Du bist Schönheit - Samuel Widmer Nicolet - E-Book

Du bist Schönheit E-Book

Samuel Widmer Nicolet

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Beschreibung

In diesem Buch versucht Samuel Widmer nicht, die Lehre Krishnamurtis zusammenzufassen oder zu interpretieren. Er schöpft sie, indem er uns Einsicht gewährt in das, was er vom «Meister» empfangen hat, neu. Aus der Verschmelzung zwischen dem Geist des Lehrers und dem Geist des Schülers ist dabei etwas Neues und Schönes entstanden, das die ewigen Wahrheiten nochmals anders, nochmals neu spiegelt. Schönheit. Der Autor selbst hat das pfadlose Land der Wahrheit vor vielen Jahren in der Rolle des Psychotherapeuten zu durchschreiten begonnen. Alle Rollen sind in diesem Prozess von ihm abgefallen. Auch die Rolle des Therapeuten. Auch die Rolle des Schülers. Nichts ist übrig geblieben dabei. Wunderbares Nichts. Schönheit eben. Ein der Schulbank entwachsener Schüler würdigt seinen Lehrer. Ein schönes Zeugnis einer gelungenen Lehrer-Schüler-Beziehung. Aus der Verschmelzung zwischen dem Geist des Lehrers und dem Geist des Schülers ist dabei etwas Neues und Schönes entstanden, das die ewigen Wahrheiten nochmals anders, nochmals neu spiegelt. Schönheit. Der Autor selbst hat das pfadlose Land der Wahrheit vor vielen Jahren in der Rolle des Psychotherapeuten zu durchschreiten begonnen. Alle Rollen sind in diesem Prozess von ihm abgefallen. Auch die Rolle des Therapeuten. Auch die Rolle des Schülers. Nichts ist übrig geblieben dabei. Wunderbares Nichts. Schönheit eben.

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EPUB

Seitenzahl: 272

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Du bist Schönheit

Krishnamurti – angewandt im Alltag

Der Einfluss seines Werkes auf die Psychotherapie

Von der Liebesgeschichte eines späten Sommers

Meditative Betrachtungen mit Samuel Widmer

«Du brachtest Schönheit in mein Leben.

Du warst Schön­heit.

Du bist Schönheit.»

Ein der Schulbank entwachsener Schüler würdigt seinen Lehrer. Ein schönes Zeugnis einer gelungenen Lehrer-Schüler-Beziehung.

Samuel Widmer versucht in diesem Buch nicht die Lehre Krishnamurtis zusammenzufassen oder zu interpretieren. Er schöpft sie neu, indem er uns Einsicht gewährt in das, was er vom «Meister» empfangen hat.

Aus der Verschmelzung zwischen dem Geist des Lehrers und dem Geist des Schülers ist dabei etwas Neues und Schönes entstanden, das die ewigen Wahrheiten nochmals anders, nochmals neu spiegelt. Schönheit.

Der Autor selbst hat das pfadlose Land der Wahrheit vor vielen Jahren in der Rolle des Psychotherapeuten zu durchschreiten begonnen. Alle Rollen sind in diesem Prozess von ihm abgefallen. Auch die Rolle des Therapeuten. Auch die Rolle des Schülers. Nichts ist übrig geblieben dabei. Wunderbares Nichts. Schönheit eben.

Du bist Schönheit

Krishnamurti – angewandt im Alltag

Der Einfluss seines Werkes auf die Psychotherapie

Von der Liebesgeschichte eines späten Sommers

Meditative Betrachtungen mit Samuel Widmer

BASIC EDITIONS

Dieses Buch erschien 1999 auch in Englisch:

You Are Beauty

Krishnamurti – Applied in Daily Life

Basic Editions · ISBN 3-9521250-7-5

©1998 Basic Editions·Samuel Widmer

Schweiz

1.Auflage

Zeichnungen (Bleistift)

Samuel Widmer

Layout & DTP

Kurt Marti·CH - 2575 Gerolfingen

eBook (2016)

Romina Mossi ·CH - 4574 Nennigkofen

Druck

WB-Druck GmbH+Co BuchproduktionsKG

D-87669 Rieden am Forggensee

ISBN

3-9521250-4-0 (gedrucktes Buch)

Verlag

Basic Editions

CH - 4574 Nennigkofen

www.basic-editions.ch, [email protected]

für Dich, Marianna Anna,

anmutige Begleiterin eines lieblichen Sommers,

holde principessa meiner scheuen Seele ...

aber auch für Dich, Jamahal Celia,

tiefste aller grossen Lieben,

und für Euch alle,

die Ihr die wachsende Gemeinschaft trägt:

Manfred, Christine, Marco, Michael, Ueli, Holger, Sascha, Ulrike, Nicole, Markus, Irène, Edi, Bea, Ayse und Heinz, Maya, Uma, Brigitte, Kurt, Cornelia, Heini, Baula, Elisabeth und alle Eure Kinder

Inhaltsverzeichnis

Zur Einstimmung

I. Sei dir selbst ein Licht!

1. Die Wahrheit ist ein pfadloses Land

2. Der erste Schritt ist der letzte Schritt

3. Sehen, was ist

4. Die Kunst des Lauschens

5. Die Kunst des Schauens

6. Lerne über dich selbst, so wie du wirklich bist!

7. Der Geist, der keine Verletzung kennt

II. Die Fragmentierung des Geistes

1. Wille ist Widerstand

2. Wer Sexualität verurteilt verbannt die Schönheit

3. Kein Teil des Geistes ist nicht konditioniert

4. Keine Autorität!

5. Leben ist eine Bewegung in Beziehung

6. Der Inhalt des Bewusstseins ist das Bewusstsein

7. Der Weg des Zweifels

III. Nichts zu sein ist der Anfang von Freiheit

1. Fundamentale Fragen stellen

2. Die unmögliche Frage stellen

3. Der Beobachter ist das Beobachtete

4. Die erste und die letzte Freiheit

5. Du bist die Welt

6. Völlige Verneinung ist die Essenz des Positiven

7. Das Beenden des Leids

IV. Das Ich ist der Inhalt des Bewusstseins

1. Weisheit ist nicht die Anhäufung von Wissen

2. Das Erwachen der Intelligenz

3. Ein Leben ohne einen einzigen Konflikt

4. Es gibt keine psychologische Entwicklung

5. Das Muster egozentrischer Aktivität zerbrechen

6. Die Funktion des Denkens

7. Chronologische und psychologische Zeit

V. Alleinsein ist die Wandlung

1. Wandel durch Einsicht

2. Die Kunst der Meditation

3. Die Welt des Werdens anhalten

4. Radikale Wandlung

5. Bilder zerstören die Liebe

6. Allein stehen!

7. Wo das Wort schweigt, beginnt das Unermessliche

VI. Meditation ist das Erblühen der Güte

1. Geduld ist die Essenz der Liebe

2. Richtiges Handeln

3. Ohne Liebe gibt es keine Schönheit

4. Die Kunst, seinen Lebensunterhalt zu verdienen

5. Wenn wir keine Güte und Liebe haben, sind wir nicht wirklich erzogen

6. Der religiöse Geist ist explosiv

7. Im Enden finden wir einen neuen Anfang

VII. Liebe ist gefährlich

1. Was ist Vertrauen?

2. Ein wahrhaftiges menschliches Wesen sein

3. Lebenskunst

4. Nicht sein

5. Wo du bist, kann das Andere nicht sein

6. Man muss tief gründen, um Freude zu kennen

7. Der Gedanke wird es nie berühren können

Ausklang und Abschied

Zur Einstimmung

Im Sommer 1997 und dann nochmals im Herbst desselben Jah­res hatte ich Gelegenheit, mich – zum Teil allein, zum Teil mit Freunden und mit meiner Familie und schliesslich auch noch überrascht vom unerwarteten Geschenk einer besonderen Liebesgeschichte – in einem kleinen Haus, fast schon eher einer Hütte, wie sie die Bergbauern in diesen Tälern des Berner Oberlands benutzen, für einige Zeit in der Stille dieser wunderbaren Natur zu erholen.

Krishnamurti ist häufig in diesem Tal gewandert zur Zeit, als er im Chalet Tannegg in Gstaad wohnte, wenn er jeweils im Sommer seine Reden in Saanen gab. Nichts war deshalb natürlicher, als mich in dieser Umgebung noch einmal mit Krishnamurti und seiner Lehre zu beschäftigen und davon angeregt, selbst ein kleines Buch dazu in Angriff zu nehmen. Erfasst von der Energie dieser Lehre und dieser Persönlichkeit, die mich beide bereits seit vielen Jah­ren – zwanzig oder mehr – ergriffen haben, erschien es auch ganz selbstverständlich, dem Ruf von Nalini, einer indischen Frau und Ärztin, die ich an der Krishnamurti-Schule im Rishi-Valley einige Jahre zuvor kennengelernt hatte, zu folgen und ein bisschen beim jährlichen Treffen zum Gedenken Krishnamurtis, das nach wie vor jeden Sommer in Saanen abgehalten wird, hineinzuschnuppern und auf diese Weise auch zu Friedrich Grohe und anderen Menschen aus der näheren Umgebung Krishnamurtis Kontakt zu bekommen. Aus diesen Kon­takten ist dann auf die Bitte von Friedrich Grohe, als Psychotherapeut etwas zum Einfluss der Lehre Krishnamurtis auf die Psychotherapie zu verfassen, der folgende Artikel entstanden, der bereits so etwas wie ein Vorwort zum nun vorliegenden Buch wurde. Ich stelle ihn deshalb anschliessend in leicht erweiterter Form diesem kleinen, poetischen Werk voran.

Wie dieser nachfolgende Text genauer aufzeigen wird, soll dieses Büchlein vor allem zusammenfassen, was ich persönlich in der Auseinandersetzung mit Krishnamurti und der Lehre, die er vermittelt hat, verstanden habe.

Aber es soll daneben auch ein aktueller Bericht der Anwendung dieser Lehre werden. Die Lehre fruchtet nichts, wenn sie nicht im Alltag gelebt wird. Diese Aktualität wird ab und an zwischen den Zeilen aufleuchten. Der Vollzug der Lehre im Alltag muss eine Liebesgeschichte sein, sonst ist etwas unverstanden geblieben, eine Liebesgeschichte mit dem Meister, eine Liebesgeschichte mit der Lehre, eine Liebesgeschichte mit der Quel­le, aus der sie kommt, eine Liebesgeschichte mit dem Leben, mit der Natur dieser wunderbaren Bergtäler, die uns hier umgeben, und ganz konkret auch eine Liebesgeschichte zwischen Menschen.

Eine Verflechtung spezieller Art von Liebesgeschichten, alten und neuen, fand statt in diesem Sommer in diesem lieblichen Tal, währenddem dieses Buch entstand.

In der wahren Gemeinschaft ist jeder für jeden die grosse Liebe. Eine grosse Liebe schliesst andere grosse Liebesgeschichten nicht aus, im Gegenteil ermöglicht sie diese erst. In der wahren Liebe ist jeder und jede der erste, die erste für dich. Wenn nicht das Besitzdenken vorherrscht in Beziehungen, wird ein Wetteifern in der Liebe möglich, das nichts mit Wettstreit, mit Konkurrenz, mit Vergleichen und Besserseinwollen zu tun hat, sondern damit, sich mit den anderen zusammen darin zu üben, einander zu verwöhnen, Freude auf Freude zu häufen, das Glück zu mehren, so dass alle geborgen, aufgehoben, genährt und glücklich sein können. Die wirkliche Liebe fördert die Liebesgeschichten der anderen. Sie fühlt sich nicht ausgeschlossen davon, weil sie selbst einschliesst und keine Grenzen kennt. Die Geschichte wahrer Gemeinschaft, wirklicher Liebe muss noch geschrieben werden. Bis heute wurde sie auf dieser Erde nie in grösserem Stil gelebt. Die Lehre Krishnamurtis im Alltag zu integrieren würde eine neue Geschichte hervorbringen, wie sie bis heute noch nicht gedacht worden ist. Dazu will dieses Buch anregen und Hilfe sein.

Sobald das Besitzdenken aber siegt in uns, wollen wir die Liebe der anderen limitieren, damit unser eigener Mangel darin, unsere Insuffizienz in der Liebe nicht sichtbar werden soll. Wenn Liebe da ist, will jeder die Liebe mehren, die Liebe des anderen noch potenzieren. Man freut sich an der Liebe, wo immer sie gerade wächst. Man wetteifert miteinander, in der Liebe der Erste zu sein, darum gibt es in ihr nur Erste.

Von dieser Verflechtung der Liebesgeschichten, ganz konkret zwischen Menschen, will dieses Buch deshalb ein Lied singen, eine Geschichte erzählen, eine völlig neue Geschichte der gemeinsamen Reise ins Unbekannte, die mehr zwischen als auf den Zeilen stehen wird.

Wenn du, lieber Leser, liebe Leserin, lieber gleich in die geistige Atmosphäre des Meisters eintauchen willst, überspringst du vielleicht eher diesen Artikel, der den Hauptteil des Vorwortes bildet und steigst gleich in die sieben mal sieben Meditationen ein, die dem Vorwort folgen und den speziellen Duft der Lehre Krishnamurtis einfangen wollen. Du kannst dann die Einstimmung ebenso gut als Zusammenfassung an den Schluss deiner Betrachtungen stellen oder ganz weglassen. Lediglich die eingeflochtene Liebesgeschichte, die bereits im Vorwort einsetzt, verliert dann eine Spur ihrer Farbe und Verständlichkeit.

Das Büchlein ist eher als Meditationsimpuls, nicht zum Durchlesen in einem Zug gedacht. Ich rate dir, dir täglich höchstens einen der sieben mal sieben Texte vorzunehmen, sie mit dir herumzutragen, sie durchzukauen, zu verdauen, zu geniessen. Das Gleiche gilt natürlich für die vielen Fragen, die immer wieder die Texte begleiten. Jede einzelne sollte ein kleines Erdbeben in deinem Geist bewirken, sonst hast du dich davon nicht wirklich berühren lassen. Ein rein intellektuelles und schnelles Erfassen macht wenig Sinn. Persönlich habe ich die ursprünglichen Aussagen Krishnamurtis, denen diese Texte entsprungen sind, viele, viele Jahre in mir bewegt, bevor es mir möglich wurde, eine Gesamtschau davon zu entwickeln. Und dieser Prozess wird wohl nie ganz abgeschlossen sein.

Krishnamurti – angewandt im Alltag

Der Einfluss seiner Lehre auf die Psychotherapie

(Entwurf für einen Artikel in der Zeitschrift Link für November 1997)

Aufzuwachen am Morgen in diesem stillen, lieblichen Seitental ist wunderbar. Die Sonne wird noch lange nicht über den Berg kommen, aber der Blick durch das kleine Fenster der Berghütte zeigt, dass es ein schöner Tag werden wird, voller Sonnenschein. Die Frische des Morgens liebkost die Haut. Es riecht nach frischem Regen. Der Bach lärmt heute morgen; er ist immer noch angeschwollen von dem heftigen Gewitter des Vorabends. Über den Hügeln und Wiesen liegen noch Nebelfetzen. Die Gräser glitzern, und die vielen Spinnweben darin bilden einen hellen Schaum. Und später, sobald die ersten Sonnenstrahlen über den gold­umflossenen Bergkamm hinweg das Tal erreichen, beginnen die Wiesen zu dampfen, und die wattige Nässe leuchtet in tausend Kristallen auf, bevor sie sich verflüchtigt. Der helle Himmel ist unergründlich tief. Keine Wolke teilt seine Ganzheit.

Die anderen schlafen noch im Haus. Bald werden die Kinder aufstehen und mich aus dem Bett holen. Zusammen werden wir das Frühstück vorbereiten. Du, reife grosse Liebe, wirst noch ein Weilchen schlafen. Und wir werden über deinem Schlaf wachen. Aber du, zarte neue Liebe, wirst schon bald meine Wange küssen, wenn ich in der Küche das Feuer schüre. Welch ein Glück, euch beide, euch alle lieben zu dürfen!

Die jugendliche Stille des Morgens ist voller Jubel; sie lässt das Herz erwartungsvoll pulsieren. Die Augen sind belebt vom Glanz, der auf allem liegt, und die Ohren folgen lauschend ganz von selbst den Tönen und Geräuschen, die der grundsätzlichen Stille Ausdruck geben.

Mit der Lehre Krishnamurtis kam ich 1973 zum ersten Mal in Kontakt. Durch eine Freundin geriet das Büchlein Einbruch in die Freiheit in meine Hände. Die Lektüre liess mich vom Blitz getroffen zurück, vom Donner gerührt. Ich hatte mich schon seit einigen Jahren auf den pfadlosen Pfad der Beobachtung von dem, was ist, begeben und war diesen Weg mit Hilfe anderer, in einer Gruppe und auch begleitet von verschieden Lehrern gegangen. Was ich da las war also nicht völlig neu für mich; aber was mich im Innersten erschütterte, war die kompromisslose Wahrheit, die ungefilterte Wirklichkeit von dem, was da stand: jedes Wort ein Donnerschlag, jeder Satz ein Hammer. Ich war daran gewöhnt, jedes bisschen Klarsicht aus dem, was andere – auch berufene Leute – zu sagen haben, heraus­picken zu müssen, gewöhnt, dass auch der begnadetste Lehrer nicht frei ist von Verwirrung und es deshalb äusserst mühsam und schwierig ist, seine eigene Verwirrung im Spiegel der Beziehung zu ihm zu klären. Und hier traf ich also auf etwas, was ich vorher nie gefunden hatte und seither auch nie wieder gesehen habe: absolute Klarsicht, Wahrheit pur, die Stimme einer völlig unpersönlichen Intelligenz, eine Quelle von Einsicht, wie ich sie bisher nicht berührt hatte.

Das war mein erster Kontakt mit Krishnamurti und seiner Lehre, der gefolgt war von einem jahrelangen, intensiven Studium seines Werkes. Erst ein paar Jahre später, 1977, begegnete ich dann dem Menschen Krishnamurti selbst, beim Sommertreffen in Saanen, das ich fortan sporadisch, soweit es mir meine Pflichten erlaubten, besuchte. Den Menschen Krishnamurti in Aktion zu sehen war dann die zweite Offenbarung; oder vielmehr bestand diese darin, unmittelbar zu sehen, erleben zu können, wie da eine immense unpersönliche Energie, zu der ich selbst bereits eine Ahnung von Kontakt bekommen hatte, durch diese Persönlichkeit wirksam wurde.

Krishnamurti hatte sein Leben lang abgelehnt, eine Autorität zu sein, ein Meister zu sein, Schüler zu haben. Er hatte verweigert, die Rolle des Weltlehrers anzunehmen, die man für ihn ausgedacht hatte. Aber in meiner Auseinandersetzung mit ihm und seinem Teach­ing erkannte ich ihn genau als das: als den Weltlehrer unseres Zeitalters, der gekommen war, um uns das Lernprogramm für die nächsten 2000 Jahre zu diktieren. Ich hatte keine Mühe, diese Sicht zu akzeptieren; sie war die simple Wahrnehmung einer Tatsache. Da ich verschiedener Umstände wegen nie in einen ganz persönlichen Kontakt trat mit ihm und mich auch eher fern hielt von der Clique, die sich um ihn gebildet hatte, war ich auch nie in Gefahr, mich in irgendwelche Projektionen, Autoritätskonflikte oder Abhängigkeiten in bezug auf seine Person zu verwickeln. Diese Stadien hatte ich bereits zuvor mit anderen Lehrern durchlaufen, die Gefahr darin erkannt und mich von der Versuchung, in derartige Verbundenheit einzutreten, bereits gelöst. So konnte ich seine Berufung sehen, erkennen, dass er in der Zurückweisung der ihm von Menschen zugedachten Aufgabe, diese in einem tieferen Sinn genau angenommen hatte, und im Spiegel des Bezogenseins zu diesem unpersönlichen Licht meine eigene Berufung allmählich erkennen. Ich hatte andere, auch grosse Lehrer kennengelernt: Manuel, mit dem ich ganz persönlich leben durfte, Bhagwan, dem ich zumindest persönlich begegnet bin und den Don Juan Matus Castanedas, einen der ganz Grossen, den ich nur aus der Ferne lieben durfte. Aber hier spürte ich, und fühlte mich dadurch begnadet, war ich dem begegnet, was höchstens einmal in tausend Jahren über diese Erde wandelt: dem Buddha, dem Christus oder wie sie es immer genannt haben. Dankbar nahm ich diese Gnade an.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Krishnamurti war nicht mein Meister. Ich hatte persönliche Lehrer, einen Meister hatte ich nie, brauchte ich nie. Krishnamurti ist der Meister, der Lehrer, der Lehrer für ein ganzes Zeitalter. Darin ist etwas völlig Unpersönliches.

In dieser Zeit befand ich mich gleichzeitig in der Ausbildung zum Arzt und schliesslich dann zum Psychiater und Psychotherapeuten. Psychotherapie hatte ich immer als das Beobachten, Aufdecken und Stillsein mit dem, was ist, und als die Wandlung, die dadurch in uns einsetzt, erlebt. Es irritierte mich deshalb zuerst, zu hören, dass Krish­namurti dem analytischen Vorgehen der Psychoanalyse nichts abgewinnen konnte. Erst allmählich verstand ich, dass es innerhalb der Psychotherapie zwei grundsätzlich verschiedene Bewegungen gibt und dass diejenige, welcher ich mich ganz spontan angeschlossen hatte, die kleinere war. Die andere, grössere, ist diejenige, die tatsächlich Psychotherapie, Psychoanalyse als gedanklichen, intellektuellen, analytischen Prozess versteht; die mir bekannte, kleinere ist diejenige, der das Gedankengut Krishnamurtis nicht fremd ist, obwohl es in dieser Reinheit natürlich kaum irgendwo zu finden ist. Man kann auch sagen, Analytiker im Sinne Krishnamurtis vermeiden Beziehung, währenddem für die kleinere Gruppe Analyse oder eben Psychotherapie gerade ein Prozess der Beziehung ist. Diese kleinere Bewegung versucht Transformation zuerst in sich selbst, im Analytiker, und dann darüber hinaus im Klienten zu bewirken, indem Hilfe geleistet wird, sich der inneren Wahrheit zu stellen, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, und in diesem Stillsein damit dann Wandlung zu erfahren. Die Entdeckung, dass Psychotherapie nicht einfach Psychotherapie ist, nicht immer das darunter verstanden wird, was ich damit meinte, dass vielmehr mein Verständnis davon einen kleinen Raum innerhalb dieser grossen Gesamtbewegung des psychotherapeutischen Denkens einnahm, entfremdete mich natürlich zunehmend von der Zugehörigkeit zu diesem Hintergrund, lange noch bevor ich darin ausgewachsen war. Gleichzeitig erschloss mir aber dieses Umfeld einen Raum, in dem ich meine Berufung, wie ich sie mehr und mehr erkannte und anerkannte, leben konnte, und es fiel mir daher leicht, diesen Hintergrund zumindest vorläufig als Rahmen für meine Tätigkeit zu akzeptieren. Meine Berufung erkannte ich darin, zuerst einmal eine völlige Wandlung in meinem Bewusstsein hervorzubringen und diese dann unter die Menschen zu tragen, um mitzuhelfen, eine grundsätzliche – und äusserst notwendige – Mutation im Bewusstsein der Menschheit überhaupt zu bewirken. Psychotherapie war für mich nie ein Prozess gewesen, der lediglich oberflächliche Symptome heilen soll – dies war höchstens ein wünschenswerter Nebeneffekt –, sondern das Angebot, im Spiegel einer Beziehung oder – im Rahmen der Gruppentherapie, wie ich sie später vor allem zu betreiben begann – im Spiegel von vielen Beziehungen diese grundsätzliche innere Revolution im Bewusstsein hervorzubringen, von der Krishnamurti in so eindrücklich klarer Weise sprach.

Die Psyche wird im allgemeinen als ein Teil des Bewusstseins gesehen. Krishnamurti braucht die beiden Begriffe auch synonym. Die Psychologie befasst sich meist nur mit gewissen Spektren des Bewusstseins, vor allem mit Problemen und Bedürfnissen. Lediglich die transpersonale Psychologie ist wesentlich darüber hinausgegangen in einen umfassenderen Bereich, indem sie sich auch mit Liebe und Gotteserfahrung auseinandersetzt.

Natürlich gibt es auch noch andere Richtungsunterschiede in der Psychotherapie, wie zum Beispiel die zudeckende oder untedrückende versus die aufdeckende oder anerkennende Psychotherapie, welche ebenso wie der analytische beziehungsweise Wahrnehmungszugang die Tore für Krishnamurtis Lehre in der Psycho­the­rapie öffnen beziehungsweise schliessen. Aber darauf näher einzugehen, fühle ich mich nicht berufen.

Zusammenfassend kann man sagen: Normale Psychotherapie befasst sich mit dem Kranken. Es geht dabei um eine Umkonditionierung oder Neukonditionierung des Gehirns. Dieser Art von Psychotherapie, die sehr verbreitet ist,ist das Denken Krishnamurtis fremd. Meine Psychotherapie fühlt sich verantwortlich für den ganzen Menschen und auch für die Erneuerung der Gesellschaft. Ihr Ziel ist eine völlige Dekonditionierung des menschlichen Gehirns und Geistes, eine radikale Wandlung des einzelnen und damit der Gesellschaft. Diese Art der Psychotherapie ist die praktische Anwendung der Lehre Krishnamurtis im Alltag.

Im Verlauf der 25 Jahre Tätigkeit in diesem Umfeld der Psychiatrie und Psychotherapie, die diesem ersten Kontakt mit Krishnamurti folgte, habe ich mich konsequenterweise immer mehr davon gelöst und zurückgezogen. Es ist mir daher nicht möglich, wirklich Verbindliches zu sagen über die Auswirkungen der Lehre Krishnamurtis auf die Psychotherapie im allgemeinen. Mein Kontakt zu ihren Vertretern ist zu gering, mein Studium der aktuellen Literatur praktisch gleich null. Im Laufe der Zeit habe ich mich fast völlig von diesem anfänglich hilfreichen Mutterkuchen abgenabelt und stehe heute unabhängig und allein, ohne eine Verbindung zu irgendwelchen Gesellschaften oder Vereinigungen, lediglich im Herzen verbunden mit Persönlichkeiten, die mir Freund geworden sind im Laufe meines Lebens. Dass diese Entwicklung so verlaufen ist, werte ich als Zeichen, dass sich die Psychiatrie und Psychotherapie als Ganzes in eine andere Richtung bewegt als in die, die Krishnamurti mit seinem Wirken vorgegeben hat. Belegen kann ich das allerdings nicht. Es ist mehr ein allgemeiner Eindruck. Andererseits weiss ich aber aus den persönlichen Beziehungen zu Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, dass es viele gibt, die zum Teil oberflächlich, zum Teil tiefschürfender und zum Teil sogar ganz fundamental von der Lehre Krishnamurtis beeinflusst sind.

Ich werde deshalb nach diesen einleitenden Worten zu meinem Hintergrund lieber über den Einfluss Krishnamurtis auf mein ganz persönliches Wirken sprechen und die Beurteilung, wie weit sein Einfluss in der ganzen Bewegung der Psychiatrie und Psychotherapie spürbar (beziehungsweise bereits spürbar) ist, den Historikern überlassen.

Wie ich schon ausgeführt habe, haben mich die Schriften Krishnamurtis und der Kontakt zu ihm nicht eigentlich auf den Weg der wahllosen und reaktionslosen Beobachtung von dem, was ist, gebracht – den hatte ich schon zuvor aus eigener Einsicht oder durch die Führung und Hilfe anderer Persönlichkeiten eingeschlagen –, sondern sie hatten mich vielmehr darin unterstützt, bestätigt und mir geholfen, an kritischen Stellen in der allgemeinen Verwirrung, in der sich die Menschheit befindet, Klarheit zu finden. Mein Wirken als Psychotherapeut oder später als spiritueller Lehrer verstand ich zunehmend als eine Integrationstätigkeit für das, wofür Krishnamurti das Fundament gelegt hatte. Ich sah meine Aufgabe darin, mit anderen zusammen in der Menschheit dieses unmöglich scheinende Unterfangen einzuleiten, von welchem ich denke, dass es zwei- bis viertausend Jahre dauern wird, bis es vollzogen ist, nämlich diese Lehre im Bewusstsein der Menschheit so sehr zu verankern, dass sie im Alltag wirksam werden wird.

Krishnamurti war für mich eine Quelle. In erster Linie eine ganz unpersönliche Quelle. Ich begegnete ihm ja auch nie ganz persönlich; so war es leicht und wohl auch hilfreich, ihn so zu sehen. Ich erlebte es auch nie so, dass seine Person die Quelle war, sondern ich spürte, dass sich eine immense Kraft durch ihn offenbarte, zu welcher wir alle auch einen direkten Zugang bekommen können und auch bekommen sollen. Da dieser Zugang in mir aber nicht so unmittelbar herzustellen war, wurde vorübergehend Krishnamurti und vor allem seine Bücher Mittler zu dieser Quelle. Von dieser Quelle habe ich getrunken. Ich liess mich regelrecht durchtränken davon. Dies ging so weit, dass jede Unterscheidung zwischen dem, was ich aus meiner eigenen Einsicht gewonnen, und dem, was ich aus dieser Quelle aufgenommen hatte, hinfällig wurde. Von Krishnamurti habe ich in gewissem Sinne gar nichts gelernt, nichts aufgenommen, nichts memorisiert vor allem, kein neues System bekommen oder so etwas. Vielmehr bestand sein Einfluss in der Befreiung von allem Einfluss, in der Unterstützung, Ermunterung, Anregung, selbst zu lernen, sich auf seine eigene Wahrnehmung zu verlassen und dabei das zu entdecken, was für uns alle gleich ist: die unerschöpfliche Quelle des Heiligen.

Krishnamurti war aber auch eine Person. Er war auch der Lehrer, obwohl er ein solcher gar nicht sein wollte. Und ich liebte ihn als Lehrer, ich verehrte ihn und spürte auch immer wieder ein Bedürfnis, ihm als Lehrer die Reverenz zu erweisen. Denn ich hatte im Umgang mit anderen Lehrern bereits gelernt, dass man von der Autorität des Lehrers wieder frei wird, wenn man diesen liebt, wenn man ihn anerkennt als geistigen Vater, wenn man sich in Dankbarkeit, Ehrerbietung und Demut vor ihm verneigt.

«Triffst du Buddha unterwegs, dann bring ihn um!», ist ein bekanntes Zitat aus der Zen-Literatur. Der Satz ist irgendwie richtig. Auch Krishnamurti hat immer wieder festgehalten, dass die Lehre wichtig ist und nicht der Lehrer. Wenn ich mich von der Autorität des Lehrers nicht lösen kann, wenn seine Worte endlos in meinem Gemüt als seine Worte weitergeistern, kann sich die Wahrheit in mir nicht unabhängig entfalten. Aber persönlich habe ich einen besseren, weniger gewalttätigen Weg gefunden, als den Lehrer umzubringen: Liebe macht frei, völlige Verschmelzung macht unabhängig, nicht Abgrenzung; denn Liebe und Tod sind eins, gehen Hand in Hand. In der Liebe zu ihm stirbt mein Ego in den Lehrer und seine Lehre hinein, damit stirbt auch der Lehrer als Person für mich, und die Lehre und «mein Wesen» sind eins. Dankbarkeit macht frei; Widerstand bindet.

Oft offenbart sich uns die Quelle, die letztlich eine innere Erfahrung ist, zuerst personifiziert in einem Menschen, weil wir in der Auseinandersetzung mit einem konkreten menschlichen Wesen unsere Schwächen und Eigenheiten, die wir zu verstehen haben, besser anschauen können. In diesem Sinne spürte ich schon seit längerer Zeit ein Bedürfnis, diesem meinem wichtigsten und langjährigsten Lehrer, Krishnamurti, in irgendeiner Weise noch meine Achtung, meine grosse Zuneigung und meinen Dank darzubringen. Ich hatte inzwischen bereits selbst eine ganze Reihe von Büchern geschrieben, die wie ich selbst durchtränkt waren von diesem Einfluss, von der Energie, vom Licht dieser Quelle. Ich hatte in diesen Büchern auch immer mal wieder auf diesen wichtigsten Einfluss auf mein Leben und auf mein Wirken hingewiesen, hatte auch offenbart, dass ich in Krish­namurti den Weltlehrer erkannt hatte, aber suchte doch immer noch nach einer Möglichkeit, eine geeignetere und etwas umfassendere Form für meine Wertschätzung zu finden. Schliesslich reifte in mir allmählich der Drang, ein Buch über Krishnamurti und seinen Einfluss in meinem Leben unter dem Titel, den dieser Artikel trägt, zu schreiben, auch eine Art Zusammenfassung seiner Lehre, wie ich sie verstanden habe, zu formulieren, um auf diese Weise meine Ehrerbietung darzubringen, obwohl Krishnamurti zu diesem Zeitpunkt bereits seit über zehn Jahren verstorben war. «Lieber Meister», wollte ich damit sagen, «ich habe dich erkannt, und ich bin glücklich, dass ich gleichzeitig mit dir über die Erde wandeln und dir begegnen durfte. Du brachtest mir Schönheit. Du warst die Schönheit. Du bist Schönheit. Ich danke dir.» Auch hatte ich das Gefühl, dass ein solches Büchlein für die Verbreitung seines Gedankengutes im Feld der psychotherapeutisch interessierten Menschen hilfreich sein könnte und es zu schreiben, somit zu meinen Aufgaben gehörte. Die Lehre Krishnamurtis im Alltag des Menschen integrieren zu helfen ist für mich die Aufgabe und der Sinn dieses Buches.

Alle meine Bücher habe ich aus einem inneren Drang heraus geschrieben. Ich denke sie mir nicht aus, sondern sie formen sich in mir als eine Energie, die schliesslich explodiert, wenn sie stark genug geworden ist, und sich ausdrückt in Worten. Ich habe dabei weniger das Gefühl, selbst etwas hervorzubringen, als mehr einem Ruf zu folgen, mich brauchen zu lassen als Werkzeug für genau diese unerschöpfliche Kraft und Quelle, die ich in ihrer reinsten Form in Krishnamurti wahrgenommen habe. Auch hier, für dieses neue Buch über die Lehre Krishnamurtis, spürte ich wieder diesen Drang. Genau zum Zeitpunkt, als diese innere Kraft sich aus mir heraus langsam in eine Form ergiessen wollte, bekam ich über die bereits erwähnten interessanten Umwege Kontakt zu Friedrich Grohe, mit dem ich bereits ein paar Jahre zuvor kurz Berührung gehabt hatte und der mich nun aufforderte, einen Artikel für seine Zeitschrift Link genau zu diesem Thema zu schreiben. Dem bin ich natürlich gerne nachgekommen, schafft es doch auf diese mysteriöse Weise, die die Wirklichkeit des Lebens immer wieder hat, eine Verbindung zum Umfeld, das den Nachlass Krishnamurtis verwaltet, noch bevor ich mit der eigentlichen Arbeit an diesem Buch begonnen habe. Und dieser Artikel wird gewissermassen eine Zusammenfassung von dem oder auch ein Ausblick auf das, was ich in breiterer Form in ein, zwei Jahren hoffe vorlegen zu können: Krishnamurti – angewandt im Alltag; eine Zusammenfassung seiner Lehre als Einladung, sich mit seinem Werk zu beschäftigen, für meine Klienten und all die Menschen, die meine Seminare besuchen.

Der Mittag mit seiner Hitze trifft uns hoch oben in den Bergen. Er riecht nach Schweiss. Seiner Natur nach ist er viel lärmiger, hitziger als der Morgen. Die Menschen füllen ihn aus mit ihrem Tun, und auch alle Natur ist emsig und ruhelos. Aber da ist eine andere Stille jetzt, die alles durchdringt, die Stille der nackten Felsen gegenüber, dieser gigantischen Berge und des weiten Himmels darüber: eine ewige Stille. Sie ergreift das Herz mit ihrer Heiligkeit und macht den Abstieg in der sengenden Wärme freundlich und leicht. Weit ausgedehnt ist die Wahrnehmung. Das Herz und der Kopf sind erfüllt von dieser Unendlichkeit und dieser Freiheit. Das Auge hält die ewig ruhenden Tannen, die Dörfer in der Tiefe und Ferne, voll von menschlichem Lärm, der aus dieser Distanz und dieser Höhe so unbedeutend scheint. Es umfasst die Schneefelder und braunen Hänge, die unendlich vielen Grün, die diese Landschaft komponieren, das glatte Gleiten und dann wieder den schnellen Flügelschlag der Dohlen. Heiss türmt sich die Glut des Mittags im Nacken.

Hinter mir in einiger Distanz höre und fühle ich euch alle. Die Wahrnehmung trägt euch mit, auch wenn oder gerade weil sie von grossem Alleinsein erfüllt ist. Am Wegrand, im Halbschatten auf feuchtem Grund, da wo die Walderdbeeren reifen, werde ich auf euch warten. Die Liebesgeschichte hat begonnen. Ganz zaghaft noch, aber unwiderstehlich.

Die Füsse bewegen sich wie von selbst, und das ganze Wesen ist Lauschen. Innen ist nichts anderes als die Wahrnehmung dieses Äussern: der wechselseitige Ruf der Bergdohlen, ständig sich verändernd in ihrem Flug, die Glocken der Kühe oder das Geräusch von gerupftem Gras, wenn wir sie passieren. Manchmal schauen sie auf und erwidern unseren Blick.

Über allem ballen sich vereinzelte, aber gewaltige Wolkentürme.

Nach all diesen Ausführungen, die ein Vorwort für das erwähnte Buch bilden könnten beziehungsweise eine Erklärung sind für mein Wirken: Was sind denn nun die Auswirkungen der Lehre Krishnamurtis auf mein Leben, auf mein Wirken als Psychotherapeut, auf meine Tätigkeit als Autor von psychotherapeutisch und spirituell orientierter Literatur? Nach all dem Lernen und Forschen in den Werken Krishnamurtis, nach all den Jahren des Beobachtens: Was ist die Lehre, die ich aufgenommen habe?

Ich weiss es nicht. Sie ist nicht fassbar. Im Gegenteil bin ich in ihrer Betrachtung und Befolgung leer geworden. Um Krishnamurti und seine Lehre zu realisieren, musste ich schliesslich auch ihn selbst beiseite setzen, muss man ihn zuerst beiseite setzen, so wie alles, was zur Vergangenheit gehört. Deshalb ist die einzige mögliche Antwort auf die Frage nach dem Inhalt der Lehre für mich, dass wir zusammen noch einmal ganz neu hinschauen, noch einmal ganz neu hineingehen, jetzt, mit frischem Geist, der noch nichts weiss, leer ist, unschuldig, demütig, der fragt, der schaut, der lauscht, noch einmal zusammen diese Lehre entdecken, die immer neu und unbekannt und unfassbar sein wird.

Ich kann keine wirkliche Zusammenfassung von Krishnamurtis Lehre schreiben. Das ist ganz einfach nicht meine Aufgabe. Das überlasse ich gerne anderen. Es ist auch nicht an mir, eine Interpretation seines Wirkens zu verfassen. Auch das ist nicht meine Aufgabe, und überdies braucht die Wahrheit nie eine Interpretation. Sie steht für sich, allein. Was ich kann ist, die Einsicht, die ich selbst aus der Quelle gewonnen habe, zusammenfassen. Das ist eine Zusammenfassung der Lehre Krishnamurtis, weil seine Lehre gar nicht seine Lehre ist, sondern eine unpersönliche, ein direkter Ausdruck der Quelle. Für mich war aber auf weiten Strecken das, was er persönlich ausgedrückt hat, Quelle. Darum ist meine Lehre seine Lehre, und seine Lehre ist die Lehre und meine Lehre ist ebenso die Lehre, und seine Lehre ist nicht seine Lehre, und meine Lehre ist nicht meine Lehre. Eine Unterscheidung von sein und mein und dein ist auf dieser Ebene nicht mehr nötig und nicht mehr möglich.

Jedoch ist mein Ausdruck dieses Unpersönlichen wiederum persönlich, individuell. Wir können nicht Individuen sein, solange wir zersplittert sind und daher nicht die Ganzheit ausdrücken, hat Krish­namurti immer wieder betont. Sobald dies aber der Fall ist, kommt das, was wir ausdrücken, direkt aus der Quelle, ist aber dabei immer auch gefärbt von unserem Persönlichen, Individuellen. Wir sind Individuen geworden, Persönlichkeiten, die das unpersönliche Potential der Ganzheit ganz intim ausdrücken. Das ist auch das eigentlich Schöne daran. Immer wieder geniesse ich es, die Wahrheit wieder von einem anderen zu hören, auf eine andere Art noch gezeigt zu bekommen, so dass ich sie noch tiefer verstehen kann. Darin haben auch die Schwächen und Unvollkommenheiten desjenigen Platz, der sie ausdrückt. Das Wahre im Falschen zu sehen, hat Krishnamurti immer wieder hervorgehoben, sei auch notwendig. Auch Krish­namurti, obwohl ein wunderbares und fast vollkommenes Vehikel für die Essenz, hatte seine dunklen oder unklaren Seiten. Für mich tut das seiner Lehre, die gar nicht seine ist, und seinem persönlichen Wirken, meiner Liebe zu ihm und meinem Erkennen, dass er der Lehrer unserer Zeit war, überhaupt keinen Abbruch. Ich habe mich deshalb immer wieder gewundert, dass im engen Kreis um ihn ein Buch, wie das von Radha Rajagopal Sloss (Lives in the Shadow with Krishnamurti) oder ähnliche Informationen, auch wenn sie bestimmt nicht nur aus reinen Motiven weitergegeben wurden und auch viel Unwahres und falsch Verstandenes enthalten, unterdrückt werden und solche Bücher in den Bücherlisten nicht aufgeführt sind. Alles dient. Auch das Böse oder das Verirrte dient. Alles dient der Liebe. Warum kann man das nicht sehen und würdigen? Für mich waren alle Informationen über Krishnamurtis Person, wie zum Beispiel auch die Kitchen Chronicals von Michael Crohnen, die Bücher von Sidney Field (The Reluctant Messiah), Peter Michel (Freiheit und Liebe) oder Vimala Thakar (Meine Begegnung mit Krishnamurti) und andere, äusserst hilfreich und informativ, obwohl sie zum Teil sehr subjektive Beobachtungen oder ein wenig umfassendes Verständnis des Wirkens von Krishnamurti ausdrücken. Gerade das Buch von Radha Sloss half mir mit seinen Informationen über dessen persönliches sexuelles Leben über einen der wenigen Zweifel hinweg, die ich in bezug auf Krishnamurti hatte, so dass ich ihn noch ungehinderter lieben und ihm ergeben sein konnte.

Für mich hat in seinen Büchern und Reden immer etwas gefehlt, nämlich eine ausführlichere Darstellung der Sexualität und des richtigen Umgangs mit ihr, auch sein ganz Persönliches darin. Zwar war alles, was er darüber sagte, absolut wahr und in Ordnung, aber irgendwie nicht vollständig. In der Psychotherapie erkennt man gerade diese Kraft und ihre Unterdrückung und deshalb Pervertierung, die ungelösten Fragen um sie herum als grosses Problem, das verantwortlich ist für enormes Leid in der Welt und für das fehlende Blühen von Gemeinschaft und Liebe. In meinen Büchern habe ich deshalb dieser Problematik viel Raum gegeben und schien damit gewissermassen im Widerspruch zu Krishnamurti zu stehen, obwohl ich mich doch so ganz und gar als sein Schüler fühlte. Das Buch von Radha Rajagopal Sloss warf nun Licht auf diese Diskrepanz, zeigte mir die persönliche Geschichte des Meisters, seine Begrenzung in diesen Fragen, zeigte mir, dass er darin auch ein Kind seiner Zeit war, nahm die Last des Zweifels von mir und bestätigte mich in der Einsicht, mit der ich schon lange schwanger gegangen war, dass es eben meine Aufgabe ist, gerade diesen Aspekt noch hervorzuheben, ihn in der reaktionslosen und wahllosen Betrachtung ans Licht der Wahrheit zu bringen. Dass Krishnamurti als konkrete Person in unerwünschte Schwangerschaften, eine unklare Dreiecksgeschichte, die ihn noch im hohen Alter einholte, in unerfreuliche Abtreibungen, für die er nicht die Verantwortung übernommen hatte, verwickelt war, wertet die Schönheit seines Lebens und Werkes für mich nicht ab, sondern auf. Es bestätigte mein Gefühl, dass er weitgehend umgeben war von Menschen, die ihn nicht wirklich verstehen konnten, vor denen er sich verstecken und beschützen musste, dass auch er gezwungen war, einen Teil seines Seins im Verborgenen zu leben, wenn er der allgegenwärtigen Verachtung und Abwertung durch die gängige, verlogene Sexualmoral, derselben, die nun ein Buch wie das von Radha Rajagopal Sloss verleugnen will, entgehen wollte. Dabei ist es nicht deshalb wichtig, das Leben und die Person des Lehrers zu verstehen, um ihm in irgendeiner Weise grosse Wichtigkeit zu geben, sondern gerade um ihn vergessen zu können. Die Lehre ist wichtig, nicht der Lehrer; und nach dessen Vollkommenheit und ungebrochener Integrität zu schreien, weist lediglich auf die Konditionierung des Rufers hin. So hat es Krishnamurti jedenfalls in Diskussionen um seine Lebensweise selbst aufgezeigt. Aber er hat auch darauf hingewiesen, dass jeder, der dafür erwacht, dass er dem Buddha begegnet ist, oder jemanden trifft, der ihn kannte, alles daran setzen wird, diesen zu verstehen, dass er alles über diesen und sein Leben erfahren will. Warum? Eben um in diesem Verständnis von ihm frei zu sein. Man wendet die Lehre auch auf den Lehrer an! Was man versteht, davon ist man frei. Wozu wäre die Lehre sonst nütze?

Und der Rest des Sloss-Buches, die Rechtfertigung der Rajagopal-Familie, die Verworrenheiten und Verdrängungen sehe ich und lasse sie ohne eine Reaktion stehen. Dankbar bin ich für die Informationen über Krishnamurtis persönliche Sexualität, die alle anderen offenbar lieber verschwiegen und mich und möglicherweise viele andere damit in die missliche Lage eines kleinen Kindes versetzt hätten, das in seiner Familie spürt, dass etwas nicht klar ist, es aber nicht verstehen kann, weil man ihm die dazu notwendigen Informationen vorenthält.

Ähnlich erging es mir mit der Tatsache, dass ich mich einer ganz speziellen Psychotherapie, die mich innerhalb des ganzen Kollegenkreises noch viel mehr zum Aussenseiter machte, intensiv befasst hatte, nämlich der Psycholytischen Psychotherapie, das heisst der Unterstützung des psychotherapeutischen Prozesses durch psycho­tro­pe Substanzen wie zum Beispiel LSD oder MDMA (Ecstasy). Auch dazu hat sich Krishnamurti sehr wenig und wenn, dann eher negativ ge­äussert, obwohl er andererseits in den siebziger Jahren zugeben musste, dass Menschen mit LSD-Erfahrung Sätze wie du bist die Welt oder der Beobachter und das Beobachtete sind eins viel leichter verstehen konnten, also einen Zugang zu einem tieferen Verständnis gefunden hatten. Genau dies entsprach auch meiner Erfahrung, weshalb ich mich besonders dieser Form der Psychotherapie verschrieben habe, dies gar als Teil meiner Berufung fühle, ihr – obwohl dies mit viel Schwierigkeiten und gar Verfolgung verbunden ist – in unserer Welt voller Tabus und Geboten zum Durchbruch zu verhelfen. Auch diesen Teil der Diskrepanz, dass ich als ergebener Schüler Krishna­murtis da eine ganz andere Ansicht vertreten muss, konnte ich als Aspekt einer Wahrheit verstehen, die sich immer wieder neu zeigen will und sich niemals einfangen lässt in fixe Bilder und feste Strukturen.

Seinen Lehrer zu lieben heisst, von ihm frei zu sein. Deshalb gibt es keine Autorität. Eigentlich ist es nicht wichtig, aus welcher Quelle unser Erwachen kommt. Aber natürlich sind da auch die Liebe und der Respekt für den Lehrer. Und genau in dieser Liebe und in diesem Respekt bist du frei von seiner Autorität. Liebe ist der befreiende Faktor auf allen Ebenen.

Unsere Konditionierung sieht doch ganz allgemein so aus, dass wir von einem Lehrer, einem Heiligen erwarten, dass er ein Held sein soll; und ein Held ist in unserer Vorstellung ein Mensch ohne Bedürfnisse, einer, der ganz unabhängig und allein stehen kann. Das gilt vom Revolverhelden des Wilden Westens bis zum spirituellen Lehrer. Darauf sind wir konditioniert. Und diese Konditionierung begründet sich natürlich auf der Abwehr der Einsamkeit, des Ausgeliefertseins, auf der viele Muster in unserem Denken aufbauen. Ist sie deswegen wahr? Natürlich nicht. Der Held verkörpert das Ideal unserer Verdrängung, das wir alle nicht erreichen, weil es nicht lebbar ist. Erleuchtung hat nichts mit Unabhängigkeit zu tun. Im Gegenteil besteht Erleuchtung gerade darin, den Mut aufzubringen, dieses komplette Alleinsein anzunehmen, in dem die Wahrheit unserer völligen Abhängigkeit voneinander, von der Umgebung, vom Universum sichtbar wird. Darin findet sich zwar ein völliges Auf-sich-selbst-gestellt-Sein, das aber gleichzeitig ein totales Angewiesen-Sein aufs Ganze beinhaltet. Wer aber dem Bild unserer Konditionierung nicht entspricht, kann in unseren Augen nicht erleuchtet sein, kann kein Held sein. Die Bilder der anderen, der Unerleuchteten, die sie auf ihn projizieren, anzupirschen, gehört zur Lebenskunst des Erwachten. Ob das Vorhandensein dieser Problematik im Leben Krishnamurtis bereits ein Hinweis ist, dass die Menschheit auch diesmal noch nicht bereit ist für die Lehre, für den Meister, dass wir auch an dieser Runde wiederum scheitern, das Paradies nicht zurückgewinnen, wieder eine Religion mit einem sagenumwobenen Stifter schaffen werden?

Die Sonne steht noch hoch. Ganz plötzlich treten wir ein in eine ganz andere Stille. Ganz unerwartet umfängt sie uns, wie wir den Fluss erreichen, gesäumt von vielerlei Bäumen, die den Weg, der ihm entlang führt, beschatten. Der Fluss ist ein Gefühl und ein Gesang. Seine Stille fühlt sich angenehm kühl an, durchdringend, betörend auch. Das klare Wasser rinnt eiskalt über Gesicht und Hände. Die von der Hitze erregten Sinne beruhigen sich schnell und beim schattigen Rastplatz befällt uns schnell eine Art ekstatischer Trance, die auch Folge der körperlichen Anstrengung sein mag. Der Gesang des Flusses schwillt manchmal an wie ein ganzer Chor, um an anderen Stellen wieder in ein leises Murmeln zu verfallen. Sein Lärmen verschwindet nie ganz, aber es scheint zusammengesetzt aus verschiedenen Orchestern, die manchmal weiter auseinander und manchmal näher beieinander plaziert sind und die sich gegenseitig unentwegt und fröhlich zu übertönen versuchen. Das Tosen des Baches ist Stille. Es stört die Stille nicht. Es ist ihr Ausdruck.

Auf der Holzbank sitzen wir nahe beieinander, versinken ineinander und ruhen uns aus. Wir sind völlig still. Stille umgibt uns, erfüllt uns. Es gibt wenig zu sagen. Wir fühlen uns unmittelbar. Die Liebe ist erwacht; und das Auge ist berührt vom Flirren der Lichter und der Schatten.

Der Kopf und das Herz halten diese Stille. Das Auge schaut aus dieser Stille. Es empfängt den Tanz der Lichtflecken, die durch die Blätter fal­len. Das Ohr lauscht aus dieser Stille heraus. Nichts stört, deshalb ist alles still. Wunderbare Blätter wachsen am Rande des Flusses, grosse rauhe Scheiben. Das Licht der Sonne, reflektiert vom Wasser, zittert auf ihnen.

Es ist eigenartig, auf diesen Wegen zu wandern, den Pfaden, die der Meister gegangen ist. Es ist eigenartig, das zu beschreiben, was er so oft beschrieben hat und gleichzeitig zu sehen, dass es nie dasselbe sein kann, dass es immer neu sein wird, noch nie dagewesen, wenn man es wirklich erschaut, erlauscht, erfühlt. Darum ist es nicht nur eigenartig, macht es einen nur für einen Augenblick scheu, erfüllt es auch mit Freude und ist letztlich auch völlig unbedeutend, das zu erfahren und festzuhalten, was ein anderer vor uns schon getan hat. In diesem Erkennen wird das Auge jung, das Ohr voller Unschuld und der Geist und das Herz damit: Sie sind völlig leer und deshalb voller Jubel. Sie jubeln mit dem Bach. Und dieser Jubel ist die Ekstase der Stille.

Was ist denn nun also diese Lehre, von der wir hier ständig sprechen? Wie kann man sie umschreiben? Und wie hat sich die Integration dieser Lehre im Alltag für mich persönlich und für die Menschen, die ich begleite, ausgewirkt? Und was ist Psychotherapie?

Es handelt sich dabei um die Beschreibung eines Prozesses der Transformation, einer Transformation des gesamten menschlichen Geistes, einer möglichen und absolut notwendigen und völlig radikalen Wandlung in unserem Bewusstsein, einer inneren Revolution. Diesen Prozess können wir als Meditation bezeichnen. Ich kann ihn hier in einem solchen Artikel nur rudimentär beschreiben, hoffe ihn aber im angekündigten Buch, das sich darauf begründen wird, dann genauer auszuführen. Diese Lehre in meinen Worten zusammenzufassen ist identisch damit, zu erzählen, wie sie sich auf mich oder meine Klienten ausgewirkt hat. Es handelt sich ja nicht um eine Theorie, sondern um einen lebendigen Prozess, von dem «ich» nicht getrennt bin, «mein» Klient nicht getrennt ist, wenn wir ihn durchlaufen. Die Beschreibung ist nicht das Ding, hat Krishnamurti immer wieder betont. Aber dieser lebendige Prozess ist das, was von mir übrig bleibt, was vom Klienten übrig bleibt, wenn wir uns ihm stellen, wenn das Ich darin schwindet. Ein Prozess, der uns mit unserer eigentlichen Natur in Verbindung bringt, mit der Essenz allen Seins, uns als reine, leere Wahrnehmung zurücklässt. Deshalb bleibt nichts, ausser diesen unpersönlichen Prozess aufzuzeigen, ihn gemeinsam anzutreten, der uns ins Unpersönliche führt, dahin, wo wir wieder Anteil an der Ganzheit haben, am ungeteilten Wesen. Das heisst, dieses Paradox zu verwirklichen, dass das höchst Individuelle gleichzeitig das höchst Unpersönliche, eben das Ungeteilte ist, wie der Begriff es ursprünglich beschreibt.

Der erste und wichtigste Schritt in diesem Prozess bei dieser Reise ins Unbekannte ist die Wahrnehmung, die Beobachtung, das Erwachen für die eigenen Sinne, für die Gesamtheit der sinnlichen Wahrnehmung: Achtsamkeit für das, was ist. Zu lernen, mit dem, was ist, still zu sein, es in sich zu halten; zu lernen, es ohne innere Reaktion aus der Vergangenheit zu betrachten, zu verstehen, wahllos sich dem inneren und äusseren Prozess zuzuwenden. Die Dinge so zu sehen, wie sie sind, ohne unsere Meinung, ohne unser Urteil, ohne unsere Erinnerung. Daraus erwächst Aufmerksamkeit, welche nicht Konzentration ist. Konzentration schliesst immer einen Teil aus. Konzentration ist Widerstand gegen einen Teil. Diese Art der Be­obachtung ist der erste Schritt, und sie ist auch der letzte Schritt. Freiheit steht am Anfang, hat Krishnamurti immer wieder gesagt, und nicht am Ende der Reise. Freiheit ist im wesentlichen die Freiheit, ohne ein Tabu hinschauen zu können auf das, was ist. Wir beginnen also immer mit dem Lauschen und dem Schauen. Dies sind die Hauptpfade in den Zustand der Meditation oder in die Domäne der Psychotherapie, die in der Essenz dasselbe sind. Auf die Vögel zu lauschen, zum Beispiel, im Äussern, ohne Unterbrechung durch Gedanken, auf den ganzen Fluss der Musik, die die Welt in jedem Moment macht. Direkt, unmittelbar auf die Dinge zu schauen. Die Dinge so zu sehen, wie sie sind, darin liegt grosses Verstehen und grosse Schönheit. Aus der Aufmerksamkeit, die dabei entsteht, kommt Klarheit, die Fähigkeit, auch die inneren Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.

Das ist dann der zweite Schritt, die Selbsterkenntnis, das heisst auf dieselbe Weise nach innen zu schauen, auf seine Gedanken zu lauschen, auf seine Gefühle, auf seine Emotionen von Augenblick zu Augenblick. Wiederum zu lauschen auf das, was ist, ohne unsere Meinung, ohne unser Urteil, ohne unsere Erklärungen.

---ENDE DER LESEPROBE---