Ein süßes Versprechen - Stephanie Laurens - E-Book
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Ein süßes Versprechen E-Book

Stephanie Laurens

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Beschreibung

Heißere Liebesszenen als bei Stephanie Laurens werden Sie nirgendwo finden

Loretta Michelmarsh hat ihren eigenen Kopf. Bereits dem achten potenziellen Ehemann hat sie einen Korb gegeben, denn sie will nichts weniger als den Mann ihrer Träume. Und genau von diesem wird sie in einer brenzligen Situation befreit. Captain Rafe Carstairs hat alles, was sie sich immer gewünscht hat, doch er hat auch ein dunkles Geheimnis. Wird die Liebe, die die beiden bald eint, dem standhalten können?

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Buch

Die schöne Loretta Michelmarsh hat ihren eigenen Kopf: Bereits dem achten potenziellen Ehemann hat sie einen Korb gegeben, denn sie will nichts weniger als den Mann ihrer Träume. Als ihre Großtante Esme sie auf eine Reise mitnehmen will, ist die junge Frau begeistert. Doch die beiden Frauen haben es nicht leicht, denn es gibt Männer, die in ihnen eine leichte Beute sehen und zudringlich werden. Eine solche Szene beobachtet der gefährlich attraktive Captain Rafe Carstairs. Er schreitet sofort ein und befreit Loretta und ihre Großtante aus dieser brenzligen Situation. Schnell merkt Loretta, dass Rafe alles hat, was sie sich immer wünschte, doch er hat auch ein dunkles Geheimnis. Wird die Liebe, die die beiden bald eint, dem standhalten können?

Autorin

Stephanie Laurens begann mit dem Schreiben, um etwas Farbe in ihren wissenschaftlichen Alltag zu bringen. Ihre Bücher wurden bald so beliebt, dass sie ihr Hobby zum Beruf machte. Stephanie Laurens gehört zu den meistgelesenen und populärsten Liebesromanautorinnen der Welt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in einem Vorort von Melbourne, Australien.

Von Stephanie Laurens bei Blanvalet lieferbar:

Küsse im Morgenlicht · Verführt zur Liebe · Was dein Herz dir sagt · Hauch der Verführung · Eine Nacht wie Samt und Seide · Im Feuer der Nacht · Ein verführerischer Schuft · Mein ungezähmtes Herz · Ein feuriger Gentleman · Geheimauftrag: Liebe · In den Armen des Spions · Eine stürmische Braut

Stephanie Laurens

Ein süßes Versprechen

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Ute-Christine Geiler

Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »The Reckless Bride« bei Avon Books,an imprint of HaperCollinsPublishers, New York.

1. AuflageDeutsche Erstausgabe März 2014bei Blanvalet Verlag, einem Unternehmen derVerlagsgruppe Random House GmbH, MünchenCopyright © 2010 by Savdek Management Proprietory Ltd.Published by arrangement with Avon,an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.Copyright © 2014 für die deutsche Ausgabeby Blanvalet Verlag, in der VerlagsgruppeRandom House, MünchenUmschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign,unter Verwendung eines Motivs von © Franco AccorneroRedaktion: Sabine WiermannLH · Herstellung: cbSatz: DTP Service Apel, HannoverISBN: 978-3-641-11110-6www.blanvalet.de

Prolog

15. September 1822Nördlich von Bombay, Indien

Von dem unablässigen Trommeln der Hufe seines Pferdes dröhnte sein Schädel. Rafe Carstairs, bis vor Kurzem Captain der britischen Armee in Diensten der ehrenwerten Ostindien-Kompanie unter direktem Kommando des Generalgouverneurs von Indien, blickte über seine Schulter hinter sich auf den Weg, dann trieb er sein Pferd auf den ersten einer Reihe niedriger Hügel, die sich vor ihm erhoben.

Neben ihm ritt Hassan, sein Offiziersbursche und eigentlich eher Gefährte als Diener, und hielt mit ihm Schritt. Der große sehnige und furchteinflößend wild aussehende paschtunische Krieger kämpfte seit fünf Jahren an Rafes Seite. Ohne Zögern hatte er Rafes Einladung angenommen, ihn auf seiner gefährlichen Flucht um die halbe Welt zu begleiten.

Rafes Auftrag lautete eigentlich ganz einfach: »Bring das Original eines belastenden Briefes zurück nach England.« Dieses Schriftstück war Beweis genug, um den Engländer zu hängen, der die Sekte der Schwarzen Kobra ins Leben gerufen hatte und nun kontrollierte. Durch die boshafte Tyrannei des Kultes blutete er mit seinen Anhängern zu viele indische Dörfer aus. Sobald Rafe in England angekommen war, sollte er den Brief einem Mann übergeben, der mächtig genug war, die Schwarze Kobra zu stürzen und ein für alle Mal zu vernichten.

Gleichzeitig befanden sich Rafes drei engsten Freunde und Kameraden Colonel Derek Delborough, Major Gareth Hamilton und Major Logan Monteith auf unterschiedlichen Routen auf dem Weg nach England, mit identischen Kopien des entscheidenden Beweisstückes im Gepäck – Täuschungsmanöver, um die Schwarze Kobra von dem einen Mann abzulenken, der unbedingt dort ankommen musste.

Rafe.

Wie Rafe auch hatte Hassan mit eigenen Augen zu viele Gräuel der Schwarzen Kobra gesehen, um nicht die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen, die sich ihnen jetzt bot, um den Schurken seiner gerechten Strafe zuzuführen.

Oben auf dem ersten Hügelrücken zügelte Rafe sein Pferd, wendete es und suchte mit zusammengekniffenen Augen die weite Ebene ab, die sie am heutigen Morgen überquert hatten.

Hassan tat es ihm nach.

»Keine Verfolger.«

Rafe nickte.

»Der Boden dort unten ist zu staubig, als dass man galoppierende Pferde übersehen könnte.« Nerven, die zum Zerreißen gespannt gewesen waren, seit sie am Abend zuvor Bombay verlassen hatten, lockerten sich ein wenig.

»Nach dem Treffen mit den drei anderen unverzüglich aufzubrechen, war klug.« Hassan wendete sein Pferd und ritt weiter.

Rafe folgte ihm, dann trieben sie die Pferde zu einem leichten Trab an, ritten in nordwestlicher Richtung.

»Wenn sie unsere Fährte gestern nicht aufgenommen haben, gleich nachdem wir Bombay verlassen hatten, wird es für sie schwierig werden, unsere Route zu erraten.«

»Sie werden damit rechnen, dass Sie den Weg übers Meer nehmen – sie werden in den Häfen und auf Schiffen Ausschau halten. Selbst wenn sie daran denken, den Landweg zu überwachen, wird niemand uns erkennen können. Schließlich sind wir nur zwei Stammeskrieger.«

Rafe grinste und blickte zu Hassan, der in seiner Stammeskleidung überhaupt nicht auffiel. Rafe war ähnlich gekleidet. Sein eher europäischer Körperbau war in den lose sitzenden Gewändern nicht zu erkennen, das blonde Haar war unter einer Kopfbedeckung aus verschlungenen Tüchern verborgen und seine Haut in Gesicht und auf Armen und Händen von Jahren in der Sonne dunkel gebräunt – einzig seine blauen Augen verrieten ihn.

Und man musste ihm schon nahe kommen, um die Augenfarbe zu sehen.

Er blickte nach vorn.

»Gesetzt den Fall, der Kult ist uns nicht dicht auf den Fersen, wäre es möglich, dass eine ereignislose Reise vor uns liegt, wenigstens bis wir den Ärmelkanal erreichen. Ich hoffe nur, die anderen konnten ebenso problemlos Bombay verlassen.«

Hassan brummte. Sie beschleunigten ihr Tempo und ritten weiter, zunächst mit dem Ziel des fruchtbaren Landes von Rajputana und dahinter dann die gefährlicheren und öderen Gebiete unter afghanischer Oberhoheit. Sie mussten noch eine weite Wegstrecke durch Kleinasien zurücklegen, bevor sie Europa erreichten, ganz zu schweigen vom Ärmelkanal. Vor ihnen lag noch eine lange Reise, und ihnen stand dafür nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung.

Rafe verspürte ein Gefühl tiefer Befriedigung, dass er derjenige gewesen war, der den Schriftrollenhalter mit dem Original gezogen hatte; die anderen drei enthielten Kopien. Sein Freund und Kamerad Captain James MacFarlane hatte sein Leben dafür geopfert, dass der belastende Brief sicher zu ihnen gelangte. Rafe hatte James’ Leichnam gesehen, von den Händen der Schwarzen Kobra verstümmelt und mit Spuren grausamster Folter übersät. Rafe dürstete nach Rache.

Die einzig akzeptable Rache bestand darin, sicherzustellen, dass die Schwarze Kobra gehängt wurde.

Rafe schlug seinem Pferd die Hacken in die Flanken.

»Weiter. Mit ein wenig Glück und St. Georgs Beistand werden wir triumphieren.«

Das würden sie … oder Rafe würde bei dem Versuch sein Leben lassen.

18. September 1822Stadthaus der Michelmarshs am Connaught Square in London

»Ich bedauere es zutiefst, so ungefällig sein zu müssen, aber ich kann einfach Lord Eggles’ Heiratsantrag nicht annehmen.« Loretta Violet Mary Michelmarsh betrachtete zerknirscht ihre Geschwister und deren Ehepartner, die auf Stühlen und Sesseln der Bibliothek saßen. Sie war sich nicht sicher, warum ihre Ablehnung von Lord Eggles’ Antrag auf so viel mehr Unverständnis stieß als die sieben Abfuhren, die sie zuvor erteilt hatte.

»Aber … warum?« Catherine, Lorettas Schwägerin und Gattin ihres älteren Bruders Robert, spreizte die Hände und schaute sie fassungslos an. »Lord Eggles hat alles, was man sich nur wünschen kann – er ist ein in jeder Hinsicht überaus begehrenswerter Junggeselle.«

Außer, dass er todlangweilig ist. Und ein von sich eingenommener Wichtigtuer.

»Ich glaube, ich habe erwähnt«, bemerkte Loretta und bemühte sich darum, höchst vernünftig zu klingen, »dass ich nicht heiraten möchte – nun, wenigstens nicht jetzt.« Nicht bis sie den Mann ihrer Träume getroffen hatte.

»Aber Lord Eggles war der achte – der achte mehr als infrage kommende Verehrer, den du abgewiesen hast!« Catherines Stimme schraubte sich in durchdringende Höhen. »Du kannst nicht einfach dauernd Heiratsanträge ablehnen – alle werden anfangen sich zu fragen, warum du das tust.«

»Ach wirklich?« Loretta hob die Brauen. »Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie damit ihre Zeit verschwenden sollten.«

»Weil du eine Michelmarsh bist, natürlich.« Margaret, ihre älteste Schwester, blickte zu Annabelle, der mittleren der Schwestern, und schaute dann wieder Loretta an. »Ich möchte dich nicht bedrängen, aber in dieser Sache hat Catherine recht – deine ständige Ablehnung aller Verehrer grenzt an einen Skandal.«

»Du bist eine Michelmarsh und eine Frau«, stellte Annabelle fest. »Daher wird von dir erwartet, dass du heiratest. Und während dir alle zugestehen, dass du dich eines ruhigeren und zurückhaltenderen Auftretens befleißigst als Margaret oder ich oder sonst eine junge Dame der Familie in jüngster Vergangenheit, heißt das nicht, dass du dadurch von dieser allgemeinen Erwartung befreit wirst. Alle Frauen der Familie heiraten – und gewöhnlich auch gut. Nimm noch das beträchtliche Erbe hinzu, das bei deiner Heirat auf deinen Ehemann übergehen wird, und die Antwort auf die Frage, wen du als besagten Ehemann wählst, hält einen großen Teil der guten Gesellschaft mehr oder weniger ununterbrochen in Atem.«

Loretta war die leichte Betonung des Wortes »befleißigst« nicht entgangen, die Annabelle darauf gelegt hatte. Der Ausdruck in Annabelles blauen Augen versicherte Loretta, dass Annabelle, zwei Jahre älter als Loretta mit ihren vierundzwanzig Jahren, aber ihr unter den Geschwistern im Alter am nächsten, gut begriff, dass Lorettas Zurückhaltung in der Tat nicht natürlich war, sondern eine angenommene Rolle. Und wenn Annabelle das wusste, dann tat Margaret das auch.

»Was deine Schwestern dir zu erklären versuchen«, warf Margarets Gatte John von seinem Platz auf dem Sofa ein, »ist, dass dein kategorisches und sofortiges Ablehnen aller Verehrer, die den Mut aufgebracht haben, um dich anzuhalten, zu Mutmaßungen darüber einlädt, ob es weniger die einzelnen Verehrer sind, sondern vielmehr die Institution Ehe an sich, die du ablehnst.«

Loretta zog die Brauen zusammen. Sie wusste genau, was sie von dem Mann erwartete, den sie heiraten wollte. Sie hatte ihn nur noch nicht gefunden.

Robert, ihr älterer Bruder und Vormund, saß hinter seinem Schreibtisch links von dem Stuhl mit der hohen Lehne, auf dem Loretta Platz genommen hatte, und räusperte sich. Sie schaute ihn an und sah, dass seine Wangen leicht gerötet waren. Verlegenheit, nahm sie an, keine Verärgerung. Verärgerung war schließlich ein heftiges Gefühl, und Robert hatte sich, unterstützt und bestärkt von Catherine, dem Ziel gewidmet, der erste Michelmarsh der Geschichte zu sein, der zurückhaltend, gesetzt und anständig war, fast so gefühllos, dass es eigentlich nicht mehr darauf ankam.

In seinem Fall war dieses Auftreten nicht angenommen.

Robert war das weiße Schaf in einer Familie wenn nicht voll schwarzer Schafe, so doch immerhin scheckiger. Die Michelmarshs waren der Überschwang in Person und waren das immer gewesen, bis in die Zehenspitzen extrovertiert.

Alle bis auf Robert.

Im Alter von zwölf Jahren verwaist und unter Roberts Vormundschaft gestellt, in seine Familie geholt und unter Catherines wohlmeinende, aber manchmal erstickende Fittiche genommen, hatte Loretta früh begriffen, dass es am einfachsten war, wenn sie sich den Anschein gab, angepasst zu sein.

Über die Jahre war es ihr zur Angewohnheit geworden, diesen Weg als den leichtesten Weg zu nehmen. Sie hatte rasch entdeckt, dass das viele Vorteile mit sich brachte, vor allem den, dass es ihr die Mühe ersparte, auf gesellschaftlichen Anlässen die Runde zu machen, die sie insgesamt als überflüssig ansah. Den Blick gesenkt zu halten und nur leise zu sprechen ermöglichte es ihr, am Rand des Ballsaales zu stehen oder in einem Empfangssalon zu sitzen und an andere Sachen zu denken. An Sachen, die sie gelesen hatte, oder Angelegenheiten, die wesentlich anregender waren als die Gesellschaft um sie herum.

Sie hatte erkannt, dass es vieles gab, was für zurückhaltendes Betragen sprach. Man konnte es dazu nutzen, alle möglichen Betätigungen zu vermeiden, mit denen sie nicht belästigt werden wollte.

Wie beispielsweise sich mit Herren abzugeben, an denen sie gar nicht interessiert war.

Gewöhnlich wirkte es.

Nur hatte es leider einige gegeben, die sich von dem Anschein angezogen gefühlt hatten, den sie sich gegeben hatte. Angesichts des Umstandes, dass sie jahrelange Übung darin besaß, diesen Anschein zu wahren, hatte es sich als nahezu unmöglich herausgestellt, ihnen begreiflich zu machen, dass es die zurückhaltende und züchtige junge Dame, die sie für die perfekte Ehekandidatin hielten, gar nicht gab. Wenigstens nicht in ihrer Person.

Daher rührte ihre kategorische und sofortige Ablehnung aller Anträge.

»Meine Liebe.« Robert verschränkte die Hände, senkte das Kinn und betrachtete sie ernst unter seinen buschigen Brauen. »Ich befürchte sehr, dass es bezüglich deiner gegenwärtigen Einstellung allen Verehrern gegenüber so nicht weitergehen kann. Du wirkst, wie alle mir hier sicher beipflichten werden, wie ein Muster holder Weiblichkeit und wirst deswegen als die perfekte Ehefrau von all denen angesehen, die eine solche Frau suchen. Lord Eggles würde für dich einen ausgezeichneten Ehemann abgeben. Da ich ihm bereits die Erlaubnis erteilt habe, dir seine Aufwartung zu machen – wie ich es auch bei den letzten sieben Herren getan habe –, muss ich dir dringend nahelegen, es dir noch einmal zu überlegen.«

Loretta blickte Robert an.

»Nein.« Verärgerung und Zorn machten sich in ihr breit, aber sie drängte beides zurück, atmete tief durch und fügte mit ruhiger, gemessener Stimme hinzu: »Ich kann nicht glauben, dass du willst, dass ich einen Gentleman heirate, für den ich nichts empfinde.«

Catherine runzelte die Stirn.

»Aber …«

»Ich bin überzeugt«, fuhr Loretta fort, »dass letztlich ein passender Gentleman erscheint und um meine Hand anhält. Bis dahin werde ich selbstverständlich alle Anträge von den Herren ablehnen, die nicht …« Sie stockte.

»Deinen Erwartungen gerecht werden?«, schlug ihr jüngerer Bruder Chester vor.

Er hatte ihr die Worte aus dem Mund genommen.

Seine blauen Augen auf ihr Gesicht gerichtet, sprach Chester weiter.

»Dein Problem, meine liebe Schwester, besteht darin, dass du – Inbegriff von Anstand und Zurückhaltung, der du zu sein scheinst – die falsche Sorte Männer anlockst.«

»Unsinn!« Catherine schüttelte ihren Schal auf wie eine gekränkte Henne ihr Gefieder. »Lord Eggles ist ebenfalls ein mustergültiger Gentleman.«

»Genau, was ich meinte«, versetzte Chester.

»Ich habe keine Ahnung, was du meinst«, erwiderte Catherine.

Das mochte stimmen, aber Loretta wusste das sehr wohl. Sie war auch schon darauf gekommen, aber es erschreckte sie nun doch, dass selbst der einundzwanzigjährige Chester ihre Maske durchschaute … und das gleiche Problem erkannt hatte, das sie auch im Verdacht hatte.

»Vielleicht« – Margaret blickte Robert an – »wäre es nicht verkehrt, wenn Loretta, damit sie Gelegenheit erhält, sich darüber klar zu werden, was genau sie von ihrem zukünftigen Ehemann erwartet, ein paar Monate bei uns wohnt. Bald wird die kleine Saison beginnen …«

»Oh nein.« Catherine legte Robert eine Hand auf den Arm und fing seinen Blick auf. »Auf keinen Fall.« Sie blickte Margaret an und lächelte begütigend. »Außerdem kann ich mir denken, dass du mehr als genug damit zu tun haben wirst, Johns Politikerbekanntschaften zu unterhalten. Es wäre kaum fair, dich zu bitten, auch noch die Rolle von Lorettas Anstandsdame zu übernehmen.«

Während ihre Schwestern sich taktvoll daranmachten, sie aus Catherines Obhut zu befreien, wusste Loretta, dass sie auf verlorenem Posten kämpften. In Catherines Augen wäre es ein Eingeständnis von Versagen, wenn sie darin einwilligte. Loretta überlegte unterdessen, ob Politikerkreise vielleicht vielversprechender für ihre Suche wären. Sie war sich sicher, dass es den Mann ihrer Träume gab – schließlich war sie eine Michelmarsh. Aber sie war davon ausgegangen, er besäße den gesunden Menschenverstand, nach ihr Ausschau zu halten, sich ihr vorzustellen, ihr den Hof und dann einen Heiratsantrag zu machen, den sie nicht ablehnen würde.

Es war alles ganz klar in ihrem Kopf.

Leider musste sie ihre Theorie erst noch in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit bringen.

Und sie machte sich zunehmend Sorgen, dass Chester am Ende doch recht hatte. Sie musste vielleicht wirklich ihre Herangehensweise ändern.

Selbst wenn nur, um weitere Verehrer wie Lord Eggles und seinesgleichen zu vermeiden.

Aber was genau ändern? Und in was? Und wie?

»Ich bin sicher …«

»Ehrlich, es wäre keine große Mühe. Warum …«

»Es wäre einfach nicht richtig, wenn …«

Loretta war in Gedanken so damit beschäftigt, ihre neue Richtung zu bestimmen, dass die Einwände – alle miteinander zwecklos – an ihr vorbeiflogen. So kam es, dass sie die Einzige war, die die Geräusche aus der Halle hörte, die von der Ankunft eines Besuchers kündeten. Sie blickte zu der Tür.

Als die aufgestoßen wurde, segelte eine Dame beeindruckender Großartigkeit in den Raum.

Sie war schlank und groß, ihr verblüffend weißes Haar perfekt frisiert und mit edlen Federn geschmückt, ihr Kleid die jüngste Pariser Mode in Altweiß, aus Seide und Spitze, und ihr Schmuck bestand aus modischem Jett und Elfenbein. Sie trug lange Handschuhe, ein zierliches Retikül und einen dunkelbraunen Umhang aus Samt um die Schultern.

Alle Gespräche brachen ab.

Die Erscheinung blieb auf halbem Weg von der Tür zu den Sesseln und Sofas stehen, betrachtete gelassen die verblüfften Mienen auf den Gesichtern, die sich ihr zuwandten, und lächelte. Unverkennbar entzückt.

Esme, Lady Congreve, breitete ihre elegant verhüllten Arme aus und erklärte:

»Meine Lieben, ich bin gekommen, um euch Loretta zu entführen.«

»Du wusstest es, nicht wahr?« Endlich ungestört in dem Privatsalon des Castle Inn in Dover, saß Loretta mit geradem Rücken in einem der beiden Lehnstühle vor dem Kamin und richtete ihren Blick auf ihre empörende Verwandte, die überaus elegant auf dem anderen Stuhl Platz genommen hatte.

Bis dahin hatte Loretta keine Gelegenheit erhalten, die Fragen zu stellen, die sich ihr aufdrängten. Von dem Augenblick an, in dem sie ihre Ankündigung in Roberts Bibliothek gemacht hatte, hatte Esme die Führung übernommen. Wie eine unaufhaltsame Naturgewalt hatte sie alle Einwände beiseitegeschoben, herrisch erklärt, sie brauche eine Begleiterin auf ihrer Reise, die sie unverzüglich antreten müsse, und habe entschieden, Loretta sei genau die Richtige dafür.

Sie hatte Robert und Catherine wenig Zeit gelassen, irgendeine wirksame Gegenstrategie zu finden. Margaret, Annabelle, Loretta und Chester hatten Blicke gewechselt und sich dann zurückgelehnt und die weitere Entwicklung interessiert verfolgt.

Esme – sie hatte immer darauf bestanden, dass sie sie Esme nannten statt Großtante – war die älteste Tante des verstorbenen Vaters der Geschwister, die ältere Schwester von dessen Mutter. Sie war die Letzte ihrer Generation in der Familie, die noch lebte, weswegen es ihr zukam, als Matriarchin der Familie zu handeln.

Ein Recht, das sie unerwartet nach Kräften auszunutzen beschlossen hatte.

Ihr Gatte, Richard, Lord Congreve, ein Schotte und zudem ein erfahrener Diplomat, war vor vierzehn Monaten verstorben; das Ordnen seiner Angelegenheiten im Zusammenhang mit seinen beachtlichen Besitzungen hatte Esme bis jetzt in Schottland festgehalten. Nun, hatte sie entschieden, war es Zeit für einen Tapetenwechsel, und sie wollte daher eine längere Auslandsreise unternehmen – bei der sie alle europäischen Hauptstädte besuchen wollte, in denen Richard und sie im Laufe seiner Karriere Station gemacht hatten.

Eine ungewöhnlich lange und sehr wörtlich genommene Reise in die eigene Vergangenheit.

Als Esme erwähnte, sie habe bereits Lorettas Zofe Anweisung gegeben, mit dem Packen für eine viermonatige Reise zu beginnen, hatte Loretta die Flammenschrift an der Wand nicht nur gesehen, sondern auch richtig gedeutet. Sie war aus dem Zimmer gegangen, um mit Rose zu sprechen und sich um ein paar Angelegenheiten zu kümmern, die sie noch dringend erledigen musste, bevor sie London verließ.

Während sie die Tür zur Bibliothek hinter sich schloss, hegte sie nur wenig Zweifel, wer aus der noch andauernden Auseinandersetzung am Ende als Sieger hervorgehen würde.

Weniger als eine halbe Stunde später wurde sie in die Bibliothek gebeten – und hatte Roberts Haus in Esmes Gefolge verlassen.

Als Antwort auf Lorettas Frage zog Esme ihre fein gezeichneten Brauen hoch.

»Wenn du wissen willst, ob ich von dem drohenden Skandal wegen deiner Ablehnung von Eggles’ Antrag gehört habe, dann, ja, natürlich. Therese Osbaldestone hat mir geschrieben. Davon abgesehen war ich aber ohnehin auf dem Weg hierher.«

Loretta runzelte die Stirn.

»Um Robert und Catherine zu besuchen?«

»Nein. Um dich zu entführen.«

»Warum?«

»Weil ich Elsie fest versprochen habe, dich unter meine Fittiche zu nehmen und das zu tun, wofür ihr keine Zeit mehr blieb.«

Elsie war Lorettas verstorbene Großmutter. Esme und Elsie hatten sich nahegestanden.

»Sie hat dich gebeten … sich um mich zu kümmern?«

»Sie hat mich gebeten, sicherzustellen, dass du die junge Dame wirst, die du sein solltest – eine echte Michelmarsh. Dafür zu sorgen, dass du diese alberne Zurückhaltung, die du dir unter Roberts und Catherines Obhut angewöhnt hast, wieder ablegst. So gut sie es auch meinen – und bitte nimm zur Kenntnis, dass ich ihnen das zugutehalte –, sie sind genau die Falschen, um für dich die Verantwortung zu tragen. Leider gab es zu der Zeit, als Chester und deine Schwestern zu jung waren und Robert es so ernst damit war, die Verantwortung zu übernehmen, keine Alternative.« Esme musterte Loretta. »Jetzt hingegen hat sich die Lage geändert, wie ich Robert und Catherine unmissverständlich klargemacht habe. Dieses ganze Theater um Lord Eggles und den Skandal, der tatsächlich droht – denn Lord Eggles und seine Familie finden es in keiner Weise amüsant, dass du daran denkst, ihn abzuweisen, was sie als eine Art Beleidigung auffassen –, ist genau das, was dabei herauskommen muss, wenn man eine lebhafte junge Frau aus unserer Familie einem Regiment aus Zurückhaltung und Anstand unterwirft, das ihr restlos fremd sein muss.«

Loretta betrachtete Esme mit innerer Sorge und wachsendem Widerstreben.

»Ich finde ein gewisses Maß an Anstand und Zurückhaltung oft genug überaus nützlich.«

»Hast du dadurch den Ehemann gefunden, den du dir insgeheim wünschst?«

»Nein.«

»Damit ist dann wohl alles zu dem Thema gesagt. Du begleitest mich jetzt bitte auf meiner Reise und lernst, eine echte Michelmarsh zu sein. Und dann …« Esmes Worte verklangen, und ein kämpferisches Funkeln trat in ihre Augen. »Und dann werden wir sehen.«

Loretta war sich nicht ganz sicher, ob ihr dieses Funkeln in Esmes Augen gefiel.

»Du hast das hier noch nie zuvor getan, oder? Als Anstandsdame für eine junge Dame fungiert?«

Esme, deren Blick weiter nachdenklich auf Loretta ruhte, schüttelte den Kopf.

»Nein. Keine Kinder und damit auch keine Enkelkinder. Ich muss zugeben, bislang hatte ich nie irgendeinen Reiz daran bemerkt, aber ich glaube, Therese Osbaldestone könnte recht haben – das hier wird vermutlich wirklich ganz ähnlich sein, wie als Frau eines Diplomaten den Boden zu ebnen.« Plötzlich lächelte Esme und schaute Loretta in die Augen. »Ich glaube wirklich, dass ich es genießen werde, dir zu helfen, das zu werden, was du sein solltest, um dich dann dem richtigen Mann unter die Nase zu halten.«

Loretta runzelte die Stirn.

Unbeeindruckt davon schnippte Esme gegen Lorettas Röcke.

»Und wo wir gerade davon sprechen, ich kann nur dankbar sein, dass unser erstes Ziel Paris sein wird.«

10. Oktober 1822Karawanserei außerhalb von Herat, Afghanisches Hoheitsgebiet

Rafe verschränkte die Unterarme auf der verwitterten Lehmmauer und schaute auf die verlassene Landschaft, unheimlich vom abnehmenden Mond beleuchtet. Hinter ihm lag auf dem rechteckigen Hof im Schutz der Mauern eine große Handelskarawane und schlief, die Kamele auf der einen Seite angepflockt und die Wagen vor der Öffnung in der Mauer, die Zugang zu der Karawanserei gewährte. Zelte und einfacherer Schutz vor der Witterung befanden sich weiter im Inneren der freien Fläche.

Draußen auf der leeren Ebene rührte sich nichts. Kein Räuber, kein Sektenanhänger.

Auf dem schmalen Wehrgang an der inneren Mauerseite stehend, schaute Rafe in die Ödnis, auf das mit Felsbrocken übersäte Land, in dem kaum etwas wuchs.

Ein leichter Westwind kam auf, legte sich wieder, war fort.

Rafe hörte leichte Schritte. Hassan. Sie hatten als Wachen bei dem Händler angeheuert, dem die Karawane gehörte. Es war die beste Maskierung, die sie hatten finden können, um dieses zu weite, zu spärlich besiedelte Land zu durchqueren.

»Immer noch keine Anzeichen von Verfolgern«, murmelte Rafe, als Hassan neben ihm stehen blieb.

»Für den Kult gibt es keine Möglichkeit, uns auf so kargem Land aufzuspüren.«

»Nein. Das nächste Mal, wenn wir sie sehen, werden sie vor uns sein, darauf warten, dass wir des Weges kommen. Ich frage mich nur, wo.«

Hassan sagte nichts. Einen Moment später ging er weiter, in der stillen, beißenden Kälte einmal um das Lager herum.

Rafe zog seinen langen Umhang fester um sich und fragte sich, wo seine Freunde, seine drei Waffenbrüder, in dieser Nacht wohl schliefen. Wo auch immer sie sich aufhielten, er vermutete, sie hatten es wärmer als er – aber waren sie auch in Sicherheit?

Er und Hassan hatten von den Sektenanhängern nichts mehr zu sehen bekommen, seit sie Bombay durch das nördliche Stadttor verlassen hatten. Er bezweifelte allerdings, dass die anderen Kuriere solches Glück gehabt hatten.

Beinahe ein Monat seiner Mission war bereits vergangen, aber im Grunde genommen hatte sie noch gar nicht richtig begonnen. Ungeduld nagte an ihm; er war ein Mann der Tat – sich Feinden zu stellen, die er sehen konnte, denen er entgegentreten und die er schlagen konnte.

Um ihn herum war nichts. Nicht einmal der Anflug einer Bedrohung lag im Wind.

Wie lange würde es dauern, bevor dieser unnatürliche Winterschlaf ein Ende fand und seine letzte Schlacht endlich begann?

3. November 1822Villa in Triest

»Wir müssen nach Hause aufbrechen – nach England – und zwar sofort.« Loretta verschränkte die Arme und blickte Esme an. »Du hast versprochen, wir würden Weihnachten wieder zu Hause sein. Wenn wir jetzt nicht bald damit anfangen, werden wir es nie schaffen, und das Wetter wird sich dann mit Sicherheit auch noch gegen uns verschwören.«

Auf einem Tagesbett vor den Fenstern des Empfangssalons in der Villa, die sie für ihren ausgedehnten Aufenthalt gemietet hatten, ruhte Esme und zog die Brauen hoch. Ihre entspannte Miene nahm einen nachdenklichen Zug an, dann rümpfte sie die Nase.

»Du hast recht. Ich hasse es, über aufgeweichte Straßen zu reisen.«

Erleichterung erfasste Loretta. Diese Prüfung näherte sich einem Ende.

»Also fahren wir zurück nach Venedig und dann über Marseille nach Paris?«

Mit gerunzelter Stirn musterte Esme sie gedankenvoll, wie sie es oft tat.

»Hm … ich bin noch nicht ganz fertig mit dir. Du hast gelernt, direkter zu sein, und wir haben auch deine Garderobe in Ordnung gebracht, dem Himmel sei Dank.«

Das hatte daraus bestanden, all die bescheidenen und züchtigen Kleider, die sie aus London mitgenommen hatte, abzulegen. Loretta sparte sich die Mühe, an sich hinab auf das lavendelblaue Kleid zu schauen, das sie heute trug und dessen Farbe die ihrer Augen aufgriff, dessen feiner Stoff sich zärtlich an Kurven schmiegte, von denen es ihr lieber wäre, sie blieben verborgen.

»Jetzt kannst du lachen, dich unterhalten und mit allen Herren tanzen – nicht dass ich je daran gezweifelt hätte.« Esme drohte ihr spielerisch mit dem Finger. »Aber du musst noch an deinem Flirten arbeiten, und du hast dich geweigert, dir auch nur eine einzige Tändelei zu gönnen. Deine Gesamteinstellung lässt doch einiges zu wünschen übrig.«

»Unsinn. Mit meiner Einstellung ist alles in bester Ordnung. Sollte ich einen Mann treffen, den ich interessant finde, dann kannst du sicher sein, dass ich ihm die angemessene Aufmerksamkeit schenke.«

»Ja, und das ist das eigentliche Problem. Du musst erst interessant sein, genug, um ihn anzulocken. Herren – und ganz bestimmt solche, die du interessant findest – sind wie scheue wilde Tiere. Man muss sie erst anlocken, damit sie in die Grube fallen.«

»Bei dir klingt das wie eine Jagd.«

»Grundgütiger, Mädchen, aber genau das ist es doch. Du kannst nicht allen Ernstes glauben, sie wüssten, was gut für sie ist – man muss sie überreden, den Köder zu schlucken. Aber bevor wir anfangen, uns weiter in Metaphern zu unterhalten, bleibt die Tatsache bestehen, dass meine Arbeit an dir noch nicht beendet ist. Ich habe daher beschlossen, dass wir auf einer anderen Route nach England zurückkehren. Wir reisen nach Buda – Richard und ich haben dort ein paar sehr angenehme Monate vor dem Wiener Kongress verbracht. Von da aus fahren wir auf der Donau und später auf dem Rhein zurück zur Nordsee und dem Ärmelkanal – dann ist es viel unwahrscheinlicher, dass uns das Wetter behindert.«

Der letztgenannte Grund ließ alle Einwände verstummen, die Loretta auf der Zunge lagen.

Esme setzte sich auf und schwang die Beine von dem Sofa.

»Neue Stadt – neue Möglichkeiten.«

Das war es, was Loretta befürchtete. Allerdings …

»Wenn wir nach Buda reisen, müssen wir doch jetzt, nachdem wir Philippe verloren haben, selbst Vorreiter und Kutsche besorgen.« Der Reisemarschall, den Esme in Paris engagiert hatte, um sie auf der Reise zu begleiten und alles zu arrangieren, war einer Contessa der Stadt zum Opfer gefallen. Die Contessa hatte ihn im Sturm erobert und auf ihre abgelegene Burg entführt. Esme hatte nachgefragt und erfahren, dass Philippe ihnen nicht weiter zur Verfügung stand. Loretta zog die Brauen zusammen. »Oder sollten wir versuchen, einen anderen Reisemarschall zu bekommen?«

Esme dachte darüber nach, dann schüttelte sie den Kopf.

»Wenn wir von Buda aus mit dem Schiff weiterreisen, werden wir keinen benötigen.«

»In dem Fall« – Loretta richtete sich auf – »werde ich in die Stadt gehen und die Vorbereitungen treffen.«

Und einen weiteren Bericht der Reihe Fenster nach Europa zu ihrem Mittelsmann nach England auf den Weg bringen. Ihre Schilderungen stießen offensichtlich bei der Leserschaft des London Enquirer auf reges Interesse.

20. November 1822Auf einer Anhöhe oberhalb von Turnu-Severin,im südwestlichsten Ausläufer der transsylvanischen Alpen

Rafe blies sich in die Hände, stampfte mit den Füßen und hockte sich dann vor das kleine Lagerfeuer.

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass die Schwarze Kobra Männer in Konstanza stationiert hatte.«

Er rechnete mit keiner Antwort auf seine gebrummte Bemerkung. Hassan hatte sie schon zuvor gehört. Nachdem sie auf dem ganzen Weg durch Persien und das osmanische Reich keine Spur von den Sektenanhängern zu sehen bekommen hatten, hatten sie von Samsun ein Schiff genommen und das Schwarze Meer nach Konstanza überquert – und waren in der ersten Gasse, die sie betreten hatten, auf Männer der Schwarzen Kobra gestoßen.

Sie hatten sich aus dem Hinterhalt freigekämpft, aber nur knapp. Sowohl er als auch Hassan trugen frische Narben. Sie hatten sich unverzüglich Pferde besorgt und waren aus der Stadt galoppiert, aber in dieser so ganz anderen Landschaft mit all dem Schlamm, dem Schneematsch und Schnee war es unmöglich, ihre Spuren zu verwischen. Zudem waren die Sektenanhänger im Allgemeinen ausgezeichnete Fährtenleser.

»Sie folgen uns immer noch«, erklärte Hassan nach einer Weile.

Rafe nickte. Er hüllte sich tiefer in den dicken Wollmantel, den er in Samsun erstanden hatte, und starrte in die Flammen.

»Unsere Mission besteht darin, eine Gefangennahme um jeden Preis zu vermeiden, was bedeutet, dass wir es keinesfalls auf einen Kampf ankommen lassen dürfen, nicht wenn wir es irgendwie vermeiden können.«

Das störte ihn. Er würde viel lieber kehrtmachen und ihre Verfolger stellen, aber der Schriftrollenhalter, den er mit sich führte, der den entscheidenden Beweis enthielt, den er zum Duke of Wolverstone nach England schaffen musste, verbot ihm das. Er war längst nicht mehr so froh darüber, genau dieses Dokument gezogen zu haben.

Aber Pflicht war Pflicht, und er wusste, worin seine bestand. Wenn fortlaufen und verstecken der Preis war, den er zahlen musste, um die Schwarze Kobra hängen zu sehen, dann würde er ihn eben zahlen.

Ihm war alles recht, um James MacFarlane zu rächen.

Er bewegte sich vorsichtig, damit der eisige Wind nicht durch seine zahlreichen Lagen Kleidung drang, zog die Karte heraus, die er in Konstanza gekauft hatte, und faltete sie auseinander. Hassan lehnte sich vor und schaute ihm über die Schulter.

»Wir sind da.« Rafe zeigte auf die Stelle. »Vor uns liegt der Pass, der das Eiserne Tor genannt wird, wo die Donau durch einen Durchbruch im Gebirge fließt. Dort kommen wir morgen an, und wenn der Schnee noch ein wenig länger ausbleibt, sollten wir dort hindurch und auf die Ebene dahinter gelangen.« Er drehte die Karte, um die Gegend hinter dem Pass besser sehen zu können. Nach langen Momenten stillen Nachdenkens atmete er hörbar aus. »Es ist so, wie ich mir dachte. Wenn wir das Plateau erreicht haben, müssen wir eine Entscheidung fällen. Schlagen wir den direkten Weg nach Westen ein und durchqueren die slawischen Länder nach Friaul, von da aus nach Südfrankreich und dann weiter nach Rotterdam, oder beschließen wir, einen anderen Weg zu nehmen und halten uns auf der Hochebene nördlich von hier, folgen der Donau und fahren dann später über den Rhein nach Rotterdam, und von da aus nach Felixstowe?«

»Müssen wir nach Rotterdam, um ein Schiff nach Felixstowe zu erreichen?«

»Das ist die Überquerung des Ärmelkanals, die wir nehmen sollen. In Felixstowe werden wir erwartet, von dort aus werden wir unter dem Schutz von Wachen weiterreisen.«

Sie studierten die Landkarte und besprachen, welche Städte zur Wahl standen, welche Routen. Es schien wenig echte Unterschiede zwischen den beiden Möglichkeiten zu geben.

»Beide bringen uns ungefähr zu dem von Wolverstone geschätzten Datum nach Felixstowe. Bislang sind wir schneller vorangekommen, daher müssen wir unser Tempo zurücknehmen oder an einer Stelle Rast einlegen, aber davon abgesehen …« Rafe zuckte die Achseln. Die Wege schienen ganz ähnlich.

Bis Hassan fragte:

»Da wir es uns nicht leisten können, Halt zu machen und zu kämpfen, welcher Weg wäre besser geeignet, unbemerkt zu bleiben?«

Mit hochgezogenen Brauen konsultierte Rafe die Karte.

»Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes bleibt nur eine Möglichkeit übrig.«

Kapitel 1

24. November 1822Donauufer in Buda

Rafe trat aus dem Kontor der Excelsior Shipping Company, mit Karten für Passagen in zwei Kabinen an Bord der Uray Princep in der Tasche, eines Flussschiffes, das in zwei Tagen donauaufwärts ablegen sollte.

Er blickte auf der Straße erst in die eine, dann in die andere Richtung, ehe er zu dem Laden schlenderte, vor dem Hassan wartete.

Rafe klopfte auf die Tasche in dem gut geschnittenen eindeutig europäischen Wintermantel, den er nun trug.

»Die beiden letzten Passagen. Damit ist ausgeschlossen, dass ein Attentäter sich unter die Passagiere mogelt, und das Schiff ist zu klein, um sich irgendwo darauf zu verstecken oder in letzter Minute in der Mannschaft anzuheuern.«

Hassan, der hier auf seinen Turban verzichtete, nickte. Rafe musste sich erst noch daran gewöhnen, seinen Freund ohne die Kopfbedeckung zu sehen.

Vor zwei Nächten waren sie in Buda angekommen. Das Erste, was sie am Tag zuvor getan hatten, war ein Besuch beim Schneider gewesen, wo sie ihre losen türkischen Beinkleider, Hemden und Jacken gegen europäische Kleidung eingetauscht hatten. Während der Reise hatten sie ständig ihre Kleider ausgetauscht, um unter der einheimischen Bevölkerung nicht aufzufallen. Jetzt, in einem elegant geschnittenen Überrock über einem modischen Rock mit passender Weste und Hose sowie einem ordentlich gebundenen Halstuch und frisch geschnittenen blonden Haaren, frisch gewaschen und gebürstet, war Rafe praktisch nicht von den vielen deutschen, österreichischen und preußischen Kaufleuten zu unterscheiden, die Buda bereisten. Hassan mit seinen scharfen raubvogelhaften Zügen, gestutztem schwarzem Haupthaar und Bart, in Kombination mit einem schlichten Rock, einer Hose und Stiefeln, entsprach dem Bild einer Leibwache aus Georgien oder einem der anderen slawischen Länder. Sie verschmolzen mit der Menge, die sich um die Anlegestege drängte und am Ufer umherlief. Kein Kopf drehte sich in ihre Richtung, als sie vorbeigingen; niemand schenkte ihnen Beachtung.

Die Gelegenheit, in dem Strom anderer Reisender unterzutauchen und darin Schutz zu finden, war der Hauptvorteil, der Rafe dazu bewogen hatte, sich für die nördliche Route zu entscheiden. Mit seiner auffälligen Körpergröße und dem blonden Haar wäre es besonders ihm schwergefallen, Italien und Frankreich unbemerkt zu durchqueren.

Der zweite Ort, den sie am Vortag noch aufgesucht hatten, war ein Büchsenmacher gewesen. Rafe hatte Pistolen, Munition und Schießpulver auf Vorrat gekauft. Die eine echte Schwäche der Sektenanhänger war eine abergläubische Furcht vor Schusswaffen. Rafe war entschlossen, diese Tatsache nach Kräften zu seinem Vorteil zu nutzen. Er und Hassan trugen nun beide geladene Pistolen am Leib.

Zusätzlich waren sie auch mit ihren Säbeln bewaffnet und den Messern, ohne die sie sich ganz nackt fühlen würden. Auch wenn die großen Kriege in Europa vorüber waren, gab es immer noch Unruheherde, und Partisanen und Wegelagerer bedeuteten noch eine Gefahr, weswegen mit Säbeln bewaffnete Reisende keine Seltenheit waren. Und die Messer sah niemand.

Rafe hatte auch einen Kartenzeichner aufgespürt, bei dem er die besten Landkarten, die für die Gegenden erhältlich waren, durch die sie kommen würden, erstand. Er und Hassan hatten den ganzen vorigen Nachmittag die Route studiert, die sie zu nehmen planten, dann hatten sie den Wirt und die anderen Gäste um Rat gefragt, welche Flussreederei empfehlenswert sei.

Hassan blickte zu den Kaianlagen auf der anderen Straßenseite.

»Den Fluss zu nehmen ist ein guter Plan. Der Kult wird vermutlich nicht auf die Idee kommen.«

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