Spiel der Herzen - Sabrina Jeffries - E-Book

Spiel der Herzen E-Book

Sabrina Jeffries

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Beschreibung

Als notorischer Spieler kann Lord Jarret Sharpe keiner Herausforderung widerstehen. Schon gar nicht einer, die so entzückend ist wie die hübsche Annabel Lake. Doch als die beiden eine gewagte Wette eingehen, weiß Jarret noch nicht, was in Wahrheit auf dem Spiel steht: sein Herz.

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Seitenzahl: 503

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SABRINA JEFFRIES

SPIEL DER HERZEN

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Antje Görnig

Für die beiden Frauen, die von Anfang an sehr wichtig für meine Karriere waren: Micki Nuding, auch bekannt als Superverlegerin, und Pamela Gray Ahearn, alias Superagentin. Ich bin euch sehr dankbar dafür, dass ihr eure Superkräfte für mich eingesetzt habt!

Und für Claudia Dain, Deb Marlowe, Liz Carlyle, Caren Crane Helms und Rexanne Becnel – ihr seid die besten Freundinnen, die sich eine Schriftstellerin wünschen kann. Danke für eure grenzenlose Unterstützung!

Prolog

Eton College

1806

Der dreizehnjährige Lord Jarret Sharpe wollte die Nacht nicht in der Hölle verbringen. Er blickte aus dem Kutschenfenster hinauf zum Mond und erschauderte. Es musste fast acht Uhr abends sein – sie würden also in Eton eintreffen, wenn die Jungen in den Schlafsaal eingeschlossen wurden. Und dann würde die Hölle losgehen.

Er zupfte beklommen an seiner schwarzen Schleife herum und schaute verstohlen zu seiner Großmutter. Wie konnte er sie dazu bewegen, ihre Meinung zu ändern? Sechs Monate zuvor hatte sie ihn und seine Geschwister zu sich nach London geholt – weg von Halstead Hall, dem schönsten Ort auf der ganzen Welt. Nun wollte sie ihn nicht mehr in die Brauerei mitnehmen und zwang ihn, auf dieses schreckliche Internat zu gehen. Und das alles wegen der Umstände, unter denen seine Eltern gestorben waren.

Eine Eiseskälte hatte von seiner Seele Besitz ergriffen, und er hatte das Gefühl, dass auch in ihm etwas gestorben war. Er konnte nicht essen, er konnte nicht schlafen … er konnte nicht einmal weinen.

Was war er nur für ein Unmensch? Selbst sein ältester Bruder Oliver hatte bei der Beerdigung geweint. Jarret wollte weinen, aber die Tränen kamen nicht. Nicht einmal nachts, wenn ihn Albträume von seinem im Sarg liegenden Vater quälten.

Er hatte in der Zeitung gelesen, dass die Kugel »das Gesicht Seiner Lordschaft zerschmettert« hatte, und dieses Bild ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Schlimm genug, dass ihn der Anblick seiner Mutter immer noch verfolgte, wie sie steif und bleich in einem weißen Kleid, das ihre Schusswunde verdeckte, in ihrem Sarg gelegen hatte, doch jedes Mal, wenn er daran dachte, was es zu bedeuten hatte, dass der Sarg seines Vaters geschlossen gewesen war, konnte er kaum noch atmen.

»Sag Oliver, er soll mir einmal in der Woche schreiben, hörst du?«, sagte seine Großmutter.

»Ja, Großmutter.« Er verspürte einen stechenden Schmerz in der Brust. Insgeheim hatte er immer geglaubt, er sei ihr Lieblingsenkel, aber das war nun vorbei.

»Und du natürlich auch«, fügte sie etwas sanfter hinzu.

»Ich will nicht ins Internat!«, platzte es aus ihm heraus. Als sie die Augenbrauen hochzog, schob er rasch nach: »Ich möchte zu Hause bleiben. Ich möchte jeden Tag mit dir in die Brauerei gehen.«

»Jarret, mein Junge –«

»Nein, hör mir bitte zu!« Er knetete seine schwarzen Trauerhandschuhe, die er auf dem Schoß liegen hatte. »Großvater sagte, ich werde die Brauerei erben, und ich weiß schon über alles Bescheid. Ich weiß, wie die Maische hergestellt wird und wie lange die Gerste darren muss. Und ich bin gut in Mathematik – das hast du selbst gesagt. Ich könnte die Buchführung erlernen.«

»Es tut mir leid, Junge, aber das wäre unklug. Es war ein Fehler, dass ich und dein Großvater dein Interesse an der Brauerei gefördert haben. Deine Mutter wollte etwas anderes für dich, und sie hatte recht. Sie hat genau deshalb einen Marquess geheiratet, weil sie sich etwas Besseres für ihre Kinder gewünscht hat als die Arbeit in einer Brauerei.«

»Aber du arbeitest doch in der Brauerei!«, protestierte er.

»Weil ich es muss. Weil es die wichtigste Einnahmequelle für euren Unterhalt ist, bis der Nachlass eurer Eltern geregelt ist.«

»Ich könnte doch helfen!« Er wollte seiner Familie unbedingt dienlich sein. In der Brauerei zu arbeiten war viel besser als zu lernen, wer den Nil überquerte und wie man lateinische Verben konjugierte – wozu war das schon nutze?

»Du kannst viel mehr helfen, indem du einen anständigen Beruf ergreifst, wie man ihn nur durch Eton bekommt. Du bist zu Größerem geboren – du könntest Rechtsanwalt werden oder Bischof. Es wäre mir sogar recht, wenn du zum Militär gehst oder zur Marine, wenn es das ist, was du willst.«

»Ich will doch kein Soldat werden!«, sagte er entsetzt. Schon bei der Vorstellung, eine Pistole in die Hand zu nehmen, drehte sich ihm der Magen um. Seine Mutter hatte seinen Vater versehentlich erschossen. Dann hatte sie die Waffe gegen sich gerichtet.

Diesen Teil der Geschichte fand er merkwürdig. Großmutter hatte den Zeitungen gesagt, Mutter habe sich aus Verzweiflung darüber, ihren Mann getötet zu haben, erschossen. Das konnte er nicht verstehen, aber Großmutter hatte alle angewiesen, nicht darüber zu sprechen, ja nicht einmal Fragen zu stellen, und er hielt sich daran.

Der Gedanke, dass seine Mutter sich erschossen hatte, schmerzte ihn sehr. Wie hatte sie ihn und seine vier Geschwister nur alleinlassen können? Wäre sie noch bei ihnen, hätte sie ihm vielleicht erlaubt, zu Hause Privatunterricht zu nehmen, und er hätte weiter mit Großmutter in die Brauerei gehen können.

Seine Kehle war wie zugeschnürt. Es war einfach ungerecht!

»Na gut, dann wirst du eben kein Soldat«, sagte seine Großmutter nachsichtig. »Vielleicht wirst du ja Anwalt. Mit deinem scharfen Verstand gäbst du einen hervorragenden Anwalt ab.«

»Ich will kein Anwalt werden! Ich will mit dir die Brauerei leiten!« Sein Blick verfinsterte sich.

In der Brauerei warf ihm niemand Gemeinheiten an den Kopf. Die Brauer behandelten ihn wie einen Mann. Sie würden seine Mutter nie »die Mörderin von Halstead Hall« nennen. Sie würden niemals solche abscheulichen Lügengeschichten über Oliver erzählen.

Als er merkte, dass die Großmutter ihn beobachtete, setzte er rasch wieder eine freundlichere Miene auf.

»Hat es etwas mit den Raufereien zu tun, in die du in der Schule verwickelt wurdest?«, fragte die Großmutter besorgt. »Der Direktor sagte, er musste dich fast jede Woche bestrafen, weil du dich geprügelt hast. Wie konnte es dazu kommen?«

»Weiß nicht«, sagte er leise.

Ein gequälter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Wenn die anderen Jungen hässliche Dinge über deine Eltern sagen, kann ich mit dem Direktor sprechen …«

»Nein, verdammt!«, rief er voller Panik, weil sie das Problem so schnell erkannt hatte. Sie durfte auf keinen Fall mit dem Direktor sprechen – das machte alles nur noch schlimmer!

»Du sollst doch nicht fluchen! Komm, du kannst es mir ruhig sagen. Willst du deshalb nicht zurück in die Schule?«

Er schürzte die Lippen. »Ich habe einfach keine Lust zu lernen, das ist alles.«

Sie sah ihn prüfend an. »Dann bist du also faul?«

Er antwortete nicht. Er ließ sich lieber einen Faulpelz schimpfen als eine Petze.

»Nun, nicht lernen zu wollen ist kein Grund, zu Hause zu bleiben«, sagte sie seufzend. »Jungen lernen nie gern. Aber es ist gut für euch. Wenn du dich anstrengst und hart arbeitest, wirst du es im Leben zu etwas bringen. Und das willst du doch, oder?«

»Ja, Großmutter«, murmelte er.

»Dann wirst du es auch schaffen.« Sie schaute aus dem Kutschenfenster. »Ah, wir sind da!«

Jarret wollte seine Großmutter anflehen, ihn wieder mitzunehmen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Wenn sie einmal etwas beschlossen hatte, konnte sie ohnehin niemand mehr umstimmen. Und sie wollte ihn nicht mehr in der Brauerei haben. Keiner wollte ihn mehr haben, nirgendwo.

Sie stiegen aus der Kutsche und gingen zum Büro des Direktors. Während seine Großmutter ihn anmeldete, trug ein Diener seinen Koffer nach oben in den Schlafsaal.

»Versprich mir, dass du dich nicht mehr prügelst«, sagte seine Großmutter.

»Ich verspreche es«, entgegnete er matt. Was spielte es schon für eine Rolle, ob er log? Spielte überhaupt noch irgendetwas eine Rolle?

»Braver Junge! Oliver kommt morgen. Du wirst dich besser fühlen, wenn er hier ist.«

Er verkniff sich eine scharfe Erwiderung. Oliver versuchte zwar, auf ihn aufzupassen, aber er konnte nicht überall gleichzeitig sein. Außerdem war sein Bruder sechzehn, und da verbrachte er den Großteil seiner Zeit damit, vor sich hinzubrüten und mit seinen älteren Freunden zu trinken. Und an diesem Abend war er gar nicht da.

Jarret erschauderte abermals.

»Und nun gib deiner Großmutter einen Abschiedskuss«, sagte sie sanft.

Gehorsam tat er wie geheißen, bevor er die Treppe hinauftrottete. Er hatte den Schlafsaal gerade betreten und hörte, wie die Tür hinter ihm abgeschlossen wurde, als John Platt, dieses Ekel, auf ihn zugeschlendert kam, um sein Gepäck zu durchsuchen.

»Na, was hast du uns heute mitgebracht, Babyface?«

Jarret hasste den Spitznamen, den Platt und seine Freunde ihm wegen seines unbehaarten Kinns und seiner geringen Körpergröße gegeben hatten, aber der siebzehnjährige Platt war mehr als einen Kopf größer und viel kräftiger als er.

Platt fand den sorgfältig in Papier eingepackten Apfelkuchen, den die Großmutter ihm mitgegeben hatte, und nahm einen großen Bissen davon. Jarret versuchte, Ruhe zu bewahren, und biss die Zähne zusammen.

»Was? Willst du mir etwa keine reinhauen?«, fragte Platt und hielt ihm den angebissenen Kuchen vor die Nase.

Was würde das schon nützen? Platt und seine Freunde würden ihn verprügeln, und er würde nur erneut Schwierigkeiten bekommen.

Immer, wenn ihm etwas wichtig war, wurde es ihm weggenommen. Und wenn er sich anmerken ließ, dass ihm etwas daran lag, machte er alles nur noch schlimmer.

»Ich hasse Apfelkuchen«, log er. »Unser Koch gibt immer Hundepisse hinein.«

Zu seiner Genugtuung sah Platt den Kuchen skeptisch an und warf ihn einem seiner blöden Freunde zu. Hoffentlich erstickten sie daran!

Platt fuhr fort, in seiner Tasche herumzukramen. »Was haben wir denn da?«, sagte er, als er die vergoldete Spielkartenschatulle fand, die Jarret von seinem Vater zum Geburtstag bekommen hatte.

Jarret stockte das Blut in den Adern. Er hatte gedacht, er hätte sie gut versteckt. Er hatte die Karten aus einem Impuls heraus von zu Hause mitgenommen, um etwas bei sich zu haben, das ihn an seine Eltern erinnerte.

Diesmal fiel es ihm schon schwerer, ruhig zu bleiben. »Ich weiß nicht, was du damit anfangen willst«, sagte er und bemühte sich, gelangweilt zu klingen. »Du kannst doch gar nicht spielen.«

»Pass bloß auf, du kleine Ratte!« Platt packte ihn an seiner Schleife und zerrte so fest daran, dass er fast keine Luft mehr bekam.

Nach Atem ringend versuchte er sich zu wehren, als Giles Masters, Sohn eines Viscounts und Bruder von Olivers bestem Freund, hinzutrat und ihn befreite.

»Lass den Jungen in Ruhe!«, sagte er, während Jarret keuchend nach Luft schnappte. Masters war achtzehn und sehr groß und hatte eine starke Linke.

»Oder was?«, erwiderte Platt. »Erschießt er mich sonst? Wie sein Bruder seinen Vater erschossen hat, um an sein Erbe zu kommen?«

»Das ist eine verdammte Lüge!«, rief Jarret und ballte die Hände zu Fäusten.

Masters legte ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. »Hör auf, ihn zu provozieren, Platt! Und gib ihm seine Karten zurück, sonst schlage ich dein Gesicht zu Klump!«

»So kurz vor dem Abitur willst du dir bestimmt keine Schwierigkeiten einhandeln«, entgegnete Platt leicht verunsichert, dann sah er Jarret an. »Aber ich habe einen Vorschlag. Wenn Babyface seine Karten wiederhaben will, kann er sie beim Pikett zurückgewinnen. Hast du Geld für den Einsatz dabei, Babyface?«

»Sein Bruder will nicht, dass er um Geld spielt«, warf Masters ein.

»Ach, wie süß!«, meinte Platt grinsend. »Babyface tut immer, was sein großer Bruder sagt.«

»Um Gottes willen, Platt –«, begann Masters.

»Ich habe Geld«, unterbrach Jarret ihn. Das Kartenspielen hatte er auf dem Schoß seines Vaters gelernt, und er war ziemlich gut darin. Er straffte die Schultern. »Ich werde gegen dich spielen.«

Platt zog die Augenbrauen hoch und setzte sich auf den Boden, um die zweiunddreißig Pikettkarten aus dem großen Spielkartensatz herauszusortieren.

»Bist du sicher?«, fragte Masters, als Jarret sich seinem Erzfeind gegenübersetzte.

»Vertrau mir«, entgegnete Jarret.

Eine Stunde später hatte er seine Kartenschatulle zurückgewonnen. Zwei Stunden später hatte er Platt bereits fünfzehn Schilling abgeknöpft, und als der Morgen graute, hatte er zum Entsetzen von Platts tumben Freunden fünf Pfund gewonnen.

Danach nannte ihn nie wieder jemand Babyface.

1

London

März 1825

Neunzehn Jahre waren seit jener schicksalhaften Nacht vergangen. Jarret war inzwischen zwei Köpfe größer und hatte zu kämpfen gelernt, und er spielte immer noch Karten – nun allerdings, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

An diesem Tag dienten ihm die Karten jedoch nur als Zeitvertreib. Er saß im Arbeitszimmer im Stadthaus seiner Großmutter und legte noch einmal sieben Reihen aus.

»Wie kannst du nur in einer solchen Zeit Karten spielen?«, fragte seine Schwester Celia von der Couch aus.

»Ich spiele nicht«, erwiderte er. »Ich lege nur Patiencen.«

»Du kennst Jarret doch«, warf sein Bruder Gabe ein. »Er fühlt sich nur wohl, wenn er Karten in der Hand hat.«

»Du meinst, wenn er gewinnt«, bemerkte seine andere Schwester Minerva.

»Dann muss er sich ja im Moment ziemlich unwohl fühlen«, sagte Gabe. »In letzter Zeit verliert er nur noch.«

Jarret hielt inne. Sein Bruder hatte recht. Und weil er mit seinen Gewinnen seinen verschwenderischen Lebensstil finanzierte, war es durchaus ein Problem.

Deshalb ritt sein Bruder natürlich ständig darauf herum. Gabe war sechsundzwanzig, sechs Jahre jünger als er, und eine echte Plage. Wie Minerva hatte er golden gesträhntes braunes Haar und die grünen Augen ihrer Mutter. Aber das war auch das Einzige, was Gabe mit ihrer sittenstrengen Mutter gemein hatte.

»Beim Patiencespiel kann man nur mehrmals hintereinander gewinnen, wenn man mogelt«, sagte Minerva.

»Ich mogele nie beim Kartenspielen«, erwiderte Jarret. Das war die Wahrheit, wenn man einmal von seiner außergewöhnlichen Fähigkeit absah, sich während eines Spiels den Verbleib jeder einzelnen Karte zu merken.

»Hast du nicht gerade gesagt, Patience hat nichts mit Spielen zu tun?«, stichelte Gabe.

Dieser Scheißkerl! Und um ihm noch mehr auf die Nerven zu gehen, knackte sein Bruder nun auch noch mit den Fingerknöcheln.

»Um Himmels willen, hör auf damit!«, fuhr Jarret ihn an.

»Hiermit, meinst du?« Gabe knackte abermals mit den Fingern.

»Obacht, kleiner Bruder, sonst fängst du dir gleich einen Kinnhaken«, drohte ihm Jarret.

»Schluss mit diesem Theater!« Celia stiegen die Tränen in die Augen, als sie zu der Tür des Schlafgemachs ihrer Großmutter schaute. »Wie könnt ihr euch streiten, wo Großmutter vielleicht bald stirbt?«

»Keine Angst, so schnell stirbt sie nicht«, sagte die überaus praktisch veranlagte Minerva. Sie war vier Jahre jünger als Jarret und neigte nicht so zum Dramatisieren wie Celia – außer beim Schreiben ihrer Schauerromane.

Außerdem kannten Jarret und Minerva die Großmutter viel besser, als das Nesthäkchen sie kannte. Hester Plumtree war unverwüstlich. Diese »Erkrankung« war zweifelsohne ein weiterer Trick von ihr, um die Geschwister auf Linie zu bringen.

Sie hatte ihnen bereits ein Ultimatum gestellt: Sie mussten sich binnen eines Jahres verheiraten, sonst würden sie alle enterbt. Jarret hätte auf ihre Drohung gepfiffen, doch er konnte seine Geschwister unmöglich zu einem Leben in Armut verdonnern.

Oliver hatte versucht, sie von ihrer Forderung abzubringen, doch dann hatte er zur Überraschung aller eine Amerikanerin geehelicht. Aber das hatte Großmutter nicht genügt. Sie wollte, dass auch der Rest von ihnen heiratete. Und nun blieben ihnen nur noch knapp zehn Monate.

Das war es, was Jarret in letzter Zeit die Lust am Spielen genommen hatte: dass Großmutter ihn dazu zwingen wollte, die erstbeste Frau zu heiraten, die nicht vor dem Ruf der als skandalös und lasterhaft verschrienen Familie zurückschreckte. Er wollte unbedingt große Summen gewinnen, um seine Geschwister finanziell unterstützen zu können, damit sie nicht mehr von ihrer Großmutter abhängig waren.

Doch Verzweiflung war eine schlechte Begleiterin am Spieltisch. Sein Erfolg hing davon ab, dass er einen kühlen Kopf bewahrte und sich nicht um den Ausgang des Spiels scherte. Nur dann konnte er das Beste aus den Karten machen, die er bekam. Wenn man verzweifelt war, ließ man sich jedoch von seinen Gefühlen statt von seinem Können leiten und ging zu große Risiken ein. Und das war ihm in letzter Zeit viel zu oft passiert.

Was um alles in der Welt wollte Großmutter damit erreichen, dass sie ihn und seine Geschwister zum Heiraten zwang? So sorgte sie doch nur für weitere unglückliche Ehen, wie ihre Eltern eine geführt hatten.

Aber Oliver ist nicht unglücklich.

Oliver hatte großes Glück gehabt. Er hatte tatsächlich die einzige Frau auf der Welt gefunden, die seine Flausen und seinen schlechten Ruf zu ertragen bereit war. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas zweimal in ihrer Familie passierte, war äußerst gering. Und gleich viermal? Das war so gut wie ausgeschlossen. Auf Fortuna war kein Verlass, im Leben ebenso wenig wie beim Kartenspiel.

Mit einem Fluch auf den Lippen erhob sich Jarret und begann auf und ab zu gehen. Im Gegensatz zu dem Arbeitszimmer auf Halstead Hall war das von Großmutter luftig und hell. Es war nach der neuesten Mode möbliert, und auf einem Rosenholztisch thronte ein großes Modell der Brauerei Plumtree.

Er biss die Zähne zusammen. Die verdammte Brauerei – sie leitete sie nun schon so lange erfolgreich, dass sie glaubte, sie könne auch über das Leben der Geschwister bestimmen. Sie wollte immer alles unter Kontrolle haben. Die Papiere, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten, bewiesen, dass sie die viele Arbeit mit einundsiebzig nicht mehr bewältigen konnte. Trotzdem weigerte sich die eigensinnige Frau, einen Geschäftsführer einzustellen, sosehr Oliver sie auch dazu drängte.

»Jarret, hast du Oliver geschrieben?«, fragte Minerva.

»Ja, während du beim Apotheker warst. Der Diener hat den Brief zur Post gebracht.« Oliver war mit seiner frisch angetrauten Frau nach Amerika gereist, um ihre Angehörigen kennenzulernen, aber Jarret und Minerva hatten ihn über Großmutters Erkrankung in Kenntnis setzen wollen; nur für den Fall, dass es doch etwas Ernstes war.

»Ich hoffe, er und Maria amüsieren sich gut in Massachusetts«, sagte Minerva. »Letztes Mal in der Bibliothek war er ja völlig aufgewühlt.«

»Du wärst auch aufgewühlt, wenn du dächtest, du wärst schuld am Tod unserer Eltern«, bemerkte Gabe.

Das war Olivers zweite große Überraschung gewesen: die Enthüllung, dass er sich am Tag der Tragödie mit Mutter gestritten hatte, was seiner Meinung nach dazu geführt hatte, dass sie wütend losgeritten war, um Vater zu suchen.

»Meint ihr, Oliver hat recht?«, fragte Celia. »War es wirklich seine Schuld, dass Mama Papa erschossen hat?« Celia war damals erst vier Jahre alt gewesen, weshalb sie sich kaum daran erinnern konnte.

Was für Jarret nicht galt. »Nein.«

»Warum nicht?«, fragte Minerva.

Wie viel sollte er ihnen sagen? Er erinnerte sich noch gut daran, wie …

Nein, er brachte besser keine haltlosen Anschuldigungen vor, ganz egal, gegen wen. Aber eine andere Überlegung musste er seinen Geschwistern doch mitteilen. »Ich erinnere mich daran, wie Vater beim Picknick murmelte: ›Wo zum Teufel will sie jetzt hin?‹ Ich schaute über die Wiesen und sah Mutter auf einem Pferd in Richtung der Jagdhütte davonreiten. Diese Erinnerung nagt schon die ganze Zeit an mir.«

Gabe führte seinen Gedankengang fort. »Wenn sie also losgeritten wäre, um Vater zu suchen, wovon Oliver offensichtlich überzeugt ist, hätte sie ihn beim Picknick gefunden. Dann hätte sie nirgendwo anders nach ihm suchen müssen.«

»Ganz genau«, sagte Jarret.

Minerva schürzte die Lippen. »Was bedeutet, dass Großmutters Version der Geschichte stimmen könnte. Mutter ritt zur Jagdhütte, weil sie aufgebracht war und keinen mehr sehen wollte. Dort schlief sie irgendwann ein, wurde von Vater aufgeschreckt, erschoss ihn …«

»… und erschoss sich, als sie ihn tot auf dem Boden liegen sah?«, beendete Celia den Satz. »Das glaube ich nicht. Es ist in meinen Augen völlig unsinnig.«

Gabe bedachte sie mit einem nachsichtigen Blick. »Nur weil du nicht glauben willst, dass eine Frau so unbesonnen sein kann, einfach um sich zu schießen?«

»Ich würde sicherlich nie so etwas Törichtes tun«, gab Celia zurück.

»Aber du hast eine Vorliebe fürs Schießen und einen gesunden Respekt vor Waffen«, bemerkte Minerva. »Mutter hatte weder das eine noch das andere.«

»Eben«, sagte Celia. »Und sie soll an jenem Tag, ohne nachzudenken, zur Waffe gegriffen und zum ersten Mal in ihrem Leben geschossen haben? Das ist völlig absurd. Wie hat sie die Waffe denn überhaupt geladen?«

Alle starrten sie an.

»Daran hat wohl noch keiner von euch gedacht?«

»Sie könnte es gelernt haben«, warf Gabe ein. »Großmutter kann schießen. Dass wir Mutter nie haben schießen sehen, heißt noch lange nicht, dass Großmutter es ihr nicht beigebracht haben könnte.«

Celia runzelte die Stirn. »Andererseits könnte jemand Mutter beim Laden der Pistole geholfen haben, falls sie Vater vorsätzlich erschossen hat, wie Oliver behauptet – zum Beispiel einer der Stallburschen. Dann könnte sie Vater in der Nähe des Picknicks aufgelauert haben und ihm zur Jagdhütte gefolgt sein. Das ergibt für mich mehr Sinn.«

»Interessant, dass du die Stallburschen erwähnst«, sagte Jarret. »Sie hätten ihr das Pferd satteln müssen – also haben sie möglicherweise gewusst, wohin sie wollte und wann sie losgeritten ist. Sie hat ihnen vielleicht sogar den Grund für ihren Ausritt genannt. Wenn wir mit ihnen sprechen könnten …«

»Die meisten von ihnen haben Halstead Hall verlassen, als das Gut aufgegeben wurde«, bemerkte Minerva.

»Deshalb erwäge ich, Jackson Pinter mit der Suche nach ihnen zu beauftragen.«

Celia schnaubte.

»Auch wenn du ihn nicht leiden kannst«, sagte Jarret, »ist er einer der angesehensten Ermittler von London.« Pinter hatte zwar den Auftrag, Nachforschungen über ihre potenziellen Ehepartner anzustellen, aber warum sollte der Mann nicht noch eine weitere Aufgabe übernehmen?

Die Tür von Großmutters Schlafgemach öffnete sich, und Dr. Wright kam ins Arbeitszimmer.

»Und?«, fragte Jarret sofort. »Wie lautet Ihr Urteil?«

»Können wir sie sehen?«, wollte Minerva wissen.

»Sie hat nach Lord Jarret gefragt«, entgegnete Dr. Wright.

Jarret horchte auf. Da Oliver nicht anwesend war, war er der Älteste in der Runde. Und er wusste beim besten Willen nicht, was Großmutter sich nun wieder ausgedacht hatte, nachdem sie »krank« geworden war.

»Wie geht es ihr?«, fragte Celia voller Besorgnis.

»Momentan hat sie nur diffuse Schmerzen in der Brust. Es muss nichts Schlimmes bedeuten und vergeht vielleicht wieder.« Dr. Wright sah Jarret an. »Aber sie muss Bettruhe halten, bis sie sich besser fühlt. Und sie weigert sich, das zu tun, bevor sie nicht mit Ihnen gesprochen hat, gnädiger Herr.« Als die anderen sich ebenfalls erhoben, fügte er hinzu: »Unter vier Augen.«

Mit einem knappen Nicken folgte Jarret ihm in Großmutters Zimmer.

»Sagen Sie nichts, was sie aufregen könnte«, raunte ihm Dr. Wright zu, bevor er ging und die Tür hinter sich schloss.

Beim Anblick seiner Großmutter stockte Jarret der Atem. Sie sah wahrhaftig nicht gut aus. Sie saß zwar gestützt von einigen Kissen aufrecht im Bett, also drohte sie nicht gerade zu sterben, aber ihre Gesichtsfarbe war alles andere als gesund.

Er verdrängte die Angst, die in ihm aufstieg. Großmutter war lediglich ein wenig angeschlagen. Sie wollte sicherlich nur einen weiteren Versuch unternehmen, über sein Leben und das seiner Geschwister zu bestimmen. Aber wenn sie glaubte, ihre Methoden hätten bei ihm den gleichen Erfolg wie bei Oliver, konnte sie sich auf eine Überraschung gefasst machen.

Sie zeigte auf den Stuhl, der neben dem Bett stand, und Jarret nahm argwöhnisch Platz.

»Wright, dieser Narr, hat gesagt, ich dürfe das Bett mindestens einen Monat lang nicht verlassen«, murrte sie. »Einen Monat! So lange kann ich die Brauerei nicht alleinlassen.«

»Du musst so lange pausieren, wie es nötig ist, wenn du wieder gesund werden willst«, entgegnete Jarret unverbindlich. Solange er nicht wusste, was sie im Schilde führte, musste er auf der Hut sein.

»Um es einen Monat lang in diesem Bett auszuhalten, muss ich jemanden haben, der in der Brauerei nach dem Rechten sieht. Jemanden, der verlässlich ist und dem ich vertraue. Jemanden, der ein persönliches Interesse daran hat, dass alles rund läuft.«

Als sie ihn durchdringend ansah, erstarrte er. Das war also ihr Plan.

»Niemals!«, sagte er und sprang auf. »Denk nicht einmal daran!« Er wollte auf keinen Fall unter ihrer Fuchtel stehen. Schlimm genug, dass sie ihm vorschreiben wollte, wann er zu heiraten hatte – aber dass sie auch noch sein ganzes Leben kontrollierte, war ausgeschlossen.

»Früher wolltest du unbedingt in die Brauerei«, entgegnete sie schwer atmend.

»Das ist lange her.« Damals war er verzweifelt bemüht gewesen, einen Platz im Leben zu finden. Doch ganz gleich, welchen Platz man fand, er konnte einem jederzeit wieder vom Schicksal entrissen werden. Das hatte er inzwischen gelernt. Alle Zukunftshoffnungen konnten mit einem Wort zunichtegemacht werden, die Eltern konnten einem von einem Moment auf den anderen genommen werden, und der gute Ruf einer Familie konnte aus Böswilligkeit ruiniert werden.

Nichts im Leben war sicher. Also stand man sich besser, wenn man mit leichtem Gepäck reiste, ohne Verpflichtungen und Träume. Nur so ließen sich Enttäuschungen vermeiden.

»Du wirst die Brauerei eines Tages erben«, bemerkte seine Großmutter.

»Nur wenn wir alle im Laufe dieses Jahres heiraten«, erwiderte er. »Aber gesetzt den Fall, dass ich sie erbe, werde ich einen Geschäftsführer einstellen. Was du schon vor Jahren hättest tun sollen.«

Sie runzelte die Stirn. »Ich will nicht, dass irgendein Fremder meine Brauerei führt.«

Es war immer dieselbe Leier.

»Wenn du es nicht machen willst, muss ich Desmond die Verantwortung übertragen«, fügte sie hinzu.

Jarret packte die kalte Wut. Desmond Plumtree war ein Vetter ersten Grades ihrer Mutter, und sie verachteten ihn alle – er selbst ganz besonders. Großmutter hatte schon früher damit gedroht, diesem Dreckskerl die Brauerei zu vermachen, und sie wusste genau, wie Jarret dazu stand. Das versuchte sie nun auszunutzen.

»Mach nur, nimm ihn ruhig«, sagte er leichthin, aber es verlangte ihm seine ganze Willenskraft ab, sich nicht von ihr manipulieren zu lassen.

»Er kennt sich noch weniger damit aus als du«, entgegnete sie mürrisch. »Außerdem ist er mit seinem neuesten Unternehmen beschäftigt.«

Jarret verbarg seine Erleichterung. »Es wird doch noch jemand anderen geben, der gut genug Bescheid weiß, um dich eine Weile zu vertreten.«

Sie hustete in ihr Taschentuch. »Aber niemanden, dem ich vertraue.«

»Und mir traust du zu, die Geschäfte zu führen?« Er lachte zynisch. »Ich meine mich zu erinnern, dass du mir vor ein paar Jahren gesagt hast, Spieler seien Parasiten der Gesellschaft. Hast du keine Angst, dass ich deine heiß geliebte Brauerei aussauge, bis nichts mehr davon übrig ist?«

Sie besaß wenigstens den Anstand zu erröten. »Das habe ich nur gesagt, weil ich es nicht ertragen konnte, mit anzusehen, wie du deinen scharfen Verstand am Spieltisch vergeudest. Das ist kein Leben für einen gescheiten Mann wie dich, zumal ich sicher bin, dass du zu sehr viel mehr fähig bist. Du hast beträchtlichen Erfolg mit deinen Kapitalanlagen gehabt. Du würdest nicht lange brauchen, um dich in der Brauerei zurechtzufinden. Und ich wäre jederzeit für dich da, wenn du Rat brauchst.«

Ihr beinahe flehender Ton gab ihm zu denken. Sie klang geradezu … verzweifelt. Er kniff die Augen zusammen. Vielleicht konnte er diese Sache doch noch zu seinem Vorteil wenden.

Er setzte sich wieder hin. »Wenn ich die Brauerei wirklich einen Monat lang führen soll, erwarte ich eine Gegenleistung von dir.«

»Du bekommst natürlich ein Gehalt, und ich bin sicher, wir werden uns einig, was die –«

»Es geht mir nicht ums Geld. Ich will, dass du dein Ultimatum zurückziehst.« Er beugte sich vor und sah sie grimmig an. »Du wirst uns nicht mehr damit drohen, uns zu enterben, wenn wir nicht binnen eines Jahres heiraten. Alles wird wieder, wie es vorher war.«

Sie funkelte ihn wütend an. »Das wird sicher nicht passieren!«

»Tja, dann musst du wohl einen Geschäftsführer einstellen.« Er erhob sich und ging zur Tür.

»Warte!«, rief sie.

Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Und wenn ich dich von meiner Forderung ausschließe?«

Jarret verkniff sich ein Grinsen. Großmutter musste wirklich sehr verzweifelt sein, wenn sie zu verhandeln bereit war. »Ich höre.«

»Ich werde mein Testament von Mr. Bogg ändern lassen, sodass du die Brauerei in jedem Fall erbst, ganz gleich, was geschieht.« Ihr Ton wurde bitter. »Dann kannst du bis an dein Lebensende Junggeselle bleiben.«

Dieses Angebot war durchaus erwägenswert. Wenn er die Brauerei erbte, konnte er seinen Geschwistern helfen, falls es ihnen nicht gelang, Großmutters Forderung bis zum Jahresende zu erfüllen. Bis sie starb, waren die anderen natürlich auf sich gestellt, aber danach konnte er sie unterstützen. Und das war im Vergleich zu ihrer gegenwärtigen Situation eine Verbesserung. »Damit wäre ich einverstanden.«

Ihr Atem klang rasselnd. »Unter diesen Umständen müsstest du dich allerdings verpflichten, bis zum Ablauf des Jahres in der Brauerei zu bleiben.«

Er stutzte. »Warum?«

»Sie ist die Quelle des Lebensunterhalts für viele Menschen. Wenn ich sie dir vermache, muss ich sicher sein, dass du sie am Laufen halten kannst, selbst wenn du nach meinem Tod einen Geschäftsführer einstellst. Du musst dein Wissen mehren, um die richtige Person dafür auswählen zu können, und ich muss die Gewissheit haben, dass du die Brauerei nicht verkommen lässt.«

»Gott bewahre, dass du Vertrauen zu deinem eigenen Enkel hast!« Doch so ganz unrecht hatte sie nicht. Er hatte neunzehn Jahre lang keinen Fuß in den Betrieb gesetzt. Was wusste er da noch über das Braugeschäft?

Aber er konnte lernen. Und wenn es nötig war, um seine Großmutter ein für alle Mal davon abzubringen, sich in das Leben ihrer Enkel einzumischen, würde er es auch tun – allerdings zu seinen Bedingungen.

»Gut«, sagte er. »Ich bleibe bis zum Ablauf des Jahres.« Als sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete, fügte er hinzu: »Aber ich will freie Hand haben. Ich werde dich über alles auf dem Laufenden halten und du kannst deine Meinung äußern, aber die Entscheidungen treffe ich.«

Ihr Lächeln schwand.

»Ich werde die Brauerei leiten, wie ich es für richtig halte, ohne jede Einmischung von deiner Seite«, fuhr er fort. »Und das wirst du mir schriftlich geben.«

Das argwöhnische Funkeln in ihren stahlblauen Augen verriet ihm, dass sie nicht so krank war, wie sie vorgab zu sein. »In einem Jahr kannst du großen Schaden anrichten.«

»Stimmt. Es war nicht meine Idee, wenn du dich erinnerst.«

»Dann musst du mir versprechen, keine größeren Veränderungen vorzunehmen.«

Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Nein.«

Ihr Gesicht nahm einen beunruhigten Ausdruck an. »Versprich mir wenigstens, keine riskanten Investitionen zu tätigen.«

»Nein. Entweder überlässt du mir die Leitung vollständig oder du musst dir einen Geschäftsführer suchen.«

Es war ein gutes Gefühl, die Oberhand zu haben. Er wollte nicht, dass sie ihn ständig kontrollierte und jede seiner Entscheidungen bemäkelte. Wenn er den Betrieb leitete, dann auf seine Art. Und sobald das Jahr vorbei war, konnte er sein Leben leben, wie es ihm gefiel … und dafür sorgen, dass seine Geschwister es ebenfalls konnten.

Nicht dass seine Großmutter seine Bedingungen akzeptieren würde. Sie hatte noch nie die Zügel aus der Hand gegeben, nicht einmal einen Tag lang. Und sie würde ihrem Enkel, diesem »Parasiten«, die Brauerei gewiss nicht für die Dauer eines Jahres anvertrauen.

Zu seiner großen Überraschung hörte er sie jedoch sagen: »Na schön, ich werde deinen Forderungen nachkommen. Ich lasse das entsprechende Schriftstück morgen für dich aufsetzen.«

In ihren Augen schimmerte etwas auf, das ihm zu denken gab, aber es war so schnell wieder verschwunden, dass er glaubte, er habe es sich nur eingebildet.

»Eine Bedingung habe ich allerdings noch«, schob sie nach. »Du musst Mr. Croft als deinen Sekretär behalten.«

Jarret stöhnte. Großmutters Sekretär war einer der sonderbarsten Männer, die er je kennengelernt hatte. »Unbedingt?«

»Ich weiß, er macht einen seltsamen Eindruck, aber spätestens in einer Woche wirst du froh sein, dass du ihn behalten hast, das verspreche ich dir. Er ist unentbehrlich für die Brauerei.«

Nun ja, es war ein vergleichsweise kleiner Preis, den er dafür bezahlen musste, dass er sein Leben zurückbekam. Er hatte eindeutig den besseren Handel gemacht.

2

Die Brauerei Plumtree war ganz anders, als Annabel Lake sie sich vorgestellt hatte. Die Brauhäuser in ihrer Heimatstadt Burton waren klein und gemütlich und rochen nach Hopfen und gedarrter Gerste. In dieser Brauerei roch es vorwiegend nach der Kohle, mit der die riesige Dampfmaschine befeuert wurde, die sie mit offenem Mund anstarrte. Sie trieb die langen Harken an, die mit einer geradezu unheimlichen Geräuschlosigkeit das Malz in den vier Meter hohen Kesseln rührten. Lake Ale, die kleine Brauerei ihres Bruders, hatte etwas Derartiges nicht vorzuweisen. Vielleicht wäre alles anders, wenn sie … Nein, die Ausstattung war nicht die Ursache für die gegenwärtige Krise von Lake Ale. Dafür war allein Hughs Alkoholproblem verantwortlich.

»He Sie, was machen Sie hier?«, rief ihr ein Arbeiter mit Armen wie Baumstämme, der am Eingang ein Fass auf einen Karren lud, zu.

Sie hob die kleine Kiste, die sie mitgebracht hatte, vom Boden auf, vorsichtig, damit nichts hinausfiel. »Ich suche Mrs. Hester Plumtree.«

»Da entlang!« Er wies mit dem Kopf auf eine Treppe, die auf die Galerie führte.

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