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Antibiotika als Allheilmittel, pasteurisierte Lebensmittel, der Einsatz von Dünge- und Spritzmittel in der Landwirtschaft oder ein extremes Hygienebedürfnis – viele vermeintliche Errungenschaften der Moderne machen uns krank. Durch sie wird unsere Darmschleimhaut undicht, wodurch chronische Entzündungen, Allergien, Autoimmunerkrankungen und sogar psychische Probleme entstehen können. Der »durchlässige Darm« – auf Englisch »leaky gut« – ist verborgener Auslöser zahlreicher Erkrankungen. Josh Axe klärt über die Hintergründe dieses erschreckenden Phänomens auf und zeigt, was wir aktiv dagegen tun können. Sein Ansatz ist so provokant wie plausibel: Wir müssen einfach wieder mehr Dreck in unseren Alltag lassen.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
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Dieses Buch widme ich Axe Nation, deren mutige Krieger zu mir halten und mir bei der Verbreitung der Botschaft helfen, dass Nahrung Medizin ist.
Aus dem Amerikanischen von Ursula Held und Friedrich Pflüger
ISBN 978-3-492-97813-2
© Josh Axe 2016
© der deutschsprachigen Ausgabe:
Piper Verlag GmbH, München 2017
Covergestaltung: FAVORITBUERO, München
Covermotiv: © David Molnar
Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell
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Dieses Buch widme ich Axe Nation, deren mutige Krieger zu mir halten und mir bei der Verbreitung der Botschaft helfen, dass Nahrung Medizin ist.
Dieses Buch enthält Ratschläge und Informationen zur Gesundheitsvorsorge. Es soll aber die Beratung durch medizinisches Fachpersonal und die laufende Betreuung durch Ihren Arzt nur ergänzen, nicht ersetzen. Holen Sie vor jeglicher Art von medizinischer Behandlung den Rat Ihres Arztes ein. Die Informationen in diesem Buch sind zum Zeitpunkt der Drucklegung mit größtmöglicher Genauigkeit zusammengestellt worden. Für medizinische Konsequenzen aus der Anwendung der in diesem Buch beschriebenen Methoden können der Verlag und der Autor nicht haftbar gemacht werden.
EINFÜHRUNG
Ein Tritt in den Magen
Wie wir den Laden dicht kriegen
Dreck macht gesund
Jetzt wird’s dreckig
Teil eins
WARUM WIR LEIDEN
1 DIE VERBORGENE EPIDEMIE
Die gefährliche Krankheit mit dem ulkigen Namen
Eine schwere Krankheit, die immer häufiger auftritt
Wie konnte es so weit kommen?
Die Lösung ist einfach
Leiden Sie unter Leaky Gut?
2 DER GROUND ZERO VON LEAKY GUT
Unsere lebenslangen Gefährten
Die Vielfalt ist unsere Rettung
Wir müssen zurück auf den Boden
Leaky Gut – verborgen und doch so präsent
Eine Reise durch unseren wunderbaren Darm
Unsere Darmschranke
Wie ein gesunder Darm funktioniert
Wie Leaky Gut entsteht
3 DIE IMMUNITÄTSVERBINDUNG
Die wachsende Flut der Autoimmunerkrankungen
Was verursacht Autoimmunerkrankungen?
Der Verlauf einer Autoimmunerkrankung
Autoimmunerkrankungen und ihre Verbindung zu Leaky Gut
Wie sich Autoimmunerkrankungen anfühlen können
4 DRECK ESSEN
Dreck – am besten täglich
Tod den Bazillen!
Ein Löffel Medizin
Eine uralte Idee
Wenn Vitamin Dreck fehlt
Es ist mehr als nur Dreck
Zurück aufs Land
Teil zwei
FÜNF FAKTOREN FÜR EINEN GESUNDEN DARM
5 DU BIST, WAS DU ISST
Das Allerschlimmste in Supersize
Alte Leibspeisen, neue Todfeinde
Das Dilemma mit der Milch
Getreide im Darm
Geächtete Öle
Zucker, der Saboteur
Künstliche Täuschung
Darmschützer: Heilende Nahrungsmittel
6 DIE HYGIENEGESELLSCHAFT
Wie man bösen Bazillen das Leben schwer macht
Mikro-Exponierungen helfen am besten
Der Dreck an unserem Körper
Dreck im Mund
7 DER PREIS DER BEQUEMLICHKEIT
Bequemlichkeit statt Dreck
Der Lockruf von Kühlschrank und Mikrowelle
Das wirkliche Problem: Pestizide und Gentechnik in der Nahrung
Genfood? Nein danke!
Fermentierte Nahrungsmittel
Gekeimte Nahrungsmittel
Giftstoffe im Haushalt
Ätherische Öle als Lösung
Darmschützer: umweltfreundliche »Chemie« in der Küche
8 LEBEN MIT STRESS
Wie sich die Stresskaskade stoppen lässt
Die Guten stärken
Darmschützer: Regelmäßiger Stressabbau
9 MEDIKAMENTE OHNE ENDE
Der Kollateralschaden des Kriegs gegen die Keime
Der Krug geht so lange zum Brunnen ...
Probiotische Bakterien als Retter
Heilen mit ätherischen Ölen
Natürliche Heilmethoden als Darmschützer
10 DAS EAT DIRT-PROGRAMM
Erster Schritt: Aussortieren
Zweiter Schritt: Neu besiedeln
Dritter Schritt: Zurückkehren
Vierter Schritt: Loslassen
Fünfter Schritt: Versiegeln
Teil drei
HEILUNG FÜR JEDEN DARMTYP
11 GANZHEITLICH HEILEN
Selbstheilung
Die Verbindung von Ost und West
Die fünf Darmtypen
Preview zum Darm-Fragebogen
12 HEILPLAN FÜR DEN CANDIDA-DARM
Aktionsplan für den Candida-Darm
Vierstufenplan für den Candida-Darm
Tagesablauf für den Candida-Darmtyp
Empfohlene Nahrungsmittel für den Candida-Darm
13 HEILPLAN FÜR DEN GESTRESSTEN DARM
Aktionsplan für den Stressdarm
Vierstufenplan für den gestressten Darm
Tagesablauf für den Stressdarmtyp
Empfohlene Nahrungsmittel für den Stressdarm
14 HEILPLAN FÜR DEN IMMUNEN DARM
Aktionsplan für den immunen Darm
Vierstufenplan für den immunen Darm
Tagesablauf für den immunen Darmtyp
Empfohlene Nahrungsmittel für den immunen Darm
15 HEILPLAN FÜR DEN GASTRISCHEN DARM
Aktionsplan für den gastrischen Darm
Vierstufenplan für den gastrischen Darm
Tagesablauf für den gastrischen Darmtyp
Empfohlene Nahrungsmittel für den gastrischen Darm
16 HEILPLAN FÜR DEN TOXISCHEN DARM
Aktionsplan für den toxischen Darmtyp
Vierstufenplan für den toxischen Darm
Tagesablauf für den toxischen Darmtyp
Empfohlene Nahrungsmittel für den toxischen Darm
Teil vier
REZEPTE
17EAT DIRT-REZEPTE
Eat Dirt-Haushaltsprodukte
Eat Dirt-Körperpflegeprodukte
Eat Dirt-Rezepte
DANK
ANMERKUNGEN
Ich war 24 Jahre alt, studierte Medizin und hatte an einer Klinik in der Nähe von Orlando in Florida eine Stelle als Ernährungsberater, als mich meine Mutter Winona von zu Hause anrief. Sie war völlig aufgelöst.
»Was ist denn los, Mum?«, fragte ich.
»Der Krebs ist zurück«, sagte sie unter Tränen.
Ich war entsetzt und fühlte mich sofort in die siebte Klasse zurückversetzt, als meine Mutter erfuhr, dass sie Brustkrebs im 4. Stadium hatte, der bis auf die Lymphknoten ausgestrahlt hatte. Die Nachricht war ein schwerer Schlag für alle, die sie kannten. Meine Mutter war damals 41 Jahre alt; sie war meine Sportlehrerin in der Schule, gab Schwimmunterricht und galt allen als Vorbild in Sachen Fitness und Gesundheit.
Kurz nach der Diagnose ließ sie sich die linke Brust komplett entfernen und begann mit dem ersten von insgesamt vier Chemotherapie-Zyklen. Davon war sie so geschwächt, dass sie die folgenden Tage nicht in der Lage war, das Bett zu verlassen. Es war schwer zu ertragen, wie sehr die Chemo ihr zusetzte. Ich weiß noch gut, wie ich eines Tages ins Badezimmer kam und ganze Büschel ihres sandblonden Haars am Boden sah. Sie wirkte, als wäre sie in zwei Wochen um 20 Jahre gealtert.
Glücklicherweise hieß es Monate später, sie hätte den Krebs besiegt. Dennoch ging es mit ihrer Gesundheit weiter abwärts. Selbst als sie sich von der Chemotherapie erholt hatte und wieder arbeitete, fühlte sie sich miserabel. Wenn sie nachmittags um halb vier nach Hause kam, legte sie sich hin und schlief bis abends. Beim gemeinsamen Essen konnte sie sich nur mit Mühe wach halten und ging bald danach ins Bett. Als sie ihrem Arzt erzählte, dass sie das Leben als Ehefrau, Mutter und Lehrerin überfordere, verschrieb er ihr ein Antidepressivum.
Erschöpft und depressiv – so habe ich meine Mutter während meiner gesamten Teenagerzeit erlebt. Die Angst, der Krebs könnte zurückkommen, bestimmte ihr Leben.
Und jetzt, zehn Jahre später, war es passiert.
Die Verzweiflung in ihrer Stimme holte mich zurück in die Gegenwart. »Mein Onkologe sagt, sie hätten an meiner Lunge einen 2,5 Zentimeter großen Tumor gefunden«, sagte sie. »Er möchte operieren und dann gleich mit Bestrahlung und Chemotherapie anfangen.«
Ich versuchte, sie zu ermutigen. »Mum, mach dir bitte keine Sorgen. Dein Körper hat die Fähigkeit, wieder gesund zu werden«, sagte ich. »Wir müssen aufhören, die Krebszellen zu füttern, und die Krankheit an ihrer Wurzel packen.« Ich war zuversichtlich, dass sie wieder gesund werden könnte – aber dazu mussten wir uns um ihren ganzen Körper kümmern.
Am nächsten Tag flog ich nach Hause und half ihr dabei, ein Gesundheitsprogramm aufzustellen. Dazu sollte sie zunächst beschreiben, welche Symptome ihr schon vor der Diagnose aufgefallen waren.
Sie seufzte. »Die Depression macht mir immer noch zu schaffen«, antwortete sie. »Und selbst wenn ich mal die ganze Nacht durchschlafe, bin ich am nächsten Tag trotzdem müde.« Dazu beschrieb sie Symptome, die auf eine mehrfache Nahrungsmittelunverträglichkeit schließen ließen, und man hatte bei ihr eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt.
Das alles war ziemlich besorgniserregend; eine Sache schockierte mich allerdings besonders: Auf die Frage nach ihrer Verdauung erklärte sie, sie habe seit zehn Jahren im Durchschnitt ein- bis zweimal pro Woche Stuhlgang.
»Wow, Mum«, antwortete ich verblüfft. »Warum hast du dich nicht längst mal mit deinem Arzt darüber unterhalten?«
»Ich dachte, das sei normal«, sagte sie. Sie verzog das Gesicht.
Ich fasste ihre Hand.
»Mum, das ist eigentlich eine gute Nachricht. Für deine Verdauung können wir nämlich tatsächlich etwas tun, und schon allein dadurch wirst du dich sehr viel besser fühlen.« Und hoffentlich wird das auch helfen, den Krebs zu stoppen, dachte ich.
Ich erzählte meiner Mutter vom Leaky-Gut-Syndrom (LGS) – einer Krankheit, bei der die Darmwand so geschädigt ist, dass Mikroben und Nahrungspartikel aus dem Verdauungstrakt ins Blut gelangen können, was eine entzündliche Immunreaktion auslöst – und wie gefährlich diese Darmdurchlässigkeit ist. Dies sei höchstwahrscheinlich der Grund für ihre Verstopfung und diverse andere Leiden und wir müssten sofort Gegenmaßnahmen ergreifen. »Wir können das schaffen, Mum«, sagte ich. »Komm.« Ich stand auf und wir gingen in die Küche.
Ich schnappte mir einen schwarzen Müllsack und öffnete die Küchenschränke. »Wir machen das von Grund auf«, erklärte ich. »Ab jetzt isst du keine verpackten Nahrungsmitteln mehr.«
Und dann warfen wir zusammen alle industriell gefertigten Lebensmittel weg, die wir fanden:
•Frühstückszerealien wie Honig-Nuss-Cheerios und Honig-Hafer-Crunch (die sie für gesund gehalten hatte)
•Fruchtsäfte in Plastikflaschen mit »90 Prozent natürlichem Fruchtsaft«, die aber aus Apfelsaftkonzentrat und »natürlichen« Aromen bestanden, die ganz und gar nicht natürlich waren
•Kartoffelchips und Kräcker, die Glutamat und modifizierten Mais enthielten
•Müsliriegel mit fruktosereichem Maissirup, künstlichen Farbstoffen und Sojaprotein
•Salatdressings mit künstlichen Verdickungsmitteln, Emulgatoren und gehärtetem Fett
•Weißen Zucker und Weißmehl
Dann nahmen wir uns den Kühlschrank vor und warfen Würzen und Soßen hinaus, dazu Margarine, Kaffeeweißer, Mayonnaise, konventionelle Milchprodukte wie Magermilch und Schmelzkäse-Scheibletten. Insgesamt kamen drei große Müllsäcke voll industriell gefertigter Nahrungsmittel zusammen.
Dann fuhren wir zum örtlichen Bioladen, und ich zeigte ihr beim Gang durch die Regalreihen, welche Nahrungsmittel sie essen sollte, um ihrem Körper im Kampf gegen die Krebszellen zu helfen. Wir kauften Bio-Gemüse und Beeren, Wildlachs, Freilandhähnchen und »saubere« Grundnahrungsmittel – alles aus biologischer Erzeugung mit so wenigen Inhaltsstoffen und so wenig verarbeitet wie möglich. In einem anderen Naturkostladen besorgten wir zur Nahrungsergänzung Kurkuma, spezielle Pilze zur Anregung des Immunsystems, Vitamin D3 und ätherisches Weihrauchöl.
Damals hatte der antibakterielle Wahn gerade seinen Höhepunkt erreicht, und es schien, als wären fast allen Produkten im gewöhnlichen Handel bakterizide Substanzen hinzugefügt worden – vom Bodenreiniger über die Zahnpasta bis zu Bleistiften der Härte 2. Doch immer mehr Wissenschaftler warnten vor der überbordenden Verschreibung von Antibiotika und der daraus folgenden Verbreitung resistenter Keime sowie vor der Gefahr einer allzu sterilen Lebensumwelt für unser Immunsystem, aber noch waren diese Erkenntnisse nicht bis in jeden Haushalt durchgedrungen. Dennoch konnte ich die Auswirkungen tagtäglich in meiner Naturheilkundepraxis erleben. Schon seit mehreren Jahren sah ich dort die Begleitschäden, die Antibiotika und andere der »Hygiene« dienende Chemikalien verursachten.
Wenn der Ursprung des Problems zu viel Sauberkeit war, dann musste es sich doch durch das Gegenteil lösen lassen – mehr »Dreck«. Vielleicht half der wiederholte Kontakt mit kleinen Mengen von Dreck, in dem sich lange entbehrte Bakterien, Viren und andere Mikroben tummelten. So würde eine natürliche Immunisierung angeregt und die Wiederansiedlung der nutzbringenden Bakterien, die wir durch den Überfluss an antibakteriellen Produkten in unserer Umwelt verloren haben, unterstützt.
Das Immunsystem könnte wieder von Grund auf lernen, sich zu verteidigen, ohne zu weit zu gehen. Anstatt uns vor ein bisschen Schmutz hier und da zu fürchten, sollten wir bewusst dem Rhythmus der Natur folgen und uns auf ihre Heilkräfte einlassen, die uns im Alltag umgeben.
Um Mutters Gesundheitsprogramm zu starten, stürzte ich mich deshalb direkt in den Dreck. In meiner medizinischen Forschung hatte ich mich über die Jahre immer stärker für Probiotika interessiert – Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel, die reich an gesundheitsfördernden Mikroorganismen, Bakterien, Pilzen und Hefe sind und für eine gesunde Darmflora sorgen. Besonders interessant fand ich hierbei den Forschungsansatz, dass es im Boden nur so wimmelt vor lebenswichtigen Mikroben, die im Darm häufig fehlen. Sofort verschrieb ich meiner Mutter eine probiotische Nahrungsergänzung mit Soil-Based Organismen (SBOs), die die Aufnahme von Nährstoffen sowie die Darmfunktion verbessern und das Wachstum von Hefen eindämmen soll. Außerdem dachte ich mir andere Methoden aus, wie meine Mutter »schmutzig« werden konnte. In ihrer Jugend war sie gern geritten – also ging sie von nun an wieder regelmäßig reiten und atmete im Stall beim Striegeln der Pferde jede Menge Staub ein. Wir gingen auf den Wochenmarkt und kauften Bio-Gemüse aus der Region, das keine 15 Kilometer vom Markt entfernt gewachsen war. Dieses Gemüse war voller Antioxidantien und an den Wurzeln klebte noch Erde. Zu Hause in ihrer Küche zeigte ich meiner Mutter, wie man aus Spinat, Sellerie, Gurken, frischem Koriander, Limetten, grünen Äpfeln und Stevia leckere Smoothies zubereitet. Außerdem nahm sie zur Ergänzung von nun an täglich hochwertige Auszüge aus Arzneipflanzen zu sich. Sie schlürfte tellerweise frisch gekochte, heilsame Brühen aus Knochen und Innereien vom Huhn, Rind, Lamm oder Fisch, die allesamt als Fleischabfälle gelten, für sie aber eine wertvolle Quelle an Kollagen, Glutamin und anderen Nährstoffen darstellten, die dabei halfen, ihre Darmschleimhaut zu heilen und abzudichten. Sie verbrachte täglich Zeit draußen im Garten, harkte die Blumenbeete oder saß einfach an der frischen Luft.
Eines muss ich meiner Mutter lassen – meine Ratschläge zur Ernährung und Lebensweise befolgte sie sehr gewissenhaft. Außerdem ließ sie sich mit Naturheilverfahren wie Lymph-Massage und Chiropraktik behandeln, und schon nach einigen Monaten nahm sie viele positive Veränderungen an sich wahr: Sie litt nicht mehr unter Verstopfung, sondern hatte einmal täglich Stuhlgang. Sie hatte wieder viel mehr Energie, und ihre Schilddrüsenprobleme waren verschwunden. Sie nahm zehn Kilo ab und litt nicht mehr unter Depressionen, ganz im Gegenteil: So viel Freude hätte sie im ganzen Leben noch nicht empfunden, sagte sie.
Als meine Mutter nach vier Monaten im Computertomografen untersucht wurde, waren die Ärzte mehr als erstaunt über das Ergebnis. Nicht nur hatte sich ihr Blutbild normalisiert, auch die Werte der Krebsmarker waren dramatisch zurückgegangen.
»Das ist äußerst ungewöhnlich«, erklärte ihr Onkologe überrascht. »Wir sehen Krebs nur sehr selten schrumpfen.« Ihr größter Tumor hatte sich um 52 Prozent verkleinert.
Der Onkologe riet ihr, genauso fortzufahren, »denn was immer sie da tun, es funktioniert«. Das Ärzteteam entschied, mit der Operation erst einmal zu warten. Mum war sehr erleichtert, dass sie nicht wieder unters Messer musste.
Eines möchte ich an dieser Stelle jedoch ganz deutlich sagen: Krebs zählt zu den einschneidendsten Diagnosen, die einen Menschen treffen können. Ich würde niemals behaupten, dass mein Gesundheitsprogramm den Krebs bei meiner Mutter »geheilt« hat. Ein Verlauf wie bei ihr ist durch vielerlei Faktoren bedingt, und sie hat sich streng an die Empfehlungen und Anweisungen ihrer anderen Ärzte gehalten. Aber dort, wo deren Ratschläge endeten, kamen ihre veränderte Ernährung und Lebensweise ins Spiel. Heute – mehr als 20 Jahre nach ihrer ersten Brustkrebsdiagnose und ein Jahrzehnt nach dem zweiten Auftreten – bin ich davon überzeugt, dass es dem Zusammenspiel all dieser Faktoren zu verdanken ist, dass meine Mutter nach wie vor die Früchte ihres veränderten Lebensstils genießen kann.
Etwa sieben Jahre nach dem Rückfall gingen meine Eltern in Ruhestand und zogen nach Florida in ein Haus an einem See. Dort genießen sie gemeinsam mit neuen Freunden das Wasserskifahren und Wandern. Mum und ich haben gemeinsam an mehreren 5-km-Läufen teilgenommen – sie als Zweit- und Drittschnellste ihrer Altersklasse!
Sie strahlt vor Glück und ist voller Energie. Fast immer, wenn ich sie sehe, betont sie, wie sehr sich ihr Gesundheitszustand verändert hat. Sie sagt, jetzt mit über sechzig ginge es ihr besser als damals mit dreißig!
Bonus: Die genauen Anleitungen, die meiner Mutter zu neuer Gesundheit verhalfen – Ernährungsplan, Nahrungsergänzungen und Verhaltensregeln –, können kostenlos heruntergeladen werden unter: www.draxe.com/healing-plan-bonus
Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich für die Gesundheit meiner Mutter bin – sie war und ist mein wichtigstes Vorbild. Die entsetzlichen Monate voller Ungewissheit, die sie nach ihrer ersten Brustkrebsdiagnose durchleiden musste, gaben damals den Anstoß zu meiner Entscheidung, Arzt zu werden. Und als ich ihr später helfen konnte, ihre Darmdurchlässigkeit zu heilen und damit auch ihre Schilddrüsenunterfunktion, chronische Müdigkeit, Depressionen und den Krebs zu überwinden, kristallisierte sich meine eigene Mission als Arzt heraus. Ihre strahlende Gesundheit ist für mich ein Sinnbild für die umfassende Genesung, die wir erzielen können, wenn wir einen kranken Darm heilen.
Der Heilungsplan, dem sie damals folgte, hat sich inzwischen bei Tausenden meiner Patienten bewährt und bildet das Rückgrat des Eat Dirt-Programms. Meiner Überzeugung nach kann dieser Ansatz die Gesundheit der gesamten Bevölkerung grundlegend verbessern – und das möglicherweise gerade noch rechtzeitig, denn wir befinden uns mitten in einer versteckten Epidemie des Leaky-Gut-Syndroms.
Der Begriff »Leaky Gut«, auf Deutsch durchlässiger Darm, erregt in den Medien und im Gesundheitswesen zum Teil immer noch Skepsis und Schmunzeln, obwohl der medizinische Fachausdruck »pathologisch durchlässige Darmwand« in der medizinischen Literatur seit mehr als 100 Jahren bestens dokumentiert und als Risikofaktor für Autoimmunerkrankungen anerkannt ist. Beide verheerenden Krankheiten sind eindeutig auf dem Vormarsch. Ihre Häufigkeit ist in den letzten zehn Jahren drastisch angestiegen. Die weltweite Verbreitung von Typ-1-Diabetes (mellitus), einer Erkrankung mit erwiesener Verbindung zu erhöhter Darmdurchlässigkeit, ist allein von 1998 bis 2008 um fast 40 Prozent gestiegen.1 Gegenwärtig leiden schätzungsweise 50 Millionen Amerikaner – also fast jeder sechste – unter Autoimmunerkrankungen. Epidemiologen gehen davon aus, dass etwa vier Millionen Menschen in Deutschland von einer Autoimmunerkrankung betroffen sind, also jeder 20.2 Mittlerweile werden nahezu 100 verschiedene Autoimmunerkrankungen unterschieden, und bei 40 weiteren wird eine Immunstörung als Ursache vermutet.3 Während Wissenschaftler nach wie vor dabei sind, die genauen Mechanismen zu ergründen, haben praktische Mediziner festgestellt, dass sich eine Vielzahl verschiedener Krankheiten mit einem sorgfältig durchgeführten Programm gegen Darmdurchlässigkeit lindern oder ganz heilen lässt – darunter Allergien, Asthma, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Verdauungsstörungen, Arthritis, Schilddrüsenerkrankungen und sogar schwer behandelbare Störungen wie chronische Erschöpfung und Autismus.
Eine verborgene Epidemie hat unser Land im Griff. Zu lange haben wir unser Verdauungssystem vernachlässigt und ihm entscheidende Nährstoffe verweigert. Wir haben es stattdessen mit toxischen Mengen an vorgefertigten Nahrungsmitteln und Zucker überfüttert und mit Umweltchemikalien, Stress und einem Übermaß an Antibiotika belastet. Zu lange haben wir geglaubt, unser Verdauungssystem sei nur dazu da, Nahrung in Energie umzuwandeln, die Regulierung des Stoffwechsels zu unterstützen und den Körper von Abfallprodukten zu befreien. Offensichtlich war diese Auffassung nicht nur lückenhaft – sie hat den Blick auf die wahre Bedeutung unseres Darms verstellt. Der Darm verarbeitet nicht nur unsere Nahrung, sondern bildet das Zentrum unserer Gesundheit.
Für einen krankhaft durchlässigen Darm gibt es vielerlei teils unerwartete Anzeichen:
Wir fühlen uns müde und träge.
Wir leiden an Verstopfung, Sodbrennen, fühlen uns aufgebläht und haben Blähungen.
Wir entwickeln Unverträglichkeiten gegenüber Nahrungsmitteln, die wir über Jahre (oder Jahrzehnte) ohne Probleme gegessen haben.
Wir können nicht klar denken, leiden unter Gedächtnisverlust und können uns schlecht konzentrieren.
Wir bemerken Hautveränderungen wie dunkle Ringe unter den Augen, entzündliche Ekzeme, Schuppenflechte oder Akne.
Im fortgeschrittenen Stadium zeigen sich möglicherweise ernstere Auswirkungen: chronische Müdigkeit, adrenale Erschöpfung, Teilnahmslosigkeit, starke Schmerzen und Arthritis. Dazu kommen eine Reihe von Verdauungsstörungen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Autoimmunkrankheiten wie Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenunterfunktion) und bisweilen unerklärliche lebensbedrohliche Zustände.
Jemand, der nie vom Leaky-Gut-Syndrom gehört hat und mit den Wechselwirkungen nicht vertraut ist, jagt möglicherweise jahrelang einzelnen Symptomen nach und sucht Hilfe bei Allergologen, Kardiologen, Rheumatologen, Endokrinologen, Neurologen – möglicherweise sogar beim Psychiater. So viele verschiedene Symptome sollen eine einzige Ursache haben? Ist die Antwort wirklich so einfach? Und wenn sich derartige Beschwerden so rasch ausbreiten, wie sollen wir uns dagegen schützen?
Glücklicherweise halten wir die Antwort in Händen – sie findet sich in unseren Küchen, auf Bauernhöfen, in Gärten, in der U-Bahn und in der Schule.
Wir müssen Dreck essen.
So schlimm die Folgen krankhafter Darmdurchlässigkeit sein können, so einfach ist die Lösung – kostengünstig und überall und für jeden, der dies liest, verfügbar.
In diesem Buch berichte ich alles, was ich über Leaky Gut erfahren habe, und wie man die Krankheit heilen kann. Wir werden darüber sprechen, wie Darmdurchlässigkeit beginnt und dann fortschreitet. Eingehend werden wir uns den Risikofaktoren widmen und der Frage, wie sich diese Krankheit weltweit so rasch verbreiten konnte. Außerdem werden wir lernen zu erkennen, ob wir selbst an Leaky Gut leiden und wie wir uns und unsere Familie schützen können – und zwar ab sofort.
Mit den in diesem Buch enthaltenen Werkzeugen werden wir einen persönlichen Plan entwickeln, um unseren Darm zu heilen und zu versiegeln, Entzündungen einzudämmen, überschießende Immunreaktionen zu reduzieren und unsere Gesundheit radikal zu verbessern – sowohl kurzfristig als auch auf Lebenszeit. Wenn wir die in diesem Buch vorgestellten Methoden anwenden, werden wir nicht nur das Risiko einer Erkrankung drastisch reduzieren, sondern weitere Veränderungen an uns bemerken:
•Mehr Tatkraft
•Bessere Verdauung
•Gesunde, leuchtende Haut
•Freie Nebenhöhlen und weniger allergische Beschwerden
•Schmerzfreie Gelenke
•Geistige Agilität und gute Konzentration
•Verbessertes Körpergefühl und Selbstbewusstsein
•Effektiver Stoffwechsel (und weniger Körpergewicht)
•Ausgeglichener Hormonhaushalt
•Weniger Stimmungsschwankungen
In Teil eins werden wir zunächst einmal die verborgene Epidemie des Leaky-Gut-Syndroms beschreiben. Wir werden über die Anzeichen und Symptome von Darmdurchlässigkeit sprechen und darüber, wie die Krankheit beginnt und fortschreitet – und dass sie als Auslöser einer Reihe sehr verbreiteter und schwerwiegender Gesundheitsstörungen gilt. Mit dem Test am Ende des Kapitels »Leiden Sie unter Leaky Gut?« können Sie Ihr eigenes Risiko für Leaky-Gut-Probleme ermitteln. Wir werden über das ungeheure und rätselhafte Universum in unserem Inneren sprechen – die Billionen von Bakterien unseres Mikrobioms – und darüber, dass wir gerade erst anfangen, seine Rolle für unsere körperliche und geistige Gesundheit zu verstehen. Wir werden sehen, in welcher Weise wir die nützlichen Bakterien durch die Auswüchse unseres Lebensstils und durch Umweltgifte schädigen, und die Verbindung zwischen krankhafter Darmdurchlässigkeit und der epidemischen Zunahme von Autoimmunerkrankungen kennenlernen. Am Ende von Teil eins werden wir den vielversprechendsten Heilungsansatz erörtern: dass wir bei vielen übertrieben »sauberen«, auf Sterilität bedachten, antibakteriellen Verhaltensweisen einen Schritt zurückgehen müssen. Wenn wir wieder eine einfachere Lebensweise aufnehmen, schützen wir nützliche Bakterien in uns und stärken unser Immunsystem. Viele Verhaltensweisen, die uns heute alles andere als keimfrei vorkommen, haben uns über Jahrtausende gesund gehalten. Verletzlich wurden wir erst, als moderne Annehmlichkeiten wie Kühlschränke, industrielle Landwirtschaft oder die tägliche Dusche Einzug hielten; in unserem unbedachten Krieg gegen Keime kam die exzessive Anwendung aller Arten von Antibiotika hinzu. Zuletzt werden wir darüber sprechen, wie »Dreck« – wörtlich wie im übertragenen Sinne – das Potenzial hat, die gestörte Darmbarriere wieder aufzubauen. Unsere Darmschleimhaut ist die Frontlinie unseres Immunsystems. Wenn wir sie gut pflegen, wird sie uns nähren, indem sie die richtige Mischung aus Mikronährstoffen passieren lässt, Krankheitserregern aber den Zutritt verweigert.
In Teil zwei behandeln wir fünf wichtige »Errungenschaften« der heutigen Zeit, die uns eigentlich schützen sollten, sich aber als Bumerang erwiesen haben, sodass wir nun ebenjenen Krankheiten und Leiden wehrlos ausgeliefert sind, die wir eigentlich verhindern wollten. Wir werden erfahren, dass unsere modernen Nahrungsmittel, Umweltgifte, übermäßiger Stress, übertriebene Hygiene und pharmazeutische Medikamente unseren Körper so mit Giften belasten, dass er den wirklichen Bedrohungen schutzlos ausgeliefert ist – multiresistenten Keimen, tödlichen Viren, echten Allergenen und unseren persönlichen genetisch bedingten Vorbelastungen. Wir werden uns mit einfachen und angenehmen Veränderungen in unserem Alltag befassen, mit denen sich jeder einzelne dieser kritischen Fehler umkehren lässt. Auf diese Weise können wir nicht nur eine krankhaft durchlässige Darmwand heilen und unsere Gesundheit verbessern, wir gelangen auch zu einer tieferen, reicheren Verbindung zur Natur. Das Eat Dirt-Prinzip hilft dabei, wieder zu einem gesunden Lebensrhythmus zu finden und unseren Planeten in nachhaltiger Weise für unsere Kinder zu schützen.
Dann werden wir alle Teile zum Eat Dirt-Lifestyle-Programm zusammenfügen – zu einem Fünfpunkteplan zur Entgiftung des Darms, zur Wiederherstellung einer ausgewogenen Darmflora und Kräftigung der Darmschleimhaut –, damit unser ganzer Körper wieder aufblühen kann.
Wer das Kernprogramm umgesetzt hat, kann dieses in Teil drei genauer auf sein persönliches Gesundheitsprofil abstimmen. Dazu lässt sich mithilfe eines Online-Fragebogens ermitteln, welcher der fünf häufigsten Darmtypen die eigenen Probleme und Sorgen am besten beschreibt:
•Candida-Darm: immer in Verbindung mit Hefebefall und Übergewicht.
•Stressdarm: chronischer Stress schwächt Nebennieren, Nieren und Schilddrüse und kann zu Störungen im Hormonhaushalt, Erschöpfung und Schilddrüsenerkrankungen führen.
•Immundarm: betrifft 15 Millionen Menschen, die an Nahrungsmittelallergien leiden,4 dazu 1,6 Millionen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen5 sowie die 50 Millionen Erwachsenen mit Autoimmunerkrankungen.6
•Gastrischer Darm: verursacht durch eine Dünndarmfehlbesiedelung (SIBO, Small Intestinal Bacteria Overgrowth) sowie Säurereflux, wovon 60 Prozent aller Erwachsenen betroffen sind – die Hälfte davon mindestens wöchentlich.
•Toxischer Darm: kann zu Erkrankungen der Galle, Hautleiden und chronischen Leberproblemen führen, was jährlich 30 Millionen Menschen starke Schmerzen verursacht.7
Für jeden dieser Typen liefert das Buch spezielle Empfehlungen (1) für geeignete und ungeeignete Nahrungsmittel, (2) für spezifische Nahrungsergänzungsmittel sowie (3) für weitere unterstützende Maßnahmen für die Umwandlung zu einem gesunden Darm. (Wir besprechen außerdem, wie sich das Programm anpassen lässt, wenn wir vermuten, dass unser Darm eine Mischform zweier Gruppen darstellt.)
Um die Umsetzung des Eat Dirt-Programms so einfach wie möglich zu machen, finden sich im Buch Dutzende der Lieblingsrezepte meiner Patienten sowie Anleitungen zur Herstellung von Körperpflege- und Reinigungsprodukten mit ätherischen Ölen anstelle von giftigen Chemikalien. Am Ende des Buchs sind Bezugsadressen aufgelistet. Im Text werde ich immer wieder Erfahrungen meiner Patienten einstreuen, um deutlich zu machen, wie sich mit diesem einfachen Ansatz – der Rückkehr zu einer »schmutzigen«, das Immunsystem stärkenden Lebensweise – seit Langem bekannte Gesundheitsprobleme lösen und ein natürlicher Gesundheitszustand wiederherstellen lassen.
Das Eat Dirt-Programm hat sich über viele Jahre in der praktischen Anwendung immer weiter entwickelt. Ich habe die Behandlung an Tausenden von Patienten erprobt und die Veränderungen, die mit einem geheilten Darm einhergehen, selbst beobachten können. Seit mehr als einem Jahrzehnt verfolge ich, wie die von mir in der klinischen Praxis und meinem eigenen Leben erkannten Prinzipien in der medizinischen Fachliteratur mehr und mehr untermauert werden. Einige dieser Erkenntnisse werde ich hier vorstellen, denn sie zeigen eindeutig, dass unser Darm krank ist und unsere Hilfe braucht.
Ich bin davon überzeugt, dass jeder, der den Anleitungen dieses Buchs folgt, eine erstaunliche Verbesserung seiner Gesundheit erleben wird – nicht nur durch eine bessere Verdauung, sondern auch durch mehr Tatkraft, weniger Übergewicht, eine bessere Stimmung und so vieles mehr. Und wenn es so weit ist, dann werden Sie mir hoffentlich helfen und allen erzählen, was es mit Leaky Gut auf sich hat. Dann können auch Ihre Familie und Ihre Freunde von der Heilkraft des Drecks profitieren und den Problemen ihres Immunsystems wirksam begegnen.
Wir sind alle Teil eines gewaltigen Ökosystems, das Heilung braucht, und jeder Einzelne von uns kann dazu beitragen. Also an die Arbeit: Machen wir uns die Hände schmutzig, denn die Gesundheit unseres Planeten liegt in unseren Händen – und in unserem Darm!
Alle Krankheiten beginnen im Darm.
Hippokrates, der Vater der Medizin
A ls Miriam in meine Praxis kam, hatte sie fast die Hoffnung aufgegeben. Sie hatte alles ausprobiert, vom konventionellen Hausarzt bis zur ganzheitlichen Medizin, und war den verschiedensten Heilungsansätzen gefolgt – ohne nennenswerte Verbesserung ihrer Gesundheit. Ich war der zehnte Arzt im Lauf ihrer Odyssee.
Miriam war 33, hatte zwei kleine Kinder, neun Kilo Übergewicht und war hundert Prozent gestresst. Man hatte bei ihr eine Hashimoto-Thyreoiditis diagnostiziert, eine Krankheit, bei der das Immunsystem die Schilddrüse angreift, und ihr war vom Endokrinologen das Medikament Synthroid verschrieben worden. Außerdem hatte sie Präparate gegen Angststörungen und Depressionen eingenommen, aber die hatten nicht geholfen. Ihre geistige und emotionale Belastung war so groß, dass ein Naturheilpraktiker bei ihr adrenale Erschöpfung festgestellt hatte; bei der Blutuntersuchung wurde außerdem ein Mangel an Vitamin B12 ermittelt. Sie hatte bereits versucht, ihre Ernährung umzustellen, und erhielt seit zwei Jahren wöchentlich Spritzen mit Vitamin B12 – aber nichts half. Eigentlich hätte sie gerne Sport getrieben, brachte aber kaum die Energie auf, um sich morgens aus dem Bett zu quälen. Und wenn die Kinder erst wach waren, blieb ihr wie vielen anderen jungen Müttern kaum Zeit fürs Fitnessstudio oder andere Formen von Bewegung.
Miriam hatte die Nase voll davon, dass sie immer müde war. Etwas musste sich ändern.
Ihrem Ernährungsprotokoll der letzten drei Tage konnte ich entnehmen, dass sie sich erstaunlich vernünftig ernährte. Sie aß ziemlich viel Salat, Vollkornbrot mit Sprossen, jede Menge Obst und Gemüse – aber offenbar half der Nährstoffgehalt ihres Essens auch nichts.
Ich ordnete zum Vergleich mit vorigen Diagnosen eine Blutuntersuchung an. Die Ergebnisse bestätigten tatsächlich, dass sich nichts verändert hatte. Die von ihr beschriebenen Schilddrüsenprobleme, adrenale Erschöpfung, Autoimmunerkrankungen und Nahrungsallergien spiegelten sich allesamt in den Zahlen wider.
Miriam kam in der folgenden Woche vorbei, um mit mir die Ergebnisse zu besprechen. Mit jedem einzelnen Messergebnis sah sie verzweifelter aus. Um sie zu ermutigen, legte ich den Laborbericht beiseite und griff mir meine beiden liebsten Anschauungsobjekte, die im Behandlungsraum immer bereitliegen: ein kleiner Kescher und eine Handvoll bunter Plastikkugeln.
»Bereit?« Sie nickte. »Pass auf.« Ich ließ die Plastikkugeln in den Kescher fallen. Miriam erwartete, dass sie im Netz hängen blieben, und staunte nicht schlecht, als sie hindurchfielen und auf dem Parkett herumhüpften.
»Hast du nicht erwartet, was?«, fragte ich. Sie schüttelte den Kopf.
»Miriam«, sagte ich, »dieses Netz ist leider dein Darm.«
Ich zeigte ihr die durchtrennten Fäden unten im Netz als Sinnbild für das, was beim LGS passiert. Ein gesunder Darm, erklärte ich, ist nur ein kleines bisschen durchlässig – wie die feinen Maschen eines intakten Netzes. So können winzige Mengen an Wasser und Nährstoffen die feine Barriere passieren und in den Blutkreislauf gelangen. Dies ist ein ganz normaler, grundlegender Teil der Verdauung und ein wichtiger Schritt in der Ernährung unseres Körpers.
»Werden die Löcher in der Darmwand allerdings zu groß, dann passen auch größere Moleküle wie Gluten und Kasein hindurch und außerdem fremde Mikroben, die dann im ganzen Körper herumwandern können«, erklärte ich und wies auf die Kugeln, die immer noch auf dem Boden des Behandlungszimmers herumrollten. »Solche großen Dinge dürfen eigentlich nicht ins Blut gelangen«, sagte ich. »Unser Organismus betrachtet sie als fremde Objekte und reagiert darauf mit Entzündungen im ganzen Körper.«
Jedes Organ kann betroffen sein, wenn so etwas passiert. »Bei dir sind es die Schilddrüse, das Gehirn und die Nebenniere, wo das Adrenalin gebildet wird«, sagte ich.
Ich erklärte ihr, sie könnte noch so viele Vitamin-B-Spritzen bekommen und Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen: Wenn sie nicht das Grundproblem – ihren krankhaft durchlässigen Darm – in den Griff bekam, würden ihre Gesundheitsprobleme nicht nur bleiben, sondern sich weiter verschlimmern. Aber jetzt, wo die Ursache erkannt war, würden wir in kurzer Zeit bedeutende Fortschritte erzielen. Dazu musste sie nur meine Empfehlungen befolgen und bei ihrer Ernährung und ihren täglichen Gewohnheiten ein paar Veränderungen vornehmen.
Ich erstellte für sie einen Ernährungsplan, der zunächst einmal Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an Probiotika vorsah – gute Bakterien, die ihre Verdauungsprobleme lindern würden – sowie Präbiotika – Nahrungsmittel mit den passenden Nährstoffen für diese guten Bakterien. Gleich morgens sollte sich Miriam einen Smoothie aus Kefir und Leinsamen machen und dann den Tag über immer wieder Fleischbrühe aus Knochen trinken, um ihre Darmschleimhaut wieder zu versiegeln. Um Stresshormone abzubauen, riet ich ihr, sich zwei- oder dreimal täglich eine Viertelstunde Zeit für einen Spaziergang zu nehmen und jeden Abend ein Heilbad mit Bittersalz und Lavendelöl zu nehmen.
Zwei Wochen später bei der Nachuntersuchung hatte Miriam mehr als zwei Kilo abgenommen und bemerkte, sie verfüge über merklich mehr Tatkraft. Dadurch ermutigt, erklärte sie, den Gesundheitsplan für 90 Tage zu befolgen, bis zur nächsten Blutuntersuchung.
Die Ergebnisse nach drei Monaten sprachen für sich.
In dieser kurzen Zeit war Miriams Vitamin-B12-Mangel völlig verschwunden. Ihr Cortisolspiegel war ebenso gefallen wie die Werte für Triglyzeride, Nüchternblutzucker, Insulin und für den Entzündungsparameter CRP. Und das Beste: Als ihr Endokrinologe die Blutwerte erhielt, rief er sie an, gratulierte ihr zu diesen Fortschritten und erklärte, er werde ihre Synthroid-Dosis um 75 Prozent senken.
Als Miriam zum Patientengespräch in meine Praxis kam, war ihr Gesicht rosig und ihre Augen funkelten. »Ich kann gar nicht glauben, wie viel Energie ich habe«, erklärte sie, streifte schmunzelnd die Schuhe ab und hüpfte auf die Waage. »Endlich kann ich wieder mit den Jungs herumtollen!« Als sie das Ergebnis sah, machte sie große Augen: Seit ihrem ersten Besuch in der Praxis hatte sie mehr als zwölf Kilo abgenommen.
Über die Jahre habe ich Hunderte Menschen wie Miriam behandelt. Ihr Fall ist ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie heimtückisch erhöhte Darmdurchlässigkeit sein kann, wie gut sie sich im Gewand anderer Krankheiten verbirgt, wie sie fortschreiten und umfassend Wirkung entfalten kann – und wie leicht sie sich doch häufig mit ein paar einfachen Veränderungen heilen lässt.
Da ich genau dieses Szenario im Laufe meiner Berufsjahre tausendfach erlebt habe, weiß ich, wie viele Menschen genauso leiden wie Miriam, als sie damals in meine Praxis kam: krank, erschöpft und ohne Hoffnung. Das Einzige, was uns davon abhält, unsere Bevölkerung von den Beschwerden durch Leaky Gut zu befreien, sind mangelnde Erkenntnis, mangelndes Wissen und mangelnder Glaube – sowohl an die Existenz dieser Krankheit als auch an unsere Fähigkeit, sie zu heilen.
Aber wir können sie heilen. Wir müssen nur gemeinsam den Willen aufbringen, ein paar lieb gewonnene, aber extrem gesundheitsschädliche Angewohnheiten abzulegen – zuvorderst unsere tödliche Sucht, sauber zu sein.
Ich wette, Sie haben den Begriff »Leaky Gut« – wörtlich übersetzt: undichter Darm – beim ersten Hören für einen Witz gehalten. Soll ich ernsthaft glauben, dass mein Bauch irgendwie undicht geworden ist? Ich kann schon verstehen, dass manche mit dem Begriff Schwierigkeiten haben. Wenn die Menschen den etwas albernen Namen erst einmal hinter sich gelassen haben, erkennen sie, wie bösartig, wie weitverbreitet und wie verheerend diese verborgene Epidemie inzwischen geworden ist.
Mit einer inneren Oberfläche von etwa 200 Quadratmetern – also etwa der Größe eines Tennisplatzes – stellt unser Verdauungstrakt eine lebenswichtige Immunschranke dar, die uns vor Ansteckungen und Vergiftungen schützt. Dieser Verteidigungsschild kommt Tag für Tag mit Tausenden von Mikroorganismen und Nebenprodukten der Verdauung in Kontakt. Der Darmschleimhaut fällt dabei eine besonders schwierige Aufgabe zu: Sie muss die Inhaltsstoffe des Darms von körpereigenem Gewebe unterscheiden, die Aufnahme der Nährstoffe regeln und generell das Zusammenspiel zwischen der ansässigen Mikrobengemeinschaft und dem Immunsystem der Darmschleimhaut überwachen. Darüber hinaus wehrt sie Eindringlinge von außen ab und macht 70 Prozent unseres gesamten Immunsystems aus.8
Um uns bei guter Gesundheit zu halten, bewahrt unser Darm ein sorgfältig austariertes symbiotisches Gleichgewicht aus Billionen von Mikroorganismen – der zehnfachen Anzahl unserer eigenen Körperzellen.9 Es gibt positive (Mutualisten), negative (Krankheitserreger oder Pathogene) und neutrale Mikroorganismen (Kommensale), die im Grunde nur im Strom mitschwimmen.10 Die meisten Fachleute halten 85 Prozent positive und neutrale sowie 15 Prozent negative Mikroben für eine gesunde, durchschnittliche Mischung, deren dynamisches Gleichgewicht unser Immunsystem gut auf Trab hält, damit es wirkungsvoll gegen schädliche Viren und andere Antigene vorgehen kann.11
Wann immer wir etwas essen, muss das Immunsystem in unserem Darm entscheiden, wer Freund ist und wer Feind, welche Nährstoffe, Mikroorganismen, Bakterien und Krankheitserreger Zutritt erhalten oder ausgestoßen werden müssen. Ein gesundes Immunsystem bleibt im Verborgenen wachsam wie ein strenger Türsteher, der die Guten hereinlässt und die Bösen abserviert. Setzt dem Darm aber eine Horde hartnäckiger, renitenter Störenfriede zu – Umweltgifte, eine nährstoffarme Ernährung, Stress, Medikamente oder andere Faktoren –, ist der Türsteher überfordert und unsere Abwehr geschwächt. Dann kommen schädliche Bakterien zum Zug, die von der geschwächten Immunabwehr profitieren und eindringen können.
Wenn sie sich erst festgesetzt haben, können diese schädlichen Bakterien die Darmflora verändern. Sie verdrängen die nützlichen bakteriellen Einwohner und nehmen den Platz von probiotischen Vitaminproduzenten ein, bohren sich in die Schleimhaut der Darmwand und erzeugen Löcher, die das pH-Gleichgewicht des Darms verändern und Hefebefall verursachen können. In der Folge wird auch das Darmepithel, die äußerste Schicht der Darmbarriere, geschwächt. Die Verbindungen zwischen den Epithelzellen wirken normalerweise als streng kontrollierte Portale, an denen unerwünschte Moleküle am Übertritt ins Blut gehindert werden. Ist die Darmwand allerdings geschwächt, können sich diese Tore öffnen und sehr viel länger als gewünscht offen bleiben, sodass Giftstoffe, Mikroben und unverdaute Nahrungspartikel direkt in den Blutkreislauf gelangen und sich im ganzen Körper ausbreiten.
Jeder von uns hat früher oder später einmal mit Leaky Gut zu tun, möglicherweise ohne es zu wissen. Wenn diese schädlichen Mikroben hereinschlüpfen, produziert unser Immunsystem Antikörper, die solche Eindringlinge unschädlich machen – Ende der Geschichte. Wird die Darmdurchlässigkeit allerdings chronisch, dann führt das toxische Potenzial dieser wandernden Mikroben dazu, dass wir es nicht mehr mit einer eng begrenzten und vorübergehenden Verdauungsstörung zu tun haben, sondern mit einer systemischen Erkrankung mit möglicherweise schwerwiegenden, breit gestreuten, ja sogar tödlichen Auswirkungen. Die zu unserem Schutz eingeleitete Entzündungsreaktion des Körpers kann permanent in der »Ein«-Position feststecken und alles angreifen, was ihr in den Weg kommt. Wenn dies geschieht, droht eine lebenslange, kräftezehrende Autoimmunerkrankung.
Es stimmt schon, Leaky Gut ist ein ulkiger Begriff, aber ich hoffe, Ihnen wird langsam klar, dass es sich zweifellos um eine schwere, die Gesundheit ernsthaft gefährdende Erkrankung handelt.
Wie Leaky Gut entsteht:
Etwa 80 Prozent meiner Patienten zeigen mehr oder weniger gravierende Anzeichen des Leaky-Gut-Syndroms. Die Probleme, die sie in meine Praxis geführt haben, reichen von Gallen- bis zu Schilddrüsenproblemen, von Schuppenflechte bis zu Ekzemen, sie leiden unter Migräne, Insulinresistenz oder auch an ungebremster Gewichtszunahme. Viele sind erstaunt, wenn sie erfahren, dass ihre Krankheit dieselbe Ursache hat wie Dickdarmentzündung, Reizdarmsyndrom (RDS) und Morbus Crohn. Noch mehr verblüfft sie, wenn ich ihnen erzähle, dass krankhafte Darmdurchlässigkeit bei jeder Autoimmunerkrankung eine gewisse Rolle spielt, so bei Lupuserythematodes, Multipler Sklerose (MS), Typ-1-Diabetes und sogar bei Parkinson und Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Meistens erspare ich mir die Bemerkung, dass den Patienten genau diese schweren Erkrankungen gedroht hätten, wenn sie nicht rechtzeitig in meine Praxis gekommen wären.
Viele Schulmediziner meiden die Bezeichnung »Leaky-Gut-Syndrom« und bevorzugen den Fachbegriff »pathologisch durchlässige Darmwand«. Angesichts der explosionsartigen Zunahme an Erkenntnissen über den Einfluss des Darms (und seines Mikrobioms) auf unsere Gesundheit und unser Verhalten wird dieser Unterschied in der Terminologie allerdings bedeutungslos. Fachleute und Wissenschaftler aus allen Bereichen des Gesundheitswesens tragen Informationen zusammen und das Fachgebiet entwickelt sich täglich weiter; allein im vergangenen Jahr sind mehr als 1200 Untersuchungen über Darmdurchlässigkeit erschienen. All diese Forschung fügt sich zu einem immer genaueren Bild zusammen und bestätigt, weshalb naturheilkundliche Ärzte, integrative Mediziner und andere Fachleute der sogenannten Functional Medicine1 seit Jahren die Alarmglocken läuten: Wir werden von den modernen Umweltgiften überwältigt, unser Essen ist ernährungsphysiologisch wertlos, und wir leiden zu sehr unter Stress, als dass es unserem Körper wirklich gut gehen könnte. Das Gleichgewicht der Mikroben in unserem Darm und die äußerst empfindliche Darmschleimhaut können nur ein gewisses Maß an Belastung verkraften, bevor die Barriere nachgibt und Schädlinge und Schadstoffe eindringen können. Und wenn das geschieht, ist alles möglich.
Nach Erkenntnissen aus Studien an Tier und Mensch, die in Fachzeitschriften wie Clinical Gastroenterology and Hepatology und Gut12veröffentlicht wurden, steht das Leaky-Gut-Syndrom im Zusammenhang mit den folgenden Symptomen oder Erkrankungen:
•ALS (Amyotrophe Lateralsklerose, Lou-Gehrig-Krankheit)13
•Alzheimer14
•Angststörungen und Depression15
•ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung)16
•Autismus17
•Candida und Hefebefall18
•Zöliakie und nicht-zöliakische Glutensensitivität19
•Chronisches Erschöpfungssyndrom20
•Morbus Crohn21
•Fibromyalgie22
•Blähungen und schmerzhafte Verdauungsbeschwerden23
•Hashimoto-Thyreoiditis24
•Reizdarmsyndrom25
•Lupus erythematodes26
•Metabolisches Syndrom27
•Migräne28
•Multiple Sklerose (MS)29
•Nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLE) und andere Leberleiden30
•Parkinson31
•Polyzystisches Ovarsyndrom (PZOS)32
•Ruhelose-Beine-Syndrom (restless leg syndrome RLS)33
•Rheumatoide Arthritis34
•Hautentzündungen (Ekzem, Schuppenflechte, Rosazea, Dermatitis und Akne)35
•Typ-1-Diabetes36, 37
•Typ-2-Diabetes38
•Colitis ulcerosa39
•Verschiedene Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten40
Diese Liste ist bei Weitem nicht vollständig. Die Erkenntnisse über Darmdurchlässigkeit nehmen rasch zu – wer weiß, was wir in den nächsten zehn Jahren noch alles darüber erfahren?
Die Verbindungen sind so eindeutig, die Beweise so stichhaltig, dass wir nicht mehr so tun können, als wäre Leaky Gut nur eine Modeerscheinung mit einem albernen Namen. Das Leaky-Gut-Syndrom liegt am Ground Zero der verwirrendsten Gesundheitsprobleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben.
Warum gerade jetzt? Welche Veränderungen in unserem Alltag haben diese verborgene Epidemie ausgelöst? Zahlreiche Faktoren können im Darm Probleme hervorrufen; treten mehrere gleichzeitig auf, kann sich ein regelrechter Sturm zusammenbrauen.
Die Verfälschung von Nahrung. Ein Übermaß an Zucker, das ungekeimte Hybridgetreide und der Mangel an echten Nährstoffen in unseren industriell verarbeiteten Nahrungsmitteln haben unseren Darm zugrunde gerichtet. Besonderes Augenmerk sollten wir dabei auf Gluten richten, das mittlerweile als Hauptverursacher von Leaky Gut angesehen wird, wie immer mehr Studien belegen. Wenn wir Gluten zu uns nehmen, reagiert unser Körper mit Entzündung und schüttet schließlich das Protein Zonulin aus, das die festen Epithelverbindungen zwischen den Darmzellen lockert und die Schleusen offen hält, solange Zonulin im Blutstrom zirkuliert.41
Die Zunahme von Umweltgiften. Jeder von uns kommt im Verlauf eines einzigen Jahres mit bis zu 80 000 ungetesteten Umweltchemikalien und -giftstoffen in Berührung. Die USA machen beispielsweise nur etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung aus, doch werden dort 24 Prozent aller Schädlingsbekämpfungsmittel ausgebracht.42 Die verbreitete Verwendung dieser Pestizide, die universelle Verbreitung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, von Nahrungsmittelzusätzen und Konservierungsmitteln im täglichen Leben und in der Ernährung – hinzu kommen Haushaltsreiniger und Kosmetika – ergeben in der Summe eine überaus gefährliche toxische Belastung unseres Körpers und insbesondere des Darms.
Der enorme Stress des modernen Lebens. Psychische Belastung wirkt sich äußerst schädlich auf den Darm aus. Studien zeigen, dass Stress im Alltag die Diversität probiotischer Mikroben im Darm verringert und Hefebefall begünstigt. Über einen längeren Zeitraum schwächt Stress auch das Immunsystem und beeinträchtigt unsere Fähigkeit, schädliche Bakterien und Viren abzuwehren, sodass sich bereits bestehende Entzündungen verschlimmern und die krankhafte Darmdurchlässigkeit fortbesteht.
Der Krieg gegen Keime. Unser Kulturkreis zeichnet sich durch eine Sucht nach Hygiene aus – unsere Hände wie auch unsere Häuser sollen zu jeder Zeit klinisch sauber sein. Jedes noch so kleine Leiden wird mit Breitspektrum-Antibiotika bekämpft und unsere übermäßig aufbereitete Nahrung hat unser Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gebracht. Wir haben viele nützliche Mikrobenstämme vernichtet, die für die Feinabstimmung unserer Gene sorgen und unser Immunsystem darauf trainieren, mit Krankheitserregern, Allergenen und anderen bedrohlichen Umwelteinflüssen fertigzuwerden. Diese Störung der gesunden Koexistenz unseres Darms mit dem Phytobiom – dem gewaltigen Universum der Mikroben – hat gravierende Folgen, darunter einen Anstieg chronischer Erkrankungen, Autoimmunstörungen und Antibiotikaresistenzen. Allein in diesem Jahr werden sich mindestens zwei Millionen Menschen mit antibiotikaresistenten Bakterien infizieren und 23 000 von ihnen daran sterben.43
Übermäßiger Gebrauch von Medikamenten. Derzeit nehmen sieben von zehn Amerikanern mindestens eine Arznei regelmäßig zu sich; nichtsteroidale Entzündungshemmer und andere Schmerzmittel werden in Rekordmengen konsumiert und Antibiotika bedenkenlos verschrieben. Da ist es nicht verwunderlich, dass all diese synthetischen Medikamente unseren Darm belasten, indem sie die Schleimbarriere schwächen, die Darmzotten schädigen und nützliche Bakterien in ungeheurer Menge vernichten. Einer Untersuchung der Stanford University zufolge zerstört eine einzige Kur mit dem Antibiotikum Ciprofloxacin in nur vier Tagen bis zu 50 Prozent des gesamten Mikrobioms im Darm eines Babys. Die meisten Bakterienstämme erholen sich wieder, aber bei manchen Kindern bleiben gewisse Stämme für immer verloren.44
Jeder einzelne dieser Faktoren erhöht das Risiko, an Leaky Gut zu erkranken; die meisten von uns haben es allerdings mit mehreren Faktoren zu tun. Erinnern wir uns an die Geschichte meiner Mutter: Ein Leben lang hatte sie ganz normale amerikanische Kost zu sich genommen, hatte Antibiotika bekommen, wann immer eine Erkältung im Anzug war, und hatte als Kind mit enormen psychischen Belastungen zu kämpfen gehabt. Schon in jungen Jahren hatte sie Magengeschwüre und Nahrungsallergien entwickelt, und schon mit elf Jahren war bei ihr eine Gastritis festgestellt worden, eine entzündliche Reizung der Magenschleimhaut. In ihrer Jugend dachte sie, Magenschmerzen und unregelmäßiger Stuhlgang wären völlig normal. Der wahre Grund für ihre vielen scheinbar in keinem Zusammenhang stehenden Gesundheitsprobleme und ihr mangelndes Wohlbefinden während eines großen Teils ihres Lebens – und lange bevor der Krebs auftrat – war eine krankhafte, wahrscheinlich schon in der Kindheit erworbene Darmdurchlässigkeit.
Fast jeder hat schon einmal Ibuprofen gegen Kopfschmerzen genommen, industriell gefertigte Nahrung gegessen, die Hände mit antibakterieller Seife gewaschen, Antibiotika eingenommen oder chronischen Stress erlebt. All das schädigt den Darm; kommen mehrere Faktoren zusammen, ist Leaky Gut praktisch unausweichlich. Und wie bei einem leckgeschlagenen Boot hilft unserer sinkenden Gesundheit alles Schöpfen nicht, solange wir nicht das Leck stopfen.
Mit dem Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft und weiter zum Leben in Städten und Vororten haben wir uns allmählich von vielen Dingen entfernt, die uns zu dem machen, was wir sind. Nach der Anzahl der Zellen in unserem Körper gerechnet bestehen wir zu 90 Prozent aus Mikroben. Wir leben nicht nur auf der Erde – die Erde lebt in uns. Wenn unser inneres und äußeres Ökosystem friedlich koexistieren und sich gegenseitig unterstützen sollen, müssen wir das Beste der modernen Lebensweise mit diesen einfachen Verhaltensweisen kombinieren, die uns so viele Jahre gesund gehalten haben.
Wir müssen lernen, diese zahllosen Stämme von Bakterien, Viren, Phagen, Parasiten und anderen Mikroben als alte Freunde zu betrachten, die wir in unserem Darm wieder willkommen heißen, damit sie uns wie früher beschützen können. Dieser Theorie der »alten Freunde« zufolge können wir die vorige Diversität unseres Mikrobioms wiedererlangen, und zwar durch Mikro-Exponierung – kleine, wiederholte Berührungen mit »Dreck«, der Bakterien, Erdkrumen, Staub und Pflanzenöle enthält. So können wir wieder in die natürliche symbiotische Beziehung eintreten, in der wir mit diesen Mikroben immer gelebt haben. Diese Mikro-Exponierungen bringen einen steten Strom nützlicher Keime in unser System, eine Abfolge natürlicher Impfungen, die mit unseren Genen interagieren und unser Immunsystem stärken, indem sie unsere ureigenen Darmbewohner unterstützen und lehren, wie sie mit der Welt um uns herum am wirkungsvollsten interagieren können.