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Nachdem Sedryn zum wiederholten Male von Elea geträumt hat, macht er sich auf, sie zu suchen. Er kann einfach nicht glauben, dass sie von ihm gegangen sein soll. Sedryn scheitert und Yvannies Tochter bringt ihn nach Hause zurück. Seiner Verzweiflung folgen unglaubliche Offenbarungen, die ihn dazu ermutigen, seine Suche nicht aufzugeben. Die Vergangenheit holt die Wächter schließlich ein, als sie den Ruf einer unbekannten Macht vernehmen. Eine Macht, stark genug, ihre Welt zu vernichten … Wird es den Wächtern gelingen, ihre Welt zu retten? Und wird es Sedryn gelingen, seinen Wunsch zu erfüllen, seine große Liebe wiederzusehen?
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Inhaltsverzeichnis
PROLOG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
EPILOG
EIN LICHT IN DER DUNKELHEIT
II
WEGE DES SCHICKSALS
Stephanie Rose
Copyright © 2019 – Searose Fantasy
Searose Fantasy | Raiffeisenstr. 4, 74360 Ilsfeld, Deutschland | www.searose-fantasy.de
Auflage: Dezember 2019
Cover: Searose | www.searose.de
Autor: Stephanie Rose
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‚Ist das das Ende? Werde ich sie nie wiedersehen?‘
Sedryn lag am Boden, kraftlos und erschöpft. Vor seinen Augen kämpfte die Dunkelheit gegen ein näherkommendes Licht.
Jetzt, da er so weit gekommen war, konnte er doch nicht sterben?
Aber war nicht genau das die Lösung?
Elea war gestorben. Ihr in den Tod zu folgen, ermöglichte ihm vielleicht, sie wiederzusehen.
Aber was, wenn er sich irrte? Er würde nicht zurückkehren können und seine Geliebte für immer verlieren.
Die Dunkelheit breitete sich immer mehr vor seinen Augen aus und er drohte, das Bewusstsein zu verlieren.
Das Licht, das er gesehen hatte, war verschwunden und zurück blieb eine eisige Dunkelheit, die ihn mit sich trug …
Was war geschehen?
Sedryn hatte sich, nachdem er zum wiederholten Male von Elea träumte, dazu entschlossen, sie zu suchen.
In seinen Augen waren jene Träume keine Träume, sondern Visionen, die Elea ihm schickte, um ihm zu zeigen, dass sie noch immer am Leben war und auf ihn wartete. Sie rief nach ihm, damit er sich auf die Suche nach ihr begeben würde, da war er sich sicher.
Yvannie hatte, wie auch die Male zuvor, versucht, ihn davon zu überzeugen, dass sie nicht mehr am Leben war; dass sie für ihn gestorben war. Auch wenn sie es nie vermocht hatte, ihn zu überzeugen, so hatte er doch sein Vorhaben, sie zu suchen, aufgegeben. Diesmal allerdings nicht.
Yvannie ließ ihn ziehen, in der Hoffnung, dass er vielleicht doch eines Tages das finden mochte, was er suchte, auch wenn sie selbst nicht daran glauben konnte.
Es tat ihr so unendlich weh, Sedryn jeden Tag aufs Neue leiden zu sehen, wo sie sich für ihn doch nichts mehr wünschte, als dass er endlich mit der Vergangenheit abschließen und ein neues Leben beginnen konnte, wie sie es vermocht hatte.
Und so hatte er sich aufgemacht, sie zu suchen …
Es war kalt und dunkel, als Sedryn die Augen öffnete. Das seltsame Gefühl, das ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, war verschwunden.
Als er sich aufsetzte, konnte er sehen, wie sein Atem vor ihm in kleinen Wolken kondensierte, die sofort davon schwebten und sich in Nichts auflösten.
„Was war das?“, flüsterte er in die Dunkelheit hinaus und runzelte die Stirn.
Wurde er beobachtet?
Das seltsame Gefühl, das ihn überkommen hatte, war verschwunden und er konnte sich nicht mehr daran erinnern, was es gewesen war, dass ihn aus dem Schlaf gerissen hatte.
Er stand auf und sah sich nachdenklich um. Etwas war anders, fühlte er, doch nachdem er sich sicher war, allein zu sein, packte er seine Sachen zusammen und brach, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, auf.
Die Nächte waren lang und kalt geworden und er vermochte nicht zu sagen, ob es nahe der Dämmerung war, als er seine Reise fortsetzte.
Er wanderte nun schon seit unzähligen Tagen ziellos durch die Gegend, ohne zu wissen, wo er zu suchen beginnen sollte.
Seine Träume, die ihn all die Zeit über geführt hatten, blieben aus und so war er auf sich allein gestellt.
Er fragte sich immer und immer wieder, warum Elea ihn in seinen Träumen nicht mehr aufsuchte, um ihm den Weg zu weisen.
War etwas geschehen, das sie davon abhielt? Oder lag es an ihm, dass er ihre Worte nicht mehr zu vernehmen mochte?
War er vielleicht zu sehr darauf versessen, sie wiederzusehen, dass er vergessen hatte, auf sein Herz zu hören?
Er horchte in sich hinein, in der Hoffnung, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Nichts. Etwas schien anders zu sein, spürte er, doch irgendetwas hinderte ihn daran zu begreifen, was es war.
Stirnrunzelnd sah er zum Himmel empor, an dem noch immer tausende winziger Sterne zu sehen waren.
‚Warum sprichst du nicht mehr zu mir? Bist du verärgert?‘, fragte er in Gedanken und seufzte innerlich.
Er wusste nicht recht, was er tun sollte, denn er hatte nichts, woran er sich orientieren konnte, um Elea zu finden. Alles was er hatte, waren jene verschwommenen Bilder eines Ortes, der ihm so vertraut schien.
Während er, ohne nachzudenken, seinen Weg fortsetzte, kreisten seine Gedanken immer wieder um eben diesen Ort.
Wo mochte er sein, dieser Ort? Und wo hatte er ihn schon einmal gesehen?
So sehr er sich auch bemühte, er schaffte es nicht, den Schleier zu verdrängen, der seine Erinnerung trübte. Dass er diesen Ort einst besucht hatte, war ihm klar, doch wann und wo blieb ihm ein Rätsel.
Je mehr er sich bemühte sich zu erinnern, desto mehr verschwamm das Bild dieses Ortes, der voller Licht und Geborgenheit zu sein schien.
Grüne Wälder, ferne Berge und ein Tal verborgen im Nebel, war alles, was seine Erinnerung ihm verriet. Jener Ort glich dem Tal der Wunder in seiner Reinheit – erfüllt von Licht und Frieden – aber das Tal existierte nicht mehr und kein Ort auf Erden schien diese Reinheit sonst noch zu besitzen, glaubte er. Es musste also etwas anderes sein.
Wenn er so darüber nachdachte, war es ein Ort, den man nicht mehr verlassen wollte. Ein Ort der Ewigkeit, voll Güte und Liebe. Das Paradies.
Sein Blick glitt gen Himmel, der nun von der emporkriechenden Sonne erhellt wurde und den Wald, den er durchschritt, in goldenes Morgenlicht tauchte.
Er liebte es mit anzusehen, wie die Sonne hinter dem Horizont emporkroch.
Die Ruhe, die ihn bei diesem Anblick durchströmte, ließ ihn für einen Moment alles vergessen. Aber so schnell, wie ihn dieses Gefühl überkommen hatte, war es auch wieder verschwunden und der Kummer kehrte wieder.
Er wandte den Blick von der Sonne, die nun vollkommen hinter dem Horizont aufgetaucht war, ab und setzte seinen Weg fort, den Blick auf den kargen Waldboden vor sich gerichtet.
Verwundert sah er plötzlich auf.
Die Lichtung, auf die er sich zubewegte, kam ihm seltsam vertraut vor und er runzelte verwundert die Stirn.
Vielleicht war er früher einmal auf einer seiner Reisen dort vorbeigekommen, dachte er und versuchte sich zu erinnern.
Sedryn rieb sich die Stirn und schüttelte schließlich den Kopf. Er war sich nicht sicher, denn er wusste nicht einmal genau, wo er sich befand.
‚Wo bin ich hier eigentlich?‘, fragte er sich schließlich und sah sich um, doch er konnte nichts entdecken, dass seiner Erinnerung auf die Sprünge half.
Ein gequältes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
Sedryn war einfach immer nur seinem Instinkt gefolgt, in der Hoffnung, seine Liebe zu Elea würde ihn leiten.
Und das tat sie auch.
Immerhin war er nun schon seit einer Ewigkeit, wie es ihm schien, unterwegs und sein Ziel schien ihm näher gekommen zu sein, auch wenn Elea nicht mehr zu ihm sprach.
Vielleicht hatte sie Angst zurückzukommen, dachte er sich. Wenn sie sich wirklich an jenem Ort befand, wie er glaubte, dann glich seine Welt einem bösen Traum, aus dem man erwachen wollte.
Dieser Gedanke stimmte ihn traurig, doch konnte er sich seinen Gefühlen nicht erwehren. Er musste Elea finden und sie zurückholen.
‚Und wenn sie mich bittet, dort bleiben zu dürfen?‘, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf und er erschauderte. Ja, was wollte er dann tun?
Er erinnerte sich an den traurigen Schimmer in ihren Augen; an den Kummer, den ihr diese Welt bereitet hatte.
Wollte er ihr wirklich all das ein weiteres Mal antun?
Er wollte sie glücklich wissen – an seiner Seite.
Das war es, was er wollte und so beschloss er, sie einfach zu fragen. Wenn sie mit ihm gehen wollte, dann war er der glücklichste Mann auf Erden und all der Schmerz und Kummer der vergangenen Jahre würden wie ein böser Traum erscheinen, glaubte er. Würde sie aber dortbleiben wollen, so musste er geduldig warten, bis der Tod ihn ereilte und darauf hoffen, sie auf der anderen Seite wiederzusehen.
Er sank in sich zusammen und schluckte hart.
‚Nein …‘, dachte er betrübt und blinzelte sich die Tränen aus den Augen.
Er bezweifelte, dass er die Stärke besaß, allein in dieser Welt zu leben und Elea hinter sich zu lassen. Die letzten Jahre der Einsamkeit hatten ihn schier um den Verstand gebracht. Einzig und allein der Gedanke an seine Geliebte, hatte ihn am Leben erhalten.
Würde er es also schaffen, so lange zu warten?
Er schüttelte den Kopf und ein weiterer bedrückender Gedanke machte sich in ihm breit.
Selbst wenn er die Zeit überdauern würde, so wusste er nicht, ob er die Möglichkeit bekam, nach seinem Tod an Eleas Seite zu sein. Ob jener Ort, an dem sie sich befand, allen Seelen offen stand.
Diese Unwissenheit ließ ihn schier verzweifeln und erneut stiegen ihm Tränen in Augen. Er brauchte Antworten.
Sein Blick wanderte in den blauen Himmel hinauf und er seufzte leise.
‚Ich bitte dich, Elea, gib mir ein Zeichen! Ich ertrage diese Unwissenheit nicht!‘, dachte er schließlich verzweifelt und blinzelte sich die Tränen aus den Augen, die seine Sicht verschwimmen ließen.
Er blieb stehen und atmete tief durch, bis seine aufgewühlten Gedanken wieder zur Ruhe kamen.
Elea würde nicht zu ihm sprechen, das wusste er.
Sein trauriger Blick wanderte wieder auf den kargen Boden vor sich. Dann setzte er langsam einen Fuß vor den anderen.
Er musste sie endlich finden.
Der Tag verging wie die vorigen, ohne dass er in die Nähe eines Dorfes kam, oder ihm irgendeine Menschenseele begegnete, geschweige denn, dass Elea wieder zu ihm sprach.
Die einzigen Begleiter, die ihm hin und wieder Gesellschaft leisteten, waren die Menil.
Obwohl sie eigentlich sehr selten waren und viele Menschen sie ihr ganzes Leben nicht einmal zu Gesicht bekamen, begegnete er ihnen beinahe jeden Tag. Zu seiner Überraschung waren sie nicht einmal mehr scheu, wie es früher der Fall gewesen war. Manchmal schien es ihm sogar so, als wäre er ihnen schon hunderte Male begegnet.
„Hallo, meine Freunde!“, rief er ihnen erfreut entgegen, als sie sich ihm näherten.
Er beschloss, eine kleine Rast einzulegen und ließ sich im Gras nieder.
Die Menil sanken zwitschernd auf seinen Knien nieder und sangen fröhlich ihre Lieder für ihn.
Je länger er ihnen zuhörte, umso befreiter wurde sein Herz und er konnte alles um sich herum vergessen – sogar Elea. Wenn er sich dessen allerdings bewusst wurde, brach er sofort wieder auf und ließ die Menil allein zurück.
Er musste sie finden, er durfte sie nicht vergessen, denn sie hatte nach ihm gerufen. Dass sie es nun nicht mehr tat, musste einen Grund haben.
Sedryn hielt inne.
Oder entsprang alles nur einem Traum, wie Yvannie es all die Zeit vermutet hatte, und sein Geist war nun an einem Punkt angelangt, an dem er sie ziehen lassen konnte, um sein Leben ohne sie weiterzuleben?
Sedryn schüttelte wild den Kopf und versuchte, diesen Gedanken wieder zu vergessen. Er konnte sich ein Leben ohne Elea einfach nicht vorstellen.
‚Diese Unwissenheit bringt mich um den Verstand!‘, dachte er entsetzt und rieb sich verzweifelt die Stirn. Sein Glaube war das einzige, das ihn noch bei Verstand hielt. ‚Ich darf nicht aufhören daran zu glauben … Bitte, ich darf nicht aufgeben!‘
Sein Blick glitt in den klaren, blauen Himmel hinauf und eine einzelne Träne rann seine Wange hinab.
Für einen Augenblick überkam ihn das Gefühl tiefer Einsamkeit und er erschauderte. Sein Herz schmerzte und begann schließlich wild zu schlagen.
Sedryn hielt den Atem an und versuchte sich wieder zu beruhigen. Er durfte seinem aufgewühlten Geist nicht gestatten, sein Herz zu übermannen und ihn in die Verzweiflung zu treiben. Er musste stark bleiben und daran glauben, dass Elea dort draußen auf ihn wartete.
Ein Gedanke schlich sich plötzlich in seinen Geist und er legte verwundert den Kopf schief.
Vielleicht war gar nicht er das Problem.
Ein neuer Funken Hoffnung entflammte in seinem Herzen und trieb ein Lächeln auf seine Lippen.
Wenn es nicht an ihm lag, so musste das Problem bei Elea selbst liegen.
Er nickte zustimmend und versuchte eine Erklärung zu finden, doch das, was ihm in den Sinn kam, ließ sein Lächeln schließlich ersterben.
Hatte sie ihn vergessen? War das der Grund, warum sie nicht mehr zu ihm sprach?
Sedryn schüttelte den Kopf. ‚Daran solltest du nicht einmal denken!‘, ermahnte er sich. Sie würde ihn nicht vergessen, da war er sich sicher, denn es würde ihm das Herz brechen.
Er sank in sich zusammen.
‚Nein, so darf ich nicht denken. Sie würde mich nie vergessen … niemals … niemals …‘, versuchte er sich einzureden und schüttelte wild den Kopf, um jenen Gedanken wieder aus seinem Geist zu verbannen.
Er wünschte sich doch nichts mehr, als sie endlich wiederzusehen. Deswegen würde sie ihn nicht vergessen. Seine Gedanken würden sie erreichen, wenn er nur fest genug daran glaubte, da war er sich sicher.
Die Dunkelheit brach allmählich herein und es war an der Zeit für ihn, sich ein Lager für die Nacht zu suchen.
Wie auch die Nacht zuvor, lag er hellwach, an einen Baum gelehnt, da und starrte in den sternenverhangenen Himmel empor. Der Mond stand hoch oben am Firmament und sandte sein sanftes silbernes Licht auf die Erde hinab, um den Tieren der Nacht ihren Weg zu erleuchten.
Seine Gedanken glitten davon und blieben wieder bei Elea hängen.
Es brachte ihn schier um den Verstand, nicht zu wissen, warum sie nun nicht mehr zu ihm sprach.
Er saß eine lange Zeit regungslos da und starrte in die Nacht hinaus, bis seine Augen allmählich schwer wurden und eine tiefe Müdigkeit über ihn hereinbrach. Er schloss die Augen und glitt in das Reich der Träume davon …
„Endlich habe ich dich gefunden!“
Sedryn drehte sich überrascht um und seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, als er jenes kleine Mädchen erblickte, das vor ihm stand.
„Wie … kommst du denn hier her?“, fragte er verwundert und blinzelte überrascht.
Träumte er?
Es war Elea, Yvannies Tochter.
Er sah sich um und runzelte die Stirn. „Wo ist deine Mutter? Yvannie sorgt sich sicherlich.“
Sie schüttelte den Kopf und lächelte. „Nein, nein, das tut sie nicht. Sie weiß ja, dass ich hier bin.“
Sedryn sah sie verwundert an und legte schließlich fragend den Kopf schief. Er verstand nicht.
„Aber das kann nicht sein. Ich bin so weit von euch entfernt, wie ich es schon seit Jahren nicht mehr war!“, entgegnete er entsetzt.
Was ging hier vor sich? Hatte sie sich heimlich davongeschlichen, um ihn nach so langer Zeit wiederzusehen?
Elea schüttelte langsam, aber bestimmt, den Kopf. Es fiel ihr schwer, ihm die Wahrheit zu offenbaren, doch er musste es wissen.
„Sedryn …“, begann sie zögerlich und trat unruhig von einem Bein auf das andere. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie wollte diese Worte nicht über ihre Lippen bringen und starrte auf den grünen, moosigen Boden vor sich. „Du bist im Kreis gelaufen …“
Die Zeit schien plötzlich stehen zu bleiben.
Hatte er sich verhört?
Es dauerte einige Augenblicke, ehe er begreifen konnte, was sie ihm offenbart hatte.
Sedryn blinzelte und starrte sie an, als habe sie den Verstand verloren. Was sie da von sich gab, konnte er nicht glauben. Es ergab einfach keinen Sinn.
„Schon seit vielen, vielen Tagen sehe ich dich hier immer und immer wieder vorbeikommen“, fuhr sie fort, als sie seinen ungläubigen Gesichtsausdruck bemerkte und erzitterte. Ihr Herz raste. „Als ich Ada davon erzählt habe, wollte sie mir zuerst nicht glauben, aber dann hat sie dich ebenfalls gesehen …“
Elea sah ihn mit durchdringenden Augen an und schwieg eine Zeit lang, um ihre Worte auf ihn wirken zu lassen.
„Ich soll dich nach Hause holen.“
Sedryn sah sie enttäuscht an und schüttelte schließlich traurig den Kopf.
Sprach sie die Wahrheit? Oder war sie nur ein Trugbild, eine Illusion, erschaffen von seinen Gedanken, um zu erklären, was geschehen war?
„Nein, Sedryn, ich bin wirklich … Ich bin hier, bei dir … Komm nach Hause, bitte“, antwortete sie auf seine Gedanken.
Als Elea Sedryns verzweifelten Blick bemerkte, zuckte sie zusammen. Der Schmerz in seinem Herzen war unerträglich, fühlte sie. Es verletzte ihn zutiefst, sich wieder am Anfang seiner Reise zu wissen.
„Alles umsonst?“, flüsterte er leise vor sich hin und wandte sich von Elea ab.
Langsamen Schrittes entfernte er sich von ihr.
Elea rieb sich über die Schultern, um das Zittern, das ihren Körper schüttelte, wieder unter Kontrolle zu bringen.
Sie war sich sicher, dass er weinte und so hielt sie es für besser, ihn für den Moment allein zu lassen, um seine Gedanken zu ordnen und zu begreifen, was geschehen war.
Traurig sah sie ihm nach und folgte ihm dann schließlich in einiger Entfernung. Doch als sie bemerkte, dass er in die entgegengesetzte Richtung davon wollte, blieb sie entgeistert stehen.
Irgendwie musste sie ihn nach Hause bringen. Aber was sollte sie tun? Was konnte sie tun?
„Sedryn, ich … Es tut mir leid …“, flüsterte sie dann, den Tränen nahe. Sedryns Traurigkeit war für sie zum Greifen nahe und es fühlte sich beinahe wie ihre eigene an.
„Bitte … komm zu uns zurück.“
Jetzt vermochte sie es nicht länger, ihre Tränen zurückzuhalten und sie senkte den Kopf, um diese zu verbergen. Sedryn sollte ihre Tränen nicht sehen.
„Komm zu uns zurück und …“, sie hielt den Atem an und blickte ihm direkt in die Augen, als er sich ihr schließlich wieder zuwandte, „… lass uns gemeinsam suchen, denn ich glaube dir.“
Sedryn sah sie überrascht an.
Hatte er sich auch nicht verhört?
Er schwieg einige Augenblicke und wusste nicht recht, was er darauf erwidern sollte.
„Du … glaubst mir?“, fragte er schließlich zögerlich und starrte sie mit großen Augen an. „Du glaubst, sie ist da draußen und wartet?“
Elea nickte und warf sich weinend in seine Arme.
Sedryns Blick glitt gen Himmel, der sich allmählich verdunkelte und die kommende Nacht ankündigte. Seine Gedanken kreisten wild um die Worte der kleinen Elea und er schaffte es nicht, sie in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Ein gequälter Seufzer entrann seiner Kehle und er fasste einen Entschluss, der ihn schier um den Verstand brachte. Er machte den Mund auf, schloss ihn dann aber wieder und schüttelte den Kopf. Dann versuchte er es ein weiteres Mal.
„Gut … ich komme zurück, bis sie mich wieder ruft …“, murmelte er tonlos und blinzelte sich die Tränen aus den Augen. Diese Worte über seine Lippen zu bringen, fiel ihm so unendlich schwer, aber einen anderen Weg kannte er nicht. Und vielleicht war es genau das, was seine Geliebte wollte: Ihn für den Winter in Sicherheit wissen.
So musste es sein, dachte er.
Und vielleicht würde sie ihm im nächsten Frühjahr wieder erscheinen und ihn bitten, sie zurückzuholen.
Sedryn atmete tief durch und versuchte, sich nicht in seinem Kummer zu verlieren. Er blinzelte und blickte dann einige Augenblicke später auf den Kopf der kleinen Elea hinab, die sich noch immer fest an ihn klammerte und leise weinte.
„Na komm, hör auf zu weinen, Elea“, meinte er dann mit einem sanften Lächeln auf den Lippen und strich ihr durch das hellblonde Haar.
Sie sah ihn mit verweintem Gesicht an. Es war das erste Mal, dass er diesen Namen aussprach und sie damit meinte.
Elea wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Sedryns starke Gefühle hatten sie einfach übermannt.
Die Nacht brach schnell herein, so dass sie in tiefster Dunkelheit das kleine Haus am See erreichten.
„Elea! Der Göttin des Lichts sei Dank! Ich hab‘ mir solche Sorgen gemacht!“
Yvannie warf sich ihrer Tochter um den Hals und atmete tief durch, um ihr aufgewühltes Herz zur Ruhe zu bringen.
„Mach das nie wieder, so spät nach Hause zu kommen, hörst du!“, tadelte sie ihre Tochter und drückte sie noch fester an sich.
Elea lächelte kaum merklich und löste dich aus der Umarmung. Dann deutete sie auf die Person, die sich hinter ihr befand. „Sieh, wen ich mitgebracht habe“, sagte sie und trat einen Schritt zur Seite.
Yvannie musterte den Mann hinter ihrer Tochter eingehend und lächelte schließlich.
„Sedryn, du bist wieder zurück. Elea hat mir erzählt, was passiert ist …“, begann sie und kam auf ihn zu, doch er schüttelte nur den Kopf und sie hielt inne.
Sedryn wollte nicht darüber reden, schon gar nicht mit Yvannie, die von Eleas Tod überzeugt war. Er wollte einfach nur allein sein.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging er an ihr vorbei. Den Kopf hielt er gesenkt, um zu vermeiden, irgendwem in die Augen blicken zu müssen.
„Ich habe Eintopf gemacht“, sagte Yvannie schließlich und wollte Sedryn in die Küche geleiten, doch dieser schüttelte nur den Kopf. „Aber du musst essen … Du hast sicherlich seit Tagen nichts mehr zu dir genommen.“
Sie musterte ihn eingehend und erschrak. Er wirkte müde und sein Gesicht eingefallen. Sedryn hatte deutlich an Gewicht verloren, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte, stellte sie entsetzt fest.
„Ich habe keinen Hunger …“, war das einzige, das er von sich gab, ehe er sich zurückzog. Er wollte allein sein und sich darüber im Klaren werden, was geschehen war.
War er wirklich all die Zeit über im Kreis gelaufen?
Er konnte noch immer nicht glauben, was die kleine Elea ihm offenbart hatte. Alles erschien ihm seltsam unwirklich – wie ein böser Traum.
Sedryn betrat das Zimmer, das Yvannie vor einigen Jahren für ihn hergerichtet hatte. Einst war es Eleas Zimmer gewesen, aber nach ihrem Verschwinden stand es lange Zeit leer, ohne dass irgendjemand gewagt hatte, es zu betreten.
Sedryn hatte Yvannie gebeten, dieses Zimmer nutzen zu dürfen.
Sein Haus in Can‘aan hatte er aufgegeben. Dorthin wollte er auf keinen Fall zurückkehren, denn die Erinnerungen, die er mit diesem Ort verband, waren zu schmerzhaft für ihn. Er wollte alles zurücklassen, was ihn irgendwie an sein früheres Leben erinnerte, aber Elea konnte und wollte er nicht vergessen.
Dieser Ort und dieses Zimmer trugen beinahe noch mehr Erinnerungen an jenes Leben in sich als ihm lieb war, doch hier fühlte er sich besser als irgendwo sonst.
Als er das Zimmer betrat, fiel sein Blick zuerst auf das kleine Tischchen, das unter dem Fenster stand. Es war alles noch genau so, wie er es zurückgelassen hatte.
Bücher und Schriftrollen bedeckten den Tisch in ihrem Durcheinander.
Es waren Jahre vergangen, stellte er jetzt erstaunt fest, seit er das letzte Mal hier gewesen war.
Obwohl sich Yvannie rührend um sein Zimmer gekümmert zu haben schien und den Schmutz, den die Zeit hinterlassen hatte, entfernen wollte, so hatte sie trotz allem versucht, nichts von seinem Platz zu entfernen.
Eine dünne Staubschicht auf manchen der Schriftrollen bestätigten ihm dies und ein Lächeln glitt über seine Lippen. Im Stillen dankte er ihr für ihr Bemühen, jedoch wünschte er sich nichts mehr, als zu verschwinden und sein Ziel endlich zu erreichen.
Er setzte sich an den Tisch und starrte aus dem Fenster in die Nacht hinaus.
Der Mond stand hoch am Himmel und erleuchtete die fernen Berge.
Sein Blick glitt auf den kleinen See vor dem Haus, dessen Wasser das Licht des Mondes um ein Vielfaches zu verstärken schien. Kleine silbrigweiße Lichtpunkte tanzten auf dem See auf und ab und für einen kurzen Moment glaubte Sedryn, die Silhouette einer Frau zu erkennen.
‚Elea!‘, schoss es ihm durch den Kopf und er sprang auf, doch ehe er sich versah, war es wieder stockdunkel.
Da war nichts auf dem See; kein Mondlicht, keine Lichtpunkte und schon gar nicht … Elea.
Als er seinen Blick gen Himmel wandte, sah er, wie Wolken den Mond verdeckten und Regen ankündigten.
Traurig und enttäuscht setzte er sich wieder. Für einen Moment hatte er doch tatsächlich geglaubt, Elea war zu ihm zurückgekehrt.
Allmählich begann er, an seinem Verstand zu zweifeln. Es verging beinahe kein Tag, an dem er sie nicht in irgendeiner Weise in seiner Nähe zu haben glaubte. Auch, wenn er sie nicht sehen konnte, so hatte er doch das Gefühl sie war da.
Gedankenverloren sank er in sich zusammen und rieb sich schließlich die Stirn. Eine einzelne Träne rann seine Wange hinab und tropfte schließlich auf das kleine Tischchen, auf das er sich stützte.
‚Elea, bitte, komm zu mir zurück … Ich ertrage das nicht länger.‘
Draußen begann es allmählich zu regnen, als sich Sedryn von seinem Tisch erhob und zum Bett hinübertrat.
Die Regentropfen, die an sein Fenster hämmerten, wurden stärker und stärker, bis er die einzelnen Tropfen nicht mehr zu unterscheiden vermochte.
Er schob sich das Hemd von der Brust und warf es achtlos auf den Boden. Ehe er sich allerdings seiner Hose entledigen konnte, klopfte es an seiner Tür.
Er fuhr herum und starrte die Tür einige Momente mit großen Augen an, ehe er sich ihr schließlich näherte.
Der Türknauf war eiskalt und ein Schauder rann ihm den Rücken hinab, als er ihn berührte.
Er öffnete die Tür und blickte in das lächelnde Gesicht der kleinen Elea. Sie schien sichtlich nervös zu sein und Sedryn runzelte verwundert die Stirn.
„Was machst du denn so spät am Abend noch hier? Du solltest schon längst im Bett sein!“, sagte er entgeistert und schüttelte tadelnd den Kopf.
Elea grinste, sah ihn erwartungsvoll an und drückte sich schließlich an ihm vorbei in das Zimmer, ohne abzuwarten, dass er sie hereinbat.
„Ich muss mit dir reden, Sedryn. Bitte“, meinte sie bestimmt.
Sedryn starrte sie an, als habe er einen Geist gesehen. Sie wirkte ungewöhnlich ernst und erwachsen, fand er.
„Wenn Yvannie das rausfindet, kriegen wir beide Ärger!“, zischelte er und schloss eiligst die Tür hinter sich.
Elea musste lachen. „Sie wird es schon nicht mitbekommen. Vertrau mir, na komm schon.“ Sie sah ihn mit durchdringendem Blick an. „Du willst deine Geliebte doch so schnell wie möglich wiederhaben, oder nicht?“
Er sah sie überrascht an und nickte schließlich, unfähig etwas zu sagen. Was ging nur in ihr vor?
„Na also, dann hör mir jetzt gut zu.“ Sie setzte sich auf sein Bett und wartete darauf, dass er es ihr gleichtat.
Sedryn allerdings ließ sich auf dem Boden nieder und zog sich dabei sein Hemd wieder über.
Er sah sie erwartungsvoll an und sein Herz begann schneller zu schlagen.
Was hatte sie ihm zu erzählen?
„Aber zuerst …“, begann sie und wagte es nicht, ihn direkt anzusehen.
Ihre Hände zitterten, bemerkte Sedryn überrascht, und er zog verwundert eine Augenbraue nach oben.
Was machte sie so nervös?
„… möchte ich dich bitten, mir einen anderen Namen zu geben. Ich ertrage es nicht zu sehen, wie sehr du darunter leidest, dass ich ihren Namen trage … wie sehr es dich jedes Mal aufs Neue an sie erinnert …“
Sedryn starrte sie verblüfft an und wusste nicht, was er sagen sollte. Trotz ihres jungen Alters schien sie voll und ganz zu verstehen, was er fühlte.
Ein Seufzer ging über seine Lippen.
„Elea …“, sagte er schließlich zögerlich und strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Ich … Das kann ich nicht.“ Er schüttelte den Kopf und setzte ein gequält wirkendes Lächeln auf. „Das ist der Name, der dir von deinen Eltern gegeben wurde. Weil sie dich lieben und … weil sie sie geliebt haben …“
Sedryn schwieg einen Moment, um sich seine nächsten Worte zurecht zu legen, aber Elea ließ ihn nicht weitersprechen.
„Aber ich sehe doch, wie du darunter leidest … Ich fühle es! Ich kann deinen Schmerz beinahe greifen! Ich will nicht, dass du wegen mir leiden musst, wegen diesem Namen! Ich will nicht Tag um Tag dein trauriges Gesicht sehen müssen und daran erinnert werden, dass ich sie niemals ersetzen kann! Egal, wie sehr du versuchst, sie in mir zu sehen, ich bin es nicht!“
Heiße Tränen rannen ihre Wangen hinab und sie schluchzte leise. Sie war wütend auf ihn, weil er etwas in ihr sah, dass sie nicht war und auch niemals sein würde. Aber noch wütender war sie auf sich selbst, weil sie nichts tun konnte, um ihm das Leben zu erleichtern oder ihm gar seinen Schmerz zu nehmen.
Sedryn war sprachlos und wusste nicht recht, wie er auf ihre Worte reagieren sollte.
„Elea … das … das ist nicht wahr“, entgegnete er zögerlich und erhob sich. Er hatte nie etwas anderes in ihr gesehen als Yvannies und Isions Tochter. „Ich weiß doch, wer du bist … Du bist nicht sie. Du bist du und niemand sonst, das musst du mir glauben …“
Sedryn ließ sich neben ihr auf der Bettkante nieder und legte einen Arm um sie.
„Es tut mir leid, wenn du das Gefühl hattest, ich sehe nur sie in dir … Komm her … ist ja gut, shhhhh … beruhige dich wieder, Kleines …“
Elea klammerte sich an ihn und vergrub das Gesicht in seiner Schulter.
„Es tut mir so leid!“, schluchzte sie unter Tränen.
Sedryn schüttelte langsam den Kopf und strich ihr vorsichtig übers Haar. „Schon gut … beruhige dich erst mal wieder, Liebes, du zitterst ja am ganzen Körper … Shhhh, ist ja gut …“
Elea schob ihn von sich und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann atmete sie tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Es war lange her, seit sie zuletzt so die Beherrschung verloren hatte, doch Sedryns starke Gefühle hatten sie einfach übermannt.
Ihr Herzschlag beruhigte sich langsam wieder und auch das Zittern ihrer Hände ließ nach.
Elea sah auf. „Hast du sie gesehen?“, fragte sie ihn dann nach einiger Zeit und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster.
Sedryn sah sie verwundert an. Er verstand nicht.
„Was meinst du?“, fragte er neugierig und legte den Kopf schief.
„Ea! Hast du Ea gesehen? Hast du sie gesehen, draußen am See?“
Es dauerte einige Augenblicke, ehe Sedryn verstand, dass sie mit Ea in Wirklichkeit Elea meinte.
Seine Augen weiteten sich und sein Herz begann schneller zu schlagen. Plötzlich schien es ihm, als würde die Zeit stehen bleiben.
„Dann war es also doch keine Halluzination?“ Er blinzelte und hielt den Atem an. Seine Gedanken überschlugen sich.
Geschah dies wirklich? Oder träumte er?
Elea schüttelte den Kopf und ein breites, freudiges Grinsen ging über ihre Lippen.
„Sie war da, wenn auch nur für einen Moment. Ich habe sie gespürt. Hier …“ Sie legte sich eine Hand aufs Herz und sah Sedryn aufgeregt an. „Sie hat so ein angenehm warmes Licht …“
„Ja … ja, das hat sie“, flüsterte er mit einem erfüllten Lächeln auf den Lippen.
Sein verträumter Blick glitt in die Ferne.
Elea war also wirklich gekommen; sie war noch immer am Leben.
Mit einem Mal fühlte er sich leichter und befreiter als jemals zuvor in seinem Leben, denn ihm wurde klar, dass sein Streben sie wiederzufinden nicht einfach nur seinem verzweifelten Wunsch entsprach, nicht wahrhaben zu wollen, dass sie von ihm gegangen war.
Sie lebte und wartete nur darauf, zu ihm zu gelangen.
„Du nennst sie Ea …“, begann er dann und kniff die Augen zusammen.
Elea hielt den Kopf gesenkt und antwortete: „Sie ist Ea, sie ist die weiße Magie. Ich weiß, es ist einfallslos sie einfach Ea zu nennen und doch … das Wort Licht in der alten Sprache trifft am ehesten auf sie zu.“
Sedryn nickte, als er verstand und lächelte ihr aufmunternd zu. „Ich verstehe, du willst dich so von ihr abgrenzen.“
Sie nickte zögerlich und hielt den Atem an, aus Angst, Sedryn würde dies nicht akzeptieren.
„Eleas früherer Name war Ea, bevor sie auf deine Mutter traf. Bevor sie in diese Welt kam …“, sagte er dann und tätschelte ihren Kopf. „Mach dir also keine Gedanken darüber.“ Er zwinkerte ihr zu und Elea nickte erleichtert.
Gedankenverloren starrte sie dann in die dunkle Nacht hinaus, wo sie verzweifelt etwas zu suchen schien.
Sedryn folgte ihrem Blick.
„Ich frage mich …“, begann Elea dann leise und runzelte die Stirn. „Warum kommt sie nicht zu dir, wenn sie schon so nahe war? Sie kennt diesen Ort doch. Auch sie hat hier gelebt.“
Sedryn sah sie an. Darüber hatte er auch schon nachgedacht.
„Vielleicht kann sie nicht. Vielleicht hält sie irgendetwas oder irgendjemand davon ab, zu uns zu kommen? Immerhin …“ Sedryn unterbrach sich und dachte nach. Er wollte sich nicht daran erinnern, was geschehen war – warum seine Elea verschwunden war.
All die Jahre hatte er sich eingeredet, sie war verschwunden, weil sie eine Aufgabe zu erfüllen hatte. Immerhin wohnte ein Teil der Magie in ihr.
Er hatte sich eingeredet, dass sie eine Pflicht, die ihr mit jener Macht zuteil wurde, zu erfüllen hatte und sei es, dass sie alles andere dafür opfern musste.
„Aber die Magie ist verschwunden, keiner von euch vermag es noch, einen Zauber zu vollbringen, Sedryn.“
Er sah sie überrascht an und runzelte die Stirn. „Wie … Woher weißt du, was ich denke? Ich habe doch nicht laut gesprochen, oder etwa doch?“
Elea lächelte und schüttelte den Kopf. Also war es an der Zeit, ihm ihr kleines Geheimnis anzuvertrauen.
„Vor ein paar Jahren hat es angefangen“, begann sie zu erzählen. „Ich habe irgendwann bemerkt, dass ich irgendwie wusste, was mein Gegenüber dachte. Anfangs hielt ich es für Zufall, aber dann geschah es immer häufiger. Ich konnte es nicht kontrollieren und manchmal habe ich Dinge gesehen, die ich nicht sehen sollte. Dinge, die Ada tief in ihrem Herzen vergraben hatte …“ Sie hielt für einen Moment inne, als sie daran zurückdachte. „Ich habe alles gesehen, was damals passiert ist. Alles. Auch das aus ihrem früheren Leben.“
Elea sah ihn mit großen, traurigen Augen an.
Es hatte Tage gedauert, bis sie über die traurige Geschichte ihrer Mutter hinweggekommen war und die grausamen Bilder wieder aus ihrem Geist verbannen konnte.
„Mittlerweile habe ich gelernt, diese Gabe zu kontrollieren und die alte Weide hat mir dabei geholfen. Sie kann sprechen, weißt du?“
Sedryn starrte sie an, als habe sie den Verstand verloren und war unfähig etwas zu sagen. Seine Gedanken überschlugen sich.
‚War die Weide nicht …‘
Er dachte zurück.
Als sie damals aufgebrochen waren, die Wächter zu vereinen, hatte er gespürt, wie das Ende der alten Weide gekommen war und als sie nach langer Zeit wieder zurückkehrten, wuchs kein einziges Blatt mehr auf ihren Zweigen.
Was war mit ihr geschehen?
Elea sah ihn an und lächelte.
„Sie war nie gestorben, Sedryn“, erklärte sie. „Die alte Weide hat nur einen Teil ihrer Magie an Ea zurückgegeben und war wieder zu einem gewöhnlichen Baum geworden. In den vergangenen Jahren hat sie sich regeneriert und neue Kraft geschöpft. Nicht zuletzt durch die Macht des Sees. Sie hat noch eine Aufgabe zu erfüllen, weißt du?