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Ein Gedichtband mit Gedichten von Samuel Widmer entstanden zwischen Dezember 2007 und Frühling 2008 in Indien, in der Wüste Sahara in Lybien und zu Hause in Nennigkofen. A book of poems by Samuel Widmer written between December 2007 and spring 2008 in India, in the Sahara desert in Libya and at home in Nennigkofen.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Wenn du ganz tief gehst
Dort gibt es nichts
Alles ist Eines
Und alles ist sehr einfach
Aber alle Dinge
Und alle Erscheinungen
Sind umfangen von diesem Nichts
Enthalten darin
Tropfen fallen
Blätter bewegen sich im Wind
Das Leben ist nicht schwierig
Es gibt nur ein Ding
© 2009
Samuel Widmer Nicolet
Schweiz / Switzerland
1. Auflage / 1st Edition
Layout
Holger Kunkler
Druck / Printing
Henrich Druck + Medien GmbH
D-60528 Frankfurt a. M.
eBook (2016)
Romina Mossi
ISBN (gedrucktes Buch / printed book)
978-3-9523033-9-9
Verlag / Edition
Basic Editions
CH-4574 Nennigkofen
www.basic-editions.ch
Text/Text: Samuel Widmer Nicolet
Übersetzung/Translation: Trevor Goode/Samuel Widmer Nicolet
Abschrift/Transcript: Marianne Principi
… den Menschenkindern überall …
… to human beings all over the world…
Zeichnungen (Tusche und Bleistift)/Drawings (indian ink and pencil) von/by Danièle Nicolet Widmer
Umschlagbild/Cover Picture: “Einfachheit/Simplicity”, Öl auf Hartspanplatte/Oil on Hardboard; 122 x 122cm von/by Samuel Widmer Nicolet
Indien / India
(Timbaktu, Andra Pradesh)
16.12.07 – 10.1.08
Live simply so that others
may simply live
–
Lebe mit Wenigem, so dass andere
wenigstens leben können
(Leitsatz des Timbaktu-Kollektivs in Indien
Guiding principle of the Timbaktu Collective in India)
I
Wenn du ganz tief gehst
Dort gibt es nichts
Alles ist Eines
Und alles ist sehr einfach
Aber alle Dinge
Und alle Erscheinungen
Sind umfangen von diesem Nichts
Enthalten darin
Tropfen fallen
Blätter bewegen sich im Wind
Das Leben ist nicht schwierig
Es gibt nur ein Ding
(I)
When you go really deep
You find nothing there
Everything is one
Everything is very simple
Yet all things
And all phenomena
Are enveloped by this nothingness
Contained within
Droplets fall
Leaves move in the breeze
Life is not difficult
There is only one thing
II
Wenn du die Tiefe verlässt
Die Oberfläche dich verführt
Geht die Einheit verloren
Alles zerfällt in Zweiheit
Das Einzelne scheint wichtig zu werden
Jedes Ding für sich zu stehen
Und gegen das andere
Grenzen entstehen
Tausend Dinge rufen auf einmal
Und dominieren einander ohne Ende
Alles wird kompliziert, komplex
Das Leben wird unendlich schwer
(II)
If the depth is abandoned
The surface seduces you
Oneness is lost
Everything breaks into two
Individual seems to become important
Each stands for itself
Against the other
Divisions come into being
A thousand things call out at once
Dominate each other without end
Everything becomes complicated, complex
Life becomes endlessly heavy
III
Wenn du in der Einheit ruhst
Lenkt die Einheit alles
Einheit verantwortet alles
Sorgt für alles
Wenn die Einheit verloren geht
Regiert das Gesetz der Vielheit
Niemand fühlt sich verantwortlich
Niemand sorgt für das Ganze
Wenn aber die Einheit verloren geht
Entstehen Verantwortung und Pflicht
Das Einfache splittert sich auf
Das Viele wird zum Dienst gerufen
Es entstehen unermessliche Folgen
Von Ursache und Wirkung
Und Verantwortung und Sorge
Bleiben haften am einzelnen Teil
(III)
When you rest in oneness
Oneness guides everything
Oneness takes responsibility for everything
Cares for everything
When oneness is lost
The law of multiplicity reigns
Nobody feels responsible
Nobody cares for the whole
But when oneness is lost
Responsibility and duty arise
The simple is shattered
The many are called into service
Immeasurable chains come into being
Of cause and effect
And responsibility and sorrow
Cling to each individual part
IV
Ruhend in der tiefsten Tiefe von allem
Gibt es nichts zu sagen
Nichts zu tun
Alles ist gesagt
Alles ist getan
Wenn du aus der Tiefe auftauchst
Braucht alles eine Erklärung
Schwer ist es zu verstehen
Zu entschlüsseln
Schwer wird es zu sein
(IV)
Resting in the deepest depth of all
There is nothing to say
Nothing to do
Everything is said
Everything is done
When you emerge from the depth
Everything needs an explanation
Is difficult to understand
To unravel
It becomes difficult to just be
V
Alles ist Schicksal
Unvermeidlich
Aus der Tiefe
Kannst du es sehen
Wenn du es siehst
Musst du es nicht bekämpfen
Wenn du es verstehst
Lässt du es sein
Von der Oberfläche her betrachtet
Erscheint dir Schicksal machbar
Als könntest du es beeinflussen
Darum wehrst du dich, willst du es verändern
Alles, was du dabei vollbringst
Ist, dein Schicksal zu schmieden
Dem, was dir ohnehin zugedacht ist
Gewicht zu verleihen
(V)
Everything is fate
Unavoidable
From out of the depth
You can see this
When you see it
You need not fight it
When you understand it
You let it be
Viewed from the surface
Fate seems something malleable
Something you can influence
Thus you defend against it, want to change it
All that you thereby accomplish
Is to forge your fate
Lend weight to whatever
Is intended for you anyway
VI
Schaust du aus der Tiefe
Erkennst du:
Alles ist gegeben und
Alles ist ganz einfach
Schaust du von der Oberfläche
Meinst du:
Alles fügt sich deinem Willen
Und alles ist äusserst kompliziert
Darum ist Schicksal machbar
Denn es liegt an dir, aus der Tiefe
Oder von der Oberfläche zu schauen
Und darum ist Schicksal gegeben
Denn nur aus der Tiefe
Erkennst du, was wirklich ist
(VI)
When you look out of the depth
You recognise:
Everything is given
Everything is absolutely simple
When you look from the surface
You conceive:
Everything submits to your will
Everything is extremely complicated
Thus fate is determined by you
Because it is for you to look
Out of the depth or from the surface
And thus fate is given
Because only out of the depth
Do you recognise, what is real
VII
Tatsächlich wissen wir nichts
Psychologisch und spirituell gesehen
Wissen wir nichts
Wir tun nur so
Aber tatsächlich wissen wir nicht
Woher wir kommen
Wohin wir gehen
Und was das ist, was wir sind
Von dort aus, wo wir nichts wissen
Erscheint das Leben ganz einfach
Alles folgt seinem natürlichen Rhythmus
Wir brauchen es nicht zu verstehen
Es ist ein Geheimnis, ein Wunder, ein Mysterium
Dass wir tun, als wüssten wir
Macht alles so schwierig
So undurchsichtig und kompliziert
Trotzdem ist derjenige
Der wieder dahin zurückkehrt
Wo er nichts weiss
Nicht derselbe, der nie gewusst hat
Meinen zu wissen, ist eine lange Reise
Durch die menschliche Ignoranz
Die schliesslich zur Erleuchtung führt
Erleuchtung ist das wieder Lassen vom Wissen
(VII)
Actually we know nothing
In the psychological and spiritual sense
We know nothing
We only act so
But actually we do not know
Where we come from
Where we go
And what it is that we are
From the place of not-knowing
Life seems totally simple
Everything follows its natural rhythm
We need not understand it
It is a secret, a wonder, a mystery
Because we act as if we know
Everything becomes so difficult
So veiled and complicated
Nevertheless, the one
Who returns
Where he knows nothing
Is not the same as the one
Who has never known
To intend to know is a long journey
Through human ignorance
Which finally leads to enlightenment
Enlightenment is the again-letting-go of knowledge
VIII
Nicht-Wissen ist ein Zustand
Gleich dem Schlaf
Wissen hingegen –
Psychologisch, spirituell gesehen, natürlich –
Ist ein Zustand der Ignoranz
Zurückgekehrt sein zum Nicht-Wissen
Ist ein Zustand höchster Fülle
Er beinhaltet alles wirklich Erstrebenswerte
Wie Glück, Frieden, Gelassenheit
Wie Liebe und Mitgefühl
(VIII)
Not-knowing is a state
As when sleeping
Knowing on the contrary –
Psychologically and spiritually seen, of course –
Is a state of ignorance
To be returned to not-knowing
Is a state of highest plenitude
It contains everything
Truly worth striving for
Like bliss, peace, composure
Like love and compassion
IX
Wer redet, kündet von seiner Ignoranz
Wer schweigt, meistens auch
Darum redet der Weise nicht und
Darum schweigt er nicht
Denn es gibt ein Schweigen
Das aus dem Nicht-Wissen kommt
Welches nicht Ignoranz ist
Und ein Reden
Das ein Akt der Demut ist
(IX)
Whoever is talking, bears witness to his ignorance
Whoever is without words, does mostly the same
That is why the wise one is not talking
That is why he is not without words
For there is a silence
That comes out of not-knowing
Which is not ignorance
And a talking
Which is an act of humility
X
Es gibt eine Zeit des Geborenwerdens
Und es gibt eine Zeit des Sterbens
Es gibt eine Zeit des Blühens
Und es gibt eine Zeit des Verblühens
In der Zeit des Verblühens
Reifen die Früchte
In der Zeit des Sterbens
Fallen sie vom Baum
(X)
There is a time of being born and
There is a time of dying
There is a time of blossoming and
There is a time of withering away
In the time of withering away
Fruits are ripening
In the time of dying
They fall from the tree