Ein gefährliches Spiel - Madeleine Abides - E-Book

Ein gefährliches Spiel E-Book

Madeleine Abides

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Beschreibung

Ein gefährliches Spiel ist ein erotischer Roman, wie er sich nur selten findet: amüsant zu lesen, prickelnd, niveauvoll, ironisch, spannend, humorvoll und im wahrsten Sinn des Wortes fesselnd. Madeleine Abides vermag männliches Jagdverhalten ebenso mitreißend zu schildern wie weibliche Raffinesse und spart nicht mit wohltuenden Seitenhieben auf klassische Männer-Frauen-Klischees. Endlich wieder ein erotischer Roman, der die Bezeichnung verdient. Lesestoff erster Güte. Auszüge: "Die Geschichte der Null", las sie vor. "Ist das was Mathematisches?" "Oh weh!", hörte ich da wieder die Stimme meines blonden Engels. "Das ist ja noch viel schlimmer, als ich dachte. Du möchtest jetzt wirklich sehr gerne, nicht wahr?" Wie in Panik schrie sie auf: "Halt! Nein! Was tun Sie hier? Lassen Sie mich! Lassen Sie …" Es klickte ein paarmal, ich hörte sie beleidigt aufwimmern, und von da an hatte ich eine Gefangene. "Was für ein Gericht?" "Meine Freundinnen wären die Richterinnen, ich wäre die Anklägerin." "Keine Zeugen? Keine Gutachter?" "Ach, dafür hätte ich schon auch noch Freundinnen." "Deshalb würdest du dem Gericht auch gleich in Ketten vorgeführt werden." "Vielleicht auch noch in Sträflingskleidung?" "Du würdest natürlich vollkommen nackt sein … Bei einem so schwerwiegenden Verbrechen sollte das Gericht unbedingt auf Anhieb sehen können, dass der Täter sogar das Tatwerkzeug noch immer bei sich führt."

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Madeleine Abides

Ein gefährliches Spiel

Erotischer Roman

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1

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Impressum

1

Mehr als zehn Jahre war ich nicht mehr im ‚salta et labora’ gewesen. Doch an diesem Frühsommerabend war die Luft so lau, dass es mir urplötzlich in den Sinn gekommen war, als ich nicht weit davon den Ring entlanggefahren war. In meiner Unizeit hatte es viele laue Abende gegeben, an denen der Laden das einzig denkbare Ziel gewesen war: Eintritt nur mit Studentenausweis, erträgliche Preise, gute Musik und genau die richtige Mischung aus Tanzen und Trinken.

Ehe ich lange darüber nachgedacht hatte, war ich schon auf den altbekannten Weg eingebogen.

Keine zehn Minuten später stand ich am Eingang. Die Einlasskontrolle war kein Problem, weil der gelangweilte Kommilitone an der Tür meinen hingehaltenen Gastdozentenausweis erst gar nicht groß ansah. Vermutlich sah er nur das Unisiegel, und das genügte ihm. Ein fluoreszierender Stempel auf die rechte Hand, und ich war drin.

Die Atmosphäre haute mich um.

Schlagartig war ich an die fünfzehn Jahre zurückversetzt. So gut wie nichts hatte sich verändert. Möglicherweise ein paar Kleinigkeiten an der Tonanlage, vielleicht auch ein bisschen was an der Beleuchtung, aber sonst – alles, wie ich es in Erinnerung gehabt hatte: eine mächtige Inseltheke, die den Raum beherrschte, davor die Tanzfläche, außenrum die Sitznischen mit Tischen. Und eine Menge junges Volk.

Die Herren Studenten nahm ich kaum wahr, auch daran hatte sich nichts geändert. Ihre Kommilitoninnen dafür umso mehr. Allerdings sah ich sie jetzt mit anderen Augen. Es waren durchweg Girls zwischen achtzehn und vielleicht fünfundzwanzig und dementsprechend knackig. Auf der Stelle wusste ich wieder, weshalb ich schon immer eine Schwäche für Studentinnen gehabt hatte.

Schlimmer noch: Mittlerweile war offenbar eine neue Generation erstklassiger Exemplare herangewachsen. Noch schlanker, noch selbstbewusster, noch schlagfertiger als alles, was ich in Erinnerung hatte.

Eine Weile strich ich durch das Lokal, ohne mich auf eine bestimmte Kandidatin festzulegen, und schon bald spürte ich wieder das alte Gefühl: Ich war auf der Pirsch, und ich mochte erst einmal gar nicht daran denken, dass ich am Ende möglicherweise doch wieder mit leeren Armen nach Hause gehen würde.

Hasenjagd war nie meine Sache gewesen, obwohl ich daran natürlicherweise nicht mehr und nicht weniger Interesse hatte als jeder andere Mann. Nur hatte ich irgendwie nie die Mittel gehabt, die heißen Feger reihenweise an Land zu ziehen, so wie andere es mit jeder noch so billigen Masche schafften. Wann immer es auf die Reise nach Jerusalem ging, konnte ich damit rechnen, am Ende der arme Tropf zu sein, der sich noch immer ratlos nach einem nicht vorhandenen Stuhl umsah, wenn alle anderen schon zufrieden grinsend saßen.

Das hieß nicht, dass ich nicht hin und wieder bei Frauen nennenswert zum Zug gekommen wäre. Doch es waren eher Zufallstreffer, die man am Rande mitnehmen konnte, nicht die grandiose Beute, für die die Anschaffung eines Trophäenschrankes geboten gewesen wäre. Und vor allem nichts Langfristiges.

Nach einer ganzen Weile, die Musik war gerade rockiger geworden und hatte meine moderat angeknackste Stimmung wieder ein Stück weit gehoben, fragte ich die erste der jungen Grazien, ob sie mit mir tanzen wolle. Sie schüttelte nur den Kopf.

Das war nicht leicht zu schlucken, gleich als Auftakt, doch nach einer Weile machte ich mich mit wieder aufgefülltem Selbstbewusstsein an die nächste ran. Die befleißigte sich wenigstens einer gesprochenen Antwort:

„Heute nicht!“

Ja, klar, dann würde ich eben die eine Woche warten, bis sie in der richtigen Stimmung für mich sein würde, oder drei Jahre oder bis zum Sankt Nimmerleinstag.

Offenbar hatte sich auch in diesem Punkt nichts geändert.

Ich nahm mir vor, wenigstens noch einen dritten Versuch zu wagen, doch auf einmal schien mir keines der vor meinen Augen grasenden Schmalrehchen mehr perfekt, und so tat ich, was ich immer getan hatte: Ich zog mich erst einmal auf einen bloßen Beobachtungsposten zurück.

Der Tresen war genau richtig, die hohen Holzstühle zwar nicht gerade bequem, doch immerhin konnte ich Tanzfläche und Nischen von meiner Position an der Seite recht gut überblicken. Ich bestellte lässig einen Daiquiri, bekam ihn mit viel Eis und fühlte mich auf der Stelle wieder ein ganzes Level unbesiegbarer.

Das Zusehen machte Laune.

Gut gewachsene Studentinnen sind klasse anzusehen, wenn sie sich beim Tanzen bewegen, wenn sie mit der Hand das Haar zurückstreifen, wenn sie sich zum Ohr ihres Begleiters vorbeugen, um gegen die Musik anzuschreien, und die Schwerkraft erste Anhaltspunkte über die Anatomie in Blusen, Tops und T-Shirts zeichnet. Sie lachen gerne und lassen einem Mann rasch vergessen, dass angeblich nur dumm gut …

Ich bestellte den zweiten Daiquiri, saugte genüsslich am Strohhalm und konzentrierte mich allmählich auf drei oder vier bestimmte Objekte, bei denen ich es eventuell versuchen konnte. Nach und nach fielen sie alle weg, wegen Begleitung, Verschwinden, albernen Lachens, doch-nicht-so-gut oder irgendwas.

Also das dritte Glas.

Schön langsam musste ich anfangen zu rechnen, denn ich wollte den Wagen nicht stehen lassen, und wenn ich eines fürs Leben brauchte, dann meinen Turbo. Allerdings tat auch der wenige Alkohol, den ich schon intus hatte, bereits seine Wirkung, und durch meine Adern floss in wohltuender Wärme eine fühlbare Dosis vollkommen unbegründeter Zuversicht, dass mit einem der Mädels an diesem Abend alles paletti gehen würde.

Als ich gerade den vierten Daiquiri geordert hatte, wurde ich auf eine Unterhaltung in meinem Rücken aufmerksam, die vermutlich schon eine ganze Weile vor sich hin plätscherte:

„Schlecht“, sagte eine männliche Stimme.

„Macht nichts“, gab eine weibliche sanft zurück, in einem Tonfall, der nicht mehr und nicht weniger besagte als: „Dann ist es nicht mehr zu verhindern, dass heute die Welt für mich untergeht.“

Tapfere Mädchen, die auch angesichts der niederschmetterndsten Enttäuschung die Zähne zusammenbeißen, haben mich schon immer zu Tränen gerührt. So richtete ich meine Aufmerksamkeit ein bisschen mehr auf dieses Gespräch, das mich nichts anging, und bekam mit, dass die Zwangslage wohl ziemlich akut war.

„Ich würde schon, aber ich hab echt nicht den Platz. Außerdem hab ich morgen früh diese Statistikklausur, die ist eh so abgefahren.“

Wie kalt und vor allem wie grenzenlos bescheuert diese jungen Kerls sein konnten. Dieses Stimmchen war derart entzückend – konnte dieser vernagelte Idiot denn wirklich nicht hören, dass da eine junge Frau in Not war? Hatte er kein Herz?

„Ich kann ja mal meine Freundin fragen, ob sie was weiß …“

„Nee lass nur, ich muss es eben woanders versuchen. Notfalls muss ich eben im Bahnhof schlafen.“

„Der ist ab Mitternacht abgesperrt“, warf ich spontan ein, indem ich mich auf dem Barhocker umdrehte. „Da wirst du kein …“

Zwei blonde Brüste ließen mich verstummen. Ich meine, die Augen waren blond, nein grün, und sie sahen mich an, wie die Augen einer Ertrinkenden, und ich war ihre letzte Rettung, und das blonde Haar fiel ihr ins Gesicht, und sie führte es zurück, ganz sanft und wundervoll, und ich wollte etwas sagen, etwas sagen, und die Brüste, nein, die Augen, ich, ich, ich …

„… kein Glück haben?“, vollendete sie mit einem umwerfenden Augenaufschlag, der mich ins Zentrum traf.

„Ja, kein Glück. Ähm. Abgesperrt. Der Bahnhof.“

Ich muss sie angesehen haben wie ein Mühlrad, aber sie war nicht böse, sondern es schien sie sogar ein wenig zu erheitern, dass ich mich so hart tat.

Auf einmal lächelte sie.

Sie lächelte mich an.

„Ich hab nämlich keinen Platz zum Schlafen“, sagte sie dann treuherzig.

„Für die Nacht“, ergänzte ich intelligent.

„Ja“, erwiderte sie, und sah noch einmal so herzzerreißend entzückend zu mir auf, „für die Nacht.“

Ein paarmal ging es so hin und her, und es stellte sich heraus, dass sie an einer Zulassungsarbeit bastelte, für die sie Befragungen an weit voneinander entfernten Orten durchführen musste. Nun war sie an diesem Tag in der festen Überzeugung angereist, ein Quartier für mindestens zwei Wochen zu haben, doch die Adresse hatte es nicht gegeben, oder der Kerl, bei dem sie unterkommen sollte, war verreist oder irgendwas in der Art. Sie sagte es vermutlich genauer, doch ich war so intensiv damit beschäftigt, die Bewegungen der beiden kräftigen Hamster zu studieren, die unter ihrem Top synchronturnten, dass ich mich vermutlich nicht so stark wie angemessen auf ihre Worte konzentrierte.

Bis ich mich schließlich sagen hörte:

„Bei mir würde es eigentlich schon gehen.“

„Aber du schreibst morgen Klausur, stimmt’s?“

„Nein, nein, nicht morgen. Ich meine, keine Klausur. Du könntest schon mitkommen.“

„Und deine Freundin hat nichts dagegen?“

„Ja, ähm, nein.“

„Du bist Klasse!“, rief sie begeistert aus, und ehe ich mich versah, hatte sie mir einen Kuss auf die Wange gedrückt. Bevor ich auch nur etwas sagen konnte, fügte sie schon hinzu:

„Du musst auch keine Angst haben – mir geht es nur um die Unterkunft. Wirklich. Verstehst du: kein Sex. Nur Übernachten.“

Sie wandte sich in ihrer Freude sogar an zwei oder drei Nebenstehende, selbst an das Mädchen hinter dem Tresen, und beteuerte ein ums andere Mal überschwänglich: „Kein Sex, kein Sex!“

So einen richtigen Grund zur Freude vermochte ich darin nicht zu sehen, auch wenn ich noch keine konkreten Pläne für etwaige Höhepunkte des späteren Abends gemacht hatte. Zwar wollte ich mir das nicht anmerken lassen, ich muss aber wohl trotzdem einigermaßen bedröppelt dreingeschaut haben. Denn plötzlich schlug ihre übermütige Stimmung um:

„Wir können aber auch noch bleiben, wenn dir das lieber ist.“

Ich hatte gar nicht angedeutet, gleich gehen zu wollen, trotzdem erwiderte ich ohne groß nachzudenken:

„Nein, nein, wenn du willst, können wir fahren. Mag sowieso nichts mehr trinken.“

So blieb mein letzter Daiquiri unangetastet, und wir machten uns – sobald ich bezahlt hatte, und zwar für sie gleich mit – auf den Weg zu meinem Wagen.

2

Vom ersten Augenblick an achtete ich bewusst darauf, sie nicht zu berühren. Ich wollte den Zauber der Situation nicht zerstören.

Eigentlich war ich nie auf Blond geflogen, doch das war auf einmal vollkommen unwichtig. Sie war so scheu, so natürlich, so zart und bewegte sich doch so ungeahnt sexy, dass ich sie am liebsten unverzüglich in die Büsche gezerrt hätte. Schon einfach neben ihr zu gehen, in sittsamem Abstand, war so aufregend wie noch etwas, und ich musste mich regelrecht zwingen, nicht ständig nur an das eine zu denken, das der Abend eventuell noch bringen konnte.

Ich schwebte auf Wolken.

Jedes Wort, das sie sagte, ließ mich innerlich vibrieren, nicht nur, weil sie es sagte, sondern mehr noch durch die Art, wie sie es sagte. Sie gab mir das Gefühl, momentan für sie der wichtigste Mann weit und breit zu sein. Nicht einfach jemand, an dem ein Mädchen wie sie achtlos vorbeiging, ohne ihn auch nur zu bemerken. Irgendwie schien sie mich toll zu finden. Und das fand ich wiederum noch viel toller.

Als sie neben mich in den Wagen stieg, klaffte ihr Mantel für einen Moment auseinander und gab den Blick auf zwei hinreißende Schenkel frei, die im Mondlicht schneeweiß schimmerten und meine Phantasie endgültig in die Einbahnstraße schickten.

Ich schnallte mich an. Und dann gleich wieder ab, weil sie mit der Gurtschnalle nicht zurechtkam und mich entzückend hilflos bat, ihr damit zu helfen. Was ich liebend gerne tat.

Während ich mich halb über sie, halb um sie herum beugte, konnte ich ihren Duft atmen, und das kriegte mich dann vollends kirre. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als mich selbst so umständlich wie möglich wieder anzugurten, damit ich wenigstens einen kleinen Vorwand hatte, meinen werdenden Ständer unauffällig ein wenig zur Seite zu drücken, so dass er sich nicht gar zu unangenehm am Stoff von Hose und Unterhose verfing. Als ich losfuhr, stand mein Bester bereits in Paradehaltung.

Sie bemerkte zum Glück nichts.

Es war damals gerade ziemlich lange her, dass ich das letzte Mal echten Sex mit einer echten Frau gehabt hatte. Wie das Leben so spielt, lag rein zufällig auch das letzte Mal masturbieren schon länger zurück, so dass ich einfach nur so scharf war wie ein frisch abgezogenes Rasiermesser.

Und dann dieses Traumgeschoss!

Ihre Eltern hatten sie offenbar nie davor gewarnt, dass kein Mädchen einem Mann mit bösen Absichten noch entrinnen kann, wenn es erst einmal allein mit ihm im Auto sitzt. Ein Unhold muss sein Fahrzeug nur geradewegs auf einen verlassenen Parkplatz lenken oder gleich aus der Stadt hinaus in einen einsamen Waldweg, und nichts kann sie mehr retten. Natürlich wollte ich weder das eine noch das andere, schließlich war ich kein krimineller Vergewaltiger.

Außerdem besaß ich ein Bett, das für Liebesspiele aller Art weitaus mehr Platz und Komfort bot als jedes Auto unter dem Standard eines gehobenen Rolls Royce. Und wenn die Kleine mir in diesem Bett so viel Spaß bereitete, wie ich erhoffte, dann würde ich ihr später einmal schon beibringen, nicht mehr mir nichts, dir nichts zu fremden Männern ins Auto zu steigen.

Doch das war der Zeit weit voraus. Erst einmal musste ich sie wirklich bei mir zu Hause haben, dann mochte sich alles andere finden.

Fürs erste nahm ich mir vor, all meine Konzentration darauf zu richten, dass ich weder anzügliche Bemerkungen noch eindeutige Komplimente vom Stapel ließ, so sehr sie mir auch auf der Zunge lagen. Es war schwer, bei ihrem Anblick nicht unentwegt auszusprechen, was meine Augen sahen und mein teilweise abgeschaltetes Gehirn kaum glauben mochte.

So viel zauberhaftes Gesicht, so viel atemberaubend perfekte Figur!

Ein schockierter Rückzieher ihrerseits wäre wirklich das letzte gewesen, was ich in meinem Zustand hätte verkraften können.

Irgendetwas muss dennoch schiefgelaufen sein in meinem Rausch der Gefühle. Denn wir waren noch nicht weit gekommen, als ich mich schon hitzig mit ihr über die verwirrende Selbstverständlichkeit diskutieren hörte, mit der heute selbst ausnehmend kultivierte Frauen tabulos ihre Reize zur Schau stellen, sich teuren Intimschmuck einsetzen lassen und ihre Scham unter Schmerzen auch noch vom feinsten Härchen befreien.

Nur mit knapper Not vermochte ich mich von der Frage abzuhalten, wie es sich damit bei ihr verhielt.

Doch auch so plapperte ich in einem fort. Sie war eine jener berückenden Zuhörerinnen, die mir vollkommen beiläufig einen schier endlosen Redefluss entlocken konnten, welchen ich dann aus eigener Kraft kaum noch zu stoppen vermochte. Selbst den kleinsten Moment des Schweigens hätte ich als unhöflichen Akt angesehen, als bedrohliches erstes Anzeichen dafür, dass wir uns nichts mehr zu sagen hatten. Dabei war ich mir nicht einmal sicher, dass mein Redeschwall sie tatsächlich bis ins letzte Detail fesselte. Doch ich plapperte und plapperte, während sie wenig mehr von sich gab als ein paar aufgeweckt eingestreute Stichworte sowie hin und wieder eine knappe Frage, die mich dann sofort wieder zum ungehemmten Weiterplappern verleitete.

So verging die Fahrt für mich wie im Fluge, obwohl sie nicht viel weniger als eine Stunde gedauert haben dürfte. Schon als ich beim Einsteigen ihrer Beine ansichtig geworden war, hatte ich mich spontan für den längsten und umständlichsten Weg zu mir nach Hause entschieden, der mir nur eingefallen war. Ich wollte die Nähe dieses himmlischen Wesens in der Abgeschlossenheit meines Wagens unbedingt noch eine Weile genießen. Denn in diesem kleinen Reich zwischen Türholm und Türholm war ich der unumschränkte Herrscher und kein anderer Mann konnte mir in die Quere kommen. Falls ich am Ende einmal mehr leer ausgehen sollte, würde ich wenigstens auf den Genuss zurückblicken können, meine Phantasie für eine Weile auf grüner Weide spazieren geführt zu haben. Welch ein Glück immerhin, dass wir schon mal am falschen, weil weit von meinem Zuhause entfernten Ende der Stadt gestartet waren.

„Werden wir auch bestimmt niemanden stören?“, fragte das blonde Herzchen irgendwann fast schüchtern.

„Ich lebe allein, … zur Zeit.“

„Es ist bestimmt ein sehr kleines Appartement.“

„Ein Appartement würde ich es nicht unbedingt nennen.“

„Nicht? Was dann.“

„Ein Haus. Im Wald. Mit allerhand Grund dabei.“

„Dann musst du reich sein.“

Ihr Stimmchen klang erschreckt.

„Na ja, ich komme schon zurecht.“

Mir schien es, als ob sie plötzlich eine gewisse Beklommenheit erfasst hätte. Klar, als arme Studentin hatte sie vermutlich kaum jemals mit Menschen Kontakt, deren finanzielle Probleme eher theoretischer Natur waren. Jetzt war es wichtig, erst gar keine lähmende Distanz zwischen uns entstehen zu lassen. So fragte ich betont beiläufig:

„Hast du denn selbst ein Appartement?“

„Das könnte ich mir niemals leisten.“

„Wie wohnst du dann?“

„Wir teilen uns zu dritt eine Art Loft. Sehr klein aber.“

„Klingt doch gut.“

„Zum Wohnen ist es nicht ideal. Wenigstens sind wir ungestört.“

„Wer ist denn wir?“

„Du bist aber neugierig.“

„Komm schon. Immerhin werden wir beide ja sozusagen auch zusammenwohnen. Wenn auch nur für eine Nacht.“

Einen Moment lang musterte sie mich. Zu gerne hätte ich dabei ihren Gesichtsausdruck gesehen, doch leider lenkte mich der Verkehr genau im falschen Moment vom Wesentlichen ab. Dann sagte sie mit einem eigenartig lauernden Unterton, der mir kurz die Nackenhaare zu Berge stehen ließ:

„Zwei Mitbewohnerinnen und ich.“

Mitbewohnerinnen waren weiblich. Also interessierten sie mich prinzipiell schon mal. Vor allem wenn sie möglicherweise hübsch waren. Tja, und falls Blondie auch nur im Geringsten ein Anhaltspunkt war …

„Du musst dir meinetwegen aber keine Umstände machen“, unterbrach sie meine Gedankenspiele. „Ich schlafe natürlich auf der Couch.“

„Kommt ja gar nicht in Frage“, entgegnete ich. Fairerweise hätte ich auch noch zugeben können, dass ich gar keine klassische Couch besaß. Aber was konnte es schaden, zwischendurch auch mal den Kavalier der alten Schule zu markieren?

Wie es schien, war sie wirklich beeindruckt. Sie fuhr sich mit einer Hand durch das blonde Haar und behielt am Ende eine Strähne zwischen den Fingerspitzen.

„Du bist so anders als andere Männer!“

„Ist das gut oder schlecht?“

Ich stieß die Antwort krampfhaft hervor, weil mir bei ihren fast schon klassischen Worten ums Haar die Luft weggeblieben wäre.

„Weiß nicht, ich kenne dich ja kaum.“

„Was möchtest du denn wissen?“

Erst nachdem ich das gefragt hatte, fiel mir auf, dass es ja auch sein konnte, dass sie überhaupt nichts über mich – oder von mir – wissen wollte. Rein theoretisch. Glücklicherweise zerstreute sie meine Bedenken im Nu.

„Na, du hast ein Haus und so ein Auto. Welcher Student hat das schon?“

Ich lachte. Hatte sie mich also tatsächlich noch für einen Studenten gehalten. Einen ewigen vielleicht.

„Nein, nein“, erwiderte ich dann. „Mein Studium habe ich hinter mir. Schon einige Jahre.“

„Und was tust du jetzt?“

Sie verdrehte sich ein wenig auf dem Sitz, und es war ein Jammer, dass ich nicht angemessen konzentriert hinsehen konnte.

„Geld verdienen“, sagte ich lachend. Sie sollte nicht glauben, dass ich nur in Discos herumlungerte und Mädchen wie sie abzuschleppen versuchte.

„Dann musst du sicher früh raus.“

„Nein, ich bin selbständig. Sozusagen mein eigener Chef.“

„Muss man da nicht schrecklich viel arbeiten?“

Viel arbeiten hätte einerseits nicht schlecht geklungen. Andererseits witterte ich eine Gelegenheit, ihr noch mehr zu imponieren.

„Wenn man was draufhat, nicht unbedingt. Ich hab von Anfang an ganz gut verdient, nach dem Studium.“

„So viel?“

„Na ja, auch geerbt. Von einer entfernten Tante.“

„Entfernte Tante?“ Sie kicherte. „Wer hat sie denn entfernt?“

„Nein, ich meine: Urgroßtante oder so. Weiß es selbst nicht so genau.“

„Aber sie hat dir was vererbt?“

„Sie hatte wohl niemanden. Nur das Haus. Und einiges an Wertpapieren. Eigentlich hab ich sie gar nicht gekannt.“

„Hach, das müsste mir auch mal passieren.“

Sie war schon herrlich naiv. Doch das störte mich nicht. Eigentlich störte mich gar nichts an ihr.

Höchstens, dass ich noch nicht die geringste Ahnung hatte, wie und wann ich das Ruder herumreißen sollte. Im Augenblick war ich noch der selbstlose Gönner, der einem armen versprengten Reh Zuflucht bot. Das war ich wirklich, ohne Übertreibung. Mir lief förmlich das Herz über vor selbstlosen Gefühlen, weil ich endlich einmal Gelegenheit hatte, meinem natürlichen Beschützerinstinkt mit etwas Großem Genüge zu tun. Vielleicht zum ersten Mal überhaupt.

Moderne Frauen pfeifen auf den Beschützerinstinkt. Und sie pfeifen auf einen Beschützer.

Andererseits verstand ich mich mit Blondie fabelhaft. Es wäre ein Jammer gewesen, wenn da nicht mehr passiert wäre, zumal sie schlicht eine Augenweide war für jeden Mann, dessen männliche Gene ihm den Blick für die Schönsten der Schönen geschenkt haben. Und den Blick für eine reife Frucht natürlich, die nur noch gepflückt werden muss.

„Hör mal“, warf sie unvermittelt ein, „wenn ich wirklich bei dir übernachten darf, wäre es vielleicht gut, meine Sachen mitzunehmen.“

„Deine Sachen?“

„Ja, das Gepäck. Nachthemd und so.“

Klar, sie war ja auf der Durchreise. Und auf das Nachthemd war ich schon gespannt, kaum dass sie es überhaupt erwähnt hatte. Also fragte ich bloß:

„Wo ist denn das Nachth…, ähm, also die Sachen, wo sind die denn?“

„In einem Schließfach am Bahnhof.“

„Der ist nicht weit.“

„Toll! Fahren wir hin!“

Das taten wir, und wenig später holte sie nacheinander ein Köfferchen, eine Reisetasche, einen Aktenkoffer, einen Laptop und noch allerlei Kleinkram aus einem der Schließfächer. Zum Glück für mich aus einem in der obersten Reihe: Nicht nur, dass sie deshalb unentwegt auf Zehenspitzen zu balancieren hatte, um auch die hinteren Stücke zu erreichen – nein, sie musste sich auch noch so weit nach oben recken, dass ihre fabelhaften Brüste unter dem glattgespannten Top für eine ganze Weile in Topform zur Besichtigung einluden. Schlagartig spürte ich wieder, dass wir uns ausgezeichnet verstanden.

Sobald alles herausgeholt war, blickte sie ein wenig ratlos von einem Gepäckstück zum andern. Ich erkannte sofort, dass es der rechte Zeitpunkt für einen Mann von Welt war, ihr entschlossen beizuspringen. Es war mir ohnehin gar nicht unrecht, dass ich mich zu dem Zeug hinunterbücken konnte. Erstens weil ich dadurch meinen spürbar roten Kopf ein Weilchen kaschieren konnte; zweitens weil es eine gute Möglichkeit war, über die Ausbuchtung in meiner Hose hinwegzutäuschen; und drittens, weil ich auf diese Weise ausnehmend unauffällig an ihren tadellosen Beinen Richtung Rocksaum nach oben spitzen konnte.

Vor allem wegen dieser Möglichkeit nahm ich besonders bedächtig ein Gepäckstück nach dem anderen auf, linste dabei immer wieder verstohlen zur Seite und konnte mich in der kurzen Zeit gar nicht sattsehen.

„Das da auch noch“, sagte sie zwei- oder dreimal ruhig, als ich mit dem Aufladen nicht mehr so gut vorankam, weil mir die freien Hände und Schultern ausgegangen waren. Ihre Bemerkung war nicht besonders helle, denn in dem kahlen Gang zwischen den stählernen Schließfachwänden hätte man nicht einmal eine Briefmarke übersehen können. Doch immerhin half sie mir dann beim Aufnehmen der letzten Teile, hängte mir den schweren Laptop-Koffer an seiner langen Schlaufe um den Hals und klemmte mir am Ende sogar noch das Schminktäschchen unters Kinn. Dann fragte sie freundlich:

„Geht das so?“

Ich bejahte mit zusammengebissenen Zähnen und wollte nicken. Das hatte leider zur Folge, dass mir das Schminktäschchen herausrutschte und zu Boden plumpste. Sie ging anmutig neben mir in die Knie und hob es auf. Kopfschüttelnd wischte sie mit spitzen Fingern darüber und sagte dann in leicht gereiztem Tonfall:

„Pass doch auf!“

Sie schob mir das Ding wieder unters Kinn, machte auf dem Absatz kehrt und ging mit leeren Händen voraus. Als ich mich daraufhin verdattert in Bewegung setzte und noch hastig hervorpresste, wir könnten doch einen Gepäckwagen suchen, zwitscherte sie bloß fröhlich zurück:

„Ach, den brauchen wir nicht. So ist es doch viel einfacher.“

Frauen können manchmal furchtbar gedankenlos sein.

Ich stolperte so gut es ging weiter und tröstete mich damit, eingehend ihr entzückendes Hinterteil zu studieren, das sich bei ihren forschen Schritten keck und herausfordernd unter dem Mantel abzeichnete. Allerdings fiel ich mit meinen unbeholfenen Versuchen, alles auf einmal zu tragen, nach und nach ziemlich weit hinter sie zurück. Bis sie schließlich innehielt, sich energisch umdrehte und mir ungeduldig zurief:

„Kommst du?“

„Jaja, sofort, geht schon irgendwie“, ächzte ich hilfeheischend.

„Prima!“, quittierte sie trocken und wandte sich in einer eleganten Bewegung zum Weitergehen. „Aber nun sieh zu, dass du dich ein wenig beeilst.“

So ein Früchtchen! Doch solange ich einigermaßen den Anschluss hielt, entschädigte ihr Anblick für vieles. Den Rest konnte sie ja in der Nacht gutmachen. Falls alles so lief, wie ich mir das mittlerweile ausmalte.

3

Sie wartete bereits am Auto, als ich schließlich ächzend dort ankam.

„Da bist du ja endlich“, trällerte sie fröhlich.

„Ja“, entgegnete ich zähneknirschend, „die Teile sind immer so gerutscht und ich …“

„Ach was, du hast wahrscheinlich nur getrödelt.“

Erst wollte ich sie dafür barsch zurechtweisen. Glücklicherweise fiel mir rechtzeitig ein, was ich noch mit ihr vorhatte. Sollte ich mir etwa wegen so einer Lappalie die Aussicht auf eine heiße Sexnacht vermasseln, auf die ich ohnehin schon viel zu lange hatte warten müssen? Also fragte ich stattdessen keuchend:

„Magst du mir mal kurz ein oder zwei Teile abnehmen, damit ich den Kofferraum aufschließen kann?“

„Das schaffst du schon“, gab sie aufmunternd zurück, und mehr hatte sie dazu offenbar nicht zu sagen.

Ich schaffte es tatsächlich, auch ohne dass sie einen Finger rührte, und endlich konnte ich die Kofferraumklappe wieder zuschlagen. Fragend sah ich sie an.

„Jetzt hast du dir aber wirklich eine Belohnung verdient“, verkündete sie strahlend.

Genau, was ich erhofft hatte.

„Ich habe nicht mehr viel Geld. Aber ich möchte dich wenigstens auf etwas Kleines einladen für all das, was du für mich tust.“

„Ach was“, gab ich zurück, „das geht schon in Ordnung.“

„Nein, geht es nicht. Du bist so selbstlos und so anständig, welcher andere Mann hätte mir schon so ritterlich aus der Patsche geholfen?“

Absolut jeder, dachte ich im Stillen. Jeder Mann, der einen durchschnittlich geschulten Blick für Hinterteile hat und gerade so zum Platzen geladen ist wie ich. Aber so direkt sagte ich das nicht. Sondern lieber nur:

„War doch klar.“

Dass es plötzlich nicht mehr sofort zu mir nach Hause gehen sollte, war mir nicht recht. Wir waren doch schon so wunderbar auf Kurs gewesen. Und wir waren es im Grunde noch. Sobald ich meine Beute wieder im Wagen hatte, jetzt sogar mit Sack und Pack war jede Unterbrechung nichts weiter als ein völlig unnötiges Risiko. Wie oft kam gerade bei den besten Gelegenheiten im letzten Moment noch etwas dazwischen? Aber das konnte ich ihr natürlich nicht gut sagen.

„Wenn du unbedingt willst“, fuhr ich nach kurzem Überlegen fort, weil es nicht so aussah, als würde sie es sich noch mal anders überlegen. „Ich wüsste da ein Nachtcafé, das praktisch auf dem Weg zu mir liegt.“

Das war gelogen, aber sie kannte sich ja nicht aus in der Stadt. Folglich konnte ich ihr alles erzählen, was mir gerade in den Kram passte. Vermutlich sah für sie eine Straße aus wie die andere, und da die Sonne sich für diesen Tag längst verabschiedet hatte, konnte meine knusprige Begleiterin nicht einmal wissen, in welche Richtung wir fuhren. Sollte sie später tatsächlich noch auf dumme Ideen kommen – speziell auf die eine, doch nicht bei mir übernachten zu wollen –, dann musste ich nur daran ‚erinnern’, dass wir doch ohnehin schon ‚fast da’ waren.

Taktik ist manchmal alles.

Andererseits hatte ein Umweg auch Vorteile. Denn bis dahin hatte ich jede Minute genossen, die ich mit ihr im Wagen allein gewesen war. Mit ihrem frischen Duft, diesem hinreißend zarten Stimmchen und diesen studierten langen Beinen, die ich meinerseits schon so gründlich studiert hatte.

Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt absolut sicher war, mit diesen entzückenden Beinen und allem, was die Natur daran befestigt hatte, in Klausur gehen zu wollen. Die Abgeschlossenheit meines rassigen Renners war eine gute Vorbereitung darauf, zumal ich da in meinem Element war und jederzeit die Chance hatte, beim Schalten in den nächsten Gang in meiner begreiflichen Verwirrung auch mal vollkommen versehentlich ihr verlockend nach vorn ragendes Knie zu erwischen. Nur Flachlegen wäre trotz der erstklassigen Liegesitze ein wenig umständlich gewesen.

Aber früher oder später musste sich so viel Nähe doch auszahlen!

*

Jedenfalls war sie mit meinem Vorschlag schon mal einverstanden, und so betraten wir wenig später das besagte Lokal, ein speziell zu später Stunde attraktives Café mit zahlreichen abgeteilten Nischen auf mehreren Ebenen einer aufwendigen Balkenkonstruktion in einem saalartigen Raum – dass man sich eigentlich in einem nüchternen Betonbau befand, wurde einem höchstens beim Blick an die Decke bewusst. Das Café war auch an diesem Abend leidlich gut besucht, und wir fanden ein freies Tischchen, an dem wir uns niederlassen konnten. Da die Bedienung erst einmal auf sich warten ließ, sah ich die Chance, rasch noch eine Kleinigkeit zu erledigen:

„Bestellst du schon mal, falls jemand kommt? Ich geh mir nur eben die Hände waschen.“

Sie nickte lächelnd, und im Weggehen beschloss ich klopfenden Herzens, mir auf gar keinen Fall mehr Zeit zu lassen als unbedingt nötig, damit mir dieser Spitzenfang nicht noch im letzten Augenblick vom Haken hüpfen konnte. So zog ich auf der Toilette nur schnell eine Packung bunte Präservative, wusch mir alibimäßig die Hände und ging hast-du-nicht-gesehen wieder nach draußen.

Am Tisch erwarteten mich bereits zwei hohe Gläser mit klarem Inhalt. Mein blonder Engel erhob sich feierlich, hielt mir lächelnd eines der Gläser entgegen und hielt das zweite in einer entzückend unschuldsvollen Geste vor den eigenen Leib gedrückt, und zwar ausgerechnet zwischen zwei freundlich atmende Klassebrüste, die ich für den Rest des Abends nicht aus den Augen zu lassen gedachte.

„Meinem Retter“, rief sie mir herausfordernd zu, als sie ihr Glas schließlich zum Anstoßen hob, „auf ex!“

Ich wollte noch etwas erwidern, ließ es aber lieber sein, um sie gar nicht erst aus der Stimmung zu bringen. So ergab es sich, dass ich den Inhalt meines Glases wohl ein wenig überstürzt kippte. Erst als es heftig in meiner Kehle brannte, begriff ich, dass die klare Flüssigkeit keinesfalls Mineralwasser gewesen sein konnte.

„Haaaahh!“, keuchte ich denn auch, als ich das Glas wieder absetzte. „Was war denn das?“

„Zu stark für dich?“

„Quatsch! ‚Zu stark’ gibt’s nur für Schwächlinge.“

Sie lächelte ein Lächeln, das sich unmittelbar an meinen Weichteilen zu schaffen machte und schlagartig dafür sorgte, dass ein zentraler Teil der Weichteile hart zu werden begann.

„Eine Tradition aus meiner Heimat“, sagte sie, die Augen schüchtern niederschlagend. „Der heldenhafte Retter des schwachen Weibes erhält ein Glas vom Besten, was das Haus zu bieten hat.“

„Deine Heimat? Woher stammst du denn?“

„Kasachstan.“

„Dafür …“

„… dafür spreche ich sehr gut deutsch, ich weiß. Ich bin hier geboren. Meine Eltern haben Kasachstan verlassen, damals, als so viele das Land verlassen haben. Nicht viel später kam ich zur Welt.“

Für ein paar Augenblicke beschäftigte mich der Gedanke, dass unsere diplomatischen Beziehungen zu Kasachstan in ihrer Bedeutung für die Völkerverständigung und den Weltfrieden und überhaupt für alles bei weitem unterschätzt werden. Als nächstes empfand ich ausgeprägte Dankbarkeit gegenüber den Eltern dieses hinreißenden Wesens, weil sie ihre Tochter, deren goldenes Haar im Licht der Wandlampen wie ein Heiligenschein leuchtete, unter ärgsten Entbehrungen in mein Land gebracht hatten.

Sehr, sehr löblich!

Hier war sie eindeutig am besten aufgehoben, das konnte ich ohne Zögern bestätigen. Und deshalb hätte ich am liebsten offiziell meine Bereitschaft erklärt, ganz allein die weitere Betreuung der armen verlorenen Tochter im kalten, fremden Land zu übernehmen. Sie sollte sich hier doch gut einleben können und sich auf keinen Fall unerwünscht fühlen.

Mittlerweile wurde mir allerdings doch ein bisschen warm, was ich zu gerne allein ihrer Gegenwart zugeschrieben hätte. Doch es war wohl eher die ordentliche Portion Alkohol, die ich da gerade als Sturztrunk zu mir genommen hatte.

„Was war denn nun eigentlich drin in dem Glas?“

„Gin-Tonic. Magst du das nicht?“

„Doch, doch. Aber von Tonic war nichts zu schmecken.“

„Oh weh!“, erwiderte sie mit entzückendem Erschrecken. „Ich dachte, das heißt einfach nur so. Was ist Tonic überhaupt? Vielleicht das in dieser Flasche hier?“

„Ja“, bestätigte ich gequält lächelnd, „hier auf dem Etikett steht jedenfalls ‚Tonic Water’. Könnte man eventuell mit Tonic-Wasser übersetzen.“

„Oh, ich bin so dumm“, sagte sie, indem sie aufs Berückendste die flache Hand vor den Mund schlug. „Dann bist du jetzt betrunken, oder?“

„Tja, so ganz noch nicht. Aber …“

„Wo ist dein Autoschlüssel?“, fragte sie gespielt aufgebracht, indem sie mich gleich mal freundschaftlich in die Seite knuffte. Offenbar konnte sie sich das Lachen kaum verbeißen.

„Den kriegst du nicht“, antwortete ich lockend, indem ich ihn um den Zeigefinger kreisen ließ, „ich rücke ihn nicht ra-ha-haus.“

„O doch!“

Sie grapschte verspielt nach dem Schlüssel wie eine junge Hündin nach ihrem Lieblingsspielzeug in Herrchens Hand, und dabei kam sie mir unversehens so nahe, dass ich überdeutlich ihre wogenden Brüste an meinem Körper fühlen konnte. Vermutlich schenkte ich den beiden aufregenden Dingern eine Spur zu viel Aufmerksamkeit. Denn ich bemerkte zwar sofort, dass sich da etwas wunderbar Weiches und wundervoll Federndes gegen meinen Körper drückte. Doch dass sie sich tatsächlich des Autoschlüssels bemächtigt hatte, bemerkte ich erst, als es zu spät war.

Ich schalt sie sofort:

„Der gehört mir! Gib ihn auf der Stelle zurück!“

Freilich waren wir beide so aufgedreht, dass ich die Forderung wohl nicht ganz so ernsthaft herausbrachte und sie sie nicht ganz so ernst nahm, wie es vielleicht angebracht gewesen wäre. Jedenfalls machte sie erst einmal keinerlei Anstalten, den Schlüssel herauszurücken. Das war ungünstig. Denn leider fiel mir auf die Schnelle auch kein lockerer Spruch ein, mit dem ich sie überzeugend zur Herausgabe bewegen konnte. Ja, es schien mir sogar klüger, erst einmal so zu tun, als würde ich gar nicht darauf beharren wollen. Sonst würde ich mir meine Chancen bei ihr vielleicht im letzten Moment doch noch verscherzen.

Und verglichen mit den Chancen, die ich offenkundig bei ihr hatte, war ein dummer Autoschlüssel doch nun wirklich nicht der Rede wert.

4

Als wir das Café verließen, war die Sache mit dem Schlüssel immer noch nicht geklärt. Ich hatte rasch unsere Zeche bezahlt – „zwei dreifache Gin-Tonic für Sie, ein Glas stilles minerale für Ihre Tochter“, wie die verwirrte Bedienung fälschlicherweise aufgezählt hatte –, und war schon ziemlich in der Stimmung, den Arm um meinen blonden Engel zu legen. Noch wagte ich es allerdings nicht so ganz, zumal sie selbst keine Anstalten machte, mir das entscheidende Stückchen entgegenzukommen.

So sagte ich betont beiläufig:

„Gibst du mir mal eben den Autoschlüssel?“

„Nein“, erwiderte sie knapp. Und als ich anhob, zu widersprechen: „Du kannst nicht mehr fahren.“

Selbst unter dem leichten Alkoholeinfluss, den ich nicht gut bestreiten konnte, wurde mir bewusst, dass ihr Tonfall eine Spur zu bestimmt war. Immerhin kannten wir uns erst ein paar Stunden, es war mein Wagen und wenige Minuten zuvor hatte ich sogar noch für den kleinen Zwischenstopp bezahlt, den wir auf ihren Wunsch hin eingelegt hatten. Weil es ihr ein Bedürfnis gewesen war, mir einen auszugeben.

Also beharrte ich:

„Nun komm schon!“

„Wir nehmen ein Taxi.“

Der Satz kam ruhig und abgeklärt. Duldete schlicht keinen Widerspruch. Das warf mich für einen Augenblick aus der Bahn.

Kann sein, dass ich dadurch eine Sekunde zu lange mit einer Antwort zögerte. Kann sein, dass ich rasch abwägte, auf welche Vorzüge es bei einem gutgewachsenen Blondchen wie ihr tatsächlich ankommt. Kann auch sein, dass ich es schlicht als unmännlich ansah, ihr den Schlüssel gewaltsam zu entreißen, wenn sie sich nun mal allein mit guten Worten einfach nicht umstimmen ließ.

Jedenfalls tapste ich wenig später hinter ihr her wie ein einfältiger Jungbär hinter dem Muttertier und wusste immer weniger, wie mir geschah. Da war ein beklommenes Gefühl in der Magengrube, das mir nicht gefiel, aber so richtig wurde ich mir dessen gar nicht bewusst. Eher war ich auf eine vage Art sauer, möglicherweise sogar auf mich selbst.

„Ist doch idiotisch“, maulte ich, als ich wieder zu ihr aufgeschlossen hatte. „Ich könnte ohne weiteres noch fahren.“

Ihre Antwort kam so unverhofft, dass ich im ersten Moment glaubte, mich verhört haben:

„Halt den Mund!“, sagte sie nur, und fand es nicht einmal nötig, mich dabei auch nur anzusehen.

So lange grübelte ich darüber, ob sie diese drei Worte tatsächlich gesagt hatte, dass es schließlich albern gewesen wäre, überhaupt noch etwas zu erwidern. Es ist möglich, dass ich ein- oder zweimal mit offenem Mund nach Luft schnappte wie ein Stichling an Land, doch mehr brachte ich nicht hervor. Und vor allem nichts, was sie einer Antwort gewürdigt hätte.

Als ich mich endlich ein wenig gefangen hatte, fiel mein Blick auf ihren Busen, der gerade einen aufregenden Kampf gegen ihr knappes rotes Top bestritt, was sich im fahlen Licht der Straßenbeleuchtung besonders reizvoll abzeichnete. Und im gleichen Moment entschied ich, dass man bei einem jungen Ding wie ihr die Ansprüche an gutes Benehmen nicht allzu hoch ansetzen durfte. Sie würde es schon noch lernen.

Im Grunde spielte es folglich überhaupt keine Rolle, ob ich mich gegen ihre unbedachte Maßregelung nun entschlossen verwahrte oder nicht. Falls sie die Worte überhaupt so gesagt hatte – und das war keineswegs sicher –, dann hatte sie sie in ihrer jugendlichen Unbekümmertheit garantiert überhaupt nicht so gemeint.

*

Fünf Minuten später saßen wir tatsächlich in einem Taxi.

Sie hatte mich aufgefordert, eines anzuhalten, und als es mir beim ersten Mal nicht gleich gelungen war, hatte sie mich mit einer spöttischen Bemerkung aufgezogen, die eine schlagfertige Antwort geradezu herausgefordert hatte. Leider war mir wieder keine einzige eingefallen.

Auch das zweite und das dritte Taxi waren mit eingeschalteter Reklame durchgefahren, und da war es ihr wohl genug gewesen:

„So wird das nie was!“, hatte sie tadelnd gesagt, war selbst an den Straßenrand getreten und hatte nach dem nächsten Taxi Ausschau gehalten. Das war auch keine Minute später in Sicht gekommen. Sie hatte nur kurz ihr rechtes Bein mit dem süßen Stiefelchen einen Schritt vorgesetzt, so dass der offene Mantel auseinandergeklafft war, hatte die schmale Hand emporgehoben und energisch gerufen:

„Taxi!“

Das Quietschen der Reifen habe ich bis heute im Ohr.

Sie hatte mich dann zur Beifahrertür dirigiert – weil ich dem Fahrer den Weg weisen sollte – und war selbst hinten eingestiegen. Als ich schon saß und gerade das Ziel nennen wollte, fragte sie spitz:

„Und was ist mit meinen Gepäck?“

Das hatte ich total vergessen.

„O ich …“, sagte ich völlig perplex.

Als ich mich anschickte auszusteigen, wandte sie sich mit mitleidsvoller Stimme an den Fahrer:

„Er ist nämlich ein bisschen … Sie wissen schon.“

Dabei vollführte sie eine vielsagende Wischerbewegung vor dem zur Grimasse verzogenen Gesicht.

„Man muss ihm immer genau sagen, was er zu tun hat.“

Das war arg. Aber ganz Unrecht hatte sie natürlich nicht. Immerhin hätte ich mich grade ums Haar blamiert und ihr wichtiges Gepäck, das wir eine halbe Stunde zuvor extra geholt hatten, einfach irgendwo auf der Strecke zurückgelassen. Zähneknirschend hielt ich lieber den Mund.

Der Fahrer lenkte das Taxi die wenigen Schritte hinter mir her zu meinem Wagen und öffnete dann die Fahrertür, um mir beim Umladen zu helfen. Sie aber rief ihn zurück:

„Lassen Sie nur, es ist nicht viel.“

Viel war es wirklich nicht, doch gegen ein bisschen Unterstützung hätte ich trotzdem nichts einzuwenden gehabt.

Der Taxifahrer schien es genauso zu sehen:

„Aber zu zweit geht es schneller.“

Darauf sie:

„Es ist besser, er erledigt das allein. Sonst lernt er wieder nichts daraus.“

Der Fahrer gab nach und schlug seine Tür wieder zu. Ich kam mir ein bisschen affig vor, weil ich mir vorstellen konnte, was der Taxifahrer jetzt über mich dachte. So nahm ich mir vor, derartig dumme Fehler für den Rest des Abends unbedingt zu vermeiden.

Schließlich hatte ich es geschafft und hätte wieder zu ihr ins Taxi steigen können. Vorsichtshalber sah ich aber noch zweimal nach, ob ich nicht etwas im Kofferraum meines Wagens übersehen hatte. Auch den Kofferraumdeckel des Taxis öffnete ich noch einmal, um mich zu vergewissern, dass ich alles hineingelegt hatte. Es schien alles da zu sein. Gut, dass ich nachgesehen hatte. Sicher ist sicher!

Und eine Blamage war wirklich mehr als genug.

Nun konnte ich endlich wieder ins Taxi steigen. Kaum saß ich, hörte ich sie spitz fragen:

„Was hat denn diesmal wieder so lange gedauert?“

Sie war zur linken Seite der hinteren Sitzbank durchgerutscht, so dass sie nun hinter dem Fahrer saß. Das hatte zur Folge, dass er sie nicht sehen konnte und ich mich – wenn ich sie ansehen wollte – auf meinem Sitz ziemlich unsouverän nach hinten drehen musste, was ich allerdings auch sofort tat. Denn natürlich wollte ich meine entzückende Beute am liebsten dauernd ansehen. Zu gerne hätte ich aus Vorfreude schon mal einen ausgelassenen Freudentanz hingelegt. Natürlich nicht im Taxi.

„Gerade in der modernen Zeit“, begann sie unvermittelt, kaum dass wir losgefahren waren, „muss ein Mädchen unter allen Umständen als Jungfrau in die Ehe gehen.“

Das klang, als hätten wir schon die ganze Zeit darüber gesprochen gehabt, was aber keineswegs der Fall war. So brauchte ich denn auch eine Weile, um mich von meiner Verblüffung halbwegs zu erholen. Dann erwiderte ich hastig:

„Natürlich, das ist … schon wichtig.“

„Ich würde mich keinem Mann jemals hingeben, solange ich nicht mit ihm verheiratet bin.“

Ich musste den Fahrer nicht ansehen, um zu wissen, dass er die Ohren auf Aufnahme geschaltet hatte. Ums Haar wäre mir trotzdem die Frage herausgerutscht, ob sie selbst ihrem hohen Anspruch überhaupt noch gerecht werden konnte. Denn wenn das der Fall war, dann würde sie in Kürze zur ersten Jungfrau werden, die ich geknackt hatte.

Als ich in Gedanken schon begann, mir das ein wenig auszumalen, fing ich ihren Blick auf, der ebenso verschmitzt wie verschwörerisch war. Und ich sah, dass sie mir zuzwinkerte, während sie sich schelmisch lächelnd auf die Unterlippe biss.

Jetzt erst begriff ich: Sie wollte den Kerl aufziehen, dem mit Sicherheit nicht entgangen war, welch ein Klasseweib er da gerade aufgeladen hatte. Das Aufziehen ging natürlich am besten, wenn ich möglichst überzeugend mitmachte. Also holte ich tief Luft und sagte:

„Manche Männer sind aber auch zu unverschämt. Sie denken immer nur an sich.“

„Ja, nicht wahr“, erwiderte sie mit der Originalstimme des heiligen Unschuldslämmchens. „Dabei ist es doch wundervoll, sich enthaltsam füreinander aufzusparen und dann gemeinsam das erste Mal die Wonnen der Liebe zu erleben.“

Das musste sie aus einem Groschenroman haben, und mir fiel kein Klischee ein, das es auch nur ansatzweise damit aufnehmen konnte. Also sagte ich nur phantasielos:

„Ist ja auch viel schöner.“

„Natürlich muss man sich beherrschen können“, dozierte sie weiter, „gerade der Mann. Er ist es, der seine Triebe im Griff haben muss. Aber das ist leicht, wenn er weiß, dass er nach Jahren des Werbens in der Hochzeitsnacht seine jungfräuliche Braut überallhin küssen darf.“

Nun übertrieb sie wirklich. Aber der Fahrer stieg darauf ein. Seine Miene spiegelte Unglauben wider, vielleicht sogar Entsetzen, obwohl er scheinheilig vorgab, von Geburt an vollständig taub zu sein und nichts anderes in der Welt wahrzunehmen als seine Fahrerei und den Weg, den er gerade einzuschlagen hatte.

„Manche Männer“, fuhr sie fort, „sind heutzutage so unkeusch, dass sie ein Mädchen schon am ersten Abend küssen wollen. Das ist die Verderbnis der ungezügelten Fleischeslust!“

Der Fahrer sah auffallend starr geradeaus. Offenbar war er im Begriff, loszuprusten. Was er mittlerweile über mich dachte, hätte ich erst gar nicht erfahren wollen.

Dabei konnte er noch nicht einmal sehen, wie entzückend sie jetzt ihre Schultern hin und her warf, um mir herausfordernd die vom Mantel halb verdeckte, wippende Pracht ihres Klassebusens zu präsentieren. Grinsend, doch in umso ernsterem Tonfall fügte sie hinzu:

„Die Frau muss dem Mann von Anfang an jede körperliche Annäherung untersagen. Das lehrt ihn Disziplin und die nötige Selbstbeherrschung. Gewährt sie ihm auch nur die kleinste Vergünstigung, so wird er bald immer mehr von ihr fordern, bis er ihren hehren Leib am Ende monatlich zu besudeln trachtet.“

„Davon habe ich auch schon gehört“, warf ich ein, um diesen aberwitzigen Vortrag wenigstens für eine Sekunde zu unterbrechen. „Aber natürlich mag ich etwas so Ungeheuerliches gar nicht glauben.“