EIN MORD WIRD VERSTEIGERT - Bill Knox - E-Book

EIN MORD WIRD VERSTEIGERT E-Book

Bill Knox

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Klare Sache: Das kleine Hotel auf Zypern fällt nach dem Tod des kinderlosen Ehepaars Anderson dem schottischen Fiskus zu. Aber als der Spezialbeamte aus Edinburgh auf der Mittelmeerinsel eintrifft, sieht der Fall plötzlich gar nicht mehr so eindeutig aus. Jemand will sich um jeden Preis des Hotels bemächtigen - selbst ein Mord scheint dem Unbekannten sich zu teuer... Der Roman EIN MORD WIRD VERSTEIGERT von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1970; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1972. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Bill Knox

 

 

Ein Mord wird versteigert

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 111

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

EIN MORD WIRD VERSTEIGERT 

Prolog 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Klare Sache: Das kleine Hotel auf Zypern fällt nach dem Tod des kinderlosen Ehepaars Anderson dem schottischen Fiskus zu.

Aber als der Spezialbeamte aus Edinburgh auf der Mittelmeerinsel eintrifft, sieht der Fall plötzlich gar nicht mehr so eindeutig aus.

Jemand will sich um jeden Preis des Hotels bemächtigen - selbst ein Mord scheint dem Unbekannten sich zu teuer...

 

Der Roman Ein Mord wird versteigert von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1970; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1972.  

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

   EIN MORD WIRD VERSTEIGERT

 

 

 

 

 

  Prolog

 

 

Der über das Lenkrad gebeugte Mann zog finster die Brauen zusammen, während er durch den Bogen, den der Scheibenwischer freihielt, in den heulenden Sturm und prasselnden Regen der schwarzen Nacht hinausstarrte. Selbst aufgeblendet zeigten die Scheinwerfer nur ab und zu kurz die kurvenreiche Straße. Die dichte, silbrige Regenwand ließ das grelle Licht kaum einige Meter weit dringen.

Die Frau neben ihm stöhnte, und sein Mund verzog sich ein wenig. Früher hätte er vielleicht eine Spur von Mitgefühl aufgebracht. Jetzt war nur die kalte Berechnung geblieben, wie lange sie noch durchhalten würde, wie bald er sein Ziel erreichen und Zuflucht vor diesem Sturm suchen konnte.

Eine scharfe Biegung kam in sein Blickfeld. Er sah sie spät, bremste scharf, hörte einen leisen, angstvollen Laut der Frau und geriet selbst für einen Augenblick in Panik, bevor er das Lenkrad herumriss und den Wagen wieder in die Gewalt bekam.

Der Regen prasselte unaufhörlich auf das Autodach, es klang wie harter Trommelschlag. Es gab einen schwereren Schlag, wie von einem Hammer, als das Fahrzeug durch ein überflutetes Straßenstück rauschte.

Er beachtete die Geräusche nicht, da er zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt war. Zum Teufel damit, er hatte es sich nicht so gewünscht. Wenn sie nicht so eigensinnig gewesen wäre - der Mann fluchte leise vor sich hin und warf einen Seitenblick auf die Frau und wandte sich hastig ab, als sie sich stumm ihm zuwandte.

Eine Bö erfasste den Wagen und schien ihn hochheben zu wollen. Der Regen prasselte wild auf die Windschutzscheibe. Sekundenlang sah er nichts. Als das Glas wieder klar wurde, bemerkte er die Kurve. Sah und erkannte sie in panischem Erschrecken.

Sein Fuß trat wieder auf das Bremspedal, wuchtig und abrupt, als der Instinkt sich gegen die Vernunft durchsetzte. Einen Augenblick lang geschah nichts, dann fassten die Bremsen ungleich.

Der Wagen geriet ins Schleudern und rutschte seitwärts auf den Abgrund zu. Die Reifen glitten über den Teer, als sei er mit Eis überzogen. Die Frau schrie gellend auf, als sie durch die dünne Barriere aus Holz brachen.

Und die Welt überschlug sich.

Er spürte den ersten Aufprall, als der Wagen den Hang hinunterstürzte. Aber das übrige war ein stechender Schmerz, dann explodierende Leere.

Bis er wieder zu sich kam. Und er hörte den Wind, den wütend gepeitschten Regen, begriff, dass er allein und im Wrack eingeklemmt war, während der Schmerz sich wieder auf ihn stürzte und die Erkenntnis auslöste, dass er vielleicht sterben musste.

Der Schmerz steigerte sich zu blutroter, brennender Agonie, bis er nichts mehr wünschte als ein schnelles Ende.

Aber selbst nachdem die Leere zurückgekehrt war, dauerte das andere lange Zeit.

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

»Die Tiere sind vernünftiger als die Menschen«, sagte Jonathan Gaunt voll Überzeugung. Er stand am Fenster im zweiten Stockwerk des Schatzamt-Gebäudes, und als er sich umdrehte, begegneten seine nachdenklichen graugrünen Augen dem Blick des massigen Mannes am Schreibtisch. »Die meisten Tiere jedenfalls - sie halten einen Winterschlaf.«

Was als verlockende Aussicht erschien. Edinburgh Mitte Januar war entweder feuchter, grauer Nebel oder eisiger Nordostwind. An diesem Montagmorgen war es Nebel, und von der Princes Street aus konnte man Schloss Edinburgh und seinen Felsen nur als schemenhaften Umriss über der schottischen Hauptstadt erkennen. Sogar die Tauben auf den Dächern um das Gebäude des Schatzamts wirkten traurig und durchfroren.

Sein einziger Zuhörer ließ ein erstaunlich mitfühlendes Lachen hören. Henry Falconer hätte den Posten eines Abteilungsleiters im Amt des Queen’s and Lord Treasurer’s Remembrancer jetzt zum Schatzamt gehörig, nicht erreicht, ohne sich über die Menschen, mit denen er umzugehen hatte, gut zu informieren. Vor allem über die jüngeren, manchmal schwierigen wie Gaunt.

»Wo fehlt es diesmal?«, erkundigte er sich trocken. »Ist es das Leben allgemein - oder hat Sie die große Finanzwelt wieder einmal an der Nase herumgeführt?«

»Beides.« Jonathan Gaunts breiter Mund verzog sich zu einer wehmütigen Grimasse. Nicht viele Menschen wussten von seiner Leidenschaft für Börsenspekulationen, der er frönte, sooft er ein bisschen Geld übrig hatte. Je weniger im Augenblick davon wussten, desto besser, angesichts einer dräuenden Kleinkatastrophe. »Ich bekam von einem Freund einen Tip über eine Erdölfirma in Australien...«

»Und der Rest lässt sich erraten«, sagte Falconer mit angemessenem Ernst. »Mein tiefstes Mitgefühl, wenn Ihnen das etwas hilft. Wir haben aber selbst ein paar kleine Sorgen.« Seine Hand wies auf die dünne Akte auf dem sonst vorbildlich aufgeräumten Schreibtisch. »Die Hinterlassenschaft des verstorbenen Peter Anderson – die Akte ist mir zur weiteren Aufklärung zurückgegeben worden. Das ist Ihr Auftrag.«

Falconer sah den jüngeren Mann an, als er seine große, kräftige Gestalt in den Sessel gegenüber sinken ließ. Das blonde Haar war zerstrubbelt, das ein wenig sommersprossige, breitknochige Gesicht düster. Mit gutem Grund - die Sache mit der australischen Firma war ein Schlag, Gaunt hatte bei dem Geschäft schon den Gegenwert eines Monatsgehalts verloren, und die Aktien fielen immer noch.

»Wer hat diesmal gepfuscht?«, fragte Gaunt seufzend.

»Beamte pfuschen nicht«, verbesserte Falconer kopfschüttelnd. »Wenigstens nicht während der Dienstzeit - bei uns gibt es nur vorübergehend Verfahrensmängel. Das müssten Sie doch inzwischen gelernt haben. Außerdem besteht das Problem nicht innerhalb der Abteilung, was mir eine Erleichterung ist.«

»Worum geht es dann?« Gaunt wartete. In den fünf oder sechs Jahren, seit er wegen Dienstunfähigkeit aus der Armee entlassen worden und als Außenrevisor zum Schatzamt gekommen war, hatte er gelernt, mit allem möglichen zu rechnen, wenn er in Falconers Arbeitszimmer gerufen wurde.

Die Antwort begann mit einem Achselzucken.

»Das wissen wir nicht genau. Anderson starb vor etwa fünf Monaten, die üblichen Ermittlungen förderten weder ein Testament noch Verwandte zutage, und vorige Woche fiel durch den Mangel an Erben die Hinterlassenschaft an den Fiskus.«

Die üblichen Ermittlungen... fünf Monate mochten einem Außenstehenden lang erscheinen, aber angesichts der unvermeidlichen juristischen Prüfungen war das sogar sehr schnell gegangen. Selbst wenn ein Testament vorhanden war, mochte ein Anwaltsbüro ebenso viele Jahre für diese Aufgabe benötigen, je nach den eintretenden Komplikationen.

»Wieviel bekommen wir?«, fragte Gaunt.

»Mindestens siebzigtausend Pfund, sobald alles liquidiert ist.« Falconer sog für einen Augenblick an seiner Unterlippe. »Das haben wir uns jedenfalls ausgerechnet. Jetzt könnte es erheblich mehr werden. Wieviel mehr genau - tja, das ist eben das Problem.«

Gaunt setzte sich interessiert auf.

»Soll heißen, dass wir irgendwo nicht aufgepasst haben?«

»Möglich.« Falconer griff nach den Büroklammern und begann sie zu einer Kette zu verarbeiten. »Die Hintergründe sind etwas ungewöhnlich. Anderson war Anfang Vierzig, verheiratet, aber keine Kinder. Er und seine Frau hatten ihren gesetzlichen Wohnsitz hier - ein Haus in der Nähe von Carnoustie - lebten aber die meiste Zeit im Ausland, auf Zypern. Dort befindet sich auch das eigentliche Vermögen. Seiner Frau gehörte da unten ein kleines Hotel, und das Geschäft florierte. Zypern hat sich aus dem Tourismuskuchen im Mittelmeer ein beachtliches Stück herausgeschnitten.«

»Ich lese die Reisebüroprospekte«, sagte Gaunt. Er war jetzt ganz bei der Sache, weil sich eine leise Hoffnung meldete. »Was ist den Andersons zugestoßen?«

»Ein Autounfall. Die Frau kam gleich ums Leben, er starb später...« Falconer sah die Frage kommen und schüttelte den Kopf. »Sechzehn Stunden später. Eine zu lange Zeit für eine dehnbare Auslegung.«

Viel zu lang. Wenn zwei Menschen an den Folgen eines einzigen Unfalls starben, ließ das schottische Recht eine gewisse Großzügigkeit bei der Auslegung der Vorschriften über die Erbfolge zu. Es ging amtlich vom gleichzeitigen Ableben aus, wenn das dazu beitrug, die Regelung für Hinterbliebene zu erleichtern. Aber nicht bei einem Zeitunterschied von sechzehn Stunden.

»Wenn die Reihenfolge umgekehrt gewesen und Anderson als erster gestorben wäre, hätten wir mit dem Fall nichts zu tun«, sagte Falconer. Er wand eine Weile an seiner Klammerkette. »Aber - so ist es nun einmal nicht gewesen. Nach dem Testament seiner Frau erbte er alles. Er hatte kein Testament gemacht und besaß überhaupt keine Angehörigen.«

Gaunt nickte. Wenn jemand verstarb, ohne ein Testament oder Erben zu hinterlassen, begannen sich die Räder der Maschinerie zu drehen. Das Geld gelangte über das Schatzamt an die Krone und landete schließlich im Staatssäckel. Diese Vorschrift galt, ob es nun um ein paar Pfund auf dem Sparkonto eines Rentners oder um das größte Finanzimperium ging.

»Irgendwelche Verwandte auf Seiten der Frau?«

»Ganze Horden«, sagte Falconer trübe. »Einschließlich einer Schwester, die ganz ordentlich Stunk gemacht hat.«

»Das kann ich ihr eigentlich nicht übelnehmen«, meinte Gaunt mit echtem Mitgefühl. Das war die andere Seite des Rechts. Wenn eine kinderlose Ehefrau starb und in ihrem Testament alles ihrem Mann hinterließ, hatten ihre Blutsverwandten keinen Anspruch - egal, was geschah. »Trotzdem - woher kommt das zusätzliche Kleingeld?«

»Hier.« Falconer legte seine Kette weg und schob die Akte über den Schreibtisch. »Wir haben das Hotel von einer verlässlichen Firma auf Zypern schätzen lassen. Man teilte uns mit, sechzigtausend Pfund seien als höchster Marktwert anzusehen, und wir wollten die übliche Verkaufsversteigerung durchführen. Inzwischen haben wir aber zwei direkte Kaufangebote bekommen - eines über achtzigtausend, das andere über fünfundachtzigtausend Pfund, beide von Zypern, beide echt. Dass das Geld auch wirklich vorhanden ist, wird beglaubigt.« Er zog die Brauen zusammen. »So viel Geld wird nicht grundlos hinausgeworfen. Der übliche Grund ist der, dass die Leute meinen, was sie kaufen, sei noch mehr wert...«

Jonathan Gaunt gab sich keine Mühe, sein Grinsen zu unterdrücken.

»Ich soll also hinfliegen und...«

»Und klären, was dahintersteckt«, ergänzte Falconer beinahe widerstrebend. Er starrte in die graue Düsternis hinaus und zog die Nase hoch, mit schlecht verhülltem Neid. »Mit anderen Worten, Sie bekommen auf Kosten der Steuerzahler einen völlig unverdienten Urlaub in der Mittelmeersonne, während wir hier sitzen und frieren.«

»Ich schicke eine Ansichtskarte«, versprach Gaunt ernsthaft. »Vielleicht bringe ich sogar eine Flasche Schnaps mit.«

Falconer schnaubte verächtlich.

»Die Antwort würde schon genügen - und zur Abwechslung mal ein paar Belege für Ihre Spesenabrechnung. Ich habe die Kasse beauftragt, den üblichen Reisekostenvorschuss auszubezahlen. Fangen Sie aber mit Ihren Ermittlungen gleich hier an und versuchen Sie, auf Zypern möglichst ohne Zeitvergeudung fertig zu werden. Ich möchte Sie vor dem Wochenende wieder hier sehen.«

»In Ordnung.« Gaunt stand auf und griff nach der Akte. »Sonst noch etwas?«

»Nein, abgesehen davon, dass Mrs. Andersons Schwester noch auf Zypern ist. Wenn Sie ihr begegnen, können Sie keinen freundlichen Empfang erwarten.« Falconer nickte zum Abschied, sah ihm nach, als er zur Tür ging, und räusperte sich plötzlich. »Äh - was die Flasche Schnaps angeht - vielleicht einen Cognac, der dort hergestellt wird...?«

Gaunt grinste verständnisvoll und verließ das Zimmer. Als sich die Tür schloss, lachte Falconer leise in sich hinein und entdeckte die Büroklammerkette vor sich. Er sah sie erstaunt an, bevor er sie in den Papierkorb warf und auf die Taste des Wechselsprechgeräts drückte.

»Ich bin jetzt soweit«, sagte er.

Seine Sekretärin kam herein und brachte den Stapel der Auszahlungsverfügungen dieses Tages. Henry Falconer zog seinen vom Staat zur Verfügung gestellten Kugelschreiber heraus und begann zu unterzeichnen.

Die Gesamtsumme belief sich auf über eine Million Pfund, wie an den meisten Tagen. Von der Rechnung für ein neues Straßenstück im Hochland bis zum monatlichen Pensionsscheck für einen Oberrichter, der seit der Versetzung in den Ruhestand in der Schweiz lebte.

In seiner Abteilung befasste man sich mit den merkwürdigsten Dingen, dachte Falconer. Wenn er gebeten worden wäre, einen Vortrag zu halten, hätte er die Dienststelle über die Jahrhunderte hinweg zu der Zeit zurückverfolgen können, als der ursprüngliche Remembrancer genau das gewesen war - der Mann, dessen Aufgabe es war, sich für seinen König oder die Königin Dinge zu merken, als wandelndes Notizbuch und amtliches Gewissen zu dienen.

Die Aufgaben änderten sich, die Befugnisse schwankten. Jetzt bekleidete den Posten ein Berufsbeamter, von dessen Existenz die meisten Leute vermutlich überhaupt nichts ahnten.

Aber er nahm trotzdem im Mittelpunkt eines komplizierten Gewebes von Verantwortlichkeiten und Autorität eine Schlüsselstellung ein. Er war für praktisch alle Behörden Schottlands der Zahlmeister. Er konnte in vielen Steuerfällen selbständig entscheiden, er überwachte das Handelsregister, kontrollierte die Bücher aller Gerichte in Schottland - und sorgte dafür, dass die ausgesprochenen Geldbußen auch wirklich eingezogen und dann an ihn abgeführt wurden.

Nicht zu reden von seltsamen zusätzlichen Aufgaben wie der Verantwortung für die Sicherheit der schottischen Kronjuwelen, der Verteilung herrenloser Schatzfunde und der Bearbeitung von geheimen Informationen.

Leute, die über den Queen’s and Lord Treasurer’s Remembrancer lachten, hatten hinterher meist Gelegenheit, das zu bedauern.

 

Der Ein-Uhr-Böllerschuss von Schloss Edinburgh dröhnte durch den Nebel, als Jonathan Gaunt zu einer Seitenstraße ging, wo er seinen roten Mini-Cooper geparkt hatte. Er schloss die Tür auf, stieg ein und zündete sich eine Zigarette an, bevor er den Motor anließ.

Fast den ganzen Vormittag, seit er sich von Falconer verabschiedet hatte, war er mit der Lektüre der Akte Anderson beschäftigt gewesen und hatte die ersten Schritte unternommen. Geleistet hatte er bisher noch nicht sehr viel, aber wenigstens war er sich über die Hintergründe im Klaren.

Peter Anderson, ein dreiundvierzig Jahre alter Ingenieur, war mit Irene Francis zehn Jahre verheiratet gewesen. Die Hochzeit hatte auf Zypern stattgefunden, wo seine Braut das Hotel Carolina an der Nordküste der Insel besaß. Vier Jahre später hatten sie das Haus in Carnoustie als ihr Heim in Schottland gekauft. Der Besitztitel lautete auf Peter Anderson. Bei ihrem Tod hatte Andersons Bankkonto ein Guthaben von unter tausend Pfund, das seiner Frau nur ein paar hundert mehr ausgewiesen.

Das Hotel und das Haus - nun, das Haus lag im Augenblick näher, und es konnte nichts schaden, wenn er versuchte, etwas mehr über das Ehepaar zu erfahren. Aus der Akte ergab sich, dass die Polizei die Schlüssel zum Haus besaß - und bei seinem Anruf hatte man ihm versprochen, einen Beamten hinzuschicken, der ihn erwarten würde. Anschließend hatte er eine Verabredung mit dem Rechtsanwalt, der den Fall zunächst bearbeitet hatte.

Gaunt setzte den Wagen in Bewegung und fuhr durch den Stadtverkehr zur Forth-Road-Brücke und nach Norden.

Wenigstens das Auto war ein Beweis dafür, dass sich seine Börsenspekulationen manchmal lohnten. Der größte Teil des Kaufpreises stammte von einem brauchbaren Hinweis auf die Ausweitung eines Brauereikonzerns. Die Aktien waren in fünf oder sechs Tagen von zehn auf fast vierzig Shilling hochgeschnellt, und er war gerade noch ausgestiegen, bevor sie auf dreißig zurückgesunken waren.

Er lachte vor sich hin, als er daran dachte. Das Geld hatte sogar dafür gereicht, das Fahrzeug mit einem Schalensitz auszustatten, ein schier unglaublicher Luxus für einen Mann, der sechs Monate mit gebrochenem Rückgrat in einem Lazarett gelegen hatte und als Beweis auf eine winzige Wehrentschädigungsrente verweisen konnte.

Aber das gebrochene Rückgrat war in mehr als nur einer Beziehung das Ende eines Kapitels gewesen. Lieutenant J. Gaunt vom Fallschirmjägerregiment, Opfer des teilweisen Versagens eines Fallschirms bei einem Übungssprung, war eine Person gewesen, der Mann, der das Lazarett verlassen hatte, um sich wieder eine Existenz als Zivilist zu verschaffen, eine andere.

Und nicht nur wegen Patty. Obwohl das manchmal noch wehtat, so weh wie der Rücken, wenn er eine falsche Bewegung machte.

Er lenkte den Mini-Cooper durch eine Lücke und nahm das Gas wieder weg.

Nein, er konnte die Schuld nicht allein Patty geben. Sie war jung und blond gewesen, und sie hatte einen jungen, sportlichen Mann geheiratet. Immerhin hatte sie gewartet, bis er aus dem Lazarett entlassen worden war, bevor sie ihm erklärte, dass es vorbei sei. Die Scheidung war friedlich über die Bühne gegangen, und Kinder, die sie hätten komplizieren können, gab es nicht.

Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, wenn sie ein Kind gehabt hätten.

Aber das war vorbei und abgetan. Er hatte ein paar Semester Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaft studiert, bevor ihm die Armee bessere Aussichten zu bieten schien. Er hätte an die Universität zurückgehen können, um ein Examen zu machen, aber das war ihm zu anstrengend erschienen.

Die Lösung hatte Falconers Dienststelle gebracht, durch eine Kombination von Glück, Zufall und Tatsache seiner militärischen Vergangenheit.

Die Mautschranke am Forth versperrte ihm den Weg. Er hielt, bezahlte, und gab wieder Gas, den Fluss und seine Schiffe tief unter sich.

Es hätte viel schlimmer kommen können, dachte er. Jonathan Gaunt, vierunddreißig Jahre alt, ohne Angehörige, wusste, dass er sein Leben noch vor sich hatte - und das freute ihn.

 

Über die neuen Forth- und Tay-Straßenbrücken betrug die Entfernung zwischen Edinburgh und dem Golfmekka Carnoustie entlang der Ostküste fünfundsechzig Meilen, auf schneller, nicht übermäßig stark befahrener Straße. Der Mini-Cooper brach kurz nach dem Verlassen der Stadt aus dem Nebel in kühlen, klaren Sonnenschein und legte die Strecke in knapp eineinhalb Stunden zurück.

Carnoustie ist ein kleiner Ort und verdankt Ruhm und Glück vorwiegend seiner Lage an einem vom Meer umgebenen Landstreifen, der als einer der schönsten Golfplätze der Welt gilt. Golf und die Golfspieler, der Ruf, Austragungsort einer offenen britischen Meisterschaft zu sein, hatten die Grundstücks- und Häuserpreise hochgetrieben. Ein Haus mit Blick auf die Hauptspielflächen des Golfplatzes von Carnoustie kostete einen gewaltigen Zuschlag.

Das Haus der Andersons gehörte in diese Kategorie. Gaunt hielt sich an die Hinweise, die man ihm gegeben hatte, bog von der Hauptstraße mit ihren Sportgeschäften und Hotels ab und schlängelte sich durch den Wohnbezirk, bis er parallel zu den Spielflächen und den mit roten Flaggen gekennzeichneten Grüns dahinfuhr. Nach zweihundert Metern hielt er hinter einem Polizeiauto, das vor einem kleinen, hellen Einfamilienhaus stand.

Er stieg aus und wurde von einem breitschultrigen Sergeant mit wettergegerbtem Gesicht begrüßt, der eine gelangweilte Miene zur Schau trug, als gehöre sie mit zu seiner Uniform.

»Sergeant MacLean, Landpolizei«, stellte er sich mit knappem Nicken vor. »Ich habe die Schlüssel wie gewünscht mitgebracht. Was stimmt denn eigentlich nicht?«

»Hier wüsste ich nichts«, versicherte ihm Gaunt. Er fröstelte ein wenig, denn die vom Meer heranwehende Brise war kalt. »Ich will mich im Haus nur einmal umsehen.«

»Na gut.« MacLean wurde zugänglicher. »Ich hab’ mir nur Gedanken gemacht, nach allem, was passiert ist. Je früher das Haus  verkauft und wieder bewohnt wird, desto lieber ist es uns, vom Standpunkt der Polizei aus gesehen.«

»Was soll das heißen?« Jonathan Gaunt zog interessiert die Brauen hoch.

»Zwei Einbrüche hintereinander nehmen sich in unserem Tagebuch nicht gut aus.« Sergeant MacLean runzelte die Stirn, als ihn Gaunt verständnislos ansah, und seufzte, als habe er schon zu viel gesagt. »Ich dachte, das wissen Sie schon und Sie wollten nur noch einmal nachsehen, bevor das Haus verkauft wird. Die Einbrüche waren ziemlich harmlos. Ich glaube nicht, dass etwas von Bedeutung mitgenommen worden ist...«

»Sparen wir uns das auf, bis wir im Haus sind«, schlug Gaunt vor. Die blasse Sonne hatte auf den Bodenfrost noch wenig Eindruck gemacht, und er fror immer mehr. »Aber es interessiert mich, Sergeant. Ich will es von Anfang an hören.«

Sergeant MacLean ging achselzuckend voraus. Sie marschierten über den Kiesweg, und er zog eine kleine, lederne Schlüsseltasche heraus, um die schwere Doppeltür zu öffnen. Als nächstes kam eine gläserne Innentür. Er trat zur Seite und ließ Gaunt vorangehen.

Das Haus war innen hell und modern eingerichtet. Eine halbgeöffnete Tür erlaubte einen Blick in ein großes, schön möbliertes Wohnzimmer mit dicken Teppichen. Aber man spürte, dass das Haus lange unbewohnt gewesen war.   

»Fünf Zimmer«, sagte MacLean. »Drei hier unten, zwei Schlafzimmer oben - und hinten ist eine Garage neu angebaut. Sein Wagen Steht noch dort, ein Volvo.«

Gaunt nickte.

»Gut, Sergeant. Die Führung hat Zeit. Was war los?«

»Von Anfang an, sagten Sie.« MacLean seufzte und schob seine Mütze ins Genick. »Andersons hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Hausschlüssel bei uns abzugeben, wenn sie nach Zypern zurückgingen. Als wir erfuhren, dass sie umgekommen waren, haben wir die Schlüssel Harkness, Mr. Andersons Anwalt, übergeben. Nach dem ersten Einbruch lieferte Harkness sie aber sofort wieder ab - seitdem liegen sie bei uns.«

»Ganz vernünftig«, meinte Gaunt. Er sah sich in einem Spiegel und fand, dass er durchfroren aussah, wie er sich fühlte. »Wann war es das erste Mal?«

»Zwei Tage, nachdem wir von dem Autounfall gehört hatten, bevor die meisten Leute hier überhaupt Bescheid wussten.« MacLean zog eine alte Pfeife heraus und sog daran, griff aber nicht nach einem Streichholz. »Wir hatten das Haus wie üblich überwacht, aber das heißt nur, dass ein Streifenbeamter ab und zu vorbeifährt. Es war ganz simpel - ein Fenster an der Rückseite, nachts aufgebrochen, Schubladen ausgeleert, Schränke ausgeräumt. Wir setzten uns mit dem Anwalt in Verbindung, und er geriet ein bisschen in Panik. Es sah aber nicht danach aus, als sei viel mitgenommen worden. Der Einbrecher war zurückhaltend. Harkness nahm Schmuck und ein silbernes Teeservice mit, wir reparierten das Fenster, und der Fall war erledigt.«

»Bis zum nächsten Mal.«

MacLean nickte.

»Etwa zehn Tage später. Dasselbe Fenster, dasselbe Durcheinander im Haus - und bei dieser Gelegenheit hat sich jemand am Barschrank gütlich getan. Eine Flasche Whisky war fast leer, und das sind nicht wir gewesen.«

Gaunt grinste.

»Glaube ich Ihnen. Haben Sie Spuren gefunden?«

»Nichts Brauchbares«, Sagte MacLean erbost. »Fußabdrücke in einem Blumenbeet hinter der Garage - sie wurde beim zweiten Mal aufgebrochen, als wir die Mitteilung bekamen, dass ein Auto ohne Licht gesehen worden sei.« Er zog an seiner kalten Pfeife und lachte leise. »Ein junges Pärchen aus dem Ort war gegen ein Uhr nachts auf dem Golfplatz und sah jenen Wagen. Aber das war alles - hier ist es ziemlich still, und es gibt nicht viele Nachbarn.«

Jonathan Gaunt nickte und machte die Runde durch das Haus. Küche und Bad waren neu eingerichtet, das Mobiliar zeigte überall beträchtlichen Geschmack. Im großen Schlafzimmer oben bedeckte eine schwere Spitzentapisserie fast eine ganze Wand.

»Wahrscheinlich aus Zypern«, sagte MacLean, als er den Stoff befingerte. »Sind Sie schon mal dort gewesen, Mr. Gaunt?«

»Bis jetzt noch nicht.« Gaunt zog interessiert die Brauen hoch, als er den Frisiertisch erreichte, wo das gerahmte Foto einer gutaussehenden Frau mit schwarzen Haaren stand. Sie mochte Ende Dreißig gewesen sein, mit schmalem Gesicht und hohen Backenknochen, und einem Lächeln, das ein wenig traurig wirkte. »Mrs. Anderson?«

»So sah sie aus«, bestätigte MacLean. »Auch sehr freundlich - aber es war nicht gut Kirschen essen mit ihr, wenn sie ihren schlechten Tag hatte. Es hieß, dass sie ihr Hotel auf Zypern vielleicht verkaufen und dauernd hier leben würden, wo sie sich in den Gemeinderat wählen lassen wollte. Sie hätte schon Leben in die Bude gebracht.« Er deutete auf ein anderes Foto, das schief an der Wand hing. »Anderson war ein anderer Typ, ruhig und unauffällig.«

Gaunt trat vor das Bild und richtete es gerade. Es war eine Farbvergrößerung eines Amateur-Schnappschusses, als Hintergrund weißer Sandstrand und blaues Meer.

Er trat einen Schritt zurück und betrachtete den Mann, der bisher nur ein Name in einer Akte gewesen war. Ein kleiner, gedrungener Mann mit aschblondem Haar und mittellangen Koteletten. Peter Anderson hatte ein kantiges, zynisch wirkendes Gesicht, das in seiner Härte von einem pflichtgemäßen Fotografie-Lächeln nur zum Teil gemildert wurde. Seine Hände steckten tief in den Taschen einer weißen langen Hose, das weiße Hemd war am Kragen weit geöffnet.

»Mochten ihn die Leute hier?«

»Schwer zu sagen - wir haben ihn nicht oft zu Gesicht bekommen.« MacLean verzog den Mund. »Wir haben ihn aber nachts einmal total betrunken vor einem Hotel im Ort aufgelesen und heimgebracht. Am nächsten Morgen kam er sofort zur Station und entschuldigte sich so lange, bis es beinahe peinlich wurde.«

Sie gingen wieder hinunter ins Wohnzimmer. Jonathan Gaunt ließ sich in einem Sessel nieder und fuhr mit dem Handrücken über sein Kinn.

»Zwei Einbrüche, Sergeant - wer es auch gewesen sein mag, worum ging es ihm?«

»Vielleicht um Bargeld. Oder es könnte ein Landstreicher gewesen sein, der eine Unterkunft suchte und sich bei der Gelegenheit gleich umsah.«

»Ein Landstreicher, der einen Wagen fährt - und nicht mitnimmt, was er hier findet?« Gaunt lachte angesichts der Verlegenheit MacLeans.

»Tja, ich weiß nicht«, gab MacLean stirnrunzelnd zu. »Das waren die merkwürdigsten Einbrüche, die ich je gesehen habe.«

»Kein Tresor?«

»Ich weiß nichts davon, und der Anwalt hätte uns bestimmt Bescheid gesagt, wenn es einen gäbe.« MacLean kaute an seiner Unterlippe, zog dann plötzlich die Schlüsseltasche heraus und sah sie an. »Wohlgemerkt...«