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Man vergisst es manchmal fast vor lauter Auseinandersetzung mit den Konflikten, die zwischen den Menschen zu lösen sind, vor allen Wundern aber auch, die sich erschliessen, wenn man der Entfaltung des Gesunden im Strang des Gemeinsamen folgt: Es gibt noch das Allertiefste, das Allerhöchste, das Allerinnerste, das, was man nur im Alleinsein, in der tiefen meditativen Erschliessung seines Innern findet, nämlich die Möglichkeit, dass sich unser Wesen ausdehnt, ausdehnt über alle Grenzen hinaus, dass wir erwachen für das Ganze, dass nicht nur unser Herz, sondern auch unser Kopf sich öffnet und alles, alles umfasst im einen grossen Mitgefühl, dass sich unser Bewusstsein ausfaltet und den ganzen Kosmos umspannt, das All, das Eine, und Liebe und Stille ist, jenseits oder inseits von allem.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Vom Allerinnersten
Samuel Widmer Nicolet
BASIC EDITIONS
© 2005 Basic Editions - Samuel Widmer Nicolet - Schweiz, 1. Auflage
Layout/DTP
Ingo Hanisch, CH-4574 Nennigkofen
eBook (2016)
Romina Mossi, CH-4574 Nennigkofen
Druck
Henrich Druck + Medien GmbH
D-60528 Frankfurt a. M.
ISBN
3-9523033-2-1 (gedrucktes Buch)
Verlag
Basic Editions, CH-4574 Nennigkofen
[email protected], www.basic-editions.ch
Vom Allerinnersten
Samuel Widmer Nicolet
Selbsterkenntnis
Dabei geht es darum, die Mauer der Anpassung, der Pseudo-Harmonie und Konditionierung, hinter der sich das wahre Wesen der Menschen in der Regel verschanzt hat, wieder aufzubrechen und diese innere Wirklichkeit dem Erleben wieder zugänglich zu machen. Jeder von uns wird nicht darum herumkommen, diesen Weg abzuschreiten und dieses innere Gebäude der Verlogenheit, der Pseudo-Sicherheit und Gewohnheit ganz genau zu verstehen, so dass es allmählich in sich zusammenfallen kann.
Die Wächter an der Eingangspforte, die Angst vor der Wahrheit und der Widerstand, der Trotz gegen sie, sind als Erstes zu überwinden, bevor sich dem ernsthaften Sucher die erste Schicht seiner wirklichen Persönlichkeit unter der Kruste einer verfälschenden Sozialisation zeigt: die Schicht der abwehrenden Gefühle. Neid, Hass und Eifersucht, Geiz, Gier und Herrschsucht und viele andere Gefühle und Zustände, die unser innerstes Geheimnis vor uns verschliessen, sind zuerst zu würdigen, zu integrieren. Eine chaotische Welt zeigt sich dem willig Lernenden, beängstigend und doch bestens bekannt. Ist sie doch die Welt, in der wir auch im Äusseren als Folge unserer Vermeidungsstrategien meist miteinander leben. Wirklicher ist sie als die Schöntuerei der Anpassungsschicht, aber noch weit entfernt von der nicht hinterfragbaren, einen Wirklichkeit des Allerinnersten, von der der Sucher an dieser Station auf dem Weg noch kaum etwas ahnt.
Bleibt er beharrlich in seiner Sehnsucht, durch all die Wirrnis durchdringen zu wollen, und lässt er sich durch die zu überwindenden Hindernisse nicht einschüchtern, wird er schliesslich hinter all dem abwehrenden Gehabe als Essenz davon seinem Eigenwillen begegnen, den er als den Verantwortlichen dafür entlarvt und dem er nun absterben lernt.
Dieses Sterben bezwingt schliesslich den Wächter am Eingang zur nächsten, bereits viel wirklicheren Schicht der abgewehrten Gefühle, die nun gewissenhaft erforscht sein will. Hier warten die wahren Gefühle: Schmerz, Verlassensein, Einsamkeit, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein. Diese Zustände begleiten uns noch lange, nachdem wir längst eingesehen haben, dass es besser und notwendig ist, für ein glückliches Leben seinen Eigenwillen mit dem Willen des Ganzen gleichzuschalten. Sie sind der Reibungseffekt, der entsteht in diesem Lernprozess, solange wir noch unbeholfen sind und stolpern. Sie erinnern uns daran, dass wir noch nicht ganz geöffnet sind für das eine Herz, uns noch nicht makellos der Führung der inneren Kraft überlassen haben. Wir sind noch nicht leer geworden von allem Eigendünkel und aller Reaktion auf das, was das Leben bringt. Die Leere des Innersten ist noch nicht ganz genommen.
Nur ein wahlloses, ehrliches und exaktes Beobachten all dieser inneren Bewegungen wird uns schliesslich ankommen lassen im Allerinnersten, das durch den Vorhang dieser abgewehrten Gefühle immer noch verschleiert wird.
Die abgewehrten Gefühle kann man auch die grossen Gefühle nennen. Sie stehen der letztlichen Wahrheit über uns schon sehr nahe, obwohl auch sie noch Artefakte, geboren aus Uneinsichtigkeit und Ungenauigkeit im Untersuchen des Innern sind. Erst wenn wir gelernt haben, uns ganz zu ergeben, alles, was ist, zu nehmen und zu betrachten, so wie es ist, erst wenn auch der letzte Widerstand gegen Wirklichkeit, die letzte Angst vor Wahrheit aus uns verschwunden ist, lüftet sich der Vorhang und das Innerste beginnt durchzuleuchten.
Und doch, es zu versuchen, ist eitel Freude!
Meditation ist das Erleben und Ergründen dieses innersten, nie ganz begreifbaren Raumes, ein Floaten in der Stille von Erhabenheit zu Erhabenheit. Zu Lauschen und zu Schauen bleibt auch im Zustand der Meditation der einzige Schritt, der immer wieder zu tun ist. Lauschen und Schauen stehen am Anfang von allem und gleichzeitig sind sie das, was schliesslich von allem, wenn es durch diesen Prozess der Reinigung gegangen ist, übrig bleibt. Lauschen und Schauensind bereits Aspekte, Qualitäten des Allerinnersten. Dass wir bereit sind, ihnen am Anfang und immer wieder zu folgen, führt uns schliesslich hinein in den Kern unseres Seins.
Das Allerinnerste
Es gibt noch das Allertiefste, das Allerhöchste, das Allerinnerste, das, was man nur im Alleinsein, in der tiefen meditativen Erschliessung seines Innern findet, nämlich die Möglichkeit, dass sich unser Wesen ausdehnt, ausdehnt über alle Grenzen hinaus, dass wir erwachen für das Ganze, dass nicht nur unser Herz, sondern auch unser Kopf sich öffnet und alles, alles umfasst im einen grossen Mitgefühl, dass sich unser Bewusstsein ausfaltet und den ganzen Kosmos umspannt, das All, das Eine, und Liebe und Stille ist, jenseits oder inseits von allem.
Voraussetzung, um in diesen Zustand aufgenommen zu werden, ist es, allen Energien, speziell natürlich auch der sexuellen, wenn sie aufkommen, stillzuhalten, sie nicht in Gedanken und Bilder zu lenken, sondern sie ohne Zwang und Druck einfach in sich stehen zu lassen, sie sein zu lassen, so dass die Energie davon aufsteigen kann. Alle Gefühle, die das mit sich bringt, sind natürlich dabei auch still zu würdigen, bis sich schliesslich das Ganze zeigt. Wenn wir in diese tieferen Schichten der Meditation eintauchen wollen, geht es wie zuvor im Prozess der Selbsterkenntnis weiterhin darum, alle Gefühle einzuschliessen. Hier geht es aber nicht mehr um die abwehrenden und abgewehrten, sondern gewissermassen um die erhabenen Gefühle, diejenigen, die sich um das eine Gefühl, das Gefühl der alles umfassenden Einheit herumgruppieren. Das Einschliessen der ersteren hat dazu geführt, ganz zu werden, eine gesunde, kraftvolle Egozentrik zu haben, eine erwachte Herzpersönlichkeit zu sein, die alle menschlichen Gefühle umfassen kann. Nun geht es darum, wenigstens zeitweise ins Göttliche, wenn man es so nennen will, vorzustossen, in welchem man lernt, das Ganze zu umspannen. Auch dies verursacht wieder „Gefühle“, etwas, was man fühlt. Man geht durch vielerlei Zustände, bis alles Platz hat in einem und nur noch das eine Gefühl übrig bleibt. All diese Zustände wird man allmählich ergründen.
Wer ist dieser Seher? Dieser stumme Zeuge? Was ist Wahrnehmung?
Wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf zu richten beginne, wenn ich sie auf sich selbst zurücklenke, werde ich es erkennen.
Bin ich in der Tiefe dieser endlos weite, stille Raum, diese Leere, diese Ausdehnung, welche Wahrnehmung ist? Bin ich diese Freiheit, die alles umfasst?
Die Identifikation des Sehers mit dem Gesehenen schafft die Bindung, die mir alle Freiheit nimmt. Dinge, Erscheinungen, Objekte kommen und gehen. Nicht so der stille Zeuge. Er kann nicht gesehen werden, nicht lokalisiert werden, er erscheint nicht im Raum, beweist sich nicht in der Zeit. Er ist immer schon da, unveränderlich, jenseits von Tod und Geburt, jenseits von allem, der grosse Geist, das stille Wissen. Er tritt nie in den Strom der Zeit ein, des Raumes, den Strom von Geburt und Tod. All das kommt und geht. Nicht so meine innerste Wirklichkeit. Weil ich aber zuinnerst leer bin, gehe ich dann noch darüber hinaus und finde mich in jeder Form, in jedem Du in einem inneren Einssein. Die Dualität ist darin in ihrem Ursprung wieder überwunden.
Das ist nicht der primäre Narzissmus des Säuglings, der nicht unterscheiden kann zwischen sich und der Welt. Es ist auch kein Grössenwahnsinn. Es ist Transnarzissmus, ein Überschreiten aller Grenzen, bis die tiefste aller Wahrheiten über mich sichtbar wird. Da ist nichts mehr ausser mir. Ich bin das All, der Kosmos, Gott, das Ganze, die grosse Leere und alle Form, die immer wieder daraus geboren wird. Das ist Weihnachten.
Dieser allertiefste Zustand, das Erreichen des Grundes allen Seins in sich, die höchste uns mögliche Bewusstseinsstufe, die immer nur sehr wenige Menschen zu berühren vermögen, diese Einheit mit allem, der Urgrund, wie er von allen Mystikern immer wieder besungen wurde, ist identisch mit dem, was Castanedas Don Juan die Stimmung des Kriegers nennt, also mit etwas letztlich ganz Simplem und im Alltag Brauchbarem, mit dieser Stimmung, die ein Krieger im Verlauf eines Lebens in sich errichten kann, die ihn jenseits von allem stellt, ausserhalb von allem, über alles, die ihn alles ertragen, mit Würde und Gelassenheit durchstehen lässt und die er immer wieder in sich zu errichten versteht. Es ist das Schwerste überhaupt, sagt Don Juan, diese Stimmung in sich zu erzeugen. Dies ist aber auch der Zustand, von dem wir ständig reden, den wir mit Krishnamurti zusammen mit „ohne Reaktion sein“ bezeichnen, der Zustand, der allem Gefühl stillhalten kann und darum die Essenz von allem berührt. Es ist auch der Zustand, der – obwohl Einzelne ihn immer schon verwirklichen können – in der zweiten Halbzeit der Evolution angestrebt werden wird. In der ersten wurde die Egozentrik ausgebildet und halbwegs die erwachte Herzpersönlichkeit, in der zweiten geht es um das Finden dieser grossen, inneren Einheit, die sich dann in einem überwältigenden Mitgefühl in alle Form ergiesst. Das wäre dann die neue Geschichte. Die Aufgabe darin ist die Überwindung der Dreiecksproblematik, die Auflösung des Inzesttabus.
Stille
In diesem Zustand der inneren Leere zieht es einen auch oft in die Natur hinaus, mit der man sich verbindet, aus der man Stille schöpft. Sie hilft einem, den unsteten Geist immer wieder zu stillen, die widersprüchlichen Kräfte in sich wieder zu einen zu einer einzigen, ausgerichteten Kraft der Absicht. Die Natur schenkt uns Stille, denn alles Sein, alle Natur ist Stille, ruht in Stille.
All das ist die Vorbereitung. All das gehört zum Prozess der Selbsterkenntnis, der das Fundament legt für Meditation. Meditation ist dann etwas, was man nicht tun kann, was man nicht suchen kann. Sie kommt zu einem gewissermassen von aussen; so, wie die Liebe von innen heraus aus einem hervorbricht und sich in die Welt verströmt, bricht die Stille als andere Facette des einen, strahlenden Diamanten in einen ein. Es ist die Unermesslichkeit, die man darin spürt, die einen nahezu erschlägt, wenn man ganz geöffnet und still ist, den inneren Dialog anhalten lernt. Sie senkt sich in einen herab wie eine Gnade, manchmal. Man kann sie nicht rufen, nicht einladen. Sie kommt, wann sie will.
Still zu sein, mit sich selbst still zu sein, seinen Gefühlen stillzuhalten muss zuerst einmal nicht ein angenehmer Zustand sein. Die Existenz kümmert sich nicht in erster Linie darum, ob etwas angenehm oder unangenehm ist. Es ist unser Ego, dem dies leider so wichtig ist. Damit schafft es das vielleicht grösste Problem, mit dem wir Menschen zu ringen haben. Still zu sein mit sich selbst kann zuerst schiere Unerträglichkeit sein. Dann vor allem, wenn wir uns selbst, unserer Wirklichkeit lange und konsequent aus dem Weg gegangen sind. Die Konfrontation mit sich selbst, die dann zuerst stattfindet, kann äusserst schmerzhaft sein. Man spürt gewissermassen die Entzugssymptome, verursacht durch das jahrelange Ausweichen.
Stillsein ist auch nicht Isolation. Man dreht darin nicht um sich selbst und ist damit still. Stillsein ist immer ein Zusammen-still-Sein, ein Geöffnetsein für das Ganze, ein In-Beziehung-Stehen mit allem und jedem. Man bietet seine Stille dem Ganzen an, ohne Zwang, freiwillig. Darin ist jedes Autoritätsproblem mit dem Still-sein-Müssen aufgehoben.
Wenn im Prozess der Selbsterkenntnis schliesslich alles von einem abblättert, was man nicht wirklich ist, wenn die Identifikation mit dem Selbst gebrochen ist, wenn man sich nicht länger identifiziert mit dem Körper und seinen Bedürfnissen, sondern ihn genauso wie die Gedanken, Gefühle und Stimmungen und auch die Objekte der Welt wahrnimmt als flüchtige Form, die aus dem Innersten, dem einzig Unvergänglichen und daher in der Tiefe Wirklichen auftaucht, dann hat man Stille gefunden, diesen glatten See in der Tiefe von allem, der immer gleich ist, unbewegt, unbeeindruckt. Man schaut aus diesem Urgrund und erkennt in allem diese Essenz, und das Herz ist voller Liebe und Mitgefühl für alles, was sich aus diesem Einen als Form erhebt, nur um wieder da hinein zurückzufallen. Das Gehirn und das ganze Sein ist darin durchflutet von dieser Stille, vom einen Duft.
Stille ist Wahrnehmung, ist Liebe, ist Mitgefühl, ist das Innerste, ist stummes Gewahrsein, ist das Heilige, ist der stille Zeuge von allem, ist der Urgrund, das nicht mehr Hinterfragbare, ist das Unermessliche, ist Ekstase, ist Nüchternheit, ist Wachheit, ist das, was keinen Anfang und kein Ende hat, das Todlose, ist das eine Herz, der eine Geist, ist Leere, ist das grosse Nichts, ist das, woraus alles kommt, ist der Ort und die Kraft der Schöpfung, ist die Intelligenz des Ganzen, das Tao, ist das, was nicht erklärt, nicht erfasst, nicht verstanden werden kann, ist das Einfache. Stille kann nicht erlangt werden, sie ist. Wer für sie erwacht, kennt Gnade. Stille ist Frieden, ist Unendlichkeit, ist Weisheit, ist das Tiefste, ist Glück, ist Meditation. Stille ist da, wenn alles wegblättert, was nicht Stille ist, was sich von ihr ausgrenzt. Stille ist da, wenn Anhaftung an das Begrenzte aufhört, wenn Bindung an den Teil schwindet. Stille ist Das. Stille ist Ewigkeit. Stille ist der eine Duft. Stille ist Stille.
Liebe
Immer wieder erstaunt es, dass noch nicht Allgemeingut ist, was Liebe nicht ist, denn die Liebe lässt sich nur schwer fassen, viel leichter lässt sie sich negativ definieren dadurch, dass wir alles abstreichen, was sie nicht ist.
In der Auseinandersetzung mit den Angriffen auf unsere Arbeit, denen wir oft ausgesetzt waren, mussten wir immer wieder erkennen, dass man uns missverstanden hat, weil man meinte, wir meinten das Übliche, was Menschen darunter verstehen, wenn wir von Liebe redeten, nämlich Sex, Abhängigkeit, Besitzdenken, Eifersucht. Aber all das hat mit Liebe nichts zu tun. Liebe ist das, was übrig bleibt, wenn dies alles im Prozess der Selbsterkenntnis verstanden ist und darum von einem abfällt.
Liebe ist der innerste Kern in uns. Das Heiligtum, das, was wir wirklich und in der Tiefe sind.
Zuerst öffnet einen Selbsterkenntnis, die Beschäftigung mit sich selbst für den Fluss der Liebe. Aber ab einem gewissen Punkt ist es umgekehrt: Die Beschäftigung mit uns selbst macht uns zu. Was uns öffnet ist dann, das Du zu berühren, uns zu kümmern, uns zu verschenken, uns vom Du durchdringen zu lassen. Das ist dann die tägliche Übung der Überwindung des Selbst, ein Leben lang.
Früher glaubte ich immer, die Menschen seien nicht dreiecksfähig, weil es verboten ist, sie müssten entsprechend befreit werden. Das ist auch tatsächlich ein Teil des Problems. Aber in Wirklichkeit ist es vor allem die andere Tatsache, dass die meisten Menschen gar nicht zu dritt lieben wollen, sie wollen nicht teilen und Rücksicht nehmen, sie wollen nicht gestört werden. Sie wollen den anderen für sich allein, jeden, den sie treffen, für sich allein. Liebe, könnte man sagen, ist die Bereitschaft, sich aufs Teilen einzulassen, aufs Rücksichtnehmen, aufs Berücksichtigen, dass der andere, die anderen dieselben Bedürfnisse haben.
Ein weiterer Aspekt der Liebe ist zum Beispiel, dass sie den anderen den Freundschaftsdienst nicht schuldig bleibt. Das heisst, sie ist fähig, Schmerz zuzufügen, da wo es notwendig ist. Sie trägt den anderen zwar in diesem Schmerz, sie leidet mit ihm im Mitgefühl, aber sie vermeidet nicht, dem anderen die schwierigen Gefühle in der Beziehung zuzumuten, die daraus resultieren, dass dieser falsche Bilder hat, die korrigiert werden müssen. Die Gefühle zuzumuten, an denen der andere wachsen kann.
Liebe ist Mitgefühl, oder zumindest eine Vorstufe davon. Mitgefühl ist kein nettes Gefühl zum anderen hin, sondern ein Einssein mit ihm; die Fähigkeit, energetisch, gefühlsmässig seinen Schmerz, sein Leid, seine Angst, sein ganzes Sein mitzufühlen. Mitgefühl ist Liebe, die sich mit dem Schmerz über unsere Tragik gepaart hat, eine Leidenschaft, die für Wahrheit und Wirklichkeit geht und nicht locker lässt, bevor alles, alles wirklich gut ist. Die bereit ist zu tragen und zu transformieren, bis nur noch das Gute bleibt.
Das Wichtigste ist aber der Fluss vom Herzen zu den andern. Der Strom der Erde und der Strom vom Himmel treffen im Herzen aufeinander und bringen dieses zum Überfliessen. Die Herzenergie fliesst in den Kreis hinein, den alles Sein, alle Menschen und Wesen bilden, den Kreis, in dem wir gehalten sind und einander halten. Sie fliesst aber auch direkt zu jedem Du, bildet eine Verstrebung im Kreis mit jedem Du, in der wir zueinander reisen können über Raum und Zeit hinweg, einander fühlen können, ohne physisch verbunden zu sein. Zu lieben heisst, für diesen Fluss erwacht zu sein, ihn nicht nur zu geniessen, wenn er da ist, sondern sich um ihn zu kümmern, darum besorgt zu sein, dass er nicht behindert wird, eingeschränkt wird durch Bilder, durch Ängste und Widerstände, durch Verweigerung. Zu lieben heisst, den Fluss zu sehen, der alles und alle verbindet, und ihn zu verantworten.
Wirklichkeit
Aber wenn man, weil wir dazu neigen, Wirklichkeit im Gegensatz zu etwas sehen will, dann würde ich sie als Gegenpol zu Vergnügen verstehen, zu unserer inhärenten und fast nicht überwindbaren Tendenz, dem Vergnügen folgen zu wollen. Das klingt vielleicht zuerst paradox, unerwartet. Aber wenn man es im Prozess der Selbsterkenntnis genauer betrachtet, erschliessen sich einem die Zusammenhänge.
Vergnügen oder vielleicht besser Lust, Glück, die schönen Dinge, all das gehört zum Leben. Es auszuschliessen würde das Problem nicht lösen. Viele Religionen, viele religiöse Wege, die sich der Askese verpflichtet haben, haben dies versucht. Ihre Anhänger haben dabei lediglich die Schönheit eingebüsst und sich verstrickt in unlösbaren Widersprüchen. Eine wichtige Frage, die sich daher stellt, ist: Wo haben denn Lust und Freude ihren Platz im Leben, und wo und wie werden sie zu einer verderblichen Gefahr?
Lust, sexueller Appetit, die ganzen körperlichen Bedürfnisse und die Freude, sie zu befriedigen, sind Bestandteil unserer Wirklichkeit, ein schöner Bestandteil unserer Wirklichkeit. Darum wollen wir diese Dinge immer wieder haben. An der Lust selbst ist nichts falsch. Sie taucht in der Wirklichkeit ganz von selbst auf bei bestimmten Gelegenheiten, wenn der Hunger gross ist, wenn das Schicksal mit seiner Unausweichlichkeit sie bringen will. Wenn die richtigen Dinge oder Menschen aufeinander treffen. Man kann nichts dazu tun, man muss nichts dazu tun. Es geschieht von selbst. Und es bringt Schönheit in unser Leben. Dem zu folgen wäre kein Problem. Es ist ein unschuldiger Prozess, der nur Bereicherung bringt. Aber wir sind clever, glauben uns zumindest clever. Bald verlieren wir die Unschuld und meinen, etwas dazu tun zu können, dazu tun zu müssen, um die Wiederholung der Lust zu garantieren, um sie möglichst oft herbeizuzwingen. Natürlich geht das nicht. Im Gegenteil. Man entfernt sich damit von Wirklichkeit, von dem, was ist, von dem, was aus jedem gegebenen Augenblick ganz von selbst erblühen will. Cleverness ist ein Prozess des Denkens, das Denken bemächtigt sich der Lust, will sie organisieren, zwingen, nach den Wünschen des Ego, des Selbst modellieren. Es will erinnerte Lust reproduzieren, erinnerte Freude wieder herbeizaubern, das Gestern wiederholen. Sobald sich das Denken einmischt, geht die Unschuld verloren. Aber die Cleverness, unser Wollen, der Eigenwille, unser Denken sind nicht wirklich intelligent. Sie merken gar nicht, dass durch die Einmischung gar nicht eine Vermehrung von Lust und Glück zustande kommt, sondern Angst, nicht zu bekommen, nicht genug zu bekommen, Stress, es doch zu zwingen versuchen zu müssen und so weiter. Konflikt mit Wirklichkeit kommt dadurch zur Hintertüre herein.
Intelligenz und Einsicht gehen immer wieder zurück zum Wirklichen. Sie sehen, dass das Wirkliche am meisten Lust und Freude anbietet, dass diese nicht durch irgendwelche Tricks angereichert werden können. Sie sehen auch, dass Lust und Freude zum Nicht-Kontrollierbaren, Nicht-Machbaren gehören, dass sie kommen und gehen, wie sie wollen, dass man geduldig auf sie warten muss und die Zeiten, in denen sie uns nicht besuchen, willig als Zeiten der Abstinenz, des Verzichts, die auch ihren Platz, ihre Zeit und ihren Sinn in der Wirklichkeit haben, akzeptieren muss.
Wirklichkeit ist. Sie kann nicht gemacht werden. Sie bringt in eigener Regie das, was sie für gut hält. Sie ist die Autorität, die Intelligenz des Ganzen in Aktion. Sie bringt uns Lust und Freude, wenn diese uns gut tun, und sie bringt uns den Verzicht, die Entsagung, wenn wir uns mit diesen Aspekten des Allerinnersten und seiner Wirklichkeit auseinander setzen sollen. Zu gehorchen, sich ihr zu stellen, zeugt von Reife.
Das Mittelmässige folgt dem Vergnügen, das Ernsthafte der Wirklichkeit. Das eine ist ein Prozess in Schönheit und Würde, das andere ein Prozess des Leids.
Weisheit
Weisheit hat mit Übersicht zu tun. Sie erkennt die grossen Zusammenhänge, sieht das Weite. Nicht weil sie das Kleine, das Nahe, das Alltägliche übersehen würde, sondern weil sie es so gründlich berücksichtigt und gewürdigt hat, dass sie darüber hinausgehen kann.
Weisheit gehört zum Alter, so wie die Weitsichtigkeit zum alternden Auge. Nicht dass das Alter von selbst Weisheit hervorbringen würde. Im Gegenteil sind Alte oft stumpf und versandet, aber es braucht doch Augen, die viel gesehen haben, einen Geist, der alles ergründet hat, um Weisheit zu finden. Und doch ist es nicht die Erfahrung, auf die sich die Weisheit stützt. Im Gegenteil hat sie alles Wissen, alle angehäufte Kenntnis überwunden, hinter sich gelassen und sich ganz einer ursprünglichen Unschuld wieder geöffnet. Sie schöpft aus dem Augenblick, der ausserhalb der Zeit steht und deshalb der Ewigkeit angehört. Wahrscheinlich müsste man daher eher von Reife als von Alter reden.
Wenn ich persönlich keine Brille oder keine Linsen tragen würde, könnte ich schon lange nicht mehr lesen und schreiben. Ich hätte über alles nur noch eine vage Übersicht, könnte nur noch das Ferne einigermassen deutlich sehen. Vielleicht wäre es natürlich, wenn man älter wird, auf diese Weise zu leben. Alles würde viel langsamer werden, man müsste mir vorlesen, was ich wissen muss, und für mich aufschreiben, was ich festzuhalten habe. Um die kleinen Dinge könnte ich mich nicht mehr selbst kümmern. Keine Hektik hätte darin Platz, viel Geduld wäre notwendig, Eigenschaften, die ebenfalls mit der Weisheit eng verwandt sind. Ähnlich ist es mit dem alternden Geist, wenn er weise wird und nicht in stumpfer Gewohnheit verkommt. Es ist nicht mehr seine Art, sich ums Detail zu kümmern, um Kleinigkeiten zu streiten, er lässt das Schnelle hinter sich. Er sieht bereits den Tod in der Ferne. Das macht ihn gelassen, und er wendet sich deshalb den grossen Bewegungen des Lebens zu. Die kleinen Dinge überlässt er der Jugend, zieht sich davon zurück. Er erkennt die Schicksalslinien und schaltet sein Wollen mit ihnen gleich.
Mit dem Eigenwillen ist die Weisheit wenig befreundet. Sie geht mit ihm um, wo er sich aufdrängt, aber selbst hält sie sich an die Ordnung und den Willen des Ganzen. Sie folgt gefügig den Schicksalskräften und versucht alles, was in ihre Obhut gegeben ist, entsprechend zu lenken. Damit bringt sie Harmonie hervor, wirkt ausgleichend und bewirkt Gerechtigkeit.
Weisheit hat nicht nur eine Übersicht über das, was im Raum geschieht, sondern auch über das, was in der Zeit geschieht. Sie erkennt die Geschichte hinter dem Aktuellen und erahnt seine mögliche Entwicklung in der Zukunft. Das macht sie losgelöst, wenig gebunden an die Hitzigkeit der Aktualität. Wie dem weitsichtigen, alternden Auge ist ihr die Aktualität vage und verschwommen geworden, umso deutlicher wird ihr das Eingebettetsein dieser Aktualität in die langsamen Bewegungen der grossen Ganzheit. Weisheit braucht wie ein gereifter Konzernleiter den scharfen Blick aufs einzelne Ereignis, aufs einzelne Detail des Betriebs, der ihm untersteht, nicht mehr. Darum hat er sich in seinem Leben früher so intensiv gekümmert, dass er es wieder vergessen kann. Es ist Teil seines Wesens geworden. Darum kümmern sich längst andere, ihm unterstellte Kräfte, auf die er sich verlassen kann. Ein junges Auge würde ihn nur zu sehr verwickeln und verbrauchen im letztlich Unbedeutenden. Er kann es sich leisten, ohne Brille zu leben. Er kann sich gelassen zurücklehnen, braucht über die Kleinigkeiten nicht mehr Bescheid zu wissen. Seine Kräfte sind auf den grossen Zusammenhalt ausgerichtet. Eigentlich weiss und kann er nichts mehr. Er ist wie der alte Baum geworden in der schönen Geschichte, die man sich von Lao Tse erzählt, der im Einzelnen zu nichts mehr zu gebrauchen ist, aber gerade darum vielen Schatten gibt, gerade darum geeignet ist, das Ganze zu schützen, zu bewahren, zusammenzuhalten und zu tragen.
Lao Tse war unterwegs mit seinen Schülern. Sie kamen an einer Gruppe von Holzfällern vorbei, die gerade einen Wald umgehauen hatten. Nur einen einzigen, riesigen, uralten Baum hatten sie stehen lassen. Lao Tse erkundigte sich, warum sie all die Bäume gefällt hätten und bekam die Auskunft, dass das Holz benötigt würde, weil man es für verschiedene Dinge brauche: zum Bauen, zum Anfertigen von Möbeln und anderen Dingen. Lao Tse fragte weiter, warum man denn den alten Baum nicht gefällt hätte, und die Antwort war, dass er zu nichts zu gebrauchen sei.
„Seid wie dieser Baum“, riet Lao Tse daraufhin seinen Schülern, „zu nichts zu gebrauchen! Dann werdet ihr vielen Schatten geben.“
Auf dem Weg der Selbsterkenntnis macht man sich diese Entscheidungen bewusst und damit zugänglich für eine Revision. Nur ganz wenige verändern ihr Leben später total, indem sie tatsächlich neue, bessere Entscheidungen fällen und die alten rauswerfen, sofern sie erkennen, dass sie in den ersten Jahren ihres Lebens falsch entschieden haben. Weder in der Kindheit, noch bei der Revisionsarbeit ist das Verhalten der Umgebung (Erzieher, Psychotherapeuten, Mitmenschen) wirklich massgebend. Es kann helfen, fördern et cetera oder andererseits auch brechen, unterdrücken und so weiter. Aber im Wesentlichen fällt jeder diese Entscheidungen allein, in absolut eigener Verantwortung. Niemand weiss, warum einer „richtig“ entscheidet als Kind und viele andere falsch. Es scheint eine grundsätzliche Reife oder Weisheit zu sein, die jemand schon mitbringt. Günstige Bedingungen mögen ihm dabei zusätzlich helfen. Der Kontakt zum innersten Kern, zur Facette der Weisheit in diesem Innersten ist im einen schon früh sichtbar und im anderen nicht.
Demut
So auch bei der Demut, einer „besonders wichtigen“ Eigenschaft des Allerinnersten, des weiten Himmels, der sich dem beharrlichen Sucher schliesslich öffnet. Aber eben: Das Prädikat „besonders wichtig“ ist irreführend. Es stimmt nicht wirklich. Alle Aspekte des innersten Einen, seien es Ehrfurcht, Tiefe oder Ergebenheit oder auch Kraft, Heilung und Mühelosigkeit oder was auch immer stehen gleichwertig nebeneinander. Man erkennt, das man im Innersten vor allem auch über gleichwertiges Miteinander lernen kann. Etwas, worum sich Menschen immer wieder vergeblich mühen, was sie herbeizuzwingen versuchen und doch nie finden. Denn Gleichwertigkeit ist nicht gegeben, solange das Innerste nicht allgegenwärtig aus einem Herzen oder Geist durchschimmert, solange er noch gefangen ist in Konditionierung, in Halbheiten, in den Niederungen der abgewehrten und abwehrenden Gefühle. Gleichwertigkeit setzt vor allem dies voraus, dass die Qualität, die ein Geist, ein Herz vertritt, alle anderen Qualitäten mitumschliesst, sich auf ihnen begründet und gleichzeitig ihr Grund ist. Darüber kann man im Allerinnersten lernen. Da findet man die grosse Leere, das grosse Nichts, und es ist gleichzeitig Stille und Mitgefühl. Da entdeckt man Würde oder Ehrlichkeit, und sie scheinen einem alle anderen Aspekte, wie zum Beispiel Gelassenheit oder Schönheit, erst hervorzubringen.
Oder eben Demut: Manchmal sieht man sie vielleicht als Beiprodukt von Weisheit und Glück, und dann wieder erkennt man sie als deren eigentliche Grundlage.
Die Demut spielt darin eine „besondere“ Rolle (in Anführungszeichen natürlich). Glück und Weisheit können sich in einem Menschen nur zeigen, wenn er sie kennt. Sie ist aber nicht falsche Bescheidenheit, hinter der sich die eigene, nicht offen eingestandene Wichtigkeit versteckt, auch nicht Gleichmacherei, die es vermeiden will, schwierige aber notwendige Auseinandersetzungen mit Macht und Autorität auf sich zu ziehen. Demut ist eine königliche Haltung, die sich wie alles im Innersten auf einer Ergebenheit gegenüber Wirklichkeit begründet, die aufgehört hat, mittels eines beschränkten Eigenwillens eine beschränkte Wirklichkeitssicht den Fakten des Lebens überstülpen zu wollen, die uneingeschränkt bereit ist, sich der Autorität des Wirklichen zu beugen, ihr zum Recht und zum Durchbruch zu verhelfen und darin nichts Eigenes verteidigen muss. Demut ist es, die gerade die Gleichheit in allem erkennt, das aus dem Innersten kommt. Demut ist es aber auch, die mit Würde und ohne jeden falschen Stolz das, was nicht gleichwertig ist, konfrontieren kann, die sich nicht scheut, jedes Autoritätsproblem, das hinter der Nicht-Akzeptanz gegenüber Wirklichkeit besteht, hervorzuholen. Denn alles, was aus dem Innersten kommt, ist sich seiner Nichtigkeit bewusst und hat darum Anteil an der Erhabenheit des grossen Nichts. Was aber nicht aus dem Innersten kommt, ist tatsächlich minderwertig, fühlt sich auch zu Recht minderwertig, wie jeder, der nicht liebt zum Beispiel, erlebt sich aber als wichtig, neigt zur Selbstüberschätzung und sieht seine Bedeutungslosigkeit nicht.
Demut sieht die wirklichen Zusammenhänge, erahnt die grossen Zusammenhänge. Sie hat die Arroganz und den Grössenwahn der Beschränktheit vollkommen hinter sich gelassen, erlebt sich als Staub vor dem grossen Einen und beugt sich willig und wahllos vor seiner Ordnung und seinen Gesetzen, die sie immer deutlicher zu erkennen beginnt.
Glück und Glücksfähigkeit
Zuinnerst in uns, zuinnerst in allem, in aller Form finden wir nichts, eine grosse Leere. Und dieses gewaltige Nichts kennt all diese erhabenen Qualitäten wie Liebe, Stille, Weisheit und Frieden, die gelegentlich aufleuchten. Das Nichts schillert, so wie eine glatte Wasserfläche in allen Farben des Regenbogens schillert, wenn das Licht darauf fällt. Und eine dieser Farben im Nichts ist das Glück, die Freude, die stille Ekstase. All diese Eigenschaften des Innersten, des grossen, einen, ungreifbaren Nichts sind unpersönliche Eigenschaften. Sie gehören mir nicht. Ich befehlige sie nicht. Sie überkommen mich manchmal, wenn ich völlig geöffnet bin, wenn ich sie nicht suche. Und ich teile sie immer mit dem Ganzen.
Man kann das Glück nicht einladen, genauso wenig wie die Stille und die Liebe. Sie gehorchen ihrem eigenen Gesetz, einer universellen Ordnung, nicht unserem Willen. Sie kommen und gehen, wie sie wollen, sind abhängig von der jeweiligen Zeitqualität, die zum Mysterium des Seins gehört. Was wir aber können ist, uns für das Glück bereithalten, für die Liebe, die Stille und alle anderen Facetten des innersten Diamanten bereithalten. Wir können uns um unsere Glücksfähigkeit kümmern. Das ist einerseits wie alles im Bereich der Selbsterkenntnis äussert einfach und andererseits vielleicht das Schwierigste, was es überhaupt gibt. Um glücksfähig zu sein, muss ich mich leerhalten von allen Verwicklungen, damit das Glück mich berühren kann, in mich einfliessen kann, wenn es kommt.
Wer bin ich, wenn ich ohne Widerstand, ohne gutzuheissen oder abzulehnen, sondern einfach, mit dem sein kann, was ist? Wenn ich mich Wirklichkeit nie entziehe, nie fliehe in Träume und Gedanken, sondern ganz und gar gegenwärtig lebe mit allen Energien, die den jeweiligen Augenblick ausmachen? In diesem Zustand bin ich wahllos offen. Alle kleinen und grossen Gefühle, alle Abwehr ist darin überwunden, so dass, wenn das Glück dann vorbeizieht wie ein einmaliger Duft, ich diesen wahrnehmen kann, bereit bin dafür. Das ist eine ganz simple Aufgabe. Aber meist brauche ich ein ganzes Leben, um sie makellos und meisterhaft zu lösen. Sofern ich mich ihr überhaupt stelle.