Die Wahrheit über Anna M. - Patricia Vandenberg - E-Book

Die Wahrheit über Anna M. E-Book

Patricia Vandenberg

0,0

Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. »Was, du hast eine Verabredung mit diesem Thure aus dem Internet?« fragte die medizinisch-technische Assistentin Maja Beck ihre Kollegin Anna Marquardt, die eben mit einer Pipette eine Flüssigkeit in ein Reagenzglas träufelte. Anna nickte, ohne hochzusehen. Um ihren schönen Mund stahl sich ein feines Lächeln. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie aufgeregt ich bin«, gestand sie leise. »An deiner Stelle hätte ich Angst, sonst gar nichts«, gab Maja in so scharfem Ton zurück, daß Anna nun doch verunsichert aufblickte. »Aber wir schreiben uns doch schon seit ein paar Wochen. Er hat mir Bilder geschickt, und telefoniert haben wir inzwischen auch ein paarmal. Ich glaube nicht, daß er mich anlügt oder reinlegen will.« »Du bist und bleibst ein naives Mäuschen«, sagte Maja unbarmherzig. Mit Schwung stellte sie ein Tablett voller kleiner Röhrchen in den Kühlschrank. »Hast du wenigstens eine Freundin darüber informiert, wann und wo du dich mit ihm triffst? Damit sie zur Not einschreiten kann, wenn etwas passieren sollte.« Dieser Gedanke stimmte Anna nachdenklich. »Du hast recht. Vielleicht sollte ich wirklich nicht so blauäugig sein.« Eine Weile stand sie versonnen vor ihrem Schreibtisch.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 117

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane – 6 –

Die Wahrheit über Anna M.

Die schöne Patientin und ihr bedrückendes Geheimnis

Patricia Vandenberg

»Was, du hast eine Verabredung mit diesem Thure aus dem Internet?« fragte die medizinisch-technische Assistentin Maja Beck ihre Kollegin Anna Marquardt, die eben mit einer Pipette eine Flüssigkeit in ein Reagenzglas träufelte.

Anna nickte, ohne hochzusehen. Um ihren schönen Mund stahl sich ein feines Lächeln.

»Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie aufgeregt ich bin«, gestand sie leise.

»An deiner Stelle hätte ich Angst, sonst gar nichts«, gab Maja in so scharfem Ton zurück, daß Anna nun doch verunsichert aufblickte.

»Aber wir schreiben uns doch schon seit ein paar Wochen. Er hat mir Bilder geschickt, und telefoniert haben wir inzwischen auch ein paarmal. Ich glaube nicht, daß er mich anlügt oder reinlegen will.«

»Du bist und bleibst ein naives Mäuschen«, sagte Maja unbarmherzig. Mit Schwung stellte sie ein Tablett voller kleiner Röhrchen in den Kühlschrank. »Hast du wenigstens eine Freundin darüber informiert, wann und wo du dich mit ihm triffst? Damit sie zur Not einschreiten kann, wenn etwas passieren sollte.«

Dieser Gedanke stimmte Anna nachdenklich.

»Du hast recht. Vielleicht sollte ich wirklich nicht so blauäugig sein.« Eine Weile stand sie versonnen vor ihrem Schreibtisch. Plötzlich erhellte sich ihr feines, ausgesprochen symmetrisch geschnittenes Gesicht. »Ich werde Elena fragen. Sie ist meine beste Freundin und nimmt sich sicher Zeit.«

»Hast du nicht erzählt, daß sie ständig überfordert ist, seit sie Kinder hat?« Maja lächelte fast schadenfroh.

Anna warf ihrer Kollegin einen fragenden Blick zu. Maja Beck war bekannt für ihre scharfe Zunge. Trotz ihrer kühlen Schönheit nicht gerade das, was man einen Sympathieträger nannte. Dennoch hatte Anna ihr in einer schwachen Stunde von dem Internet-Portal erzählt, in dem sie vor einigen Wochen den sympathischen Computerfachmann Thure Andersson kennengelernt hatte. Seitdem zeigte Maja ein eigentümliches Interesse an Annas Privatleben. Mehr, als der medizinisch-technischen Assistentin recht war. Aber Anna war ein zu freundlicher Mensch, um sich gegen die neugierige Befragung der Kollegin zur Wehr setzen zu können. Darüberhinaus war sie tatsächlich froh, ihrem Herzen wenigstens bei Maja Luft machen zu können. Seit der Geburt ihrer Zwillinge Sina und Sandy war ihre beste Freundin Elena keine gute Zuhörerin mehr.

Anna kehrte aus ihren Gedanken zurück und nickte auf Majas Frage bekümmert.

»Das stimmt schon«, gab sie leise zurück. »Aber vielleicht kann sie sich an diesem Abend Zeit nehmen.«

»Dann wünsche ich dir mal viel Glück«, antwortete Maja. Sie klang alles andere als aufrichtig.

Seufzend machte sich Anna Marquardt wieder an die Arbeit. Wenig später öffnete sich die Tür. Herein kam Dr. Norbert Kist, Leiter des Labors der Behnisch-Klinik.

»Guten Morgen, die Damen.« Sein Lächeln war freundlich wie immer.

Ebenso freundliche Antworten schallten ihm entgegen. Der sympathische Mann war allseits beliebt. An diesem Morgen schien er jedoch sehr in Eile zu sein. Nicht wie üblich machte er die Runde, um mit jedem einzelnen seiner Mitarbeiter ein paar Worte zu wechseln. Statt dessen blieb er in der Tür stehen.

»Es ist wieder einmal soweit. Frau Dr. Behnisch hat wieder einen Termin für den regelmäßigen Aids-Test der Mitarbeiter festgelegt und um rege Teilnahme gebeten«, verkündete er mit lauter Stimme.

Maja streifte ihre Kollegin Anna mit einem amüsierten Blick und wandte sich jovial lächelnd an ihren Chef.

»Selbstverständlich werden wir teilnehmen, nicht wahr, Annalein? Schließlich führen wir beide ein grundsolides Leben und haben nichts zu verbergen«, sagte sie und schenkte Norbert Kist ein schmachtendes Seufzen. In Annas Richtung fügte sie anzüglich hinzu: »Noch nicht.«

Beschämt senkte Anna Marquardt den Kopf. Sie fühlte, wie ihre Wangen von einem hellen Rot überzogen wurden und wünschte sich inständig, vom Erdboden verschluckt zu werden.

Doch Dr. Kist war auf der Seite der ebenso schönen wie schüchternen Laborantin.

»Es geht hier nicht darum, den Lebenswandel der Kollegen zu überprüfen«, bemerkte er scharf in Richtung Maja Beck. »Der Test dient lediglich der Sicherheit der Patienten und nicht zuletzt der des Personals. Ich denke, das wissen Sie genau, Frau Beck.«

Wäre Anna an Stelle der schwarzhaarigen Maja gewesen, so hätte sie sich in Grund und Boden geschämt für diese öffentliche Zurechtweisung. Doch Maja war selbstbewußt genug, um nur laut aufzulachen.

»Es macht doch immer wieder Spaß, den lieben Dr. Kist aus der Reserve zu locken«, frohlockte sie, als der Chef das Labor nach einigen weiteren Worten wieder verlassen hatte. »Und auch wenn der Test unter dem Deckmäntelchen der Sicherheit durchgeführt wird, bin ich doch gespannt, was dabei herauskommt.« Sie sah Anna durchdringend an. »Bei mir kann ich mir ja sicher sein. Ich führe das beschauliche Leben einer braven Jungfrau. Aber du hast sicher Grund zur Sorge. Immerhin wandelst du ja neuerdings auf Internet-Portalen, um nicht länger alleine zu sein.«

Anna fühlte, wie sich der Ärger in ihrem Magen zu einem Klumpen ballte.

»Ich finde, es ist der weitaus sicherere Weg, einen Mann zu finden. Schließlich kann ich von einer Barbekanntschaft auch angelogen werden.« Zumindest waren das die Argumente von Elena. Die hatte ihre große Liebe Jonas auch im Internet kennengelernt und ihre beste Freundin Anna während eines weinseligen Frauenabends kurzerhand bei derselben Partneragentur angemeldet. »Außerdem spart es Zeit und Mühe, wenn man schon vorher diejenigen Kandidaten aussortieren kann, die interessenmäßig nicht kompatibel sind«, bemühte sich Anna um Selbstsicherheit.

Maja zuckte nur ungerührt mit den Schultern.

»Jeder wie er mag. Für meinen Geschmack ist diese Art der Partnersuche zu pragmatisch. Nun, wir werden ja sehen, was heute abend bei dir herauskommt«, beendete sie mit einem süffisanten Lächeln die Unterhaltung und wendete sich wieder ihrer Arbeit zu.

Anna stand einen Augenblick verwirrt im Raum und ärgerte sich noch nachträglich dafür, Maja diese Intimität aus ihrem Leben preisgegeben zu haben. Doch es half alles nichts. Nun war es zu spät, um zu hadern. So beschloß Anna in aller Stille, sich von der neidischen Kollegin nicht die Freude auf die spannende Verabredung verderben zu lassen.

*

Vergnügt saß Patrick von Oertzen am Steg des kleinen Sees und hob die Wodkaflasche an die Lippen. Er nahm einen tiefen Schluck und wischte sich danach den Mund am Ärmel ab.

»Na, Leute, was meint ihr? Wollen wir baden gehen oder uns noch das Weinfest geben?« Er sah die Jungen, die rechts und links neben ihm saßen, herausfordernd an und reichte die Flasche weiter.

Grölendes Gelächter war die Antwort.

»Da fragst du noch?« rief sein Freund Kurt. Er versetzte Patrick einen heftigen Stoß.

Der versuchte verzweifelt, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Doch vergeblich. Ein klatschendes Geräusch, und schon paddelte Patrick im Wasser.

»Du Blödmann«, kreischte er lachend und machte ein paar kräftige Kraulzüge. Er spritzte die grölende Meute auf dem Holzsteg naß. Bald war eine fröhliche Wasserschlacht im Gange, der schließlich die Erschöpfung und die nächtliche Kühle des Wassers ein Ende bereitete.

»Super, so können wir unmöglich auf dem Weinfest aufkreuzen. Was soll denn da Tatjana von mir denken?« fragte sich Patrick wenig später ratlos. Triefend naß stand er auf der Wiese neben seinem Moped und sah fragend an sich herab.

Kurt schüttelte sich wie ein Hund. Die Wassertropfen stoben durch die Luft. Er grinste Patrick an. Sein Gesicht leuchtete fahl im blassen Mondlicht.

»Deine feine Tatjana darf sowieso nicht aufs Weinfest. Das erlauben ihre spießigen Eltern doch gar nicht.«

»Glaubst du etwa, mein Dad weiß, was ich hier treibe? Da frage ich doch gar nicht lange«, gab Patrick spöttisch zurück. »Und Tatjana bestimmt auch nicht.«

Doch so leicht ließ sich Kurt nicht abspeisen.

»Bei Mädels ist das noch was anderes. Da sind Eltern viel strenger und passen auf wie die Schießhunde, daß die Töchter nicht durchbrennen.«

»Glaub’ ich nicht. Strenger und aufmerksamer als mein Dad kann niemand sein. Aber ich sag’ immer: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.« Patrick streckte verlangend die zitternde Hand aus. »Gib mir mal die Pulle rüber. Ich muß mich irgendwie aufwärmen.«

»Das wird Tatjana gleich übernehmen, falls sie wider Erwarten doch da sein sollte«, bemerkte Kurt frech grinsend. Er reichte seinem Freund die Wodkaflasche. Patrick leerte sie mit einem letzten, tiefen Zug. Er schüttelte sich.

»Ah, das brennt wie Feuer.«

»Dann kann’s ja losgehen«, freute sich Kurt. »Na komm schon, der Fahrwind bläst uns schon trocken«, feuerte er seinen Freund an, der noch zögerte.

»Ob es klug ist, noch zu fahren?«

»Seit wann bist du so ein Angsthase?« Kurt sah seinen Freund herausfordernd an.

Diesen Vorwurf konnte Patrick unmöglich auf sich sitzen lassen. Darüberhinaus siegte seine Sehnsucht nach seiner Freundin. Gegen jede Vernunft schwang er sich auf sein Moped. Als Sohn eines wohlhabenden Immobilienmaklers war Patrick von Oertzen der einzige der Freunde, der einen motorisierten Untersatz besaß. Alle anderen Jungen der Clique mußten mit gewöhnlichen Fahrrädern vorliebnehmen. Nur Kurt, der beste Freund von Patrick, durfte auf dem Rücksitz Platz nehmen.

»Bis gleich, ihr lahmen Enten. Wir treffen uns dann am Festgelände«, rief er zufrieden und winkte großspurig von seinem bequemen Platz.

Der Motor schnurrte. Schon bald befanden sich die beiden Freunde auf dem Weg zum Weinfest. Um diese Uhrzeit waren die Straßen des Stadtviertels wie ausgestorben.

»Hey, ist das nicht herrlich?« rief Kurt übermütig in die laue Sommernacht. »Ich fühle mich wie Easy Rider auf der Route 66.«

»Ja, Mann, was für ein feeling«, lachte auch Patrick. Die Skrupel waren vergessen. Vor lauter Übermut fuhr er ein paar Schlangenlinien auf der Hauptstraße. Die beiden Jungen sangen und lachten ausgelassen. Der ungewohnte, starke Alkohol tat seine Wirkung. Sie fühlten sich stark wie Bären und unbesiegbar.

Das Blaulicht, das sich auf der dunklen Straße spiegelte und das Martinshorn, das gleich darauf in ihren Ohren dröhnte, machte der Feierlaune allerdings ein jähes und unerwünschtes Ende.

»Scheiße!« fluchte Kurt, als er sich nach dem Polizeiauto umsah, das ihnen auf den Fersen folgte. Ein roter Hinweis leuchtete auf dem Display des Autodachs. »Die Bullen. Du mußt anhalten.«

»Das weiß ich selbst«, knurrte Patrick. Mit einem Schlag war ihm flau im Magen. Tausend Gedanken schossen gleichzeitig durch seinen Kopf. Allen voran der, was wohl sein ohnehin vom Schicksal gebeutelter Vater zu dieser Aktion sagen würde. Er drosselte das Tempo und kam schließlich am Straßenrand zum Stehen.

»Schönen guten Abend, die Herren.« Zwei Polizeibeamte begrüßten die beiden. Sie trugen eine strenge Miene zur Schau. Dann war Stille. Kopfschüttelnd ging einer der beiden Männer um das Moped herum und schnalzte mißbilligend mit der Zunge. Schließlich blieb er vor Patrick und Kurt stehen. Er sah den beiden lange und schweigend in die Augen.

Patrick fühlte sich ernüchtert wie nie in seinem Leben. Seine Knie zitterten vor Angst. Er war froh, als der Beamte das lähmende Schweigen endlich brach und mit seinem Verhör begann.

»Hast du wenigstens deinen Führerschein dabei, wenn du schon solchen Unsinn machst?« Die Jugend seines Delinquenten war dem Polizisten nicht verborgen geblieben.

Patrick nickte stumm und zog das geforderte Papier aus der Hosentasche.

Der Beamte studierte es eingehend. Er räusperte sich und sah Patrick von oben herab an.

»Fünfzehn. Ist dir klar, daß du um diese Uhrzeit längst in deinem Bett liegen müßtest?«

»Ja«, war alles, was Patrick durch den Knoten in seinem Hals pressen konnte. Beschämt senkte er den Kopf.

Der Polizist seufzte.

»Schaut mich an, ihr beiden. Ich gehe jede Wette ein, daß ihr was getrunken habt. Und wahrscheinlich nicht zu knapp.«

Sowohl Patrick als auch Kurt starrten wie gelähmt auf ihre Schuhspitzen, als gäbe es dort Spannendes zu sehen.

Das war Antwort genug für den Polizisten. Er machte seinem Kollegen ein Zeichen und fuhr dann fort.

»Ich nehme an, du bist einverstanden damit, Patrick, daß wir einen Alkoholtest machen.«

Der Maklerssohn nickte stumm. Das Herz war ihm in die Hose gerutscht. Nichts war mehr übrig von dem Maulhelden, den er vor seinen Freunden gespielt hatte. »Na, wo wollten wir denn um diese Uhrzeit noch hin?« fuhr der Beamte mit seinen Fragen fort.

»Auf’s Wein…«, wollte Kurt schon zur Antwort geben. Ein heftiger Fußtritt seines Freundes ließ ihn verstummen.

»Wir waren auf dem Weg nach Hause«, versicherte Patrick hastig und wünschte seinen Freund Kurt auf den Mond.

Der Mund des Polizisten verzog sich spöttisch. Doch in diesem Moment kam der Kollege mit dem Alkomaten herbei.

»Na schön, es spielt ja auch keine Rolle. Wenn du jetzt bitte kräftig hier hineinbläst, bis du ein Piepsen hörst«, deutete er auf das Mundstück.

Brav tat Patrick, wie ihm geheißen war. Kurt sah ihm mit großen Augen und klopfendem Herzen dabei zu. Auch der Beamte wartete mit Spannung auf das Ergebnis.

»Ich habe eine Tochter in deinem Alter, Bursche. Und glaub’ mir, wenn ich Tatjana irgendwann so auf der Straße erwische, dann hat sie nichts zu lachen«, erklärte er nebenbei.

Als Patrick diesen Namen hörte, hätte er sich beinahe verschluckt vor Schreck. Seine Augen waren groß wie Unterteller, als ihm der Polizist das Gerät abnahm und den Wert ablas. Mißbilligend schüttelte er den Kopf.

»1,1 Promille. Schämt ihr euch nicht, euch in diesem Alter schon so vollaufen zu lassen? Wißt ihr nicht, daß Alkoholismus eine Krankheit ist? Wie könnt ihr nur so dumm sein? Dein Vater sollte dich über’s Knie legen.«

»Und was passiert jetzt?« erkundigte sich Kurt schüchtern, um seinem Freund wenigstens diese Standpauke zu ersparen.

»Das heißt ab in die Klinik zur Blutentnahme. Deine Eltern werden sich sicherlich freuen, dich dort abzuholen.«

Der Polizist warf Patrick noch einen vernichtenden Blick zu, ehe er sich abwandte und zu seinem Kollegen am Streifenwagen ging. Die beiden Jungen blieben für einen Moment unbeobachtet.

»Soviel Pech auf einmal ist doch echt ungerecht.« Patrick faßte sich stöhnend an den Kopf.

»Wird dein Dad sehr sauer sein?«

»Blöde Frage. Das kannst du

dir doch vorstellen. Die Nachbarn tratschen eh schon, daß aus mir nichts werden kann, so ohne Mutter und so. Das wird natürlich Wasser auf ihre Mühlen sein.«

»Was gehen dich die Nachbarn an?« Kurt zuckte mit den Schultern.

Doch damit fühlte sich Patrick nicht getröstet. Ihn plagte noch eine ganz andere Sorge.