht anders, als seiner süßen besten Freundin dafür einen Kuß auf die Stirn zu drücken. Dann mußte er sich aber auch schon beeilen. Er warf sich eine Jacke über die Schultern, rief einen Gruß in die Küche und zog die Wohnungstür hinter sich zu. Ehe es sich die Bärenmacherin Amelie versah, war sie alleine zu Hause und alleine mit ihrem Problem der kaputten Nähmaschine.

*

Als ihm seine treue Assistentin Annemarie Wendel einen ganzen Stapel Post auf den Tisch legte, seufzte Dr. Daniel Norden frustriert auf.

»Wo soll das nur hinführen mit dieser Papierflut?« fragte er mit einem hilflosen Blick, der Wendy zum Lachen brachte.

»Dabei habe ich die Werbesendungen schon aussortiert. Das sind wirklich nur noch wichtige Dinge. Das grüne Kuvert stammt übrigens aus der Behnisch-Klinik. Ein Kurier hat es heute morgen abgegeben.« Sie deutete auf einen großen Umschlag, der unter den anderen Briefen hervorlugte.

»Das werden die Aufnahmen von Amelie Sander sein. Die Arme klagt seit Jahren über ständig wiederkehrende Schmerzen am Knie. Glücklicherweise konnte ich sie endlich überreden, sich in der Behnisch-Klinik einer Kernspinuntersuchung zu unterziehen, um endlich herauszufinden, welche Ursache diese Schmerzen haben.« Während der Arzt sprach, zog er den Umschlag hervor und öffnete ihn.

Um ihren Chef nicht beim Studium des Befundes zu stören, zog sich Wendy diskret zurück. Sie hatte

an diesem herrlich sonnigen Tag

ohnedies Arbeit genug, als daß sie Gelegenheit zum Herumtrödeln hatte.

Und auch Daniel war gleich darauf voll konzentriert. Nach Studium der Diagnose griff er sofort zum Hörer, um Amelie Sander anzurufen.

»Herr Dr. Norden, das ist ja eine Überraschung. Ist etwa der Befund aus der Klinik schon da?« fragte Amelie gespannt in den Hörer, nachdem er sich gemeldet hatte.

»Ich habe ihn soeben auf den Tisch bekommen.«

»Und? Aber halt, warten Sie«, forderte die junge Bärenmacherin ihren Hausarzt kindlich heiter, wie es ihre Art war, auf. »Bestimmt sagen Sie mir gleich, daß ich recht habe und meine Schmerzen nichts weiter als harmlose Wehwehchen sind.«

Zu gerne hätte Daniel diese Vermutung bestätigt. Doch leider konnte er Amelie diesen Gefallen nicht tun.

»Nichts lieber als das. Leider hat die Untersuchung den Verdacht auf eine Meniskusruptur des Außenmeniskusvorderhorns über einer älteren, schüsselförmigen Absenkung des benachbarten Tibiaplateus ergeben«, berichtete Dr. Norden.

Amelie verstand kein Wort.

»Was heißt das denn?« fragte sie verständnislos und leicht beunruhigt nach. Die Wolken, die angesichts der kaputten Nähmaschine bereits am Morgen an ihrem sonst so hellblauen Himmel aufzogen waren, wurden immer dunkler.

Daniel überlegte kurz, wie er seiner Patientin diesen Befund leicht verständlich übersetzen sollte.

»Der Meniskus ist eine knorpelige Struktur im Kniegelenk, die den runden Oberschenkelknochen an den geraden Unterschenkel angleicht. Schäden am Meniskus, wie bei Ihnen der Verdacht auf Meniskusruptur, führen zu einer verstärkten Knorpelbelastung. Die mögliche Folge ist ein verfrühter Verschleiß des Kniegelenkknorpels, der wiederum eine Kniegelenksarthrose nach sich ziehen kann. Das ist auch der Grund, warum eine solche Verletzung auf jeden Fall behandelt werden sollte.«

Amelie, die den Ausführungen ihres Arztes stumm gelauscht hatte, schluckte.

»Das klingt ja furchtbar. Ich bin doch noch so jung. Dabei dachte ich, Arthrose ist eine Krankheit, unter der nur alte Leute leiden«, stieß sie so fassungslos hervor, daß Daniel lächeln mußte.

»Keine Sorge, noch ist es ja nicht soweit. Das kann nur passieren, falls Sie keine weitere Therapie in Betracht ziehen«, versuchte er, die junge Frau zu beruhigen.

»Und welche Therapie schlagen Sie vor?« erkundigte sich Amelie nervös. »Und vor allen Dingen wann?«

Das war allerdings eine Frage, die nicht so leicht zu beantworten war. Während er die Bilder noch einmal studierte, wiegte Daniel nachdenklich den Kopf.

»Meines Wissens ist die Therapie abhängig von der Art des Risses. Nicht in allen Fällen ist eine Operation notwendig. Läsionen im Bereich des Außenmeniskus können in der Regel konservativ behandelt werden, zum Beispiel mit Punktionen, Injektionen, Schienenlagerung und schmerzlindernden Medikamenten. Bei einer starken Ruptur muß allerdings das abgerissene Teil des Meniskus entfernt werden. Aber diese Entscheidung müssen wir wohl oder übel dem Spezialisten in der Behnisch-Klinik überlassen. Der wird vermutlich zunächst eine Arthroskopie durchführen, um den Verdacht zu bestätigen. Erst dann kann über eine sinnvolle Weiterbehandlung gesprochen werden.«

Stumm hatte Amelie diesen Ausführungen gelauscht und saß nun geknickt am Küchentisch. Mit einer Hand fuhr sie sich durch die feinen blonden Haare.

»Ich weiß auch nicht. Heute ist irgendwie nicht mein Tag«, lamentierte sie unfroh. »Zuerst geht meine Nähmaschine kaputt, und dann flattert mir auch noch eine solche Diagnose ins Haus. Dabei kann ich mir einen Arbeitsausfall in meiner derzeitigen Situation unmöglich leisten.«

»Da kann ich Sie beruhigen. Eine Arthroskopie ist ein kleiner Eingriff, der heutzutage in der Regel ambulant stattfindet«, versuchte Daniel, seine Patientin zu trösten. »Und falls Sie kurzfristig eine Nähmaschine brauchen, kann ich Ihnen unser Gerät anbieten«, ließ er auch die praktische Frage nicht außer acht.

Trotz ihrer Sorgen lachte Amelie hell auf.

»Sie sind so lieb! Leider hilft mir eine gewöhnliche Maschine nicht weiter. Um den flauschigen Stoff zu verarbeiten, brauche ich Spezialwerkzeug. Aber machen Sie sich bitte keine Sorgen um mich. Ich werde schon eine Lösung finden.«

»Es freut mich, daß Sie sich nicht kleinkriegen lassen«, erklärte Daniel Norden voller Sympathie für die junge Frau, die ihm manchmal mehr wie ein Mädchen denn wie eine selbständige Unternehmerin erschien. »Wenn Sie wollen, kümmere ich mich um einen Termin in der Behnisch-Klinik, damit Sie bald Gewißheit über den weiteren Verlauf der Behandlung haben«, war denn auch sein Beschützerinstinkt geweckt.

»Das ist sehr lieb von Ihnen«, stimmte Amelie dankbar zu und verabschiedete sich bald darauf von ihrem fürsorglichen Arzt, der ihr seit dem allzu frühen Unfalltod ihrer Eltern mit Rat und Tat zur Seite stand. Dennoch erfüllte sie eine vage Hilflosigkeit, als sie in der Küche am immer noch gedeckten Tisch saß und vor sich hinstarrte.

Schließlich erhob sie sich und begann, das Geschirr in die Spülmaschine zu stellen und schaltete das Gerät ein. Als diese Arbeit erledigt war, sah sich Amelie ratlos in der Wohnung um. Florin hatte seinen Anteil am Putzplan bereits erfüllt. So blieb für sie nichts zu tun, und sie beschloß, zurück in die Werkstatt zu gehen, um sich wenigstens um die manuelle Reparatur einiger Bärenpatienten zu kümmern, die ihr von besorgten Besitzern gebracht worden waren. Bei der Beschäftigung mit ihren liebsten Freunden waren Amelie schon oft die besten Ideen gekommen, und sie konnte nur hoffen, daß sie ihre Kreativität auch heute nicht im Stich lassen würde.

Wenn ihre Hochzeit schon nicht so pompös ausfallen würde, wie sie es sich vorgestellt hatte, dann wollte Sina Herder wenigstens so außergewöhnlich und unvergeßlich wie möglich heiraten. Dazu hatte sie ihre ganz eigenen Vorstellungen, die beinahe täglich wechselten.

»Mir schwebt Blumenschmuck in allen möglichen Farben vor. Bunt und fröhlich soll es sein«, erklärte sie dem verdutzten Pfarrer, der das verlobte Paar an diesem Morgen zur Besprechung ins Pfarrhaus gebeten hatte.

Und auch der Kunsthistoriker Florin machte ein verwundertes Gesicht. »Wann hast du dir das denn ausgedacht? Als wir das letzte Mal darüber gesprochen haben, warst du mit mir einer Meinung, daß zartrosa und weiß die idealen Farben für den Blumenschmuck einer Hochzeit sind.«

Aber Sina zuckte nur ungerührt mit den Schultern.

»Ich habe es mir eben anders überlegt. Jetzt finde ich bunt schöner«, wischte sie Florins Einwand mit einem Satz beiseite. Sie tätschelte ihm die Hand, während sie sich wieder dem Pfarrer zuwandte. »Dazu paßt der Gospelchor, den ich eingeladen habe, ganz hervorragend.«

»Sie wünschen sich einen Gospelchor?« Pfarrer Berndt machte keinen Hehl aus seiner immer größeren Verwunderung. »Sagten Sie am Telefon nicht etwas von einer Cellistin, die für die Musikbegleitung sorgen sollte?« erinnerte er sich an eines der vielen Telefonate, die er mit Sina Herder inzwischen geführt hatte.