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Entwicklung und Werdegang eines Kindes werden von verschiedenen Faktoren bestimmt, die schicksalhaft sind, weil es sie weder bewusst gewählt hat noch aus eigenem Willen beeinflussen kann. Es sind die Erbanlagen, das soziale Milieu sowie die materiellen Lebensbedingungen. Je günstiger diese ausfallen - das heißt: je besser die äußeren Bedingungen, je liebevoller die Menschen und je harmonischer die Veranlagung des Kindes -, desto besser wird es gedeihen, und es ist die Aufgabe seiner Eltern und Erzieher/innen, ihm dabei zu helfen. In diesem Buch werden alle dafür wichtigen Aspekte verständlich erläutert. Es soll Ihnen ein wertvoller und hilfreicher Ratgeber für den Umgang mit Ihrem Kinde sein.
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Seitenzahl: 173
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Die Situation des Kindes
Das Kind
Die Startbedingungen
Der erste Eindruck
Erwachsene
Der gute Umgang mit Kindern
Liebe
Achtung
Verantwortung
Die Beziehungen des Kindes
Die Beziehungen zu Mutter und Vater
Wenn Mutter oder Vater fehlen oder sich entziehen
Die Sexualität in den Eltern-Kind-Beziehungen
Unterschiede in den Beziehungen zu Vater u. Mutter
Die Beziehungen zu den Geschwistern
Die Beziehungen zu den Großeltern
Die Beziehungen zu anderen Kindern
Die Beziehungen zu Erzieher(innen) u. Lehrer(innen)
Die Beziehung zum anderen Geschlecht
Die Entwicklung des Kindes
Der Säugling
Das Kleinkind
Sensible Phasen
Das Kindergarten- und Schulkind
Pubertät
Die Familie
Die ideale Familie
Familienprobleme
Der Überlebenskampf
Das „Revier"
Familiäre Eifersüchte
Generationskonflikte
Die Eltern
Elternliebe
Elterliche Partnerliebe
Die Aufgaben der Eltern
Geben
Beschützen
Führen
Erziehen
Die Strafe
Krankheit
Grundsätzliche Überlegungen
Wie kann man Gesundheit verstehen?
Wie kann man Krankheit verstehen?
Wie kann man Heilung verstehen?
Krankheit und Schicksal
Krankheitsursachen
Häufige körperlich wirksame Krankheitsursachen
Häufige psychisch wirksame Krankheitsursachen
Verhalten bei Krankheit
Organisation
Wenn Ihr Kind krank wird
Arztpflicht
Klinikbehandlung
Eine Diagnose stellen
Diagnose anhand allgemeiner Krankheitszeichen
Ausschlag
Bewusstseinsstörung, Bewusstlosigkeit
Durchfall
Erbrechen
Fieber
Husten
Krampfanfälle
Schmerzen im Bereich von Kopf und Gesicht
Schmerzen im Bereich von Mund und Hals
Schmerzen im Bereich des Brustkorbs
Schmerzen im Bereich des Bauchs
Schmerzen im Bereich des Rückens
Schmerzen im Bereich der Haut
Schwindel, Benommenheit
Schwitzen
Entwicklung und Werdegang eines Kindes werden von verschiedenen Faktoren bestimmt, die schicksalhaft sind, weil es sie weder bewusst gewählt hat noch aus eigenem Willen beeinflussen kann. Es sind die Erbanlagen, das soziale Milieu sowie die materiellen Lebensbedingungen. Je günstiger diese ausfallen – das heißt: je besser die äußeren Bedingungen, je liebevoller die Menschen und je harmonischer die Veranlagung des Kindes –, desto besser wird es gedeihen, und es ist die Aufgabe seiner Eltern und Erzieher/innen, ihm dazu so weit wie möglich zu verhelfen.
Während sich die materiellen Bedürfnisse, wie zum Beispiel nach Nahrung und Wohnung, in unserer wohlhabenden Gesellschaft meist ausreichend befriedigen lassen, ist es viel schwieriger, eine ungünstige familiäre Situation zu verbessern, weil hier viele schwer beherrschbare Emotionen ins Spiel kommen. Liebe, Toleranz, Lebensweisheit und psychologisches Verständnis sind erforderlich, will man familiäre Konflikte vermeiden oder lösen. Am schwierigsten aber ist es, den Charakter des Kindes grundlegend zu beeinflussen. Mit Liebe und Einfühlungsvermögen kann man aber – in gewissen Grenzen – die positiven Eigenschaften des Kindes gezielt fördern, so dass die problematischen nicht so sehr ins Gewicht fallen.
Zunächst ist es wichtig sich klarzumachen, dass die wesentlichen Grundlagen für das spätere Leben in der frühen Kindheit geschaffen werden. Die Psyche des kleinen Kindes ist zwar nicht leer, weil es ja schon im Mutterleib Erfahrungen gemacht hat, doch gleicht sie in Bezug auf alles, was sie noch nicht kennt, einem unbeschriebenen Blatt Papier. Jedes Schriftzeichen, das man darauf setzt, bleibt für immer darauf stehen und hat seine besondere Aussage. Das heißt: Alles, was ein Kind zum ersten Mal erlebt, hinterlässt in seinem Denken und Fühlen einen unvergänglichen, primären Eindruck und bekommt eine für sein weiteres Leben grundsätzliche Bedeutung – im Positiven wie im negativen Sinn. Deshalb ist es so wichtig, gerade mit kleinen Kinder behutsam und bewusst umzugehen und Verletzungen zu vermeiden.
Sie kennen doch diese Situation: Sie kommen irgendwo an einen neuen Ort, vielleicht in eine Wohnung oder an einen Arbeitsplatz, an dem Sie in Zukunft bleiben müssen. Wie verhalten Sie sich instinktiv? Sie achten auf den ersten Eindruck, den Sie davon haben, denn dieser beeinflusst ganz entscheidend Ihre künftige Einstellung dazu, er sagt Ihnen, ob Sie sich wohl fühlen werden oder sich mit Widrigkeiten herumschlagen müssen. Sie bekommen entweder ein gutes Gefühl oder sind frustriert und enttäuscht, vielleicht sogar verunsichert und verängstigt. Ähnlich geht es einem Kind, das auf die Welt kommt; es wird in eine bestimmte Familie, in ein bestimmtes Milieu, in ein bestimmtes geistiges Umfeld geboren und darin muss es nun leben und sich entwickeln. Sein erster Eindruck entsteht allerdings nicht in einer Minute, sondern in den ersten Lebensjahren, und je besser er ist, desto wohler wird es sich im Leben fühlen.
Freude und Liebe sind die wichtigsten seelischen Bedürfnisse jedes Menschen, und ein Kind, das nicht genug davon bekommt, kann sich weder gesund entwickeln noch innerlich stark, optimistisch und lebensfähig werden. Sie haben – wie alle Gefühle – ihren Ursprung in unserem Inneren. Unser „Herz" ist es, in dem die Liebe zur gefühlten Realität wird, und unser „inneres Auge", in dem das Bild des Schönen entsteht. Je mehr Liebe und Freude das Kind erfährt, desto besser können sich seine „Liebes- und Freude-Organe" entwickeln und desto mehr Vertrauen bekommt es in die Menschen und das Leben. Eltern, Bezugspersonen und Erzieher sollten immer versuchen, dem kleinen Kind die Welt von ihrer erfreulichen Seite nahe zu bringen und, falls bestimmte Lebensumstände einmal sehr negativ sind, zu zeigen, dass es daneben zumindest auch immer etwas Positives gibt.
Ein Mensch, der in der Kindheit genügend Zuwendung und Liebe bekommen hat, wird auch in seinem weiteren Leben die Liebe als selbstverständlich betrachten und erwarten. Die „heile Welt", die er in jener Zeit erlebt hat, als sein Bewusstsein sich zu entwickeln begann, wird zum grundsätzlichen Element seines Weltbildes, und die Erinnerung daran wird ihm wie ein leuchtender Stern zum Führer durchs Leben. Selbst wenn es einmal nicht so erfreulich zugeht, wird ihm die aus eigener Erfahrung entstandene Gewissheit, dass es die Liebe gibt, innere Wärme geben und ihn stets danach suchen lassen.
Viele Menschen hatten leider nicht dieses Glück, und es ließen sich viele Beispiel dafür anführen, wie mit frühkindlichen Negativerlebnissen unerfreuliche oder traurige Lebenswege begannen. Ein Kind, das schon in den ersten Tagen, Wochen oder Monaten seines Lebens dringende Wünsche oder Bedürfnisse nicht erfüllt bekam, wird meist lebenslang von dem frustrierenden Gefühl, zu kurz zu kommen, verfolgt und in dieser Hinsicht unersättlich sein. Viele Unfähigkeiten, Ängste und Neurosen erwachsener Menschen gehen auf einen entsprechenden schweren Mangel oder verständnislose Unterdrückung in der Kindheit zurück.
Ein häufiger Grund dafür ist die Vorstellung der „Erwachsenen", erwachsen zu sein, denn sie errichtet eine Barriere zwischen ihnen und den Kindern und macht es ihnen schwer, diese wirklich ernst zu nehmen. Aus der Höhe des Erwachsenen-Status sieht man auf die Kinder herab, als hätten sie noch keinen Anspruch auf respektvolle Behandlung und als merkten sie nicht, was man mit ihnen anstellt. Da sie sich kaum wehren können, ignoriert man allzu oft ihre Wünsche und Proteste, missachtet ihre Rechte, zieht („erzieht") an ihnen herum, gibt ihnen Befehle oder bestraft sie, wenn sie nicht gehorchen.
Es würde sich lohnen, einmal näher über den so genannten Erwachsenen nachzudenken. Denn eigentlich gibt es ihn gar nicht. Erwachsen zu sein würde ja bedeuten, dass das Wachstum abgeschlossen ist, dass man alles, was im Leben wichtig ist, weiß und kann. Haben wir wirklich diesen Meisterbrief? Zugegeben: Wir sind körperlich ausgewachsen, stärker und weniger empfindlich als die kleinen Kinder, wir haben mehr Erfahrung, und unser Bewusstsein ist weiter entwickelt. Aber wo ist wirklich jener entscheidende Unterschied, auf Grund dessen wir meinen, die Kleineren und Jüngeren so behandeln zu dürfen, als seien sie noch gar keine richtigen Menschen? Lernen wir „älteren Kinder", die wir vielleicht schon 30, 50 oder 70 Jahre auf dem Buckel haben, nicht auch jeden Tag etwas dazu, freuen und fürchten wir uns nicht genauso wie die jüngeren mit ihren 2, 5 oder 10 Jahren? Brauchen und suchen wir nicht wie sie Schutz und Trost, sind wir nicht ebenso verletzt, wenn wir schlecht behandelt, gedemütigt oder gequält werden, und tragen wir nicht noch heute Probleme in uns, die aus unseren ersten Kindesjahren stammen?
Wenn wir ein Kind als ein Wesen sehen können, das zwar noch etwas jünger, unerfahrener und schwächer ist, das aber die gleichen Bedürfnisse und Lebensrechte hat wie wir, das genauso wie wir fühlt und das uns mit seinem offenen, liebesbereiten und verletzlichen Herzen Vertrauen schenkt, dann werden wir gut mit ihm umgehen. Und wir werden erkennen, wie viel wir von ihm lernen können, weil in ihm noch der ursprüngliche, unverdorbene Mensch lebt.
Ein gesundes Kind, das gut behandelt wird, ist fröhlich, vertrauensvoll, interessiert und aktiv – kurz gesagt: Es hat Freude am Leben. Dabei wächst es mit einer positiven Haltung in die Welt hinein, entwickelt seine Anlagen, verwirklicht seine Begabungen und wird fähig, seinen eigenen Lebensweg zu gehen. Um es darin in jeder Hinsicht zu unterstützen, bringen ihm die Eltern Liebe, Achtung und Verantwortung entgegen. Die Liebe ist die Grundlage der Eltern-Kind-Beziehung, ohne sie hätte das Kind keine Überlebenschance. Die Achtung verhilft ihm zu einer positiven Haltung gegenüber sich selbst und seinen Mitmenschen. Die Verantwortung veranlasst die Eltern zu einem überlegten, auf das Wohl ihres Kindes ausgerichteten Verhalten und Handeln. Dabei berücksichtigen sie seine körperlichen und geistig-seelischen Bedürfnisse sowie seine animalischen Instinkte.
Dies wären jedenfalls die idealen – und eigentlich ganz natürlichen – Voraussetzungen für das Wohlergehen des Kindes. Dass es in der „und-idealen" Realität oft anders aussieht, wissen wir alle – Überforderung, Unwissen, Irrtümer und eigene psychische Probleme machen es vielen Eltern unmöglich, ihrem Kind in optimaler Weise entgegenzukommen, und wenn sie bestimmte Aussagen in diesem Buch, in denen Idealzustände oder -lösungen gezeigt werden, zu wörtlich und persönlich nehmen, werden sie vielleicht entmutigt stöhnen: „Das schaffe ich doch nie!", oder deprimiert feststellen: „Offensichtlich habe ich alles falsch gemacht! Mein armes Kind!" Das wäre weder richtig noch beabsichtigt. Nein, sie haben keineswegs alles falsch, sondern es höchstens nicht ideal gemacht, und das ist kein Grund für Schuld- oder Versagensgefühle, weil sie –wie wir alle – so gut gehandelt haben, wie sie es konnten und wussten. Zum Glück aber werden wir jeden Tag etwas klüger und können daher auch täglich irgendetwas besser machen.
Die Liebe ist das Wichtigste in unserem Leben und die Grundlage von Freude und Gesundheit. Sie hat viele Gesichter und Erscheinungsformen: zum Beispiel die körperliche und die seelische Liebe, die Mutter-, die Vater- und die Kindesliebe, die egoistisch-nehmende und die altruistisch-gebende Liebe. Daher ist es manchmal gut, sich darüber klar zu werden, in welcher Weise man gerade liebt, vor allem, wenn man – wie es den Eltern immer wieder einmal passiert – das Gefühl hat, immer nur zu geben und selbst zu kurz zu kommen.
Wenn wir Liebe als eine Art beglückender Lebensenergie sehen, die zwischen zwei Lebewesen fließt, können wir an der Strömungsrichtung zwei Formen unterscheiden: einerseits jene Liebe, bei der die Energie von unserem „Liebesobjekt" auf uns zu fließt, bei der wir sie also entgegennehmen, und andererseits jene, bei der sie von uns weg auf das „Liebesobjekt" zu fließt, bei der wir sie demnach abgeben. Die erste hat einen selbstbezogenen oder egoistischen Charakter, die andere einen selbstlosen oder altruistischen. Normalerweise fließen beide Energieströme, das heißt: Wir nehmen egoistische und geben gleichzeitig altruistische Liebe. Beide fließen allerdings je nach unserer Veranlagung und Situation in unterschiedlichem Umfang: Zum einen besteht in uns selbst veranlagungsmäßig ein bestimmtes Verhältnis zwischen egoistischen und altruistischen Tendenzen, zum anderen sind wir entsprechend unseren jeweiligen Lebensumständen einmal mehr darauf eingestellt, Liebe zu geben, und ein andermal mehr darauf, Liebe zu fordern und zu empfangen.
In der Erwachsenen-Kind-Beziehung fließt die Liebesenergie vor allem von den Eltern zu den Kindern. Die Eltern gehen instinktiv in die gebende Rolle, und das Kind nimmt die Liebe seiner Bezugspersonen „mit vollen Händen" entgegen, die umso reichlicher fließen muss, je kleiner und abhängiger es ist. Die Eltern bemühen sich, immer für das Kind da zu sein, geben ihm alles, was es braucht, trösten es, stellen sich ihm zur Verfügung oder opfern sich auf. Dennoch gehen sie nicht leer aus, denn das Kind gibt ihnen Freude zurück, indem es sie anlächelt und ihnen zeigt, dass es sich wohl fühlt. Später, wenn das Kind größer und selbständiger wird, beginnt es ebenfalls aktiv Liebe zu geben, so dass zwischen Eltern und Kindern ein ständiger Austausch an Liebe, guten Gefühlen und Freude stattfindet. Eines Tages schließt sich dann der Kreis: Die Eltern werden schwach und gebrechlich und brauchen mehr die selbstlose Liebe der Kinder, die ihnen jetzt zurückgeben, was sie einst bekamen.
Im weitesten Sinne beruht alles, was im Umgang mit Kindern richtig und wichtig ist, auf der Liebe, und so ist eigentlich auch die Achtung, die die Eltern ihnen entgegenbringen, nur ein besonderer Ausdruck von Liebe. Achtung gegenüber dem Kinde bedeutet, auf seine Äußerungen und Mitteilungen zu achten, seine Rechte zu beachten und es in seiner persönlichen menschlichen Würde zu achten. Kinder spüren sehr genau, ob man sie beachtet und achtet, und solange ihnen die Eltern mit Aufmerksamkeit, Fairness und Respekt entgegenkommen, werden sie diese ihrerseits achten und respektieren und ihnen vor allem vertrauen. Dieses Vertrauen ist eminent wichtig, weil es die Voraussetzung dafür bildet, dass die Eltern ihr Kind positiv beeinflussen können. Wenn es seine Eltern nicht mehr für vertrauens- und achtenswürdig hält, nimmt es ihre Ratschläge nicht ernst und opponiert vielleicht sogar dagegen.
Ein Kind kann – jedenfalls, solange es sehr klein ist – seine Wünsche und Probleme nicht mit wohl überlegten Worten bekannt geben. Dennoch hat es viele Möglichkeiten, sich verständlich zu machen. Die Körpersprache ist in Bezug auf seine grundlegenden Bedürfnisse klar und ausreichend, vorausgesetzt, man achtet auf sie und versteht sie. Beim kleinen Kind sieht man am Gesichtsausdruck, wenn es zufrieden ist, man hört an den vergnügten Lauten, die es von sich gibt, oder an seinem Lachen, dass es sich wohl fühlt, und man erkennt aus seiner ganzen Entwicklung, ob es ihm gut geht. Dagegen fällt ein psychisch belastetes oder unglückliches Kind durch unausgeglichene oder gehemmte Bewegungen, einen missmutigen oder traurigen Ausdruck, unharmonisches Verhalten, Schlafstörungen, häufiges Kränkeln oder Entwicklungsstörungen auf. Eltern, die gut auf ihr Kind achten, bemerken solche Störungen schnell und können gleich zu Beginn etwas dagegen unternehmen, indem sie bestimmte Lebensumstände oder ihr eigenes Verhalten ändern und eventuell eine Therapie einleiten.
Beim kleinen Kind weisen Unruhe oder unzufriedene Laute darauf hin, dass es etwas Wichtiges braucht; Wimmern und Weinen zeigen einen quälenden Mangel oder Schmerz an und lautes Schreien kann ein Ausdruck von Not und Verzweiflung, aber auch von empörtem Protest sein. Dass man darüber nicht hinweggeht, ist eigentlich selbstverständlich. Dennoch hört man nicht selten Aussprüche wie diese: „Schreien ist gut für die Lungen!" oder „Das Kind darf nicht immer seinen Willen haben!" Man braucht sich nur einmal vorzustellen, man selbst läge hilflos da und würde trotz lauten Schreiens nicht beachtet, um zu verstehen, dass sich das Kind dadurch misshandelt fühlt. Es hat ja einen guten Grund für sein Verhalten und kann sich nur in dieser Weise äußern. Dabei ist die Lautstärke übrigens kein allgemein gültiger Maßstab für die Dringlichkeit des Wunsches, denn manche Kinder sind von Natur aus leiser und diskreter und bei ihnen kann das leise Weinen die gleiche Bedeutung haben wie bei einem anderen Kind das laute schreien. Normalerweise kennen Eltern ihr Kind gut genug, um seine persönliche „Sprache" deuten zu können.
Wenn das Kind älter wird, kann es seine Wünsche und Meinungen sprachlich mitteilen (auch wenn die Körpersprache weiterhin eine wichtige Kommunikationsmöglichkeit bleibt). Es erwartet, dass man ihm zuhört und seine Mitteilungen ernst nimmt. Darauf mit „Dummes Zeug!" zu antworten, würde eine Missachtung, Beleidigung und eventuell eine seelische Verletzung bedeuten. Tatsächlich passiert es immer wieder, dass ein Kind, das häufig abwertende Reaktionen erlebt, einen Minderwertigkeitskomplex bekommt und sich nicht mehr traut, seine Meinung zu sagen.
Zur Achtung gehört auch, dass man das Kind davon unterrichtet, wenn man etwas mit ihm vorhat, und ihm den Grund dafür klarmacht; es sollte auch seine Meinung dazu äußern dürfen, damit es sich nicht unterdrückt oder missachtet fühlt und damit man sich vergewissern kann, ob man richtig handelt. Das bedeutet zugleich, dass man seine eventuellen Proteste und Einwände ernst nimmt. Wenn das Kind auch noch nicht so bewusst ist wie der Erwachsene, so hat es doch ein sehr feines Gefühl dafür, ob man seine Persönlichkeitsrechte respektiert und ihm einen Platz in der Welt einräumt. So ist es wichtig, es als gleichberechtigt zu betrachten und ihm dies auch zu zeigen.
Man sollte alles vermeiden, was dem Kind das Gefühl von Unterlegenheit und Rechtlosigkeit vermittelt, das heißt auch: es nicht bestrafen oder demütigen und es nicht - außer in berechtigten Notfällen - zu etwas zwingen, gegen das es sich wehrt. Wenn es aber einmal unumgänglich ist, ohne Erklärungen oder gegen seinen Willen zu handeln, wird es doch auf der Basis des Vertrauens, das sich die Eltern durch die Bereitschaft zur Achtung erworben haben, bereit sein, ihnen zu folgen, weil es irgendwie fühlt, dass es sich jetzt vertrauensvoll in ihre Hand geben muss. Das kann zum Beispiel bei medizinischen Behandlungen wichtig sein. Voraussetzung für dieses blinde Vertrauen ist allerdings, dass die Eltern es nie belügen und betrügen, keine leeren Versprechungen abgeben und nicht entgegen den von ihnen selbst verkündeten Grundsätzen handeln. Hat das Kind einmal gemerkt, dass es den Eltern nicht trauen kann, so beginnt es, sich innerlich von ihnen zu distanzieren.
Manchmal spricht ein Kind nicht über seine Probleme, sondern tut so, als sei alles in Ordnung, oder weigert sich, gezielte Fragen zu beantworten. Dann kann man aber durch Beobachten seines Verhaltens und Körperausdrucks viele Aufschlüsse bekommen. Natürlich sollte man es dann nicht zu einer Aussage zwingen, sondern ihm gewissermaßen in einer stillschweigenden Übereinkunft entgegenkommen. Zum Beispiel könnte man, ohne auf dem Problem herumzuhacken, bestimmte Lebensumstände so ändern, dass es sich lösen lässt. Das Kind registriert dies dankbar und wird irgendwann bereit sein, sich darüber auszusprechen. Der Grund für die Verweigerung ist meist die Furcht vor irgendwelchen schlimmen Folgen. Diese kann von schlechten Erfahrungen stammen, die das Kind einmal gemacht hat, als es sich den Eltern anvertraute; vielleicht wurde es daraufhin bestraft, vielleicht fühlte es sich unverstanden. Wie auch immer, solche Störungen des Vertrauensverhältnisses sollten Eltern beachten und sich fragen, welche Fehler sie selbst – wahrscheinlich nur aus Unwissenheit – gemacht haben.
Auch ein kleines Kind hat ein Gefühl für seinen Wert. Man sollte sich davor hüten, es in die Rolle des Unterlegenen zu drängen, weil es sonst kein gesundes Selbstvertrauen entwickeln kann. Abschätzige Äußerungen der Bezugspersonen bleiben oft für alle Zeiten in der Psyche des Kindes haften, weil es ja von ihnen nur die Wahrheit erwartet. „Wenn schon meine Mutter (mein Vater) mich für so hässlich, so dumm oder so wertlos hält, dann muss es wirklich stimmen!", sagt es sich und hat damit die Unschuld seines natürlichen Wertgefühls verloren. So sollte man ihm auch nicht demonstrativ klarmachen, wie wenig es kann und wie viele Fehler es macht, sondern es immer für das loben, was es bereits kann, und es ermuntern, darin noch besser zu werden. Nichts baut so sehr auf wie Lob und Anerkennung, und ein Kind, das davon genug bekommt (natürlich dürfen sie nicht ganz aus der Luft gegriffen sein), wird aufgrund seiner positiven Erwartung meist weitere lobenswerte Erfolge haben. Man braucht nicht zu befürchten, dass es deshalb überheblich oder eingebildet wird, denn so behandelt zu werden ist eigentlich unter wohlwollenden Menschen selbstverständlich. Wenn es aber nicht genug Anerkennung bekommt, wird es möglicherweise nach dem Motto „Wer angibt, hat's nötig" den anderen durch seinen ständigen Wunsch nach Bestätigung auf die Nerven gehen. Kinder, die sich respektiert und anerkannt fühlen, werden selbstbewusst und selbständig, haben eine aufrechte Haltung und sind meist unbefangen im Umgang mit anderen.
Auch die Verantwortung der Eltern ergibt sich aus der Liebe und der Achtung gegenüber dem Kind. Sie besteht einerseits in dem Bemühen, ihr Kind vor Schaden zu bewahren beziehungsweise alles für sein Wohlergehen zu tun, und andererseits in einer fairen Haltung gegenüber seiner Unterlegenheit.
Was braucht ein Kind, damit es sich wohl fühlen und gedeihen kann? Ein warmes „Nest" – Nahrung, Kleidung, Wohnung, Schutz – und Liebe, Freude, Vertrauen, Wärme, Ruhe, Freiheit, Respekt und geistige Anregung. All dies sollte in ausreichendem Umfang vorhanden sein, wenn ein Kind „herbeigerufen" wird.
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