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Die Feier des Geburtstages der regierenden Frau Gräfin, wie sie am 29. u. 30. Mai 1842 in der Begüterung vor sich ging.
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Seitenzahl: 51
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Ein gräflicher Geburtstag.
Die Feier des Geburtstages der regierenden Frau Gräfin, wie sie am 29. u. 30. Mai 1842 in der Begüterung vor sich ging.
Erster Tag.
Motto:
Lustig leben die Kosacken.
Eines schönen Morgens, es war am 29. Mai 1842, sah ich vor dem Hause eines Freundes einen Wagen halten, den dieser mein Freund mit einem andern Freunde, der uns beiden gehörte, eben besteigen wollte. »Wohin?« frag' ich. »»Nach S.,«« ist die Antwort. »Was habt Ihr denn dort zu thun?« – »»Oh,«« schreiet mein lebhafter Freund Fischer: »»Geburtstag – venetianische Regatta – Bucentaur – kleine Engel – Warensche Fischerknechte – Kanonen – Fischerstechen – Bier und Branntwein – Volk – Gräfin X. – Bratwurst.««
»Daraus werde ich nicht klug,« sag' ich; »lieber Meier, sage Du mir, was es eigentlich giebt.« – »»Ich bin auch nicht klug daraus geworden,«« sagt Meier, »»nur so viel weiß ich, daß ich einen Brief gelesen habe, so eine Art Programm, worin von vielen Festlichkeiten die Rede war, von denen ich bei uns zu Land noch nimmer gehört; zuletzt aber stand in dem Briefe ein Passus, den habe ich verstanden, denn er lautete sehr populär: ›An den Ufern des Sees sollen Feuer angemacht werden; an diesen soll sich das Volk lagern, soll daselbst mit Bier und Branntwein, Kartoffeln und Wurst tractirt werden und soll Hurrah! rufen, und soll dieses Hurrahrufens kein Ende sein!‹««
Das Alles war zu verlockend; ich sprang auf den Wagen und wir fuhren nach S. Das erste, was mir allda vor Augen kam, war eine schöne, laubumwundene Ehrenpforte. Oben auf der Spitze derselben prangte die Grafenkrone und unter derselben der Namenszug der Gräfin A. H. Ich wollte eben die Pforte passiren, da gewahrte ich eine schwarzleibige und schwarzbeinige hagere Gestalt, in der Hand eine Papierrolle haltend und in großer Unruhe unter der Ehrenpforte hin und her laufend. Ach Gott, dacht' ich, das ist auch wieder so ein armer Schulmeister aus der Begüterung, der eine Bittschrift anbringen will. Mit diesen mitleidigen Gefühlen schreite ich weiter; aber plötzlich hält mir der Schwarze die Papierrolle unter die Nase. »Lieber Freund,« sage ich, »Sie irren mit Ihrer Bittschrift, ich bin keine hohe Herrschaft, ich bin Volk;« und dabei schwebte mir so ein dunkles, aber hoffnungsreiches Bild von Bier und Branntwein, Kartoffeln und Wurst vor. – »»Was Bittschrift, was Volk,«« sprudelte mich das Kerlchen an, »»ich bin der Capellmeister R. und soll darauf sehen, daß kein ungeweihter Fuß den Boden unter der Ehrenpforte betritt, bevor er nicht Die getragen, deren Strahlen bald hinter jenen Fichten aufgehen werden; Leute, wie Sie, gehen durch die kleine Pforte hier nebenan.«« – Während ich mich nun zum Gehen durch die Nebenehrenpforte umwandte, erschaute ich in geringer Entfernung einige grüne Leute mit gelben Blechinstrumenten unter dem Arm, welche mich lebhaft an Spinat mit Eiern erinnerten. – »Wer sind diese?« frag' ich. – »»Wenn sie roth und weiße Jacken tragen,«« sagt Fischer, »»sind sie Stallknechte; sehen sie aber grün aus, dann sind sie Capelle.«« – »Das ist ein sonderbarer praktischer Dualismus, der hier herrscht,« dachte ich; »der Capellmeister ist zugleich Portier und die Stallknechte Capelle!« – Doch wir zogen ein durch die enge Pforte in das Paradies hochgräflicher Lustbarkeiten.
Hinter der Ehrenpforte standen ungefähr 20–30 kleine bunte Kinder, angethan mit rothen, blauen, gelben und gestreiften Jäckchen und weißen Pumphöschen: alle aber hatten rothe Schlafmützen auf, und sahen justement aus wie die bunten Papierschnitzel, die ich als Knabe an den Schweif meines Drachens zu binden pflegte; der Capellmeister aber war der Drachen. – »Ich bitte Dich, lieber Fischer,« sag' ich, »wie kann man so kleinen Kindern schon Schlafmützen aufsetzen; was sollen sie denn im Alter tragen?« – »»Dieses sind keine gewöhnliche Schlafmützen,«« sagt Fischer belehrenden Tones, »»sondern phrygische, wie sie zu Neapel und Ischia getragen werden; auch sind dies keine Tagelöhnerkinder aus der Begüterung, sondern wirkliche kleine Fischerkinder aus Castellamare und Sorrent, die sich die Mühe gemacht haben, expreß hierher zu kommen, um etwas zu singen, und zwar sind's Männlein und Fräulein.«« – »Du scherzest,« sag' ich; »das letztere wenigstens kann ich nicht glauben, denn Jungen sind's doch gewiß alle.« –»»Du wirst's gleich sehen,«« sagt Fischer, und geht an das bunte Gewimmel hinan. »Guten Tag, Kinder,« ruft er, und siehe da! er hatte Recht: die Hälfte der armen Kleinen nahm die Schlafmützen ab und die andere Hälfte machte einen tiefen Knix, ganz ihrer Beinkleider vergessend.
Wir befanden uns jetzt in einer breiten Fichtenallee, die an den Strand des schönumuferten Sees hinabführte. Schon früher war ich in S. gewesen, hatte aber noch nie so einen Baumgang bemerkt. Um mich zu orientiren, wandte ich mich an einen Tagelöhner, der in seinem ›Sünndagnahmiddagschen‹ und auf seinen Handstock gestützt, das Ganze mit einem verteufelt nachdenkenden Blicke ansah. – »Mein Lieber! ist diese Allee schon immer hier gewesen?« – »»O, wat woll't Herr, hir stünnen süs schöne Plummenböm; dei hewwen s' æwer afhau't un uns de ollen Fichten ahn Wötteln inplant't; so 'n Herrschaften hewwen männigmal so 'n Infäll!«« – »Nehm' Er sich in Acht,« sag' ich, »was Er da sagt, ist ja Rebellion.« – Bestürzt stottert der hochgräfliche Unterthan: »»Ach nehmen 't de Herr nich æwel, ick dacht, Sei wiren kein von de B.schen!«« und erschlug sich seitwärts in die Büsche.
Am Ende der Allee, am Ufer des Sees, der tief blau vor uns da lag, fing ein Gerüst an, das eine ziemliche Strecke in den See hineinragte und so eine Art von Molo vorstellen sollte; das äußerste Ende desselben war durch ein Zelt gegen die Sonnenstrahlen geschützt, und dies war der Punkt, von wo ans die Noblesse das zu erwartende Schauspiel mit ansehen sollte.
Rechts und links von obbesagtem Molo aber war ein kleines Eselfuhrwerk mit einer Cofent-Tonne in den See hineingefahren, und auf dem einen derselben stand der Schweinejunge, auf dem andern der Gänsejunge, beide in Bacchusse verpuppt, und brüllten Mecklenburgische Dithyramben: »Hurah, de Fru Gräfin sall leben!« Ihre Verpuppung war außerordentlich einfach durch ein Shirting-Hemde und einen Weinlaub-Kranz bewerkstelligt; ihr Attribut war ein hölzerner Becher, der genau so aussah, wie das Gefäß, in das die Meierinnen die Butter einzupfunden pflegen. Bei diesem Anblick ward mir wunderlich melancholisch zu Muthe und ich jammerte: Ihr armen Götterjünglinge! Eure Götterschaft hat heute Nachmittag schon ausgespielt; Euer Becher wird sich morgen in den Dreizack verwandelt haben, nicht in den des Neptun, nein, in den des Misthofs, und Eure Schultern, blendend jetzt durch die Unschuldsfarbe des griechischen Shirting-Gewandes, werden in allen Regenbogenfarben spielen, wenn der Wirthschafter merkt, daß Ihr die göttliche Cofent-Tonne noch nicht vergessen, oder daß Ihr Euch nach Art der alten Heiden-Götter in ein dolce far niente einwiegen wollt.