Ein Duke wider Willen - Sabrina Jeffries - E-Book

Ein Duke wider Willen E-Book

Sabrina Jeffries

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Beschreibung

Im Service inbegriffen: High-Society-Crashkurs für frisch gebackene Herzöge

Geoffrey Brookhouse hat völlig unerwartet ein Herzogtum geerbt. Nun muss er seine Schwester in die adlige Gesellschaft einführen - doch von den seltsamen Sitten des »ton« hat er überhaupt keine Ahnung. Daher engagiert er Lady Diana Harper, die mit ihren Schwestern erfolgreich Events für den Adel organisiert. Plötzlich steht sein Leben Kopf: Nicht genug, dass seine schüchterne Schwester mit einem Mal einen eigenen Willen entwickelt und die Ladys ihm fast die Tür einrennen - Diana will ihn auch noch in einen vorzeigbaren Herzog verwandeln. Und dabei wünscht er sich bald nur noch eines: ihr Herz zu gewinnen.

»Dieses Buch war ein absolutes Lesevergnügen.« THE ROMANCE DISH

Band 1 der ELEGANT-OCCASIONS-Trilogie

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Seitenzahl: 442

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

Epilog

Die Autorin

Die Romane von Sabrina Jeffries bei LYX

Impressum

Sabrina Jeffries

Ein Duke wider Willen

Roman

Ins Deutsche übertragen von Antje Görnig

ZU DIESEM BUCH

Ein Familienskandal machte Lady Diana Harper und ihre Schwestern zu Außenseiterinnen. Doch die drei jungen Frauen wollen sich nicht unterkriegen lassen und gründen »Elegant Occasions« – eine Agentur, die Events für den Londoner Adel organisiert. Diana geht ganz in ihrem neuen, selbstbestimmten Leben auf. Aber dann werden sie von Geoffrey Brookhouse engagiert, der völlig unerwartet das Herzogtum von Grenwood geerbt hat. »Elegant Occasions« soll seiner Schwester bei ihrer Einführung in die feine Gesellschaft helfen. Diana merkt schnell, dass auch der Herzog, der aus bürgerlichen Verhältnissen stammt, einen Adels-Crashkurs braucht, und bietet ihm an, ihn zu beraten. Dass der attraktive Geoffrey vom ersten Augenblick an ihr Herz schneller schlagen lässt, versucht sie zu ignorieren. Doch je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto stärker wird die Anziehung, und Diana beschließt, dass es keinen Grund gibt, auf Sinnlichkeit in ihrem Leben zu verzichten, nur weil sie der Ehe abgeschworen hat. Schnell wird jedoch klar, dass ihr Herz ganz eigene Pläne hat und sich mit einer Affäre nicht zufriedengeben will. Aber obwohl Geoffrey ihre Gefühle zu erwidern scheint, ist da etwas, das er vor ihr verbirgt …

Für meine Schriftstellerfreundinnen Rexanne Becnel und die verstorbene Claudia Dain – danke, dass ihr mir alles beigebracht habt, was ich über Mode weiß und wie man mit ihr die Vorzüge seines Figur- oder Farbtyps zur Geltung bringt. Und danke für die vielen Jahre, in denen wir gemeinsam viel Spaß hatten.

PROLOG

London

Frühling 1807

Es war der am schlechtesten besuchte Ball von London, und selbst nach Stunden war Lady Diana Harper noch nicht zum Tanz aufgefordert worden. Es überraschte sie nicht. Wenn man in den gehobenen Kreisen einmal in Verachtung gefallen war, war man dazu verdammt, bei gesellschaftlichen Anlässen am Rand zu sitzen, sprich an der Wand. Daher die Bezeichnung »Mauerblümchen«. Nur dass sie und ihre jüngere Schwester Verity eher mit auszumerzendem »Mauerunkraut« zu vergleichen waren.

Dennoch wollten sie niemandem die Genugtuung geben, sich nach Hause fahren zu lassen und sich zu verstecken. Was spielte es schon für eine Rolle, dass ihre Mutter alle schockiert hatte, indem sie mit Generalmajor Tobias Ord durchgebrannt war? Was spielte es für eine Rolle, dass ihr Vater, der mächtige Graf Holtbury, sich deshalb von ihr scheiden ließ? Diana und Verity traf keine Schuld und sie wollten sich auch nicht verhalten, als ob. Stattdessen besuchten sie jede Festivität, zu der sie eingeladen wurden.

Es waren nicht viele.

Ihre ältere Schwester, Mrs Eliza Pierce, die bereits geheiratet hatte, als die Mutter in die Freiheit ausgebrochen war, hatte glücklicherweise weniger zu leiden. War jemand gemein zu Eliza, konnte sie sich in die starken Arme von Mr Pierce flüchten. Diana und Verity hingegen konnten nur gute Miene zum bösen Spiel machen und der feinen Gesellschaft trotzen, die sie wegen einer Sache schikanierte, für die sie nichts konnten.

Diana seufzte. Wenn sie es oft genug sagte, glaubte sie es vielleicht selbst irgendwann. Vielleicht würde ihnen die Gesellschaft dann endlich erlauben zu tanzen, statt sie zu verdammen, am Rand zu sitzen und ihre Jugend verwelken zu sehen.

Doch an diesem Abend war sie missmutig, und das laute Orchester bereitete ihr zu allem Überfluss Kopfschmerzen. Wenn das so weiterging, konnte sie ebenso gut nach Hause gehen, wo sie ihre Ruhe hatte.

Dem Himmel sei Dank endete die Musik genau in diesem Moment mit einem Tusch. Ihre gute Freundin Miss Isolde Crowder kam mit wippenden aschblonden Locken auf sie zu. »Ich freue mich sehr über euer Kommen. Mama hat auf viele Gäste gehofft, aber ich wusste, dass sich der Andrang in Grenzen halten würde.«

Isolde und Diana waren beide zwanzig Jahre alt. Sie hatten sich während ihrer ersten gemeinsamen Ballsaison angefreundet. Die laufende Saison war ihre zweite und, wie es aussah, brauchten sie wohl noch eine dritte. Und eine vierte und fünfte und –

Diana wollte nicht darüber nachdenken. Isolde hatte in ihrer ersten Saison keine »Eroberung« gemacht; nicht wegen eines Skandals, sondern weil sie dem Kaufmannsstand angehörte. Eine Frau dieses Standes zu heiraten galt in der Gesellschaft als unschicklich, auch wenn sie wohlhabend war. Diana wiederum hatte in ihrer ersten Saison wegen der Gerüchte um die ungeheuerliche Treulosigkeit ihrer Eltern keine »Eroberung« gemacht.

Verity hatte gerade erst ihre Vorstellung bei Hofe gehabt und ihr gesellschaftliches Debüt gefeiert, als ihr aufgrund des Ausbruchs der Mutter sozusagen der Tanzboden unter den Füßen weggezogen wurde. Und nun war Verity mit neunzehn zu einem Leben als gesellschaftliche Außenseiterin verdammt. Es war einfach ungerecht.

Verity zog eine Augenbraue hoch. »Angesichts unseres schlechten Rufs überrascht es mich, dass deine Mutter uns überhaupt hier haben wollte.« Der Anflug von Bitterkeit in ihrer Stimme rief Diana in Erinnerung, dass ihre Schwester allen Grund hatte, verbittert zu sein, nachdem sie wegen des Verhaltens der Eltern einen ernsthaften Verehrer verloren hatte.

»Sie wollte es nicht, aber ich habe ihr gesagt, ich würde nicht teilnehmen, wenn sie euch drei nicht einlädt«, entgegnete Isolde hitzig.

»Du bist uns eine gute Freundin, das wissen wir zu schätzen«, sagte Diana. »Alle anderen halten uns leider wegen Mama für sündenbefleckt, als wären wir mit ihr in die Kutsche gesprungen.«

»Ich hoffe, so schlimm ist es nicht«, bemerkte die stets optimistische Isolde.

Diana lächelte verschmitzt. »Wie wir beide wissen, haben Verity und ich bei unseren Ballbesuchen bisher keinen Erfolg gehabt.«

Eine Dame in ihrer Nähe kicherte und Diana schaute zu ihr hinüber. Sie lauschte nun schon zum zweiten Mal an diesem Abend ihren Gesprächen. Diana kannte sie nicht, aber da sonst niemand in der Nähe war, amüsierte sich die Dame wohl über ihre Unterhaltung.

Diana hatte keine Ahnung, warum. »Ich denke, ein Themawechsel ist angebracht.« Sie kehrte der Dame den Rücken zu und wies auf Isoldes Prinzesskleid aus grauer französischer Seide mit einem Netzoverlay und entzückenden Puffärmeln mit Schleifchen. »Das Kleid ist wirklich gelungen. Es steht dir.«

Isolde strahlte sie an. »Ich danke dir für den Entwurf. Mir ist klar, dass ich heute Abend dank deiner Hilfe so viele Tänze hatte. Hätte ich die Angelegenheit Mama überlassen, hätte ich jetzt ein narzissengelbes Satinkleid mit großen rosaroten Stickblüten auf dem … Wanst.«

»Großer Gott«, sagte Verity. »Das klingt grässlich!«

Nun lachte die fremde Dame ganz unverhohlen, was Diana daran gemahnte, dass sie und ihre Schwestern dieser Tage auf dem Prüfstand waren.

»Verity«, sagte Diana leise. »Das ist keine angemessene Ausdrucksweise für eine junge Dame.«

»›Große rosarote Stickblüten auf dem Wanst‹ sind auch nicht angemessen für eine junge Dame«, erwiderte Verity grimmig. »Gott sei Dank hast du eingegriffen. Selbst ich weiß, dass Isolde ganz entsetzlich in diesem Gelb aussehen würde. Die Farbe passt perfekt zu meinem Hautton, aber …« Sie schenkte der Freundin ein entschuldigendes Lächeln. »Dich mit deiner entzückenden Alabasterhaut würde sie bleich erscheinen lassen.«

»Die Schneiderin hätte deiner Mutter gewiss davon abgeraten«, sagte Diana.

»Das bezweifle ich«, entgegnete Isolde. »Mama frequentiert den Laden von Mrs Ludgate häufiger als jede andere Dame der Gesellschaft. Die Schneiderin wagt es nicht, ihr zu widersprechen. Ich kann ihr ja kaum widersprechen. Sie ist ungeheuer stur.« Isolde zeigte auf ihre schwarze Perlenkette. »Und dazu konnte ich sie nicht befragen, weil ich ihrem Geschmack nicht traue.«

»Mit gutem Grund«, brummelte Verity.

Isolde fuhr fort, als hätte sie Veritys Bemerkung nicht gehört. »Aber ich habe gehofft, du kannst mir sagen, ob mein Schmuck wirklich zu meinem Kleid passt.«

»Er ergänzt es geradezu vortrefflich«, versicherte ihr Diana. »Und dein Pompadour ist perfekt – der schlichte graue Seidenbeutel mit dem schwarzen Band bildet einen hübschen Kontrast zu dem glitzernden Netz. Du beweist wie immer einen viel besseren Geschmack, als du dir zuschreibst.«

»Danke«, sagte Isolde und errötete. »Was für eine Erleichterung.« Sie wandte sich Verity zu. »Ich habe versucht, deine Ideen zum Raumschmuck umzusetzen, aber Mama …« Ihre Augen weiteten sich. »Oh je, jetzt hat sie mich entdeckt. Am besten mische ich mich unter die Leute, sonst wird sie mir ewig Vorhaltungen machen.«

Nach Isoldes Abgang blies Verity sich die goldenen Locken aus der Stirn. »Es ist so furchtbar warm hier.« Sie griff zu Dianas Fächer und fächelte sich Luft zu.

Diana schüttelte den Kopf. »Ich habe dir davon abgeraten, im Frühling Samt zu tragen. Zu dieser Jahreszeit ist das Wetter höchst unberechenbar.«

»Aber ich finde Samt gut.«

»Ich finde Eltern gut, die sich keine öffentliche Schlammschlacht liefern, aber man bekommt nicht immer, was man möchte.« Diana blickte stur geradeaus und ignorierte die Matrone, die an ihnen vorbeiging und sie demonstrativ schnitt.

Ihre Schwester runzelte die Stirn. »Trotzdem, ich bin fest entschlossen zu tun, was ich möchte, wo ich Lord Minton jetzt los bin. Weil er Samt hasst, habe ich auf solche Kleider verzichtet. Dergleichen werde ich nie wieder für einen Mann tun. Du siehst ja, was es mir gebracht hat! Ich werde tragen, was ich möchte, und zum Teufel damit.«

»Und fluchen solltest du auch nicht.«

»Ich fluche, wann es mir passt. Du solltest ein bisschen öfter fluchen. Glaub mir, es ist herrlich befreiend.« Verity nieste. Dann wies sie mit Dianas Fächer auf die riesigen Blumenbuketts aus Lilien, Glyzinien und Rosen, die im Abstand von jeweils drei Metern aufgestellt waren. »Isoldes Mutter kann tun und lassen, was sie will. Warum kann ich es nicht? Ganz ehrlich, wer würde diese drei Blumen miteinander kombinieren? Der Geruch ist viel zu penetrant.«

»Vielleicht wollte sie damit den leicht verdorbenen Geruch der Lachstörtchen überdecken.«

»Du hast doch keine gegessen, oder?«, fragte Verity beunruhigt. »Ich habe einmal kurz daran gerochen und die Finger davon gelassen.«

»Ich habe sie nicht angerührt. Ich muss gestehen, von dem Gebäck war ich auch enttäuscht. Es war übersüß. Obwohl die Mandelplätzchen nicht schlecht waren. Isolde sagte, sie hat sie selbst ausgesucht, weil es ihr Lieblingsgebäck ist.«

»Sag es ihr nicht, aber abgesehen von ihren Mandelplätzchen hat mich so gut wie nichts begeistert. Die Rebhuhnhäppchen waren zu trocken, die Krabbenpastetchen zu matschig und die Obstkorb-Form des Mandelsulz war zwar hübsch, aber er schmeckte nach Knoblauch. Ich erschaudere bei dem Gedanken, was wohl darin war.«

»Knoblauch vielleicht?«, scherzte Diana. »Glaub mir, Isolde hat versucht, ihre Mutter hinsichtlich des Balls zu beraten, aber die Frau hört nicht auf sie. Arme Isolde, was hat sie nur für eine Mutter.«

»Nichts da, ›arme Isolde‹.« Verity schüttelte den Kopf. »Sie lässt es doch zu. Sie sollte der Frau die Stirn bieten.«

»So, wie wir unserem Vater die Stirn bieten?«

»Das ist etwas anderes. Er ist ein Mann.«

»Richtig.« Ein Mann, von dem sie vollkommen abhängig waren. Diana liebte ihren Vater, doch manchmal war er so despotisch, dass ihr nach Schreien zumute war. Aber sie wagte nicht gegen ihn aufzubegehren. Er konnte einem das Leben sehr schwer machen, wenn er etwas klarstellen wollte – und zwar, dass er immer im Recht war.

Derzeit versuchte er es zu beweisen, indem er die Scheidung betrieb. Er hatte versucht, die Mutter durch Beschämung zur Rückkehr zu bewegen, aber sie hatte gewusst, was die Hälfte der besseren Gesellschaft wusste – dass der Vater ihr nach der Heirat auch nicht treu gewesen war. Mittlerweile behaupteten einige, Diana sei durch eine der frühen Liebschaften der Mutter zu ihren braunen Augen, dem schrecklichen roten Haar und den Sommersprossen gekommen. Sie war die Einzige in der Familie, die so aussah.

Doch die Gerüchte mussten falsch sein. Sie hoffte es zumindest. Falls sie der Wahrheit entsprachen, hatte ihr Vater nie darauf hingedeutet. Seine strengen Äußerungen hatten immer ihnen allen gegolten. Und Mama hatte ganz gewiss kein Wort darüber verloren. Manchmal machte sich Diana allerdings ihre Gedanken …

Verity ließ den Blick über die Tanzfläche schweifen. »Ich meine, Isolde sollte mehr auf sich vertrauen. Sie ist gescheit und hübsch und hat einen hervorragenden Kleidergeschmack, wenn sie nicht auf ihre Mutter hört. Würde die nicht immer versuchen, sie in die falsche Richtung zu lenken – und würde Isolde nicht immer nachgeben –, wäre sie inzwischen längst verheiratet.«

Eliza kam dazu. »Da kann ich nur zustimmen. Die gute Isolde wäre ein Schatz für jeden Mann.«

»Das sagst du nicht nur, weil sie deinem Rat in Bezug auf die Frisur gefolgt ist, oder?«, fragte Verity.

»Ganz bestimmt nicht.« Eliza lächelte. »Es hat mir wirklich Spaß gemacht, ihr dabei zu helfen. Und es freut mich, dass sie sich nicht für einen Turban, sondern für meinen Vorschlag mit den Haarbändern entschieden hat. Sie ist viel zu jung, um einen Turban auf einem Ball zu tragen.« Die Musik setzte wieder ein, noch lauter als zuvor. Eliza bedeutete ihnen, ihr nach draußen auf den Balkon zu folgen.

»Oh, hier ist es viel besser«, sagte Diana, als sie von der Tür zum hinteren Ende des Balkons gingen. »Ich schwöre, ich hatte Ohrenbluten.«

Eliza nickte. »Leuten, die ein zwanzigköpfiges Orchester für eine Tanzveranstaltung engagieren, für die ein Trio ausreichend wäre, müsste es verboten werden, Bälle auszurichten.« Sie seufzte. »Isolde hat Besseres verdient. Nur weil man sich etwas leisten kann, muss man es nicht unbedingt kaufen, diese Redensart trifft hundertprozentig auf Mrs Crowder zu.«

»Auf Mama leider auch«, sagte Verity. »Warum konnte sie nicht einfach warten, bis wir alle drei verheiratet waren, bevor sie mit dem Generalmajor durchgebrannt ist und Papa in Zugzwang gebracht hat?«

»Sie würde bestimmt sagen, sie war verliebt«, meinte Diana. »Obwohl es meiner Vermutung nach auch daran gelegen hat, dass er ein gut aussehender Witwer war und sie befürchtete, eine andere könne ihn ihr wegschnappen.«

Hinter ihnen räusperte sich jemand. Als sie sich erschrocken umdrehten, stellten sie fest, dass ihnen die lauschende Dame nach draußen gefolgt war.

»Ich weiß, es gehört sich nicht«, sagte sie mit einem Akzent, den Diana nicht einzuordnen wusste, »aber ich möchte mich gern vorstellen. Ich bin die neue Frau von Graf Sinclair. Und Sie sind die Töchter von Lady Holtbury?«

Obwohl Diana der Frage der Frau misstraute, übernahm sie die Vorstellung.

»Ich bin sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte die Gräfin mit einem aufrichtigen Lächeln. »Ich versichere Ihnen, nicht jeder ist gegen Sie. Ich persönlich halte es für eine Schande, dass Sie und Ihre Mutter über einen Kamm geschert werden. Jedenfalls kam ich nicht umhin mitzuhören, was Sie über diesen Ball sagten, und ich wüsste gern, was Sie besser gemacht hätten.« Sie zwinkerte Eliza zu. »Von weniger Musikern abgesehen.«

Als sich Elizas Wangen röteten, sagte Diana hastig: »Wir klingen gewiss furchtbar unhöflich, weil wir eine Veranstaltung kritisieren, zu der wir freundlicherweise eingeladen wurden –«

»Keineswegs. Ich stimme vollkommen mit Ihnen überein. Und mehr noch.« Lady Sinclair schloss die Tür zum Saal. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie einen Moment Zeit für mich hätten und meine Fragen beantworten könnten. Wissen Sie, ich muss bald selbst einen Ball veranstalten, und ich bin Amerikanerin und habe noch nie so etwas gemacht. Ich könnte Ihren Rat gebrauchen. Zum Beispiel, Lady Diana, welche Garderobe würden Sie für mich als Gastgeberin wählen?«

Diana beschloss, vorsichtig zu bleiben. »Offenbar haben Sie einen guten Kleidergeschmack, gnädige Frau, denn Ihr Musselinkleid und Ihr kariertes Kragentuch sind sehr elegant und schmeicheln Ihrer Figur.«

»Das liegt daran, dass meine Zofe meine Garderobe für den Abend zusammengestellt hat. Doch letzte Woche hat sie mir eine Spitzenhalskrause zu einem meiner Tageskleider gegeben. Selbst ich weiß, dass ich nicht den Hals dafür habe.«

Diana entspannte sich. »Niemand hat den Hals für eine elisabethanische Krause, nicht einmal Elisabeth die Erste.« Sie warf einen Blick auf Veritys gertenschlanke Gestalt und ihren langen Hals. »Nun ja, höchstens Verity. Aber sonst wirklich niemand.«

»Jedenfalls«, sagte die Gräfin, »kann ich mich weder auf mein Urteil noch auf das meiner Zofe verlassen. Sie ist ganz neu und sehr schottisch, und ich muss mich erst unter den Schotten zurechtfinden. Unter den Engländern natürlich auch.«

»Wenn Sie jemanden brauchen, der Sie in Modefragen berät«, sagte Diana, »würde ich es sehr gern tun. Es ist ja nicht so, als hätte ich einen Kalender voller gesellschaftlicher Verpflichtungen.« Und Mrs Ludgate konnte eine angesehene Kundin wie Lady Sinclair gut gebrauchen.

»Es wäre mir eine Freude«, sagte die Gräfin. »Aber bevor wir Pläne schmieden, möchte ich Ihre Schwester etwas fragen. Lady Verity, wenn Sie die Küche unter sich hätten, was würden Sie servieren?«

Verity, der es noch nie an Selbstvertrauen gemangelt hatte, antwortete freiheraus. »Da Mr und Mrs Crowder so vermögend sind, dass sie sich eine große Auswahl an Speisen leisten können, würde ich unter anderem verschiedene Arten Bratenaufschnitt anbieten, zum Beispiel Wildbraten und Truthahn, dazu Hummerpastetchen und Hummertatar, westfälische Kartoffelplätzchen, verschiedene Essiggemüse …«

»Keine Toasts mit Röstzwiebeln und Sardellen, wie der Koch von Mrs Crowder sie serviert?«, fragte die Gräfin.

»Auf keinen Fall.« Verity beugte sich zu ihr. »Wer möchte schon beim Tanz nach Zwiebeln und Sardellen riechen? Wir Frauen wissen sie zwar zu meiden, aber die Herren denken nicht immer daran. Sie stopfen sich alles Mögliche in den Mund, ohne sich darum zu kümmern, wie sie nachher riechen.«

Die Gräfin schien ein Lächeln zu unterdrücken. »Fürwahr. Was sind westfälische Kartoffelplätzchen?«

»Es gibt unterschiedliche Rezepte, doch im Grunde werden sie aus Stampfkartoffeln gemischt mit Eiern, Butter und Milch gemacht. Daraus formt man kleine Küchlein, die gebraten werden. Manchmal ist auch etwas Schinken oder Käse darin.«

»Das klingt köstlich«, sagte Lady Sinclair. »Und zum Dessert? Wir brauchen einen Nachtisch, denn Lord Sinclair hat eine Vorliebe für Süßes. Was würden Sie vorschlagen?«

»Sie wissen es vielleicht nicht«, sagte Verity, »aber gegen ein gewisses Entgelt richtet Gunter’s Tea Shop solche Veranstaltungen wie die Ihre aus, einschließlich verschiedener Eiscremesorten und süßer Backwaren. Sie sind eine sehr beliebte Ergänzung.«

»Und sicher sehr kostspielig«, sagte die Gräfin verschmitzt.

»Verzeihen Sie«, entgegnete Verity besorgt. »Ist das ein Problem? Ich kann Ihnen anderes Zuckerwerk vorschlagen, wenn Sie möchten.«

Lady Sinclair lachte. »Laut meinem Gatten ist es überhaupt kein Problem. Aber Sie wissen ja, wie Männer sind. Sie versuchen zu sparen, wo sie können.«

Oder holen sich die Mittel von jemand anderem.

Zurzeit ging es in dem Scheidungsprozess darum, dass der Vater Generalmajor Ord zwingen wollte, ihm eine beträchtliche Summe wegen Entfremdung von Zuneigung zu zahlen. Es war seine einzige Möglichkeit, sich an dem Mann zu rächen. Doch den Ehebrechern schien egal zu sein, was er tat, um Vergeltung zu üben. Der Generalmajor besaß nämlich ein großes Vermögen, weshalb die Forderungen des Vaters ihn weit weniger trafen, als er wahrscheinlich gehofft hatte.

»Nun«, sagte die Gräfin, der Dianas Schweigen augenscheinlich nicht entging, »ich mag das Eis von Gunter’s Tea Shop, besonders im Sommer. Sehr erfrischend.«

»Genau.« Verity lächelte. »Ich könnte in Ihrem Auftrag mit dem Besitzer sprechen, Lady Sinclair, wenn Sie die Dienste des Geschäfts für Ihren Ball in Anspruch nehmen möchten.«

»Wie seltsam, dass Sie es erwähnen. Sehen Sie, es wäre mir eine große Hilfe, wenn Sie drei mich beraten, aber ich würde Sie viel lieber für die Planung der Veranstaltung engagieren.« Sie lächelte verlegen. »Zumal sie bereits in zwei Wochen stattfindet.«

Eliza schnappte nach Luft, Verity grinste, und Diana starrte die Gräfin mit großen Augen an.

Sie ergriff als Erste das Wort. »Sie wissen, dass … nun … dass man es missbilligen würde, wenn wir uns für … unsere Hilfe bezahlen ließen.«

Lady Sinclair stutzte. »Oh! Natürlich. Ich habe vergessen, dass solche Dinge nicht von der englischen Gesellschaft gebilligt werden. Aber ehrlich gesagt habe ich niemanden, an den ich mich wenden kann. Mein Personal ist entweder neu oder an einen Junggesellenhaushalt gewöhnt, und mein Mann hat keine weiblichen Verwandten. Ich ebenso wenig – jedenfalls nicht hier.«

Diana beeilte sich, sie zu beruhigen. »Es ist ja nicht so, als würden wir Sie nicht mit Freuden beraten, aber wir dürfen keine Bezahlung dafür annehmen. Sie verstehen.«

»Das mag für dich gelten.« Verity gab Diana den Fächer zurück, als wollte sie auf der Stelle die Ärmel hochkrempeln, um Lady Sinclair zu helfen. »Ich persönlich nehme sehr gern jegliche Vergütung entgegen, wenn mir freie Hand gewährt wird, was das Essen für den Ball angeht.«

»Verity!«, rief Diana. »Papa würde … er würde nie wieder mit uns reden.«

»Wäre das so schlimm?« Verity zuckte mit den Schultern. »Er würde es ohnehin nicht bemerken.« Ihr Ton wurde harsch. »Er ist zu beschäftigt mit dem Bemühen, Generalmajor Ord an die Wand zu nageln.«

Diana zuckte angesichts der kalten – jedoch korrekten – Sichtweise ihrer Schwester zusammen. »Genug jetzt.« Sie wandte sich der Gräfin zu. »Wenn Sie gestatten, würden wir die Angelegenheit lieber unter uns besprechen, bevor wir zur Tat schreiten. Wir wohnen am Hanover Square. Wenn Sie uns morgen besuchen, lassen wir Sie unsere Entscheidung bezüglich der Bezahlung wissen. Aber ich denke, dass ich für mich und Verity spreche, wenn ich sage, dass wir Ihnen gern helfen, mit oder ohne Bezahlung. Wir sind ja nicht gerade von Männern umlagert, die sich darum reißen, mit uns zu tanzen, oder uns besuchen oder zu Feierlichkeiten einladen. Und die, die es tun, haben gewisse Erwartungen …«

Verity zog eine Augenbraue hoch. »Sagen wir einfach, sie denken, wir wären wie unsere Mutter – als Ehefrauen inakzeptabel, aber geeignet für eine weniger achtbare Position. Sie wissen sicherlich, was ich meine.«

»Leider ja.« Lady Sinclairs blaue Augen blitzten. »Manche dieser Männer legen es bei jeder hübschen Frau darauf an.« Sie warf Eliza einen vielsagenden Blick zu. »Aber wenigstens eine von Ihnen hat gut geheiratet.«

»Das war vor dem Begebnis, ja.«

Als die Gräfin sie fragend ansah, erklärte Diana: »So bezeichnen wir den Umstand, dass unsere Mutter mit einem anderen Mann durchgebrannt ist. Wie eine Freundin von mir sagte, ist unsere Mutter ›verheiratet, aber neu verliebt‹.«

»Verstehe.« Lady Sinclair wandte sich Eliza zu. »Wären Sie bereit, sich Ihren Schwestern anzuschließen, Mrs Pierce? Ich brauche unbedingt Ihren Rat bei der Musik.«

»Ich könnte das Geld gebrauchen«, sagte Eliza leise. Diana erschrak. Seit wann hatten Eliza und ihr Mann finanzielle Schwierigkeiten? »Deshalb ja, ich wäre gern dabei.«

Die Gräfin schenkte ihnen ein verschwörerisches Grinsen, als wäre die Sache bereits ausgemacht. »Ich fürchte, ich habe meinen Mann schon zu lange allein gelassen. Wir sehen uns dann morgen Vormittag.« Und damit ging sie zur Tür.

Diana ging auf ihre Schwestern los. »Nicht zu fassen, dass ihr Geld dafür nehmen wollt.«

Verity kniff die Augen zusammen. »Ist dir noch nicht in den Sinn gekommen, dass uns nach dem Begebnis sowieso kein Mann mehr heiraten will? Wir haben nur die Wahl, bei Papa zu wohnen oder Gouvernanten zu werden – was für ein Spaß«, sagte sie bissig. »Oder schlimmer noch, am Ende arbeiten wir als Gesellschafterinnen für alte Matronen, die uns Moralpredigten halten und Mama schlechtmachen.«

»Papa könnte und würde uns gewiss so lange unterstützen, wie es nötig ist«, sagte Diana fest entschlossen, nicht an die anderen beiden Möglichkeiten zu denken.

»Auch wenn er noch einmal heiratet? Du weißt, dass er eine andere ehelichen wird, sobald er die Scheidung hat – schließlich braucht er immer noch einen Erben. Er wird sich irgendeine dralle junge Frau als Zuchtstute besorgen, und wir werden langsam zu alten Jungfern, die die Kinder seiner neuen Frau hüten.«

»Du musst wirklich aufhören, diese Schauerromane zu lesen, Verity«, sagte Diana. »Wir wohnen nicht in einem düsteren Schloss, und Papa ist kein böser Schurke, der uns schlecht behandelt.«

»Nein, er ist schlimmer«, warf Eliza ein. »Er ist wie der Vater in dem Märchen ›Die Schöne und das Tier‹, der seine Tochter auf Verlangen des Tiers in dessen Schloss schickt. Wegschauen und die Familie nicht beschützen ist das heimtückische Tun eines Schurken. Und wo ist Papa, wenn wir ihn brauchen? Er zieht vor Gericht, um die schmutzige Wäsche der Familie in der Öffentlichkeit zu waschen. Wer hat darunter zu leiden? Ihr beide. Und ich, auf meine Weise. Mama ganz sicher nicht. Sie amüsiert sich wahrscheinlich prächtig.«

Die Verzweiflung in der Stimme ihrer Schwester weckte Dianas Mitgefühl. Auf alle anderen wirkte Eliza wie eine glücklich verheiratete Frau. Aber Diana war aufgefallen, dass Elizas Lächeln in letzter Zeit recht bemüht wirkte. Aus ihren blauen Augen sprach Besorgnis und in ihren Worten schwang eine gewisse Bitterkeit mit. War sie etwa wegen der kühnen Tat ihrer Mutter in Schwierigkeiten?

Diana nahm sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen. Eliza verdiente das Beste, was die Welt zu bieten hatte. »Übrigens, ich wollte es dir schon die ganze Zeit sagen, du siehst heute Abend hinreißend aus.«

Elizas glänzendes Haar wurde von einem filigranen Band zusammengehalten, das genau den richtigen nussbraunen Ton hatte, um ihr Blond zur Geltung zu bringen. Ihr primelgelbes Seidenkleid schmiegte sich um ihre Sanduhrfigur, und ihre Schuhe verliehen ihr die nötige Größe. Natürlich hatte Diana das Ensemble für Eliza ausgesucht – Mode war ihre Leidenschaft. Doch den Goldschmuck hatte Eliza wohl von ihrem Mann. Diana kannte das kunstvoll gearbeitete Teil nicht und war überrascht, dass er ein derart romantisches Stück erworben hatte.

»Ich fühle mich wie eine Kuh im Schafspelz«, brummelte Eliza.

Ihre Schwestern traten näher. »Bist du in Erwartung?«, fragte Verity sofort.

»In Erwartung worauf?« Als Eliza begriff, was Verity gemeint hatte, stöhnte sie. »Oh. Nein. Nichts dergleichen. Es ist nur …« Sie seufzte. »Da ihr es ohnehin erfahren werdet, kann ich es euch auch gleich sagen. Offenbar hat mein Mann, ohne sich mit mir zu beraten, beschlossen, in den Krieg zu ziehen. Zu diesem Zweck hat er sich ein Offizierspatent gekauft und will sich schnellstmöglich seinem neuen Regiment in Portugal anschließen. Er wünscht nicht, dass ich ihn begleite, selbst wenn es gestattet wäre.«

»Das ist sehr vernünftig.« Diana ergriff die Hände ihrer Schwester. Allein bei dem Gedanken, sie könne der Trommel folgen, stockte Diana das Herz. »Es wäre viel zu gefährlich. Er denkt dabei nur an dich.«

»Wirklich? Drei Jahre Ehe, und er kann es kaum erwarten, mich zu verlassen.«

»Um seinem Land zu dienen«, stellte Verity klar. »Das ist zumindest ehrenhaft.«

»Vielleicht. Aber das hat er nicht als Grund genannt. Es ergibt alles keinen Sinn. Er hatte nie zuvor Interesse daran, als Offizier zu dienen. Was er in Anbetracht seines Standes hätte tun können. Der einzige Grund, der mir einfällt, ist, dass er möglicherweise den Skandal und die Gerüchte, die um uns kursieren, verabscheut. Er behauptet zwar, daran liege es auch nicht, aber …«

»Du solltest ihm glauben.« Verity schloss Eliza in die Arme. »Außerdem spielt der Grund keine Rolle. Worauf es ankommt, ist, dass wir da sind, um dich in jeder Form zu unterstützen.«

»Dafür bin ich euch dankbar.« Eliza schien den Tränen nahe zu sein. »Ohne ihn wird es sehr einsam im Haus. Ich weiß nicht, ob ich das aushalte.«

»Wenn wir fürderhin Damen bei der Ausrichtung ihrer Veranstaltungen helfen wollen«, bemerkte Diana trocken, »müssen wir bei dir einziehen, damit Papa es nicht erfährt.«

Elizas Miene hellte sich auf. »Eine ausgezeichnete Idee! Wenn wir alle am selben Ort wohnen, können wir viel leichter planen.«

»Ich habe es im Spaß gesagt«, erklärte Diana.

»Aber es wäre möglich, nicht wahr?«, sagte Verity. »Es würde uns nicht schwerfallen, Papa davon zu überzeugen, dass Eliza uns braucht, weil Mr Pierce in den Krieg zieht.«

»Oh ja«, sagte Eliza, »und seit ich verheiratet bin, habe ich eine Menge über Haushalts- und Buchführung gelernt. Ein Unternehmen zu führen kann nicht wesentlich schwerer sein. Wir könnten sogar hohe Preise verlangen und es somit nur für die tun, die wir bevorzugen oder persönlich kennen.«

»Genau!«, rief Verity. »Obendrein schätzt die feine Gesellschaft nur Dinge, die viel kosten. Je höher unsere Preise, desto mehr werden sie sich darum reißen, uns zu engagieren. Und wenn Eliza von einem Offiziersgehalt leben muss, kann sie das Geld gebrauchen.« Diana sah sie beide böse an. »Verity, dir ist klar, dass es, wenn wir damit anfangen … falls wir damit anfangen, kein Zurück mehr gibt. Es wird keine Bälle mehr für uns geben, und wir werden keine Aussichten haben, einen anständigen Mann zu finden.«

Verity schnaubte. »Als wäre es jetzt anders! Im Übrigen habe ich keine Lust mehr, auf Bällen herumzustehen und auf ein kurzes Gespräch oder einen einzigen Tanz mit einem Mann zu hoffen. Ich würde viel lieber auf meine Zukunft als Grande Dame der Gesellschaft hinarbeiten, indem ich den Damen, die ich zu kennen geruhe, meinen Rat zuteilwerden lasse.« Sie bedachte Diana mit einem schelmischen Blick. »Du musst zugeben, es wäre eine angemessene Rache an all den Matronen, die über uns die Nase rümpfen. Lady Sinclair möchte uns bezahlen – warum nehmen wir das Angebot nicht an?«

Weil Diana befürchtete, es eines Tages zu bereuen. Dennoch, die Aussicht auf Unabhängigkeit und darauf, ihr Leben so zu leben, wie sie es für richtig hielt, war eine gewaltige Verlockung. »Und wenn wir das bisschen Ansehen nicht verlieren wollen, das wir noch genießen, können wir unsere Gewinne immer noch für wohltätige Zwecke spenden.«

»Genau!« Eliza sah sie begeistert an. »Ich brauche nicht viel für mich, und der Rest könnte an ausgewählte Wohltätigkeitsorganisationen gehen.«

Manchmal konnte Diana gut verstehen, warum ihre Mutter es satthatte, unter Vaters Fuchtel zu stehen, und davongelaufen war; alle häuslichen Pflichten waren ihr und Verity zugefallen. Wenn sie auch gingen, konnten sie der ständigen Kritik des Vaters und seinen unaufhörlichen Forderungen entfliehen. Sie würden in einem anderen Haus wohnen; vorausgesetzt, dass Samuel Pierce es Eliza erlaubte, ihre Schwestern zu sich zu holen.

Aber warum sollte er es ihr verbieten? Eliza wäre beschäftigt, solange er im Krieg war, und er konnte sicher sein, dass sie von ihren Schwestern gut behütet wurde.

Und die Hauptsache war: Eliza brauchte sie. Sie konnten es ihr nicht abschlagen.

»Na schön«, sagte Diana. »Wir können es zumindest versuchen.«

Und das war die Geburtsstunde von »Elegant Occasions«.

1. KAPITEL

London

Frühling 1811

Geoffrey Brookhouse, der frischgebackene Herzog von Grenwood, ließ das Fenster seiner Kutsche herunter und streckte den Kopf hinaus, um sich die stark befahrene Putney Bridge genauer anzusehen. Jedes Mal, wenn er von seinem Jagdsitz im Richmond Park in die Stadt gereist war, hatte er eine andere Brücke über die Themse genommen, um ihre Bauweise zu begutachten. Es war bedauerlicherweise seine letzte Flussüberquerung für eine Weile. Heute bezog er mit seiner Familie Grenwood House in London.

Entschlossen, jedes Detail der Brücke in Augenschein zu nehmen, rutschte er auf die andere Seite der Kutsche und schaute nach draußen. Während er darüber staunte, wie vortrefflich sich die Holzkonstruktion mehr als achtzig Jahre lang gehalten hatte, räusperte sich seine schüchterne Schwester Rosabel. Zum wiederholten Mal.

Widerstrebend hielt er in seiner Überlegung inne, warum die Erbauer sechsundzwanzig Bogen bei einem Fluss verwendet hatten, auf dem reger Schiffsverkehr herrschte. »Ja?«, fragte er, ohne den Blick von der Brücke abzuwenden. »Brauchst du etwas, Rosy?«

Der Kosename ließ sie offenbar innehalten. In diesem Moment schaltete sich die Mutter ein, die ihm ebenfalls gegenübersaß. »Sie braucht deine ganze Aufmerksamkeit, Junge.«

Verdammt noch mal. »Na schön.« Er wandte sich vom Fenster ab und sah Rosabel an.

Mit ihren neunzehn Jahren war sie in jeder Hinsicht eine Frau. Doch weil sie elf Jahre jünger war als er, sah er immer noch das Kind in ihr; das kleine Mädchen mit lockigem schwarzem Haar und grünen Augen, das sich kichernd von ihm in einer Miniaturkutsche durchs Haus ziehen ließ. Die Tatsache, dass sie eines dieser weißen Musselinkleider trug, die ihn an Taufgewänder und Unschuld denken ließen, machte es auch nicht viel besser.

Sie war von Geburt an wohlbehütet aufgewachsen, er selbst jedoch war ein ewiges Streitthema zwischen seinem verstorbenen Vater und seinem verstorbenen Großvater mütterlicherseits gewesen – Josiah Stockdon, dem Besitzer des größten Eisenwerks von England. Vater und Großvater hatten über seine Zukunft gestritten, bis sein Großvater schließlich gewonnen hatte.

Geoffrey bedauerte es keineswegs, den Weg des Großvaters eingeschlagen zu haben, aber wenn er seinerzeit gewusst hätte, was er heute wusste …

Nein, es hätte keinen Unterschied gemacht. Es hätte höchstens dazu geführt, dass er sich noch mehr angestrengt hätte, seine kleine Schwester vor der Katastrophe zu bewahren, die ihr drohte, falls jemals jemand erfuhr …

»Ich möchte da nicht hin«, sagte Rosy zaghaft.

»Wohin?«, fragte er.

»Zu diesen Damen von Elegant Occasions.« Sie nestelte an dem weißen Spitzenbesatz ihres Kleides. »Sie werden hinter meinem Rücken über mich reden wie alle anderen, und …«

»Sie werden es nicht wagen, und ich werde es nicht zulassen. Dein Bruder ist jetzt Herzog, schon vergessen?«

»Letzte Woche bei dem Hauskonzert warst du auch schon Herzog, und es hat nichts genützt, oder?«

Er seufzte, als er sich an das Getuschel und die herablassenden Blicke erinnerte. Für die feine Londoner Gesellschaft war er im Grunde kein Herzog. Er war zweifellos keiner von ihnen. Deshalb verstand er, wie Rosy sich fühlte, wie es war, nicht dazuzugehören – ein kleiner Fisch inmitten eines Meeres von Erwartungen und Verpflichtungen zu sein, denen man nicht gewachsen war. Erst gestern …

Es ging jetzt nicht um ihn, verflucht. Es ging um Rosy. Und auch um ihre Mutter, ob sie es nun wusste oder nicht. Danach zu urteilen, wie aufmerksam sie das Gespräch verfolgte, wusste sie es vielleicht. Teilte sie seine Meinung, Rosy eine Ballsaison in London zu ermöglichen?

Es spielte keine Rolle. Er musste für die beiden sorgen, selbst wenn es bedeutete, sie in die reale Welt hinauszubefördern. Mutter trauerte noch um Vater, daher ließ sich ihr Rückzug eine Zeit lang entschuldigen, aber Rosabel musste einen Ehemann finden, nachdem ihre eigene Trauerzeit vorüber war. Nur so konnte er sicher sein, dass sie sich später nicht in einer misslicheren Lage wiederfand als der, in der sie derzeit war. In England war ein adliger Ehemann die beste Absicherung, die für Geld zu haben war.

»Du hast recht«, sagte er. »Dieses Konzert war … schwierig. Aber wir waren nicht vorbereitet, weil wir in Newcastle noch nie so eine große Veranstaltung besucht haben. Und genau deshalb müssen wir Leute engagieren, die dir helfen … uns helfen.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Damit du dich beim nächsten gesellschaftlichen Anlass nicht mehr in der Ecke versteckst, wo dich niemand beachtet. Und du hast gehört, was Mutters Freundin gesagt hat – Elegant Occasions, das Geschäft von Mrs Pierce, kann dafür Sorge tragen.«

Er war nicht lange genug in der Stadt gewesen, um Nachforschungen zu betreiben, die er gewohnheitsmäßig über jeden anstellte, mit dem er Geschäfte machen wollte, doch auch wenn er die Zeit gehabt hätte, hätte er nichts bewirkt. London war eine ganz eigene Stadt, in der er außer einigen Ingenieuren keine Freunde hatte, und keiner von ihnen verkehrte in den gehobenen Kreisen. Doch weil Mrs Pierce überraschend seinem Ansuchen, ihn heute zu empfangen, stattgegeben hatte, hatte er die Gelegenheit beim Schopf gepackt, um das Geschäft persönlich unter die Lupe zu nehmen.

Erst in letzter Minute hatte er sich entschieden, seine Mutter und seine Schwester mitzunehmen, was er wahrscheinlich von vornherein ins Auge hätte fassen sollen.

Es zermürbte ihn allmählich, der große Bruder zu sein.

Rosy schaute auf ihre Hände. »Ich brauche keine Ballsaison. Ich könnte den Rest meines Lebens zu Hause bei dir und Mama verbringen. Oder ich könnte mit dir an all die Orte reisen, wo du Tunnel und Brücken und so weiter bauen möchtest. Ich könnte dir den Haushalt führen.«

Das war völlig ausgeschlossen. Allerdings wagte er nicht, ihr den Grund zu nennen. Rosy war zwar nicht geschwätzig, aber wenn sie sich versehentlich verplapperte und Mutter oder sonst jemandem die Wahrheit über Vater sagte …

Er erschauderte bei dem Gedanken. Als er merkte, dass der Mutter seine Reaktion nicht entgangen war, ergriff er die Hände seiner Schwester. »Und wenn ich nach Belgien gehe und monatelang dortbleibe? Was wird dann aus Mutter? Würdest du sie allein lassen, wenn ich nicht bei ihr sein kann?«

»Zieh mich nicht mit hinein«, sagte seine Mutter. »Ich habe bereits versucht, sie zu einer Ballsaison zu überreden.«

Er drückte Rosys Hände. »Du verdienst in jedem Fall ein eigenes Zuhause, Kleine, mit einem Mann und Kindern, die du liebst. Ich glaube fest daran, dass du jemanden findest, der dir zusagt, wenn wir dich nur gut auf die Ballsaison vorbereiten. Ich würde sogar sagen, wenn du die Belegschaft von Elegant Occasions erst einmal kennengelernt hast und dich dort wohlfühlst, haben wir schon halb gewonnen.«

Sie zog eine Augenbraue hoch. »Hast du jemals erlebt, dass ich mich unter Fremden wohlfühle?«

»Nein«, räumte er ein, »aber vielleicht ist es an der Zeit, dass du es lernst.«

»Damit ich mit einem Herrn nach dem anderen tanzen kann, der nur wegen meines Vermögens an mir interessiert ist?«

»Das ist doch völliger Unsinn. Du bist ein sehr hübsches Mädchen.«

Sie entzog ihm ihre Hände. »Du musst das sagen, du bist mein Bruder. Aber ich bin stämmig gebaut, und ich habe festgestellt, dass Männer stämmige Frauen nicht mögen.«

»Ich schon.«

»Du zählst nicht. Wie gesagt, du bist mein …«

»Bruder. Richtig. Ich möchte dir nur klarmachen, dass Männer Frauen jeglicher Art mögen, deinesgleichen miteingeschlossen.«

Die Mutter tätschelte Rosys Arm. »Dieser nette Lord Winston Chalmers fand dich bei dem Konzert offenbar ganz reizend. Warum hätte er dir sonst am nächsten Tag einen Besuch abgestattet?«

»Weil wir beide Beethoven mögen. Wir haben nur über Musik und Dichtung gesprochen. Oh, und über Kunst.« Sie errötete. »Er war sehr interessiert an meinem Skizzenbuch.«

»Darauf wette ich«, murmelte Geoffrey.

Rosy sank in ihrem Sitz zusammen. »Wie meinst du das?«

Er musste sich auf die Zunge beißen, um sie nicht darauf hinzuweisen, dass alle Damen eine Schwäche für Kunst, Musik und Dichtung hatten und der Halunke deshalb Wissen darüber erworben hatte, wie es jeder gute Mitgiftjäger tun würde.

Als er schwieg, erbleichte Rosy. »Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht. Du denkst, dass mich kein Mann von Stand ehelichen würde, wenn meine Mitgift nicht wäre.« Sie schaute an sich hinunter, und aus ihrer Stimme sprach Verzweiflung. »Ich bin in der Tat zu reizlos und zu dick, um das Interesse eines Mannes wie Lord Winston zu wecken.«

»Verzeih mir, mein Engel, so habe ich es nicht gemeint«, protestierte Geoffrey. »Wenn ich dich für langweilig oder dick halten würde, wieso sollte ich dann ein Geschäft wie Elegant Occasions bemühen, was wahrscheinlich ein kleines Vermögen kosten wird, nur damit du dich auf den verdammten Bällen wohler fühlst?«

»Achte auf deine Sprache, Geoffrey«, sagte seine Mutter, wie sie es letzthin mindestens fünfmal täglich tat.

Rosy richtete den Blick aus dem Fenster, ohne zu antworten.

Geoffrey biss die Zähne zusammen. Könnte er doch auch dort hinausschauen. Nein, es gab keinen Grund mehr, sie hatten die Brücke längst überquert. Er musste einen Ausflug unternehmen, um sie sich anzusehen, wenn sie sich in Grenwood House eingerichtet hatten.

Notgedrungen widmete er seine Aufmerksamkeit wieder dem Gesprächsthema. »Und was Lord Winston angeht, du bist viel zu gut für seinesgleichen. Ich habe mich über ihn erkundigt. Lass dich nicht von seinem Titel blenden – er ist lediglich der viertgeborene Sohn eines Marquess und hat daher nur eine Apanage, sonst nichts, und nicht einmal eine hohe.« Als Rosy erblasste und die Mutter ihn überrascht ansah, schob er nach: »Das habt ihr nicht gewusst, was?«

»Ist ja auch egal.« Rosy schniefte. »Du hast ihn abgeschreckt, und so werde ich ihn ohnehin nicht wiedersehen.« Sie zupfte nervös an ihrem engen Kleid herum und wich seinem Blick aus.

Das bekümmerte ihn. »Von den Bällen und Festivitäten anderer Leute kann ich ihn nicht fernhalten. Ich wollte dich lediglich zur Vorsicht mahnen, was ihn und seinesgleichen angeht.«

Rosy wandte sich der Mutter zu. »Du verstehst es, nicht wahr, Mama? Papa hat alles aufgegeben, um dich zu heiraten. Nicht dass Lord Winston mich heiraten wollte, was ich niemals erwarten würde, aber wenn er dazu bereit wäre …«

»Ich wusste nicht, dass Geoffrey bereits Erkundigungen über ihn eingezogen hat«, sagte die Mutter, »aber nachdem er es getan hat, muss ich ihm zustimmen. Wir sollten uns vor dem Kerl in Acht nehmen, ehrlich gesagt vor allen Herren.«

Die Mutter atmete tief durch. »Was deinen Vater angeht … er ist nicht mit Lord Winston zu vergleichen. Im Unterschied zu dir hatte ich kein Vermögen. Es war, bevor mein Papa reich wurde. Also war für deinen Vater außer mir nichts zu holen. Lord Winston hingegen … Nun, du kennst den Mann ja kaum. Es kann nicht schaden, wenn du einige andere Gentlemen kennenlernst, bevor du irgendwelche Entscheidungen triffst.«

»Nichts anderes habe ich gemeint«, erklärte Geoffrey. »Nach allem, was ich gehört habe, ist Lord Winston bestens für sein Talent bekannt, bei Frauen unter die Bettdecke zu kriechen.«

»Geoffrey, ich bitte dich!«, schalt die Mutter.

»Tut mir leid«, sagte er ohne echtes Bedauern. »Schon eine Begegnung mit diesem Mann kann deinen Ruf schädigen, Rosy, und das möchte ich nicht erleben, wo du doch eine vielversprechende Zukunft vor dir hast.«

Rosy sah ihn traurig an. »Gib es zu – du verabscheust Männer wie ihn wegen Papa. Du sagst immer, die Leute in der gehobenen Gesellschaft benehmen sich, als ob sie etwas Besseres wären, so wie Papa es manchmal getan hat. Und dass sie keine Ahnung haben, wie die Welt aussieht. Aber du bist genauso schlimm, denn du redest mit Großvater über die feinen Leute von London, als wärst du nicht dazu bestimmt, einer von ihnen zu werden. Es sind zwei Seiten derselben Medaille. Du siehst auf sie herab, und sie sehen auf dich herab. Und wo du nun ein Herzog bist … kannst du auf alle herabsehen, und sie werden es nicht wagen, auf dich herabzusehen.«

Ihre Worte versetzten ihm einen Stich, denn es war etwas Wahres daran. Er und sein verstorbener Großvater hatten die Begeisterung für das Bauwesen geteilt, weshalb Geoffrey – und nicht sein Vater – Partner bei Stockdon & Sons geworden war, obwohl der Großvater dem Vater die Firma in seinem Testament vermacht hatte. Doch wer hätte ahnen können, dass Vater, der bloße Drittgeborene eines Viscounts, das Herzogtum Grenwood geerbt hätte, wenn er nicht vorzeitig gestorben wäre? Dass Geoffrey das Herzogtum schließlich von seinem entfernten Vetter erben würde?

Plötzlich war Geoffrey Besitzer eines herzoglichen Guts – Schloss Grenwood in Yorkshire – und eines Jagdsitzes in Richmond. Hinzu kam Grenwood House am Hyde Park, das, wie man ihn hatte wissen lassen, für die Brookhouse-Junggesellen gedacht war. Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, es sich anzusehen, weil er zu beschäftigt mit Sitzungen wegen der Teddington-Schleuse gewesen war, doch er beabsichtigte, Grenwood House als Hauptresidenz der Familie zu nutzen, während Mutter und Rosy die Ballsaison genossen. Der Jagdsitz in Richmond war zu weit von der Stadt entfernt und nicht für Rosys Debüt geeignet.

Seine Reisekutsche kam schaukelnd zum Halt, und mit einem Blick nach draußen stellte er fest, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Seine Taschenuhr zeigte zehn Uhr morgens an; nicht zu früh für einen Geschäftsbesuch in der Stadt, wie er sich hatte sagen lassen. Ein Pferdeknecht kam gelaufen, um die Tiere zu übernehmen, und einer seiner Diener klappte die Trittstufe herunter.

Er bat ihn zu warten. Er musste das Gespräch mit Rosy vor dem Aussteigen beenden. »Ich mache dir einen Vorschlag, Kleine. Wenn du mir versprichst, dass du dir bei deinem Debüt alle Mühe gibst, und trotzdem keinen passenden Mann findest oder keine Freude daran hast, in der Gesellschaft zu verkehren, oder dich einfach nur elendig fühlst, werde ich nicht mehr darauf drängen. Eine Saison ist alles, was ich von dir verlange. Danach kannst du tun, was du willst. Versuch es einfach. Für mich. Und für Mutter natürlich.«

Sie sah ihn skeptisch an. »Und wenn ich zu dem Schluss komme, dass ich Lord Winston heiraten möchte – gesetzt den Fall, dass er jemals um meine Hand anhält?«

Der Gedanke machte ihn wütend, aber wie konnte er sie sonst dazu bewegen, sich bei ihrem Debüt von der besten Seite zu zeigen? Er konnte nur hoffen, dass sie, wenn sie erst einmal andere heiratswürdige Gentlemen kennengelernt hatte, weniger geneigt sein würde, sich auf Lord Winston als Ehemann zu kaprizieren. »Das ist dann deine Entscheidung«, sagte er und hatte Mühe, die Worte herauszubekommen. »Aber trotzdem darf er dich erst besuchen, nachdem du eine vernünftige Saison hattest.«

Sie sah ihn schräg an, als wollte sie ergründen, ob er es ernst meinte. Dann nickte sie hoheitsvoll wie eine Prinzessin, die ihm eine Gunst erwies.

»Schwöre es, Rosabel Marie Brookhouse«, sagte Geoffrey. »Beim Grab unseres Vaters.«

»Geoffrey!«, zischte die Mutter. »Sie sollte nicht schwören, und ganz gewiss nicht bei Arthurs Grab. Das ist unschicklich.«

Er schnaubte. Als hätte seine Mutter eine Vorstellung davon, was unschicklich war, aber das würde er ihr natürlich niemals sagen. Es war auf seinen Vater zurückzuführen, dass Schicklichkeit ihr wichtig war.

Doch Rosy entgegnete geziert: »Ich gebe dir mein Ehrenwort.«

Geoffrey musste sich beherrschen, um nicht zu lachen. »Du weißt gar nicht, was das bedeutet.«

Das versetzte ihr einen Dämpfer. »Na schön, dann schwöre ich – beim Grab unseres Vaters –, dass ich mir bei meinem Debüt alle Mühe geben werde. Bist du nun zufrieden?«

Es war offenbar als Friedensangebot gemeint, und er nahm es am besten an. »Das genügt vollauf, mein Engel.« Er musste einfach darauf hoffen, dass irgendein respektabler Kerl bis zum Ende der Ballsaison um ihre Hand anhielt.

Nachdem er aus der Kutsche gesprungen war, half er den beiden Frauen hinaus. Als er sich zu dem Gebäude umdrehte, stellte er fest, dass sich die Räume von Elegant Occasions in einem imposanten Stadthaus in einer prachtvollen Straße am Grosvenor Square befanden. Wie eigenartig. Andererseits wurde das Geschäft von einer Frau geführt, und die bevorzugte vielleicht einen »schicklicheren« Standort.

Er geleitete seine Mutter und seine Schwester die Stufen hinauf. Als er anklopfte, rührte sich nichts. Er klopfte erneut. Wieder nichts. Erst nach dem dritten Klopfen wurde die Tür von einem Butler geöffnet, der sich ausgesprochen unfreundlich gab, insbesondere nachdem er sie alle drei gemustert und für unzulänglich befunden hatte.

»Ich bin Grenwood«, sagte Geoffrey. »Ich bin gekommen, um mich mit Mrs Pierce von Elegant Occasions zu beraten.«

Die Miene des Mannes veränderte sich in keinster Weise. »Warten Sie hier.«

Als er die Tür schließen wollte, schob Geoffrey den Fuß in den Spalt. »Wir werden erwartet.«

Der Butler sah ihn an, als wollte er das bestreiten. Dann seufzte er. »Sehr wohl.« Er hielt ihnen die Tür auf und bedeutete ihnen einzutreten. »Trotzdem muss ich meine Herrin erst fragen. Sie und ihre Schwestern haben Sie erst später erwartet, zu den üblichen Besuchszeiten.«

Schwestern? War er etwa im falschen Haus gelandet? Aber nein, sonst hätte ihn der verdrießliche Butler schon längst zum Teufel gejagt. Der nahm jedoch einen Diener zur Seite und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin dieser die Treppe hinaufeilte.

Geoffrey sah den Butler von oben herab an. »Sie wissen, dass es sich nicht um einen Privatbesuch handelt. Und die ›übliche Zeit‹ für Geschäfte hat bereits begonnen, oder etwa nicht?«

»Selbstverständlich, gnädiger Herr.« Er bedachte ihn mit einem kalten Blick. »Aber die Damen waren gestern wegen einer wichtigen Angelegenheit eines höchst wichtigen Kunden recht lange aus.«

Bevor Geoffrey fragen konnte, wer wichtiger sein konnte als ein Herzog, sagte seine Mutter: »Schon gut, Geoffrey. Ich glaube, Gunter’s Tea Shop ist ganz in der Nähe, und ich würde gern das Eis probieren, um herauszufinden, warum die Leute so begeistert sind. Wir können später noch einmal herkommen.«

Er hörte die Beschämung in der Stimme seiner Mutter, die ihn noch wütender machte. Während er dem kalten Blick des Butlers standhielt, sagte er: »Wir gehen nicht. Denn wenn wir es tun, kommen wir nicht zurück.«

»Ich hätte nichts dagegen«, murmelte Rosy vor sich hin.

Verdammt. »Können wir hier irgendwo warten?«, fragte er den Butler mit zusammengebissenen Zähnen.

»Wenn es sein muss. Ich bin sicher, die Damen kommen unverzüglich nach unten.« Der hochnäsige Butler rief nach Tee, dann führte er sie in einen modisch eingerichteten Salon, der extravaganter war als alles, was Geoffrey in Newcastle gesehen hatte; ausgestattet mit filigranen Sitzmöbeln, die nicht für einen Mann von seiner Statur gemacht waren. Dazu die hellgelben Taftgardinen, und er kam sich vor wie eine verirrte Seemöwe. Es war alles viel zu schick für ihn.

Das Haus und die Büroräume des Großvaters waren mit massiver englischer Eiche, Leeds-Leder und polierten Messingbeschlägen ausgestattet gewesen – Heim und Geschäftssitz eines Mannes eben. Vielleicht war es zu Großmutters Zeiten anders gewesen, aber das würde Geoffrey nie erfahren, denn sie war bei der Geburt seiner Mutter gestorben. Vielleicht hätte sie eine Einrichtung wie in diesem Raum gewählt, aber das bezweifelte er eigentlich. Sie war auf dem Bauernhof aufgewachsen, bevor sie den Eisenfabrikanten geheiratet hatte.

Jedenfalls war Geoffrey der ganze Laden suspekt. Er ging auf dem Aubusson-Teppich auf und ab, und seine Verärgerung verwandelte sich in Zorn, je länger sie warten mussten. Was für ein Geschäft betrieben diese Damen überhaupt? Er war Herzog, Himmelherrgott. Herzöge sollten überall vorgelassen werden, das hatte er zumindest gehört, doch der Butler von Mrs Pierce behandelte ihn und seine Familie, als würden sie Elegant Occasions mit ihrem Anliegen zur Last fallen.

Ein Mann, der ein Geschäft führte, würde niemals mit einem derart zweifelhaften Gebaren durchkommen. Geoffrey hatte irgendeine Art von Ladenlokal erwartet, kein Wohnhaus. Dann fiel ihm jedoch ein, dass der Butler von den Damen als Schwestern gesprochen hatte, und die familiäre Verbindung war vermutlich die Erklärung für das Stadthaus als Geschäftssitz.

Ein Diener brachte endlich den Tee, doch Geoffrey war zu verärgert, um eine Tasse zu trinken. Die schäbige Behandlung rührte gewiss daher, dass die Damen erfahren hatten, dass er nur einen Schritt vom Bürgerlichen entfernt war. Oder sie hatten – was noch schlimmer wäre – von seiner Tätigkeit als Handelsmann erfahren.

Während seine Mutter und Rosy Tee tranken, ging er ans Fenster und wurde noch ungehaltener, als er den Pferdeknecht mit seiner Kutsche vor dem Haus stehen sah. Er wartete offenbar auf ein Zeichen des Butlers, bevor er Pferde und Kutsche in die Stallungen brachte.

Wie konnten sie nur? Mrs Pierce hatte der Zusammenkunft zugestimmt, verdammt. Es war nicht seine Schuld, dass sie ihn später am Tag erwartet hatte.

»Geoffrey«, wisperte seine Mutter, als er schon fast beschlossen hatte zu gehen. Er drehte sich zur Tür um, und ihm blieb der Atem weg. Denn dort stand, umrahmt von Sonnenlicht, das schönste Geschöpf, dem er je begegnet war.

Ihr prächtiges kastanienbraunes Haar schien sie zwar in aller Eile hochgesteckt zu haben, und ihre zusammengezogenen Augenbrauen, als sie ihn und seine Familie erblickte, trübten die Perfektion ihrer breiten, perlmuttfarbenen Stirn, aber dennoch konnte er sie nur anstarren. Wie ein Ingenieurschüler, der zum ersten Mal eine sogenannte schiefe Brücke sah, wollte er verstehen, wie sich alle Teile zusammenfügten, um ein derart prachtvolles Ganzes zu ergeben.

Abgesehen von ihrer klassischen Schönheit hatte die Dame »Teile«, die nicht besonders einzigartig waren: freundliche braune Augen, ein bezauberndes Gesicht mit einem Anflug von Sommersprossen auf der Nase und die angemessenen Rundungen einer Frau, soweit er es beurteilen konnte. Die Tatsache, dass er mehr davon sehen wollte, war beunruhigend. Sie entfachte eine pulsierende Hitze in seinen Schläfen, die geradewegs in seine Lenden strömte.

Dergleichen war ihm noch nie passiert, zumindest nicht bei der ersten Begegnung mit einer Frau. Doch unter den gegebenen Umständen wäre es gelinde gesagt unklug gewesen, es einzugestehen oder dementsprechend zu handeln oder Ähnliches.

Sie schwebte herein und reichte ihm die Hand. »Sie müssen Grenwood sein.«

»Und Sie müssen die Inhaberin von Elegant Occasions sein.« Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie etwas zu lange. Er hatte seine Handschuhe abgelegt und sie trug keine, und der Hautkontakt brachte seinen Puls zum Rasen. Was natürlich absurd war. »Mrs Pierce, nicht wahr?«, fragte er.

Mit hochgezogener Augenbraue befreite sie ihre Hand aus seinem Griff. »Die andere Inhaberin. Ich bin Lady Diana Harper.«

Er horchte auf. »Sie sind eine Dame von Stand?« Bei Gott, er hätte wirklich mehr Zeit darauf verwenden sollen, sich über das Geschäft zu informieren.

Offenbar war sie ebenfalls dieser Ansicht, denn sie erstarrte. »Ich weiß nicht, warum Sie hier sind, wenn Sie das nicht wussten.«

Ihr Name kam ihm zwar aus irgendeinem Grund bekannt vor, aber er kam nicht darauf, wo er ihn schon einmal gehört hatte.

Seine Mutter schaltete sich ein. »Verzeihen Sie. Wir sind ein wenig verwirrt. Ich bin Mrs Arthur Brookhouse. Mein Sohn hat um diese Zusammenkunft gebeten, weil Sie uns von einer guten Freundin empfohlen wurden. Ich glaube, sie ist mit jemandem verwandt, der Ihre Dienste bereits in Anspruch genommen hat. Jedenfalls hat sie uns nur den Namen ›Mrs Pierce‹ genannt, als sie uns erklärt hat, wo wir Sie in Mayfair finden. Ich nehme an, Mrs Pierce arbeitet für Sie?«

»Nicht direkt. Eliza Pierce ist meine verwitwete Schwester, und dies ist ihr Haus. Meine andere Schwester ist Lady Verity Harper. Wir drei führen das Geschäft gemeinsam, aber meine Schwestern machen sich noch zurecht. Sie haben uns überrascht. Wir haben Sie später erwartet.«

»Das wurde uns bereits mitgeteilt«, entgegnete Geoffrey. »Da das Geschäftsleben für gewöhnlich früh am Tag beginnt, nahm ich an, Sie seien alle disponibel.«

Ihre starre Miene zeigte, dass sie sich verwarnt fühlte, was ihm auf kleinliche Art Genugtuung verschaffte.

»Unser Geschäft ist einzigartig«, erklärte Lady Diana spröde. »Unsere Tätigkeit verpflichtet uns dazu, oft bis in die frühen Morgenstunden bei gesellschaftlichen Anlässen anwesend zu sein. Ich hoffe also, Sie können nachvollziehen, warum wir während der Ballsaison keine üblichen Geschäftszeiten haben.«

»Selbstverständlich«, sagte seine Mutter und sah ihn warnend an. »Wie sollten Sie auch? Und wir sind höchst erfreut, dass Sie heute Zeit für uns haben.«

Lady Diana lächelte sie an. Offenbar war er der Einzige, den sie nicht anlächelte, denn sie wandte sich Rosy mit einem noch strahlenderen Lächeln zu. Plötzlich war sie die Liebenswürdigkeit in Person, als ahnte sie, dass sich seine Schwester unbehaglich fühlte. »Sie müssen die Herzogin sein«, sagte sie freundlich.

Bevor er sie korrigieren konnte, lachte Rosy nervös. »Gott bewahre! Geoffrey – der Herzog – ist mein Bruder. Er hofft, Sie können mir bei meinem Debüt helfen.«