E-Book 281-290 - Friederike von Buchner - E-Book

E-Book 281-290 E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. E-Book 1: Wege der Liebe E-Book 2: Wir wollen heiraten! E-Book 3: Was ist mit Franziska los? E-Book 4: Wo ist seine Herzensheimat? E-Book 5: Eine Überraschung für Amelies Eltern E-Book 6: Eine ungewöhnliche Rechnung E-Book 7: Höchste Zeit für Wunder E-Book 8: Jüngere Schwestern – manchmal eine Plage E-Book 9: Ein Hauch von Frühling E-Book 10: Carl kommt nach Waldkogel

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Inhalt

Wege der Liebe

Wir wollen heiraten!

Was ist mit Franziska los?

Wo ist seine Herzensheimat?

Eine Überraschung für Amelies Eltern

Eine ungewöhnliche Rechnung

Höchste Zeit für Wunder

Jüngere Schwestern – manchmal eine Plage

Ein Hauch von Frühling

Carl kommt nach Waldkogel

Toni der Hüttenwirt – Staffel 29 –

E-Book 281-290

Friederike von Buchner

Wege der Liebe

Warum ist alles so kompliziert?

Roman von von Buchner, Friederike

Franziska lehnte im Türrahmen der Almhütte. Sie ließ die Augen durch den großen Wohnraum gleiten. Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht.

»Wendy, das sieht toll aus«, sagte Franziska. »Zwar wirken die Farben überraschend, wenn man hereinkommt, denn in einer Almhütte erwartet man Brauntöne und Naturholz. Aber es ist großartig, fröhlich und heiter. Die Farbenkombination erinnert an die norwegische Nationalflagge, Blau mit Rot und Weiß. Steckt dahinter eine Absicht?«

Wendy trocknete sich die Hände ab.

»Stimmt, das war mir gar nicht bewusst. Vielleicht wollte ich mir unbewusst ein Stück meiner Heimat hereinholen. Es sind einfach meine Lieblingsfarben.«

»Das kann schon sein«, sagte Franziska nachdenklich.

»Es war großartig, dass du mir die Tage so tatkräftig geholfen hast, Franziska. Ohne deine Hilfe wäre ich noch lange nicht so weit. Schließlich musste das Vieh versorgt und der Käse gepflegt werden. Wenn er nicht regelmäßig mit Salzlauge bepinselt und gewendet wird, tut es ihm gar nicht gut. Aber was sage ich da, als baldige Landwirtschaftsfachfrau weiß du das.«

Franziska seufzte. Sie senkte den Blick und schaute auf ihre Holzclogs. Wendy betrachtete ihre kleine Stiefschwester voller Mitleid.

»Ich mache uns einen Kaffee«, sagte Wendy. »Setz dich schon mal hin! Ich lege doch die neue gestreifte Tischdecke auf. Feiern wir Einweihung!«

»Gute Idee!«

Veronika Boller hatte Reste von Stoffballen heraufgebracht. Der Baumberger Großvater hatte Großmutter Metas alte Nähmaschine herauf gefahren, die noch ohne Strom funktionierte und mit Pedalen angetrieben wurde.

Wendy und Franziska hatten Übergardinen mit Rüschen genäht. Sie wurden mit Bändern rechts und links gerafft, die zu großen Schleifen gebunden wurden. Auf den Regalen und den wenigen Möbeln, die alle bunt lackiert waren, lagen lange Deckchen aus passendem Stoff. Die letzten Reste des Gardinenstoffs waren jetzt eine Tischdecke.

»Der Raum ist nicht wiederzuerkennen. Die Farben machen ihn hell und freundlich. Da werden Wenzel und Hilda Augen machen«, sagte Franziska.

»Ja, das werden sie. Aber sie wollten ja, dass ich mir die Almhütte gemütlich mache.«

»Das hast du geschafft. Sie trägt deine Handschrift. Die Hütte wirkt viel größer.«

»Ja, das tut sie. Und wenn die Wand zwischen der kleinen Kammer und dem leeren Raum hinter der Käsekammer entfernt ist, wird sie noch größer wirken.«

»Stimmt, Wendy! Wann geht es los?«

»Toni, Ole und der Xaver Großvater haben schon alles vorbereitet. Aber sie haben Sebastian versprochen, zu warten, bis er frei hat und mithelfen kann.«

»Und ohne mich werdet ihr hier keinen Hammerschlag machen!«, sagte Franziska mit Nachdruck.

»Großes Indianerehrenwort!«, schwor Wendy.

»Was heißt da Indianerehrenwort? Als Nachfahrin tüchtiger Wikingerfrauen solltest du deinem schwur einen anderen Bezug geben.«

Wendy lachte. »Okay, dann verspreche ich es beim Helm meiner Ahnen.«

Sie lachten. Wendy schenkte Kaffee ein.

»Am besten, du und Sebastian stimmt euch ab, wann ihr kommen könnt«, bemerkte Wendy.

»Oh, das wird einfach. Denn ich habe mir vorgenommen, bei den Meiningers Dienst nach Vorschrift zu machen.«

»Oh«, Wendy sah Franziska überrascht an. »Ich dachte, du hättest dich beruhigt, weil du nicht mehr davon gesprochen hast.«

»Ja und nein, Wendy, ich habe nachgedacht. Diese Helene von Markschlotten kann nichts dafür, dass ich wütend ärgerlich und enttäuscht war, jedenfalls trifft sie nur eine Teilschuld. Zu dieser Entscheidung bin ich gekommen.«

»Interessant! Und wem schiebst du dann die Schuld zu? Lukas?«

Franziska seufzte.

»Was heißt Schuld, Wendy? Ich will ehrlich sein, vor allem mir selbst gegenüber. Lukas und ich sind kein Liebespaar. Jedenfalls hat er nie gesagt, dass er mich liebt. Wir haben nie geschmust, auch wenn wir bis spät in der Nacht im Garten saßen und redeten. Er hat mich nie geküsst, niemals meine Hand genommen.«

Franziska wurde rot. Sie trank schnell einen Schluck Kaffee, denn sie verspürte einen dicken Kloß in ihrem Hals.

Dann räusperte sie sich.

»Wendy, ich habe dir gesagt, dass ich in Lukas verliebt bin. Er war lieb zu mir. Ich habe mich mit ihm so gut verstanden, wie noch nie zuvor mit einem Menschen. Oft hatten wir die gleichen Gedanken. Ich war überzeugt, dass es früher oder später passieren würde. Wir hatten ja neulich darüber gesprochen. Unser Gespräch hatte mich nachdenklich gemacht. Du hattest mir geraten, ihn anzusprechen und ihm behutsam meine Liebe gestehen. Du sagtest, manche Burschen seien einfach zurückhaltend.«

»Du hast nicht mit ihm gesprochen?«

»Nein, es gab keine Gelegenheit dazu. Ich wollte den richtigen Augenblick abwarten. Wir sollten allein sein. Da seine kleine rothaarige Schwester andauernd Lukas und mir an den Fersen klebt, sind wir selten allein. Nur spät am Abend, wenn Ronja schläft, bin ich mit Lukas allein. Ich mag Ronja. Sie ist zwar sehr lebhaft, aber auch ein sehr fröhliches Mädchen. Ich denke, sie meint es nicht böse, wenn sie etwas sagt. Sie trägt ihr Herz auf der Zunge. Außerdem ist sie in einem Alter, das nicht einfach ist. Ihr fehlt eine Schwester oder eine enge Freundin. Der Bichler Hof liegt weit außerhalb, Schulfreundinnen kommen selten vorbei. So klebt sie an mir. Ich habe Ronja gern, auch wenn sie nervig ist. Ich muss sehr darauf achten, was ich zu ihr oder zu Lukas sage. Ronja hat eine sehr lebhafte Fantasie. Deshalb wollte ich einen Zeitpunkt abpassen, wenn Lukas und ich unter vier Augen sind. Aber es kam nicht dazu. Abends zog sich Lukas gleich nach dem Abendessen in sein Zimmer zurück und lernte. Er nimmt sein Studium sehr ernst.«

Franziska zuckte mit den Schultern.

»Ich hätte ihn ablenken können. Das wäre mir sicherlich gelingen. Aber das wollte ich nicht. Lukas ist es wichtig, Erfolg an der Universität zu haben. Das Lernen fällt ihm leicht, sagt er, aber er hat es nicht einfach. Die meisten seiner Kommilitonen und Kommilitoninnen kommen von großen Landgütern. Lukas ist der Erste in der Familie Meininger, der studiert. Wie schwer das ist, sich da zu behaupten, das wurde mir jetzt klar. Nehmen wir Helene. Sie kommt aus einem guten, einem sehr guten Stall. Sie ist voller Selbstbewusstsein. Das sieht man ihr an.«

Franziska trank einen Schluck Kaffee.

»Sie weiß, dass nach dem Studium ein sicherer Arbeitsplatz auf sie wartet. Ronja hat angedeutet, dass Lukas einmal bei ihr zu Besuch gewesen war. Er muss sehr beeindruckt gewesen sein. Ich bin davon überzeugt, dass er seiner Mutter alles haarklein geschildert hat, wie es dort zuging. Es muss so gewesen sein. Und damit sich Lukas nicht blamiert, hat Eva diesen ganzen Wirbel veranstaltet, vom Abendessen im Wohnzimmer, zu dem man sich extra umziehen muss, bis zum Gong, der alle zu Tisch ruft. Sie hat nicht daran gedacht, mich vorzustellen oder sie hat es bewusst vermieden.«

»Doch Helene wusste, wer du bist.«

»Ja, das wusste sie. Sie sah auf mich herab. Ich habe es deutlich gespürt und es tat weh, Wendy. Für sie bin ich nur ein Lehrmädchen.«

»Aber du hast es ihr gegeben. Du hast ihr gesagt, dass der Hof eines Tages dir gehört.«

»Ja, das habe ich. Meine Eltern waren stolz auf den Hof, der seit vielen Jahrhunderten in unserer Familie ist.«

Franziska seufzte.

»Ich war in dem Augenblick sehr wütend. Außerdem weiß ich genau, warum Helena oder Hella, wie sie angesprochen werden will, es getan hat. Sie hat mich wie eine kleine Angestellte behandelt. Wahrscheinlich steckt in ihr drin, wie man früher Bedienstete behandelt hat.«

»Übertreibst du nicht, Franziska?«, fragte Wendy.

»Nein, ich übertreibe nicht. So habe ich es empfunden. Und ich sage dir, ich durchschaue sie. Wenn sie denkt, dass ich mich während ihrer Abwesenheit um die Schweine kümmere und alles aufschreibe, dann hat sie sich geirrt. Lukas hat ihr einen Teil seiner Ferkel zu Studienzwecken ausgeliehen. Sie braucht nicht zu denken, sie könnte mich dafür ausnutzen. Sollte sie das denken, dann ist sie auf dem Holzweg. Das mache ich nicht. Soll sie sehen, wo sie bleibt. Außerdem bin ich auch nicht verpflichtet, mich um Lukas’ Ferkelzucht zu kümmern. Seine Schweine gehören nicht zum Hof.«

Wendy sah Franziska nachdenklich an. Sie schwieg und rührte nachdenklich in ihrem Kaffee.

»Du bist immer noch wütend, Franziska, auch wenn du versuchst, die Angelegenheit sachlich zu sehen.«

Franziska schüttelte heftig den Kopf.

»Ich denke, das bin ich nicht, auch wenn es dir so vorkommt. Ich habe nur nachgedacht und mir überlegt, wie es weitergehen wird. Ich kann es nicht ändern, dass sich Hella jetzt öfter auf dem Bichler Hof aufhält. Aber was geht mich das an?«

»Wie meinst du das? Was willst du damit sagen, Franziska?«, hakte Wendy nach.

Franziska stand auf. Sie holte sich ein Stück Käse und aß es aus der Hand.

»Okay, dann werde ich es dir erklären. Unterbrich mich, wenn du mir nicht folgen kannst. Außerdem möchte ich etwas anmerken. Als du am Anfang hier in Waldkogel nicht glücklich warst, hast du nicht auch überlegt, ob du deine Zelte abbrechen und zurück zu Ole gehen solltest?«

»Ja, das stimmt. Aber ich habe durchgehalten und jetzt ist alles gut. Es ist ein Happy End. Toni hat erkannt, dass er mein leiblicher Vater ist. Er erkennt mich an. Ole ist zu Besuch. Ich kann die Alm bewirtschaften, die Wenzel und Hilda an Anna und Toni verkauft haben. Mein Leben ist rund und glücklich.« Sie lächelte Franziska an.

»Und in dir habe ich eine wunderbare kleine Schwester gefunden und in Sebastian einen Bruder. Mit Anna kann ich reden. Sie ersetzt mir meine verstorbene Mama. Ich bin sicher, dass Anna und Jette Freundinnen geworden wären, hätten sie sich kennengelernt. Ich will nicht abschweifen, also zurück zum Thema. Das hat sich alles nur so entwickelt, weil ich Geduld hatte. Vielleicht bist du zu kritisch mit Helene? Um zu beurteilen, wie ein Mensch ist und was er wirklich meint, mit den Worten, die er spricht, muss man ihn näher kennen. Gebt euch Zeit, Wendy! Vielleicht steckt hinter Helene von Markschlottens arroganter Schale nur Unsicherheit?«

Franziska schüttelte den Kopf.

»Wendy, ich verstehe dich. Aber lass dir von mir gesagt sein, ich erkenne ein Stinktier mit einem Blick. Helene von Markschlotten ist eine arrogante, hochnäsige blöde Kuh«, sagte Franziska laut.

Wendy erkannte, dass in Franziska noch immer ein Sturm tobte. Es war schwer mit ihr zu sprechen.

»Und was willst du tun? Wie wirst du dich verhalten?«, fragte Wendy.

Franziska grinste.

»Ich werde mich verhalten, wie es ein richtiges Lehrmädchen tut. Ich komme und gehe pünktlich. Kann ich weiterhin bei dir übernachten?«

»Selbstverständlich, ich freue mich immer über deine Gesellschaft.«

»Gut! Dann bin ich in den nächsten Wochen dein Dauergast. Der Weg zum Bichler Hof ist von hier aus kürzer und ich kann morgens länger schlafen als auf der Berghütte. Dort ist auch meistens bis spät abends Trubel.«

Wendy wartete geduldig, bis Franziska Einzelheiten verriet.

»Also, als erstens werde ich meine Sachen vom Bichler Hof herbringen. Ich habe dort ein Zimmer. Ich werde nicht alles herbringen, nur einen oder zwei Rucksäcke mit Kleidung und dem Nötigsten. Die anderen Sache packe ich in Kisten und verstaue sie auf dem Speicher, auf dem noch viele Dinge meiner Familie lagern. Es war für mich praktisch und für die Meiningers auch, dass ich bei ihnen wohnte. Besonders Lukas hat Nutzen davon, weil ich mich um seine kostbare Schweinezucht gekümmert habe.«

Sie sah Wendy in die Augen und sagte entschlossen:

»Damit ist jetzt Schluss!«

»Was willst du damit sagen? Wie soll das aussehen?«

»Dienst nach Vorschrift! Ich habe eine Vierzigstundenwoche, verteilt auf fünf Tage. Ich gedenke, die einzuhalten. Dass ich auch mal an einem Wochenende da sein muss, ist nicht zu umgehen. Aber dafür verlange ich freie Tage, wie mir das zusteht.«

»Simon und seine Frau werden enttäuscht sein«, bemerkte Wendy.

Franziska zuckte mit den Schultern.

»Das kann ich nicht ändern. Ich war auch enttäuscht. Haben sie mich vielleicht dieser Frau von Markschlotten vorstellt? Nein! Haben sie mich dazu gerufen, als sie mit Lukas kam? Nein! Haben sie mich ins Haus gebeten zu dem kleinen Willkommensumtrunk? Nein!«

Franziska machte eine Pause.

»Nein, nein und nochmals nein! Wie es in den Wald ruft, schallt es heraus. Stimmst du mir zu?«

Wendy nickte.

»Dass sie dich vergessen haben, das ist eine Tatsache. Aber dass sie dich bewusst ausgegrenzt hätten, ist ein harter Vorwurf. Vielleicht waren sie nur unaufmerksam? Nach allem, was du mir erzählt hast, war Eva Meininger sehr aufgeregt.«

»Okay, ich gebe es zu. Eva war aufgeregt. Normalerweise ist sie die Ruhe selbst. Trotzdem kann ich nicht einfach über ihr Verhalten hinwegsehen, Wendy.«

Wendy verstand, wie tief verletzt Franziskas Herz war. Sie überlegte, wie sie sie trösten könnte.

»Man kann es auch anders sehen, Franziska.«

»Nach meiner Meinung nicht, Wendy. Aber bitte, ich höre dir gern zu.«

Franziska umschlang mit beiden Händen den Kaffeebecher.

Wendy kam es vor, als würde sie sich daran festhalten.

»Nun, es kann auch ganz anders sein. Sieh einmal, Franziska, nach allem, was du über die Meiningers erzählt hast, kam es mir so vor und mit dieser Ansicht stehe ich nicht allein, dass du zur Familie gezählt wirst.«

Franziska wollte etwas einwenden. Aber Wendy gebot ihr mit einer Handbewegung, sie ausreden zu lassen.

»Also, es ist Tatsache, dass dir Simon und Eva Meininger das Du angeboten haben. Euer Verhältnis war mehr als freundschaftlich. Du hast dich verhalten, als würdest du dazu gehören. Es war wie in einer ganz normalen Familie. Niemand musste dir sagen, wann du ins Haus kommen und dich dazu gesellen solltest. Du verstehst, was ich meine?«

Franziska verzog das Gesicht.

»Ja, ich gebe es zähneknirschend zu, Wendy. Trotzdem, mit dem Eintreffen dieser Frau, war alles verändert.«

Franziska seufzte.

»Ich leugne nicht, dass es so war. Ich gehörte dazu. Das dachte ich jedenfalls. Deshalb werde ich jetzt auf Abstand gehen. Dann sehe ich, wie sie reagieren. Sind sie verwundert? Bedauern sie es? Sind sie gekränkt? Ich bin sehr gespannt, wie sie sich Simon und Eva verhalten.«

»Und wie sich Lukas verhält!«

»Okay, große Schwester, auch, wie sich Lukas verhält. Natürlich bin ich auf sein Verhalten besonders gespannt.«

»Wendy, was denkst du? Du bist mit meinem Plan nicht einverstanden, wie?«

»Das musst du entscheiden, Franziska. Jeder kann nur für sich selbst entscheiden.«

»Du würdest anders handeln?«

»Ja, Franziska!«

»Und wie?«

»Nun, ich würde Simon und Eva fragen, warum sie mich nicht vorgestellt hatten. Danach kannst du sie fragen, ob Lukas und Hella sich nahestehen.«

»Bist du wahnsinnig? Ich werde sie auf keinen Fall fragen, ob sie ein Paar sind.«

»Denkst du nicht, dass das feige ist, Franziska? Es ist doch nichts dabei. Du kannst es als harmlose Frage formulieren. So etwa: wie hat es Lukas Freundin hier gefallen? Du kannst das Wort ›Freundin‹ auch gegen das Wort ‘Liebste’ ersetzen. Damit lockst du Eva bestimmt alles heraus. Du machst dir doch Gedanken, wann und wie lange Lukas bei Hellas Familie zu Besuch war. Finde heraus, was er erzählt hat. Du kannst nicht einfach darüber hinweggehen, dass sie zu Besuch war, Franziska. Es wird alle verwundern, wenn du Dienst nach Vorschrift machst.«

»Ja, sie werden sich wundern, alle! Und das ist gut so«, sagte Franziska voller Bitternis in der Stimme.

Wendy seufzte.

»Was ist?«, fragte Franziska.

»Ich gebe es zu. Ich tue mich etwas schwer damit, wie du dich verhalten willst. Ich überlege, ob es nicht besser und klüger wäre, es ruhiger anzugehen? Dann würdest du dir keine Blöße geben. Soll Ronja so offensichtlich mitbekommen, dass du eifersüchtig auf Helene von Markschlotten bist? Ich will dir jetzt einen Rat geben, kleine Schwester. Lass dir niemals im Leben anmerken, wenn du eifersüchtig bist oder dir etwas wehtut! Es wird dir immer zum Nachteil gereichen. Egal, wie es in deinem Herzen aussieht, verbirg es! Sei nach außen hin ruhig und überlegen. Dann wirkst du stark. Leider ist es noch immer eine weitverbreitete Meinung, Frauen wären zarte Wesen sind und könnten nichts ertragen. Ich sage dir etwas. Wir Frauen sind stark. Wir sind es, die die Familie zusammenhalten und damit die Welt. Wir haben den Überblick. Bleib ruhig, Franziska! Du hast Simon Meininger gesagt, dass du Überstunden abfeierst. Okay! Dann sage ihm, dass du in Zukunft nicht mehr so viele Überstunden zusammenkommen lassen willst. Außerdem ist ja bekannt, dass Toni und Anna die Alm übernommen haben und ich hier bin. Eine Begründung dafür, dass du Dienst nach Vorschrift machen willst, musst du nicht geben. Du willst eben mehr bei mir sein. Du bist nicht verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Sei diplomatisch! Dir tut es leid, dass du dich auf deine reguläre Arbeitszeit beschränken musst. Deine Familie braucht dich und ich, deine Schwester, brauche dich. Die wahren Gründe gehen niemand etwas an.«

Franziska seufzte.

»Wendy, ich sage dir, dass ich am liebsten kündigen würde. Aber die paar Wochen bis zu meiner Prüfung, die stehe ich noch durch. Alles andere wäre mit zu viel Aufregung verbunden. Aber sobald ich fertig bin, höre ich auf dem Bichler Hof auf. Der Pachtvertrag läuft irgendwann aus. Dann werden Sebastian und ich neu entscheiden. Verstehst du?«

Wendy griff über den Tisch und streichelte Franziska die Wange.

»Ich verstehe dich, Franziska. Du bist verletzt. Du hast dich geärgert.«

»Ich habe mich in Lukas verliebt. Das ist es, Wendy. Und der gibt sich mit dieser Helene von Markschlotten ab? Ich könnte … Ich wünsche sie dahin, wo der Pfeffer wächst.«

Franziska hielt Wendy den leeren Kaffeebecher hin. Sie schenkte nach.

»Franziska, ich habe dich lieb, kleine Schwester. Ich verstehe dich. Die ganze Angelegenheit hat dich tief verletzt. Ich leide mit dir. Aber ich bitte dich, über meinen Rat nachzudenken. Du wohnst hier und leistest nur noch die vorgeschriebenen Arbeitsstunden. Gib dir keine Blöße! Sei selbstbewusst!«

Wendy lächelte sie an.

»Du musst dich jetzt nicht entscheiden, Franziska. Du musst dich mir gegenüber auch nicht rechtfertigen, wie du dich entscheidest, was du tust, wie du dich verhältst. Ich werde zu dir halten, auch wenn ich an deiner Stelle anders gehandelt hätte. Aber ich bin auch jemand anders.«

»Du bist wunderbar, Wendy. Ich bin so froh, dass es dich gibt. Dass du hier bist. Mir dir kann ich herrlich reden. Du hast mir viele Anregungen gegeben. Natürlich hast du recht. Ich sollte so tun, als wäre nichts passiert. Eine Franziska Baumberger gibt sich keine Blöße!« Sie seufzte. »Ich weiß nicht, ob ich es fertigbringe, so zu tun, als hätte ich mich nicht geärgert, als hätte ich keinen Liebeskummer.«

»Franziska, du bist stärker, als du denkst. Du hast deinen Stolz«, sagte Wendy. Sie schwieg einen Augenblick. »Wenn es dir hilft, dann hole ich dich die nächsten Abende abends ab. Dann fällt es dir leichter, hoffe ich.«

»Wendy, das ist genial! Das wäre wunderbar!«

»Dann ist es abgemacht. Ich komme gleich nach dem abendlichen Angelusläuten auf den Bichler Hof und hole dich ab.«

Wendy stand auf. »Genug der Plauderei, Franziska!«

»Ja, genug Wendy! Schade, dass wir hier nichts mehr zu tun haben, alles ist fertig.«

»Oh, falls du voller Tatendrang bist, dann beginnen wir, die Wand niederzureißen. Warum sollen wir warten, bis die Mannsbilder Zeit haben? Ich habe mir die Wand genau angesehen. Die Bretterwand ist vernagelt und verschraubt. Wir könnten unser Glück versuchen.«

»Großartige Idee! Das bringt mich auf andere Gedanken. Fangen wir an! Wo sind Hammer, Beißzange, Schraubenzieher, Axt, Brecheisen, Säge?«

»Du weißt, wo sie sind. Aber zuerst müssen wir die Kammer leer räumen. Dort sind die Möbel und das Bettzeug drin aus Wenzel und Hildas Schlafzimmer. Die Sachen sind uns im Weg.«

»Kein Problem«, sagte Franziska. »Die Möbel schaffen wir zuerst auf den Heuboden. Dann stecken wir das Bettzeug in alte Bezüge und verstauen es vorerst ebenfalls auf dem Heuboden. Übrigens, mir ist da noch eine Idee gekommen.«

»Welche?«

»Auf den alten Fotos ist eine Tür zu erkennen, die direkt nach draußen führt.«

»Ja, dort ist jetzt nur ein Fenster«, sagte Wendy.

»Stimmt! Du weißt, dass sich Sebastian sehr für Architektur interessiert. Er meinte, der Raum hätte ein kleines Fenster und eine Tür nach draußen gehabt. An der Außenwand der Almhütte ist doch das Gestell befestigt, auf dem Käsegerätschaften in die Sonne gehängt werden.«

»Ja und?«

»Das nehmen wir ab. Dahinter ist wahrscheinlich ein Fenster. An der Stelle ist innen in der Kammer, ein Bord. Darunter sind die Kleiderhaken.«

Wendy schaute Franziska mit großen Augen an.

»Das will ich sofort wissen«, rief Wendy.

Sie holte das Brecheisen und löste außen, an der Hauswand, das angenagelte hölzerne Gestell von der Wand.

»Bingo, gewonnen!«, rief Franziska.

Die beiden jungen Frauen rannten nach innen in die Kammer. Sie rissen das Bord mit den Kleiderhaken von der Wand. Darunter kam ein kleines Fenster zum Vorschein.

»Und unterhalb des anderen Fensters ist hinter der Wandvertäfelung bestimmt die Tür. Das Fenster ist der obere Teil einer zweiteiligen Tür, da bin ich mir sicher, Wendy. Da wette ich darauf.«

»Mit mir wettest du nicht, kleine Schwester. Du hast recht, es muss so sein. Ich habe mich schon oft gewundert, warum die Kammer unten herum noch einmal vertäfelt ist, auch wenn es nur einfache Bretter sind.«

Sie gingen ans Werk. Nach einer halben Stunde hatten sie die Tür innen freigelegt. Anschließend rissen sie außen an der Wand die Bretter ab. Der Schlüssel steckte noch. Sie ölten das Schloss und die Beschläge und warteten. Nach einer Weile ließ dich die Tür öffnen.

»Super!«, jubelte Franziska. »Ich finde das sehr praktisch. So kann man auch Gäste aufnehmen. Sie sind dann für sich, wenn du innen abschließt.«

»Du bist ganz schön clever, Franziska.«

»Kann sein! Nur was die Liebe betrifft, bin ich nicht klug.«

»Himmelsakrament, Franziska, hör auf!«, schimpfte Wendy. »Es bringt nichts, zu jammern und zu lamentieren. Es ist alles gesagt, was zu sagen ist. Die Zeit wird zeigen, ob aus dir und Lukas ein Paar wird.«

Franziska nickte. Sie sagte zu dem Thema nichts mehr.

»Wir sollten die Kammer jetzt leer machen, bevor es noch mehr Dreck gibt.«

»Aufi, Wendy, packen wir es an! Jetzt können wir alles durch die Tür nach draußen bringen. Das ist praktisch.«

Sie packten an.

Wendy war froh, dass Franziska über das Thema Lukas und Hella kein Wort mehr verlor. Dabei war sie sich sicher, dass Franziska daran dachte.

*

Pfarrer Zandler ging unruhig in der Küche des Pfarrhauses auf und ab. Seine Haushälterin warf ihm Blicke zu und schüttelte den Kopf. So unruhig hatte sie ihren Chef schon lange nicht mehr erlebt, wenn überhaupt. Sie saß am Küchentisch und schrieb ins Haushaltsbuch.

»Was ist, Träutlein? Warum schaust du mich so an und schüttelst den Kopf?«, fragte der Geistliche.

Helene Träutlein wurde ärgerlich.

»Tun Sie net so unschuldig, Herr Pfarrer! Sie wissen genau, warum ich das tue. Seit einer halben Stunde laufen Sie um den Tisch herum und sind mir im Weg. Sie schauen so oft auf die Küchenuhr, dass Sie bald Stielaugen bekommen. Schon drei Mal haben sie mich in ihr Studierzimmer geschickt, um nach den besonderen Gästen zu sehen.«

Die Wörter ›besondere Gäste‹ betonte Helene Träutlein deutlich.

»Vielleicht solltest du nachsehen, ob sie noch Kaffee haben?«

Herrschaftszeiten, dachte Helene. Sie konnte den Drang, laut zu fluchen kaum unterdrücken.

»Ja, die beiden haben genug Kaffee. Die erste Thermoskanne war noch halb voll, als ich eine zweite Kanne hineingebracht habe«, antwortete Helene Träutlein fast beleidigt. »Warum lauschen Sie nicht an der Tür?«, fragte sie.

»Schmarrn! Durch die Tür ist kein Laut zu hören. Entweder flüstern sie so leise, dass man nichts hören kann oder sie reden überhaupt nicht miteinander.«

»Vielleicht tauschen sie Zettel aus wie die Kinder in der Schule«, grinste Helene Träutlein.

»Heute tauschen die Kinder keine Zettel mehr aus. Sie schicken sich SMS«, zischte Pfarrer Zandler.

»Mei, haben sie heute eine Laune! Da wird ja die Milch sauer.«

»Was bist du garstig«, bemerkte Zandler.

»Dann bin ich eben garstig. Glauben Sie denn, dass ich nicht am Schicksal von Paul, Amelie und Flora Anteil nehme? Wie herzlos müsste jemand sein, um nicht Mitleid zu verspüren?«

Sie schauten sich an. Pfarrer Zandler verschränkte die Arme.

»Träutlein, du weißt, dass es zwei Familien gibt, die nicht so empfinden.«

»Ja, ich weiß, dass die Angehörigen von Paul und Amelie Bretter vor dem Hirn haben. Aber die können nix dafür. Ich habe auch Mitleid mit ihnen, vielleicht noch mehr, als mit Amelie und Paul.«

Zandler schaute seine Haushälterin erstaunt an.

»Wie meinst du das jetzt?«

Helene Träutlein seufzte.

»Heute kosten Sie mich viel Nerven. Ich möchte am liebsten laut losfluchen und mir Luft verschaffen. Glauben Sie denn, es ist einfach zuzuschauen, wenn alle so feige sind?«

»Feige?«

»Ja, feige sind alle, Sie auch«, schimpfte Träutlein. »Glauben Sie denn, ich hätte keinen Verstand? Ich würde nicht denken? Ich habe auch eine eigne Meinung, schon immer. Ich höre hier viel und sehe viel. Ich bin verschwiegen, wie es von mir erwartet wird. Aber denken tue ich und das kann mir keiner verbieten. Und beichten, was ich denke, das tue ich nicht und wenn, dann bestimmt nicht bei Ihnen im Beichtstuhl.«

»Mei, Träutlein, was ist denn plötzlich in dich gefahren? So kenne ich dich nicht. So bist noch nie gewesen. So hast noch nie geredet.«

Helene Träutlein stand auf. Sie stellte sich hinter den Küchenstuhl und umklammerte die Lehne so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.

»Es gibt für alles ein erstes Mal, Herr Pfarrer. Ich bin bei Ihnen, seit Sie das Amt übernommen haben. Ich habe vieles miterlebt. Immer sagte ich mir, er weiß, was er tut. Er liebt seine Schäfchen und ist ein geduldiger Hirte. Aber dieses Mal sollten Sie durchgreifen. Diplomatie ist schön und gut. Aber es gibt Sachen, da muss man Klartext sprechen und entsprechend handeln, sonst kommt man nie zum Ziel. Es tut mir leid, wenn Sie denken, dass ich Sie jetzt belehren will. Das steht mir nicht zu. Aber Sie haben mich nach meiner Meinung gefragt. Sie wollten wissen, was mir im Kopf herumgeht. Das sage ich Ihnen jetzt klar und deutlich. Das Hin-und-Her ist ein Schmarrn. Alle sind feige, Sie eingeschlossen. Ich habe nachgedacht. Paul und Amelie sind feige, besonders Paul. Er hätte mit Flora durchbrennen sollen. Amelie hätte verlauten lassen können, dass sie ihn versteht. Dass sie gewusst haben, dass sich die beiden lieben. Klar, hätte es Aufregung bedeutet. Aber die Sache wäre längst ausgestanden. Stattdessen geben Amelies Eltern eine Vermisstenanzeige auf. Paul und Flora sitzen da drüben im Studierzimmer. Reden sie? Einigen sie sich? Wie geht es weiter? Das Ganze ist ein Affentheater, wenn Sie mich fragen. Und das wissen Sie auch. Himmelherrschaftszeiten, der Himmel möge mir verzeihen, Sie sollten weniger der Diplomatie frönen, als Nägel mit Köpfen machen. Wie haben Sie einmal gesagt? Wenn Schafe aus der Herde ausbrechen wollen, dann muss man sie auch einmal mit Strenge daran hindern. Ein Schäfer schickt dann seine Hunde los, die die abtrünnigen Schafe kläffend zurücktreiben. Wenn das nicht klappt, dann weist der Hirte den Schafen auch schon mal den Weg mit dem Hirtenstab. Besser sie spüren für einen Augenblick den Stock, als dass sie in den Abgrund stürzen und Schaden nehmen.«

Helene Träutlein holte Atem, bevor sie weiter sprach.

»Und wenn Sie jetzt denken, dass ich Ihnen ein Vortrag halte, eine Predigt, dann könne Sie das denken. Klar verstehe ich, dass Sie Paul und Flora Gelegenheit geben wollen, sich auszusprechen. Sie haben den beiden versprochen, dass sie allein reden können. Das ist gut.«

»Ah, dann habe ich doch nicht alles falsch gemacht? Wie tröstlich.«

»Ja, es war nicht alles falsch. Aber so weit hätte es nicht kommen müssen. Und wie viel Zeit wollen Sie Paul und Flora geben, eine Stunde, bis zum Nachmittag, die halbe oder ganze Nacht?«

Helene Träutlein holte erneut Atem.

»So, jetzt habe ich Dampf abgelassen. Jetzt geht es mir besser. Und jetzt bereite ich das Mittagessen vor.«

»Was gibt es?«

Helene Träutlein grinste. »Lassen Sie sich überraschen! Heute koche ich, was mir schmeckt.«

Für Pfarrer Zandler war das ein Alarmzeichen. Sicher war es ein Gericht, das er nicht mochte. Schon immer hatte Träutlein es so gehalten, dass sie nichts kochte, was ihm schmeckte, wenn sie verärgert war. Er konnte daran ihre Stimmung ablesen.

»Und ich koche viel davon. Dann gibt es die nächsten Tage Aufgewärmtes.«

»Wenn das so ist, kann ich auch bei den Baumbergers essen«, sagte Zandler leise.

»Ich habe es gehört«, bemerkte Träutlein. »Machen Sie, was Sie wollen!«

Sie hob den Kopf und schaute ihn trotzig an.

»Übrigens, ich habe noch viele Tage Urlaub zu bekommen. Ich setze Ihnen eine Frist. Wenn Sie dieses Kasperltheater nicht bald beenden, dann nehme ich ab nächster Woche Urlaub.«

Zandler schüttelte den Kopf. »Mei, bist du in Fahrt, Träutlein! Führst du jetzt hier das Regiment?«

»Ach, denken Sie doch, was Sie wollen!«, schmollte Träutlein noch immer.

»Träutlein, ist es nicht besser, erst mal zu versuchen, etwas gütlich zu regeln?«

»Sehen Sie, jetzt machen Sie den gleichen Fehler wie Paul und Amelie. Auf der einen Seite sind Sie nicht damit einverstanden, dass die beiden in eine Ehe ohne Liebe stolpern. Auf der anderen Seite halten Sie ihre ganze Autorität unter Verschluss. Okay, das war vielleicht etwas übertrieben. Ich gebe zu, Sie haben Paul, Amelie und Flora ins Gewissen geredet. Aber die Kirchners und die Neureuthers, die haben Sie verschont. Und ich sage Ihnen noch etwas. Dumm bin ich nämlich nicht. Ich kann eins und eins zusammenzählen. Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass die beiden Familien genau wissen, dass sie mit allen Mitteln versucht hatten, die beiden zu einer Ehe zu zwingen. Und deshalb und nur deshalb haben die Kirchners und die Neureuthers versucht, die beiden durch den Kardinal oder den Bischof trauen zu lassen. Sie hatten nämlich Angst, dass Sie sie durchschauen. So, jetzt wissen Sie alles, was mir durch den Kopf geht.« Helene Träutlein atmete tief durch. »Damit ist alles gesagt. Und jetzt gehen Sie aus meiner Küche!«

»Das ist nicht deine Küche, das ist die Küche des Pfarrhauses.«

»Aber hier habe ich das Sagen, basta«, zischte Helene Träutlein.

Pfarrer Zandler gab sich geschlagen. Er ging in den Garten und setzte sich in die Gartenlaube, um zur Ruhe zu kommen. Das Schlimme war, dass seine langjährige Haushälterin recht hatte. Sie waren ein eingespieltes Team. Er hatte sich immer auf sie verlassen können. Sie hatte ihm immer den Rücken freigehalten und alles gedeckt, was er auf Umwegen und auch mit so manchem Trick zum Wohl seiner Gemeindemitglieder in die Wege leitete.

Dass Helene Träutlein so ungeduldig und wütend war, verwunderte ihn. Doch jeder Mensch hatte seine eigene Lebensgeschichte, so auch Pfarrer Zandlers Haushälterin. Wenn Menschen eine Situation einschätzten, griffen sie immer auf eigene Erfahrungen zurück. Es war ihr Maßstab bei der Beurteilung. Zandler wusste, dass es im Leben von Helene Träutlein ein Geheimnis gab. Damals, bevor sie sich als junge Frau entschied, ihr Leben als Haushälterin in einem Pfarrhaus zu verbringen, war etwas geschehen. Träutlein hatte nie darüber gesprochen und wird es wahrscheinlich auch niemals tun. Zandler vermutete, es hing mit einer unerfüllten Liebe zusammen. Aus diesem Grund war sie jetzt so empfindlich.

»Es muss so sein«, murmelte Zandler vor sich hin.

Nur deshalb hatte die treue Seele die Fassung verloren. Die Sache mit Paul, Flora und Amelie rührte an längst Vergangenem. Aber sie hat in gewisser Weise recht, gestand er sich ein. Amelie versteckt sich auf der Berghütte. Flora wollte Waldkogel den Rücken kehren und Paul war ebenso unglücklich.

Ich muss handeln, nahm sich Zandler vor. Mir muss es gelingen, die Sache zu beschleunigen. Das zieht sich jetzt alles schon zu lange. Zwar kam der Hochzeitstermin immer näher. Aber es sah nicht so aus, als würden die Beteiligten selbst einen Weg aus der Misere finden. Nur Amelie war mutig gewesen, als sie entschied, sich lieber zu verstecken, als ihren Jugendfreund Paul zu heiraten, mit dem sie nur eine innige Freundschaft verband, die aber keine Liebe war.

»Ihr Engel vom Engelssteig, es muss eine Lösung geben. Ich wünsche mir, dass alle ihr Gesicht wahren können und glücklich sind. Ich bin in Sorge, ob das möglich ist. Tut etwas, bitte! Ich bitte nur um ein kleines Wunder. Die Lage ist so verwirrend«, flehte Pfarrer Zandler leise mit Blick auf das Gipfelkreuz des ›Engelssteigs‹.

Dann ging er ins Haus.

Pfarrer Zandler lauschte an der Tür seines Studierzimmers. Er hörte nichts. Er schaute auf die Uhr. Paul und Flora waren jetzt schon über eine Stunde da drinnen.

Er überlegte, wie viel Zeit er ihnen noch geben sollte? Auf der einen Seite war es hoffnungsvoll, dass sie immer noch miteinander sprachen. Vielleicht sind sie auf dem Weg zu einer Einigung? Sie scheinen sich jedenfalls nicht zu streiten, dachte er. Wer streitet, der erhebt die Stimme. Dass keiner schrie und brüllte, konnte man als gutes Zeichen ansehen. Vielleicht waren sie in diesem Moment zu einer Entscheidung gekommen? Sollte ich klopfen und sie stören, überlegte er. Vielleicht würge ich damit das Gespräch an einer entscheidenden Stelle ab?

Während er noch überlegte, läutete das Telefon. Pfarrer Zandler schmunzelte, klopfte kurz an die Tür und trat ein.

Mit einer Geste deutete er auf das Telefon auf seinem Schreibtisch. Er nahm ab, aber der Anrufer hatte schon aufgelegt. Vielleicht war das das kleine Wunder, um das er gefleht hatte. Jedenfalls konnte er so einen Blick auf die beiden werfen. Sie machten einen entspannten Eindruck.

»Dass die Leute auch keine Geduld haben. Denken die vielleicht, dass ich den ganzen Tag neben dem Telefon sitze und warte, bis es bimmelt?«

Mit einem Blick sah Zandler, dass Paul und Flora von dem Kuchen gegessen hatten.

»Ich wollte nicht stören«, sagte Zandler. »Redet nur weiter! Nehmt euch Zeit, so lange ihr braucht. Ich bin draußen. Ihr könnt mich jederzeit rufen.«

Die beiden nickten sich zu.

»Bleiben Sie ruhig! Wir haben soweit alles beredet. Wir haben uns ausgesprochen, wie Sie es uns geraten hatten«, sagte Flora.

»Das ist gut«, sagte Zandler.

Er öffnete die Tür und rief:

»Träutlein, noch eine Tasse und einen Teller, für mich, bitte!«

Mit einer Miene, die er nicht interpretieren konnte, brachte seine Haushälterin das Gewünschte.

Zandler setzte sich, schenkte sich ein und nahm sich ein Stück Kuchen. Erst dann sprach er Paul und Flora an.

»Und, was habt ihr jetzt vor?«, fragte er.

Flora antwortete nicht. Sie schaute Paul an und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, das Wort zu ergreifen.

Paul räusperte sich. Er bekam einen hochroten Kopf.

»Also, ich bin bereit, Flora zu heiraten.«

Pfarrer Zandler schlug die Hände zusammen, schaute gegen die Zimmerdecke, meinte aber den Himmel.

»Gott sei Dank!«, seufzte er. Dann grinste er. »Und wann? Heute? Jetzt gleich? Ich kann den Bürgermeister anrufen. Er macht euch sofort zu Mann und Frau und danach bekommt ihr meinen Segen drüben in der Kirche.«

Flora lächelte den Geistlichen an.

»So schnell dann doch nicht, Herr Pfarrer. Mein Angebot, Pauls Frau zu werden, wann immer und wo immer Paul mich heiraten will, habe ich zurückgezogen. Ich nehme ihn gern zum Mann. Ich will ihn, weil ich ihn liebe. Aber eine heimliche Hochzeit lehne ich ab. Diese Chance ist vorbei. Das war einmal. Jetzt will ich eine richtige Hochzeit, wie es sich gehört. Meine Eltern sollen dabei sein, meine Freunde und Pauls Familie. Amelie soll meine Trauzeugin sein. Damals, vor Wochen, als ich Paul vorschlug, wir könnten heiraten und dann in lange Flitterwochen fahren, bis sich alles beruhigt hat, gilt nicht mehr. Ich verlange, dass Paul öffentlich zu mir steht. Ich will, dass seine Familie von uns und unserer Liebe erfährt. Das sind Bedingungen, von denen ich nicht abrücke.«

Paul saß immer noch mit hochrotem Kopf da.

»Ja, Paul, da musst du jetzt durch«, sagte Zandler. »Du hast es selbst soweit kommen lassen. Du kannst froh sein, dass dich Flora noch haben will.«

Paul senkte den Blick. »Ja, ich weiß. Flora hat mir ordentlich den Kopf gewaschen. Sie hat wörtlich gesagt, dass sie keinen Feigling und Waschlappen heiraten will, sondern einen Mann. Ich hätte schon längst Klarheit schaffen sollen.«

Pfarrer Zandler sah Paul an, wie verlegen er war.

»Paul, ich stimme Flora zu. Du bist eben zu lange der liebe Bub gewesen. Es ist schön, wenn ein Mann rücksichtsvoll ist und die Harmonie wahren will. Aber seine Frau muss an erster Stelle stehen. Für sie muss er bereit sein, zu kämpfen und auch sich mit jemanden anzulegen, der sich einmischen will. Wenn eine Mann und eine Frau eine Familie gründen, dann zählt nur dies. In Gedanken müssen sie drum herum einen Zaun errichten, um ihr Lebensglück vor schädlichen und bedrohlichen Einflüssen zu schützen. Das ist nicht immer einfach. Das kenne ich aus vielen Beobachtungen. Junges Glück ist vielfältiger Einmischung und Einflussnahme ausgesetzt. Dagegen muss sich die junge Ehe stemmen. Dass es da mal zu Streit mit den Verwandten oder Freunden kommen kann, lässt sich oft nicht vermeiden. Aber diese Diskussionen und versuchte Beeinflussungen müssen die jungen Eheleute aushalten. Sie werden Kinder bekommen. Kinder wünschen sich starke Eltern, die sich schützend vor sie stellen, zu denen sie aufblicken können, die auch mal Unannehmlichkeiten aushalten, wenn es dazu kommt. So wie ich es sehe, hat Flora das begriffen. Du musst handeln. Ich weiß, dass das nicht leicht für dich sein wird. Wenn du Flora zum Altar führen willst, dann musst du jetzt deinen Mann stehen, auch wenn das etwas banal klingt. Du verstehst mich?«

»Ja, ich versteh’s schon!«

»Was hast du jetzt vor, Paul?«

Da ergriff Flora das Wort: »Ich habe Paul vorgeschlagen, dass wir zuerst Amelie aufsuchen und mit ihr sprechen. Sie wird erleichtert sein und zu uns stehen, wie eine echte Freundin. Auch Amelie muss sagen, dass sie Paul nicht liebt und ihn nicht heiraten will.«

»Mm, da ist etwas Wahres dran«, sagte Zandler.

Er schaute Paul an.

»Auch Amelie war nicht ganz ehrlich und etwas feige. Aber man muss ihr zugutehalten, dass sie noch rechtzeitig die Reißleine gezogen hat.«

Pfarrer Zandler aß seinen Kuchen zu Ende. Er trank die Tasse aus und schenkte sich nach.

»Wollt ihr auch noch Kaffee?«, fragte er.

Sie lehnten ab. Sie hätten so schon genug Herzklopfen, lachten sie.

Pfarrer Zandler schlug vor, dass er Amelie anrief. Sie könnte am Abend ins Pfarrhaus kommen. Alle könnten sich absprechen und dann gemeinsam den beiden Familien gegenübertreten.

Flora und Paul lächelten.

»Das ist wirklich sehr hilfsbereit von Ihnen«, sagte Paul. »Aber wir müssen anfangen, unsern ›Gartenzaun‹ zu errichten. So möchte ich es formulieren, um in dem Bild zu bleiben. Sie haben viel für uns getan. Aber ab jetzt gehen wir unseren Weg gemeinsam - und allein. Danke für alles, was sie getan haben!«, sagte Paul.

»Du bist auf dem besten Weg, ein ganzer Mann zu werden, Paul. Setz dich durch! Es dein Leben, euer Leben.«

Flora bedankte sich ebenfalls.

»Sie hören von uns, wegen des Termins für die Hochzeit«, sagte sie.

»Lasst euch nicht zu viel Zeit«, ermahnte er die beiden. »Solange ihr nicht Mann und Frau seid, wird man versuchen, eure schönen Pläne zu vereiteln. Und ich sage euch noch etwas. Es wird nicht leicht werden. Es kann sein, dass es eine einsame Hochzeit für dich sein wird, Paul. Ich meine, ohne deine Familie. Bei aller Hoffnung auf Versöhnung solltest du diesen Gedanken nicht verdrängen.«

Paul griff nach Floras Hand.

»Sie wird nicht einsam sein. Alles, was ich will, ist Flora. Und sie will mich. Und wenn um uns die Welt einstürzt, werden wir uns durch die Trümmer kämpfen.«

»Das hast du schön gesagt«, lächelte Pfarrer Zandler. »Ihr könnt jederzeit Spaten und Schubkarren bei mir ausleihen.«

Sie lachten.

Paul und Flora standen auf.

»Wir rufen sie an«, sagte Flora.

»Besucht ihr jetzt Amelie auf der Berghütte?«, fragte Zandler.

»Ja, das tun wir. Mein Auto steht draußen auf dem Marktplatz. Wir werden zur Oberländer Alm hinauffahren und dann Hand in Hand zur Berghütte wandern.«

»Das ist nicht mehr die Oberländer Alm«, sagte Zandler.

Flora wusste noch nicht, dass Toni und Anna sie übernommen hatten und Wendy sie bewirtschaftete.

Pfarrer Zandler brachte die beiden zur Tür. Dort übergab Paul Zandler einen Umschlag.

»Den Briefumschlag und ein Blatt habe ich von Ihrem Schreibtisch genommen. Können Sie ihn bitte auf der Post aufgeben?«

»Warum so umständlich?«, fragte Zandler. »Wie ich sehe, ist er an deine Eltern adressiert. Ich werfe ihn in den Briefkasten. Was hast du geschrieben?«

»Dass sie mich nicht suchen sollen, steht drin. Das ist alles.«

»Gut, ich werde dafür sorgen, dass sie den Brief erhalten.«

Pfarrer Zandler sah den beiden nach, wie sie ins Auto stiegen und davonfuhren.

»Herr im Himmel, stehe den beiden bei. Sie haben einen schweren Weg vor sich«, flüsterte Zandler.

Dann ging er in die Küche des Pfarrhauses.

»Träutlein, du musst dir keine Sorgen mehr machen. Paul heiratet Flora. Sie sprechen mit Amelie. Danach stellt Paul Flora seinen Eltern als seine Braut vor. Und dein Mittagessen kannst du einfrieren und uns etwas kochen, was uns beiden schmeckt.«

Helene Träutlein schmunzelte.

So war die Harmonie wieder in die Küche des Pfarrhauses eingekehrt. Zandler hoffte, dass es so bleiben würde.

*

Annas Handy lag auf dem Küchenschrank. Es läutete.

»Toni, gehe bitte ran! Ich muss mir erst die Hände waschen«, rief Anna. Sie stand am Küchentisch und knetete den Kuchenteig.

Toni nahm das Gespräch an.

Es war Annas Großmutter, Gisela Bremer.

»Dann seid ihr bald hier?«, sagte Toni. »Wir freuen uns. Anna ist ganz aufgeregt. Sie backt Kuchen und hat die Hände voller Teig. Augenblick, Großmutter Bremer, ich gebe sie dir ... Ja, ich sage es ihr. Gute Fahrt! Bis später!«

Toni legte auf.

»Sie wollte es kurz machen. Sie hat den Welpen auf dem Schoß. München haben sie hinter sich gelassen und werden bald hier sein.«

Anna Augen strahlten.

»Gut, dann bringe ich den Hefeteig noch auf das Blech. Die Streusel sind schon fertig. Der Kuchen kann gehen, bis ich komme. Ich rufe dich von Wendy aus an. Sobald wir von dort losgehen, kannst du das Blech in den Ofen schieben, Toni. Meine Großeltern lieben frischen, warmen Streuselkuchen zu einem schönen Teller Eintopf. Sie werden nach der langen Fahrt hungrig sein.«

»Denkst du nicht, sie haben unterwegs Rast gemacht?«

»Möglich, aber dann können sie den Kuchen heute Abend essen.«

Anna trocknete sich sorgsam die Hände ab. Die Küchenschürze hängte sie an den Haken hinter der Tür. Dann verschwand sie im Schlafzimmer und zog sich ein frisches Dirndl an. Es war blau und stand ihr gut, es passte perfekt zu ihren blauen Augen und dem blonden Haar.

»Fesch schaust du aus, Anna«, sagte Toni.

Er nahm seine Frau in den Arm und küsste sie.

»Du strahlst richtig«, lächelte er.

»Ja, ich habe meine Großeltern lange nicht gesehen, über ein Jahr. Ich freue mich wie ein Kind auf Weihnachten.«

»Soll ich Tannenzweige aufhängen und Kerzen anzünden«, fragte Toni und bemühte sich dabei, ein ernstes Gesicht zu machen.

Sie lachten.

Toni gab Anna einen liebevollen Kuss und trug ihr Grüße an Wendy auf.

»Mache ihr deutlich, dass es sehr schön wäre, wenn sie jeden Abend heraufkäme, solange deine Großeltern zu Besuch sind.«

Anna streichelte Toni die Wange.

»Wendy wird kommen, Toni. Verlass dich darauf.«

Dann machte sie sich auf den Weg hinunter zur Alm.

Wendy saß am Tisch vor der Almhütte und schrieb.

»Grüß Gott, Anna«, rief sie. »Wie siehst du aus? Du hast ganz rote Wangen.«

Die beiden Frauen umarmten sich.

»Ich bin aufgeregt, Wendy. Ich freue mich so auf meine Großeltern und die Hunde.«

Wendy holte Saft und sie setzten sich. Anna erzählte, dass Großmutter angerufen hatte, als sie hinter München auf der Landstraße waren.

»Weißt du jetzt, wie lange sie bleiben?«, fragte Wendy.

Anna schüttelte den Kopf.

»Nein, ich hoffe, sie bleiben länger, als das Wochenende. Aber das hängt davon ab, wann der Nachbar, der sie hergefahren hat, zurück will. Zeit hat er, soweit mir bekannt ist. Jemand, der sich um Haus und Hunde kümmert, haben sie auch gefunden. Aber ich fürchte, sie drängt es, bald wieder zu fahren. Meine Großeltern waren noch nie länger als zwei Tage irgendwo. Selbst als Toni und ich heirateten, war es so. Sie kamen am Abend vor unserer Hochzeit an und fuhren am Morgen danach wieder ab. Damals waren sie noch viel jünger und fuhren selbst mit dem Auto. Ich bin froh, dass dieser Nachbar sie fährt.«

»Das muss ein sehr netter Mensch sein, dass er die Mühe auf sich nimmt. Kennst du ihn von früher, Anna?«

Anna schüttelte den Kopf. Sie behielt alles für sich, was sie von Beate Brand über den Tierarztkollegen und einstigen engen Freund wusste. Das war auch besser so. Schließlich war es nicht einfach gewesen, ihn nach Waldkogel zu locken. Vielleicht wurde aus Beate und Carl wieder ein inniges Paar, so wie sie es einst waren.

»Nein, Wendy, er ist erst seit kurzer Zeit Nachbar meiner Großeltern. Er ist Witwer, kinderlos und schreibt Tierbücher.«

»Oh, das klingt interessant.«

»Ja, er will sich mit mir darüber unterhalten, wie ich Bello trainiert habe, dass er selbsttätig unsere Sachen auf die Berghütte holte.«

»Dann wird Bello vielleicht die Ehre zuteil, in einem Buch erwähnt zu werden. Dann ist er ein berühmter Hund. Er hat es verdient.«

Anna lachte. »Wendy, jetzt übertreibst du.«

»Warum nicht? Ich bin glücklich, da werde ich etwas übermütig. Komm rein und schau dir an, was Franziska und ich schon alles geschafft haben! Wenzel und Hilda werden Augen machen, wenn sie nach ihrem Urlaub in Italien alles sehen.«

Wendy führte Anna herum.

»Ich kann nur sagen, ich staune. Da seid ihr wirklich fleißig gewesen. War es nicht eine schwere Plackerei, die Wand herauszunehmen? Warum habt ihr nicht gewartet, bis Sebastian frei hat? Er, Toni und Ole wollten das machen.«

»Selbst ist die Frau! Es war gar nicht so mühsam, wie wir gedacht hatten. Wir ließen uns Zeit und machten Pausen. In der Ruhe liegt die Kraft, sagt man«, lachte Wendy. »Aber es ist noch Arbeit genug für die Burschen übrig. Aus dem Bauholz müssen die Nägel heraus und es muss gesägt werden, in kleine, kurze Stücke, damit es in den Ofen passt und ich es verbrennen kann.«

»Das ist Arbeit für die Mannsbilder. Und was kommt als nächstes dran?«, fragte Anna.

Wendy ließ die Augen über die Holzwände gleiten.

»Wände, Türen und Fenster streichen, Boden schrubben und wachsen, Vorhänge nähen, die Möbel verschönern und… und... und! Franziska kommt jeden Abend vom Bichler Hof zu mir herüber. Bis es dunkel wird, können wir noch einiges machen.«

Wendy lächelte.

»Ich will fertig werden, bis Wenzel und Hilda kommen.«

»Du bist ganz schön ehrgeizig.«

»Nein, ich bin zielstrebig, Anna. Das klingt freundlicher.«

»Ja, das klingt freundlicher. Die Almhütte hat einen ganz neuen Charakter bekommen, Wendy. Vorher war sie dunkel und etwas düster. Jetzt wirkt sie fröhlich.«

»Das stimmt. Ich habe jetzt ein besseres Gefühl«, sagte Wendy.

Anna lächelte.

»Es gibt einen Satz von Goethe, der auch hier zutrifft, Wendy. ›Was du ererbst von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen‹. Das heißt, dass man etwas tun muss, um eine Heimat zu schaffen.«

Wendy lächelte. »Ja, das stimmt. Der Satz gefällt mir, auch wenn die Alm nicht meine ist.«

»Wendy, was redest du da? Toni und ich hätten die Alm nie übernommen, wenn du nicht hier wärst. Du weißt doch, dass du eines Tages im Grundbuch stehen wirst.«

Wendy errötete tief. »Anna, materieller Besitz ist mir nicht wichtig. Es gibt etwas, was mein Herz mehr ausfüllt. Außerdem kann alles Materielle vergehen. Ich habe das tiefe Gefühl in meinem Herzen, die Alm ist mir zur Heimat geworden.«

Anna streichelte Wendys Wange.

»Das freut mich und Toni auch. Wendy, während der Hochsaison gibt es viel zu tun. Im Winter, wenn wir im Tal sind, habe ich mehr Zeit. Jetzt haben wir beide selten Gelegenheit, uns allein zu unterhalten und ausführlich zu reden. Deshalb will ich die Zeit nutzen, bevor der Besuch ankommt.«

Anna lächelte Wendy liebevoll an, bevor sie weiter sprach.

»Toni ist sehr stolz auf dich, Wendy. Er ist glücklich, dass es dich gibt. Du bedeutest ihm sehr viel.«

Wendy errötete.

»Schmerzt es dich nicht, dass ich Tonis leibliche Tochter bin und du kein Kind von ihm hast?«, fragte Wendy vorsichtig.

»Wendy, es schmerzt mich nicht. Keiner kann Toni und mir sagen, warum unsere Ehe, bei all der Liebe und Zuneigung, kinderlos geblieben ist. Aber uns wurden Franziska und Sebastian geschenkt. Und dann, so viele Jahre später, bist du zu uns gekommen.«

»Ich freue mich über meine Geschwister. Uns verbinden innige Herzensbande.«

»Das freut mich. Übrigens, Toni hat mir ausdrücklich ans Herz gelegt, dass du die Abende bei uns auf der Berghütte verbringst, solange meine Großeltern zu Gast sind. Du gehörst zur Familie.«

»Franziska und ich kommen bestimmt jeden Abend hinauf, etwas später am Abend. Wir werden uns nicht lange aufhalten, sage ich dir gleich, Anna.«

»Verstehe, du willst auch sehen, dass du hier weiterkommst.«

»Ja, aber ich würde mich freuen, wenn deine Großeltern mich tagsüber besuchten.«

Anna und Wendy setzten sich wieder vor die Almhütte und plauderten.

Dann hörten sie ein Auto.

»Das könnten sie sein«, sagte Anna.

Die beiden Frauen liefen auf die Wiese hinter der Almhütte.

»Ja, sie sind es«, sagte Anna.

Sobald das Auto stand, hielt Anna ihrer Großmutter die Autotür auf.

»Carl, nimm du jetzt dieses Bündel«, sagte Gisela Bremer. »Ich will die Hände freihaben, um meine Enkelin zu umarmen.«

Mir diesen Worten drückte sie Doktor Carl Ziegler den ziemlich erschöpften Welpen in den Arm.

Anna und ihre Großmutter umarmten sich lange und herzlich.

»Gut schaust du aus, mein Deern«, sagte Gisela Bremer.

»In den Bergen gibt es keine Deerns, Gisela, da sagt man Madl«, korrigierte sie ihr Mann.

»Daran kannst du sehen, wie gut es ihm geht. Er muss immer noch das letzte Wort haben«, blinzelte Gisela ihrer Enkelin zu.

»Jetzt lass das Madl los, Gisela«, schimpfte Erwin scherzhaft. Dann schloss er Anna in seine Arme und küsste sie rechts und links auf die Wange.

»Schön, dass ihr hier seid!«, sagte Anna. Dabei wischte sie sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel.

Inzwischen war Doktor Carl Ziegler ausgestiegen. Gisela und Erwin stellten ihn vor.

»Freut mich, Sie kennenzulernen und vielen Dank, dass Sie so freundlich waren, meine Großeltern und die Hunde herzufahren!«

»Ich habe zu danken. Aber jetzt bin ich doch etwas verwirrt. Man hat mir gesagt, dass man sich in den Bergen duzt. Also ich bin Carl, wenn es recht ist.«

»Sicher, ich bin Anna.« Sie klatschte in die Hände. »Und diese große, zottelige, schokoladenbraune Dame im Kofferraum ist wohl Bella?«

»Ja, das ist sie. Dann lasse ich sie heraus.«

Carl öffnete vorsichtig mit einer Hand zuerst die große Hecktür, dann die Hundebox. Sie war so groß, dass Bella darin stehen konnte. Daneben stand eine kleinere Hundebox.

»Der kleine Rüde hat entsetzlich gefiept unterwegs. Eine so weite Strecke war er noch nie in einer Box gereist. Dreihundert Kilometer haben wir uns das Gejammer angehört. Dann habe ich ihn auf dem Arm genommen und er hat den Rest der Fahrt geschlafen. Und er schläft noch, wie man sehen kann«, erzählte Gisela.

Carl setzte den Welpen ins Gras. Er rollte sich zusammen und schlief weiter. Der Tierarzt holte Bella aus der Box.

Die zweijährige Neufundländerhündin schüttelte sich. Erwin befahl ihr, sich zu setzen.

Die Hündin hört aufs Wort. Dann machte sie Erwin mit Anna bekannt. Anna sprach leise mit der Hündin und streichelte sie. Es war gleich eine Zuneigung zu Anna zu erkennen. Anna nahm sie an die Leine.

»Dann kommt mal alle mit. Ich möchte noch jemanden vorstellen«, sagte Anna. »Dort wartet Wendy, unsere große Tochter.«

Anna ging mit Bella auf Wendy zu, die diskret im Abstand bei der Almhütte stand.

Da zog Bella an und riss Anna die Leine aus der Hand. In großen Sprüngen spurtete Bella über die Wiese auf Wendy zu. Sie sprang an ihr hoch und versuchte, ihr freudig das Gesicht abzuschlecken.

»Was für eine Zuneigung, Bella! Ja, ich mag dich auch. Aber ich habe mich heute schon gewaschen«, lachte Wendy und drückte Bellas feuchte Schnauze zur Seite.

Bella legte ihren Kopf an Wendys Schulter und genoss die Liebkosungen.

»Was für eine Zuneigung, Wendy«, sagte Gisela Bremer. »Darauf kannst du dir etwas einbilden. Bella zeigt Fremden gegenüber selten so offen und sofort ihre Sympathie.«

Wendy drückte die Neufundländerhündin sanft von sich und ließ sie Platz machen. Bella hörte aufs Wort. Sie setzte sich neben Wendy und drückte sich an sie.

Nachdem Wendy jetzt die Hände freihatte, konnte sie alle begrüßen, Gisela und Erwin, Annas Großeltern und Carl, den Tierarzt.

»Und jetzt habt ihr die Oberländer Alm übernommen, Anna. Das war gut«, sagt Annas Großvater.

Anna lobte Wendy, bis diese ganz verlegen wurde.

»Darf ich zu einer Tasse Kaffee einladen?«, fragte Wendy.

Gisela schaute auf die Uhr.

»Ja, warum nicht. Ein halbes Stündchen Ruhe sollten wir uns nehmen, ehe wir zur Berghütte aufsteigen. Es war eine lange, anstrengende Fahrt.«

»Habt ihr keine Pausen gemacht?«

Doktor Carl Ziegler erklärte, sie hätten auf ruhigen Rastplätzen angehalten und Bella etwas Auslauf gegönnt.

Wendy bat alle in den großen Wohnraum der Almhütte.

»Alles so schön renoviert«, lobte Gisela. »Sieht richtig freundlich aus.«

Wendy erhitzte Wasser und machte Kaffee. Anna nahm Bella die Leine ab. Die Hündin streunte ums Haus. Sie kam bald wieder und hatte den kleinen Welpen bei sich. Anna gab den Hunden Wasser.

»Wie wir dir am Telefon gesagt haben, hat der Welpe den Namen Benno, weil er ein B-Wurf ist. Er hört noch nicht sehr gut auf den Namen. Ihr könnt ihn auch anders nennen.«

»Toni und die Kinder haben darüber beraten«, sagte Anna. »Benno gefällt allen. Die beiden Namen passen gut zusammen, Bella und Benno.«

Während sie Kaffee tranken, drehte sich das Gespräch um die Hunde. Dabei unterhielt sich Anna fast ausschließlich mit Carl.

»Gleich morgen fange ich an, Bella zu trainieren«, sagte Anna. »Ich gewöhne sie zuerst an die Packtaschen. Toni wird jeden Tag mit ihr hinuntergehen auf die Alm, um die Lebensmittel zu holen. Und jeden Tag wird er auf dem Rückweg mehr in die Packtaschen tun. Ich denke, nach einer Woche kennt Bella den Weg und auch seine Gefahren. Dann kann man sie von der Leine lassen.«

»Wann beginnst du mit dem Training für das Wägelchen?«

»Etwas später«, sagte Anna. »Außerdem sind Bennos Wägelchen und Packtaschen noch nicht fertig. Für ihn wird es ein Spiel sein, bis er ausgewachsen ist.«

Carl bat Anna, Fotos zu machen und ihm zu schicken.

»Willst du nicht ein paar Wochen hierbleiben?«, fragte Anna. »Wie lange bleibt ihr überhaupt?«

»Zwei Tage, Anna«, sagte Großmutter. »Wir haben jemanden, der nach unseren Hunden schaut. Aber es ist besser, wenn wir daheim sind. Außerdem wollen wir Carls Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Er hat einen Abgabetermin für sein Buch.«

»Ja, das stimmt«, sagte Carl. »Aber vielleicht komme ich mal wieder. Erstens, um zu sehen, wie es Bella und dem kleinen Benno geht und auch, um ein wenig zu wandern«, fügte Carl hinzu.

»Du magst die Berge, Carl? Kletterst du?«, fragte Anna.

»Ja, ich bin ein Bergliebhaber«, antwortete er.

Dann senkte er den Blick. Er schaute Anna nicht an, als er sagte: »Ich nehme an, du weißt, dass ich Witwer bin. Mit Stella war ich oft in den Dolomiten. Wir haben herrliche Gipfeltouren gemacht. Wir waren eine sehr gute Seilschaft, die ohne Worte auskam. Jeder fühlte den Handgriff, den der andere als nächstes machen würde. Seit ich Stella verloren habe, habe ich keine Gipfeltour mehr gemacht.«

»Das versteht jeder«, sagte Anna. »Der Unfall ist noch nicht lange her?« Tiefes Mitgefühl lag in ihrer Stimme.

Carl dankte ihr die Anteilnahme mit einem Blick. Doch der besagte auch, dass Carl nicht zu Stella gefragt werden wollte.

Es entstand für einen Augenblick eine peinliche Stille.

»Nun, wenn meine Großeltern übermorgen mit dir zurückwollen, willst du morgen vielleicht eine kleine Wanderung machen und die Umgebung der Berghütte kennenlernen?«, schlug Anna vor.

Carl lächelte freundlich und versprach, es sich zu überlegen.

Sie blieben nicht mehr lange bei Wendy auf der Alm.

Anna nahm den kleinen Welpen auf den Arm und trug ihn hinauf auf die Berghütte. Bella lief hinter ihr her, bei Carl an der Leine. Sie machten mehrmals Rast, weil Anna ihren Großeltern Gelegenheit geben wollte, Kräfte zu sammeln.

Als sie das Geröllfeld erreichten, erhob sich Bello, der auf der Terrasse gelegen hatte und kam ihnen entgegen. Bello und Bella beschnüffelten sich, wie es Hunde machen. Anna sah Bello an, dass er sich freute. Sein Schwanz ging hin und her und er bellte freudig. Bella schien gegen Bello nichts einzuwenden zu haben. Sie umkreiste ihn und forderte ihn zum Spielen auf.

Daraus wurde nichts, denn Bello hatte den Welpen auf Annas Arm entdeckt. Er stellte sich auf die Hinterpfoten und schleckte ihn ab. Das rief die Hündin auf den Plan. Sie bellte und knurrte wütend, bis Bello zurückwich.

»Oh, das gefällt mir nicht«, sagte Anna leise.

»Das wird sich geben, Anna«, tröstete sie ihre Großmutter. »Benno hat noch den Welpengeruch an sich und der erinnert Bella an ihre Mutterinstinkte. Sie will ihn nur beschützen. Das wird sich geben.«

»Ich hoffe es«, flüsterte Anna.

Toni kam ihnen entgegen. Er begrüßte Gisela und Erwin herzlich und hieß Carl auf der Berghütte willkommen.

»Wo ist euer Gepäck?«

Sie hatten es auf der Alm vergessen. »Ich hole später euer Gepäck herauf«, sagte Toni.

Sie betraten die Berghütte. Anna setzte den Welpen auf den Fußboden. Er war jetzt ziemlich munter und begann die Berghütte zu erkunden. Bella legte sich vor den Tresen und ließ ihren Nachwuchs nicht aus den Augen, besonders, weil Bello dem kleinen Welpen nachlief. Näherte er sich dem jungen Hund zu sehr, ließ Bella ein deutliches Knurren hören.

»Hoffentlich gibt sich das schnell«, sagte Toni. »Knurrende Hunde sind manchen Hüttengästen unangenehm.«

»Ich hoffe, dass es morgen vorbei ist. Es ist nicht nur Bellas Beschützerinstinkt, Toni. Ich denke, sie ist eifersüchtig, dass der Rüde sich nicht für sie interessiert.«

Toni rieb sich das Kinn. »Ich hoffe, du hast recht, Anna. Warten wir es ab! Du bist die Expertin.«

Carl, Gisela und Erwin meinten, es sei zu früh, sich Sorgen zu machen. Morgen hätte sich Bella von der Fahrt erholt und wäre wahrscheinlich umgänglicher.

»Und wenn sie sich nach unserer Abreise auf der Berghütte eingelebt hat, dann wird sie friedlich sein«, sagte Gisela.

Anna deckte im Wohnzimmer für ihre Großeltern und Carl den Tisch. Alois Eintopf schmeckte allen gut. Genau wie Annas Kuchen, den Toni im Ofen hatte, während sie ihre Großeltern begrüßt und mit ihnen bei Wendy eine Tasse Kaffee getrunken hatte.

An diesem Tag saßen Toni, Anna, ihre Großeltern und Carl nicht mehr lange zusammen. Von der weiten Reise, von der holländischen Grenze in die Alpen, waren alle müde. Sie gingen früh zu Bett.

Anna hatte Bello in Franziskas Zimmer gelassen, was er selten durfte. Dort hatte er sich auf das Bett gelegt und sein Interesse an dem Welpen und der Hündin vergessen.

Bella hatte Bellos Platz vor dem Kamin eingenommen und der kleine Welpe lag bei ihr.

Nachdem alle Hüttengäste sich zurückgezogen hatten, setzten sich Toni und Anna vor den Kamin.

»Schade, dass sie so früh ins Bett sind«, sagte Toni leise.

»Den Familienabend mit Wendy und Franziska holen wir morgen nach«, sagte Anna. »Und Sebastian kommt auch. Es war eine lange Reise für die beiden, Toni. Meine Großeltern sind in Alois’ Alter, bedenke das bitte. Und die dünne Höhenluft sind sie nicht gewöhnt.«

Toni nickte und trank einen Schluck Bier.

»Was hältst du vom Doktor?«, fragte Toni.

»Er wirkt sehr sportlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass Beate und er ein Paar waren. Sie haben gut zueinander gepasst. Sie würden immer noch gut zusammenpassen.«

»Das ist auch meine Meinung, Anna«, sagte Toni. »Wie machen wir es mit Beate? Rufen wir sie morgen an und bitten sie herauf?«

»Beate würde sofort vermuten, dass wir unsere Finger im Spiel haben«, schmunzelte Anna. »Sie wird uns verzeihen, dass wir uns eingemischt haben. Aber wie wird es Carl aufnehmen? Irgendwann wird auch er dahinterkommen.«

Toni rieb sich das Kinn. Er dachte nach.

»Mir wird etwas einfallen, Anna. Wir haben die Sache eingefädelt und jetzt sollten wir keinen Rückzieher machen. Wir haben deine Großeltern überredet, dass sie ihren Einfluss auf Carl geltend machen und er sich bereit erklärt, sie herzubringen, zusammen mit den Hunden. Am besten wäre es, wenn sich Beate und Carl begegneten, wenn es keine Zeugen gibt. Es sollte zufällig aussehen. Verstehst du?«

Toni schaute in die Flammen des Kamins und lächelte.

Anna sah, wie er sich die Begegnung ausmalte.

»Sie müssten sich in den Bergen treffen, Toni«, fügte sie hinzu.

»Das ist eine sehr gute Idee. Oder bei Wendy auf der Alm.«