Ein Traum von Sylt - Ben Bertram - E-Book
SONDERANGEBOT

Ein Traum von Sylt E-Book

Ben Bertram

0,0
3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ben fühlt sich in seinem Leben schon längst nicht mehr wohl und wünscht sich nichts sehnlicher, als aus der Eintönigkeit auszubrechen und seinen Traum von einer kleinen Pension auf Sylt zu verwirklichen. Doch wie sollte er das anstellen? Als er vollkommen unerwartet ein Haus auf seiner Lieblingsinsel erbt, ist es wie ein Wink des Schicksals für ihn. Er muss nicht lange überlegen, um zu wissen, wie es weitergehen soll. Sofort bricht er seine Zelte in Hamburg ab und zieht gemeinsam mit seinem besten Freund Casimir nach Sylt, um seinen Traum endlich wahr werden zu lassen und in ein neues, ein spannenderes Leben zu starten. Doch was wäre ein neues Leben ohne Probleme? Was wäre ein neues Leben ohne Frauengeschichten, die für Verwirrungen und unglaubliche Gefühlsregungen sorgen? Zum Glück wird Ben schnell etwas klar: Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ben Bertram

Ein Traum von Sylt

 

 

 

Dieses eBook wurde erstellt bei

Vielen Dank, dass Sie sich für dieses Buch interessieren! Noch mehr Infos zum Autor und seinem Buch finden Sie auf tolino-media.de - oder werden Sie selbst eBook-Autor bei tolino media.

 

 

- gekürzte Vorschau -

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Siebenundzwanzig

Achtundzwanzig

Neunundzwanzig

Dreißig

Einunddreißig

Zweiunddreißig

Dreiunddreißig

Vierunddreißig

Fünfunddreißig

Sechsunddreißig

Siebenunddreißig

Achtunddreißig

Epilog

Danksagungen

Weitere Bücher:

Leseproben

Impressum tolino

Prolog

Die Zeit ist gekommen …

… die Zeit, unsere Geschichte zu erzählen!

Wir haben September und es ist einer der seltenen milden Abende hier in Hamburg. Einer dieser Abende, an denen man ohne zu frieren und in Gedanken versunken seine Träume träumen, seine Gedanken schweifen oder seine Pläne schmieden kann. Mit Absicht bin ich heute Abend hier an dieser einsamen Stelle am Alsterlauf. Ich befinde mich in der Nähe der Poppenbüttler Schleuse und nicht in einem der vielen netten Cafes, Kneipen oder anderen Lokalitäten, welche sich in Hamburg an der Alster oder Elbe befinden.

Heute bin ich nicht an den Orten, an denen man bei solch tollem Wetter nette und lustige Menschen treffen kann. Nein, heute bin ich an meinem Ort, einem Ort, den nicht mal meine Freunde kennen und möchte nur für mich sein. Nur für mich, an diesem ganz besonderen Ort, den mir meine Oma Anna in frühester Kindheit bereits einmal gezeigt hatte. Außerdem ist dieser Ort schon deshalb ein besonderer Ort, da er durch seine interessante und für eine Großstadt besondere Landschaft auffällt. Genau aus diesen beiden Gründen ist dieser Ort „mein“ Ort geworden und wenn ich, wenn auch in letzter Zeit leider nicht so oft, hier bin, genieße ich diesen Ort bei jedem Besuch mehr.

Eine kleine unauffällige Kopfsteinpflasterstraße führt mich vorbei an Tennisplätzen und traumhaft schönen Einzelhäusern. Nach einigen Kurven und Abzweigungen lenkt sie mich direkt zu einem kleinen Parkplatz. Dieser Parkplatz ist vor lauter Bäumen, Hecken und wild herumliegenden Ästen kaum als Parkplatz zu erkennen und so steht auch heute kein anderes Auto hier, als ich mit meinem kleinen schwarzen Suzuki Jeep auf den Parkplatz fahre und mich für einen Platz genau in der Mitte, zwischen den großen hohen Buchen, entscheide. Während ich nach oben sehe und dabei überlege, ob an dieser Stelle Vögel ihre verdaute Nahrung in meinem offenen Jeep verteilen könnten, klingelt mein Handy. „Keine Rufnummernübermittlung“ ärgere ich mich und so lass ich das Handy einfach Handy sein und ignoriere das Klingeln, da ich wenig Lust auf irgendwelche, mit Pech sogar total belanglose, Telefongespräche habe. Nach kurzer Zeit hört mein Handy tatsächlich auf die Melodie „Ja ich habe solche Sehnsucht, ich verliere den Verstand, ich will wieder an die Nordsee, ich will zurück nach Westerland“ zu spielen und mein heimlicher Anrufer kann sich mit der Mailbox meines Handys begnügen.

„Moin, Moin! Benjamin Bertram ist nicht zu sprechen, er liegt gerade faul in der Sonne oder jagt seinen Träumen nach. Bitte melde dich später wieder, damit er die Kosten für den Rückruf sparen kann.“

Ich finde diesen Text ziemlich gut und außerdem wirkt er teilweise sogar. Viele meiner Freunde und Bekannte legen auf und rufen später, ohne meine Mailbox benutzt zu haben, einfach wieder an. Doch diesmal hat jemand meine Mailboxfunktion genutzt. Ich bekomme nämlich gerade, kurz nachdem mein Handy endlich verstummt war, eine SMS meines Telefonanbieters mit dem Hinweis, dass mir eine Nachricht hinterlassen wurde. Neugierig wie ich bin, wähle ich noch vor dem Aussteigen die Nummer meiner Mailbox und höre eine sehr vertraute Stimme, die mir sagt:

„Hallo Ben! Schade, dass ich nur die Blechkiste erwische. Ich hatte Sehnsucht nach Deiner Stimme und wollte sie deshalb schnell mal hören. Wobei, gehört habe ich sie ja. Nur nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Es war trotzdem schön. Meine Gedanken gehören uns, Du fehlst mir, Küsschen und bis nachher.“

Ich lächle vor Freude und schon habe ich wieder alle meine wundervollen Gedanken im Kopf. Alle diese Gedanken, weswegen ich heute genau an diesen Ort gefahren bin. Ich sage leise zu mir „Danke für alles, schöne Frau. Schön, dass es dich gibt!“ und stelle mein Handy auf das Profil Lautlos ohne Vibration ein, bevor ich es wieder in meiner Hosentasche verschwinden lasse.

Nach einem weiteren Blick in die Baumgipfel entscheide ich mich dafür, mein Auto so stehen zu lassen und steige aus. Automatisch lenken mich meine Gedanken und lassen mich ganz langsam vom Parkplatz, über die kleine Kopfsteinpflasterstraße, in Richtung Flusslauf gehen. Nur unbewusst nehme ich die Grundstücke am Ende der Straße wahr. Es sind Grundstücke, die an Parkanlagen erinnern und direkt, nur durch riesige Hecken, Sträucher und kunstvoll errichteten Zäune getrennt, an das Naturschutzgebiet am Alsterlauf anschließen. Wer hier wohnt, muss mindestens dreimal im Lotto gewonnen haben, eine mehr als gut laufende große Firma besitzen oder auf eine nicht unbedingt erlaubte, dafür aber sehr lohnende Tätigkeit zurückgreifen können. Wobei ich den hier ansässigen Hausbesitzern natürlich keinerlei kriminelle Tätigkeiten unterstellen möchte.

Der Blick von hier oben ist einfach genial. Links und rechts sieht man Bäume, die teilweise bis in den Himmel zu wachsen scheinen. Vor mir ein Abgrund, der mich mit seinen vielen verschieden Färbungen an das Morsumer Kliff auf Sylt erinnert. Weit unten, zwischen verwinkelten und romantisch anmutenden Wegen, ist der Flusslauf zu erkennen. Kleine alte, teilweise morsch wirkende Brücken, verbinden die auf beiden Seiten des Flusslaufes führenden Wege miteinander und geben so, diesem ohnehin einzigartigen Anblick, seine endgültige Note. Der Weg führt mich, an steilen Abhängen entlang, in Schlangenlinie hinunter zum Flusslauf. Auf meinem Weg nach unten liegen mir viele von Stürmen abgebrochene Zweige und Äste im Weg. In den Steilwänden sind kleine und große Höhlen zu sehen und wenn ich nicht wüsste, dass ich mich in Hamburg befinde, würde ich auf Bärenhöhlen tippen. Es gibt Stolperfallen aus Baumwurzeln und einige gemeine, vom Regen ausgespülte, Löcher stellen sich mir in den Weg. Man könnte glauben, die Natur hätte extra diese Unebenheiten aufgebaut, damit sich niemand diesem unberührten Fleckchen Erde nähern kann. Aber alle diese Dinge gehören hierher. Dies alles zusammen macht die Gegend zu „meinem“, nein zu „unserem“ Ort.

Das Wasser hier unten ist klar und sogar verschiedene Fische sind zu sehen. Wenn Oma Anna jetzt bei mir wäre, könnte sie mir bestimmt sagen, um welche Fischarten es sich handelt. Das eine dort müssten, wenn ich mir Ihre Erklärungen richtig gemerkt habe, Rotaugen sein. Richtig sicher bin ich mir aber nicht. Durch viele große Steine und im Wasser liegende Baumstämme, haben sich teilweise kleine Wasserfälle und Stromschnellen gebildet. Dort hinten in der kleinen Biegung steht im seichten Wasser ein Reiher und wartet regungslos darauf, mit seinem langen Schnabel den nächsten Fisch zu ergattern. Der Flusslauf ist hier höchstens vier Meter breit und in der Mitte vielleicht ein, höchstens eineinhalb Meter tief.

Die Sonnenstrahlen, die es geschafft haben sich durch den dichten Himmel der Baumkronen zu kämpfen, spiegeln sich im Wasser und erzeugen ein einmaliges Bild aus Schatten und Licht. Hier unten herrscht eine eigenartige Stille, die mir ein Gefühl von Vertrautheit und innerlicher Ruhe vermittelt. Dies alles sind Gefühle, die ich in meinem Leben normalerweise nicht in diesem Maße empfinde und daher überlege ich, ob es an meinen Gefühlen für diesen Ort oder an dem Ort selber liegen mag.

„Es wird wohl ein Gemisch aus beiden sein“, denke ich mir und wundere mich trotzdem!

Wie so oft ist keine Menschenseele hier. Weshalb dieser Platz immer so einsam und leer ist, kann ich nicht verstehen. Die Erklärung kann nur sein, dass den Menschen die Straße dort oben zu versteckt und der Weg hierher bestimmt zu beschwerlich ist. Was denen an wunderbarer Natur und Einsamkeit entgeht, können sie ja nicht wissen und mir ist es sowieso viel lieber, hier alleine zu sein.

Als ich bei einem meiner letzten Besuche mit Musik im Ohr, auf einem alten umgestürzten Baum gesessen und mir die Gegend angesehen hatte, konnte ich nicht anders als die Musik auszuschalten und die Kopfhörer abzunehmen. Ich wollte keine anderen Töne hören. Ich wollte, nein ich musste die Geräusche der Natur in mich aufsaugen und meinen Gedanken dazu freien Lauf lassen.

Meine Gedanken flogen mir durch den Kopf. Kreutz und quer hatte ich Bilder aus meinem bisherigen Leben vor Augen und genau in diesem Moment wurde mir klar, dass ich vor vielen Jahren schon einmal hier gewesen bin. Ich bekam meine Eingebung durch den alten Baum, der genau hinter mir stand und sich bisher allen Stürmen zur Wehr gesetzt hatte.

Vor diesem Baum hatte vor langer Zeit eine Holzbank gestanden, von der einige wenige Überreste noch zu sehen sind. Dieser Baum, die kleine Flussbiegung und die steilen Wände. Zusammen ergab dieses ein Bild in meinem Kopf, in dem ich mich als kleiner Knirps mit meiner Oma Anna hier befand und wir uns an einem Baum verewigt hatten.

Da meine Oma Anna immer, wenn wir unterwegs waren eine Handtasche mit Taschentüchern, etwas Geld, Bonbons, und einem Taschenmesser bei sich hatte, schnitzten wir damals in einen Baum die Buchstaben „A“ für Anna und „B“ für Benjamin ein. Ich war mir jetzt ganz sicher, dass es dieser Baum gewesen ist und erhob mich von meinem Platz.

Langsam und mit einem komischen Gefühl im Bauch ging ich auf den Baum zu. Noch war nichts von unserem Kunstwerk zu erkennen.

„Da ich damals noch nicht in die Schule gegangen bin und ungefähr fünf Jahre alt gewesen sein muss, kann nach so vielen Jahren unser Kunstwerk ja auch nicht mehr so gut zu erkennen sein“, dachte ich mir und ging noch dichter an den Baum heran. Jetzt konnte ich etwas sehen. Verwittert und an einigen stellen mit Moos bedeckt konnte ich unsere eingeritzten Buchstaben erkennen. Ich bekam eine Gänsehaut und als ich dabei war, die Buchstaben vom Moos zu befreien, zitterte mir die Hand.

„Wäre Oma Anna doch hier und könnte unsere Vergangenheit mit mir erleben“, wünschte ich mir und nahm mir vor, es ihr bei meinem nächsten Besuch auf jeden Fall zu erzählen.

„Bisher ist außer Hasi Oma Anna die einzige Person in meinem Leben, die alle meine Erlebnisse genau kennt. Sie ist außer Hasi die einzige Person, der ich alle meine Gedanken, Pläne und Träume anvertraut habe“, sage ich leise zu mir selber, während ich mich verträumt auf einen großen Baumstamm direkt am Wasser setze. Mein verschwommenes Spiegelbild konnte ich im Wasser erkennen und genau wie dieses Spiegelbild vor einiger Zeit, verschwimmen nun meine Gedanken und aus dem jetzt, lande ich dort, wo es irgendwie alles mit uns begonnen hatte.

Eins

Was schenkt man jemandem, der seine dritte Null im Lebensalter erwartet?

Ich finde es ja im Prinzip nicht sehr schwierig, mir Ideen für Geschenke oder andere kleine Überraschungen, für zwischendurch, einfallen zu lassen.

Vor allem dann nicht, wenn mir die Person etwas bedeutet. Nun ist es nicht so, als wenn mir Fiete, der eigentlich Hans heißt und von seinen Eltern Hansi genannt wird, nicht etwas bedeuten würde. Er ist sogar eine der Personen, die ich als Freund bezeichnen würde und zu der Kategorie Freund, gehören bei mir nicht sehr viele Menschen. Ich bin nämlich der festen Ansicht, dass es zwischen den Bezeichnungen Freunde und Bekannte eine große Trennung gibt und würde von mir behaupten, höchstens vier Freunde zu besitzen.

Fiete ist ein sehr stiller und zurückhaltender Mensch, der nicht so sehr viel von modischer Kleidung, auffälligen Farben oder witzigen Spontanaktionen hält. Er hat eine kleine Firma, um genau zu sein einen Dreimannbetrieb für Industrievertretung, von seinem Vater übernommen. Dort arbeitet nach wie vor sein Vater, eine Halbtagskraft und Fiete selber. Er lebt seit fast fünf Jahren mit seiner Freundin Lola zusammen und wohnt mit in ihrer Eigentumswohnung im noblen Stadtteil Eppendorf. Fiete fährt einen dunklen, unauffälligen VW-Kombi und hatte mit Frauengeschichten nie viel am Hut.

Er ist halt nicht wirklich ein Frauenschwarm und als er mit Lola eine Beziehung begonnen hatte, gab ich den beiden auch keine große Chance.

Er war damals Mitte zwanzig, hatte noch nie eine Freundin und war am Studieren. Sie, Anfang dreißig, mit großer Eigentumswohnung und Teilhaberin an einer relativ großen Praxis für Krankengymnastik und Physiotherapie

Kennen gelernt haben die Beiden sich in der Praxis von Lola. Fiete, der sich beim Fußball wieder einmal sein Knie kaputt gemacht hatte, ich glaube es war dieses Mal das hintere Kreuzband am rechten Bein, war als Patient dort und wurde von Lola und einer ihrer Angestellten und Freundin Cordula abwechselnd behandelt.

Zufälligerweise war seine Therapie kurz vor unserem gemeinsamen Urlaub beendet und genauso wie Fiete und ich fuhren auch Lola, Lolas Schwester und Cordula für eine Woche nach Sylt.

Wir wollten am Samstag ganz früh in Hamburg starten und so stand ich um 7:30 Uhr pünktlich bei Fiete, der noch bei seinen Eltern wohnte, vor der Tür. Als ich klingelte machte seine Mutter die Haustür auf und begrüßte mich mit den Worten

„Guten Morgen Benjamin, komm doch rein. Hansi ist gleich fertig und ihr könnt dann mit mir Frühstücken. Setz dich doch dort hin, möchtest Du Deinen Kaffee mit Milch und Zucker?“

„Nur mit Milch!“, sagte ich und war etwas genervt. Denn wenn ich jetzt etwas ganz bestimmt nicht wollte, war es ein Frühstück mit der Mutter von Fiete. Ich wollte los, wollte schnell auf die Autobahn und frühestens am Autozug in Niebüll einen Kaffee trinken und dann auf Sylt lecker in der Badezeit Frühstücken.

Gegen 9:00 Uhr kamen wir endlich los und standen drei Stunden später, viele Kilometer vor dem Autozug, im Stau. Nun saßen wir hier also dumm im Auto. Ich völlig genervt von Fietes Mutter und dem heutigen überflüssigen Frühstück und auch von Fiete, der stumm aus dem Fenster schauend und in Gedanken versunken war. Plötzlich unterbrach eine Stimme meine CD. Ein älterer Herr sprach aus dem Radio und erzählte uns, dass auf der A7 in Richtung Hannover sowie auf der A1 in Richtung Lübeck ein Stau sei und dass es beim Autozug von Niebüll nach Westerland zurzeit ca. vier Stunden Wartezeit gibt. Komischer Weise machte mir diese Ansage nun auch nichts mehr aus und so ergab ich mich meinem Schicksal. Einige Stunden später kamen wir dann tatsächlich auf der Insel an.

Fiete erzählte mir schon die ganze Zeit von den Frauen aus der Praxis und ich glaube, er war irgendwie auch verliebt. Zum ersten Mal bemerkte ich, dass auch Fiete sich in eine Frau verlieben konnte.

„Morgen kommen die Mädels endlich. Würde es dich stören, wenn wir uns mit ihnen treffen und vielleicht in die Wunderbar gehen?“

Ich war nun noch erstaunter und erwiderte:

„Willst Du morgen zum Angriff blasen und endlich auch nette Dinge, mit netten Frauen machen?“

„Ach Ben, was Du immer gleich hast und denkst! Ich würde die Mädels halt gerne sehen und mich nett mit ihnen unterhalten“, empörte sich Fiete und nahm sein Bier.

„Geh Du ruhig hin und treffe dich mit den heißen Krankenschwestern“, sagte ich lachend und wusste, dass jetzt jemand beleidigt sein wird.

„Hey Fiete, wie lange willst Du eigentlich noch im Bad bleiben? Kann ich Dir irgendwie behilflich sein? Vielleicht mit Klamottentipps oder bei der Parfumauswahl?“, rief ich, auf dem Sofa liegend, in die Richtung vom Bad. Fiete war zu diesem Zeitpunkt bereits fast eine Stunde im Badezimmer verschwunden und mir war langweilig, da beim Fußballspiel im Fernsehen gerade Halbzeit war.

„Sehr witzig. Anziehen kann ich mich schon sehr lange ganz allein. Bin gleich fertig!“

Tatsächlich kam Fiete wenige Minuten später frisch geduscht, fertig angezogen und von einer riesigen Parfumwolke umgeben, zurück in das Wohnzimmer. Ich war einigermaßen erstaunt darüber, dass er sich tatsächlich so angestrengt hatte, gut auszusehen. Allerdings kann „Mann“ guten Kleidungsgeschmack haben, muss „Mann“ aber nicht. Es ist ganz bestimmt nicht so, dass Fiete wie der letzte Heckenpenner durch die Gegend laufen würde. Ganz im Gegenteil! Allerdings hat seine Garderobe auch nichts Lässiges, Sportliches oder farbenfrohes zu bieten. Er steht in seinen Klamotten einfach so da und wird nicht beachtet. Man, besser gesagt Frau schaut einfach durch ihn hindurch oder an ihm vorbei oder in die andere Richtung. Sie schauen ihn einfach nicht an.

Solche Männer gibt es und doch haben einige von diesen Männern trotzdem Erfolg bei Frauen, da sie quatschen können, Frauen nett unterhalten oder einfach nur lustig und witzig sind. Leider ist aber auch keiner dieser Punkte eine wirkliche Stärke von Fiete.

Noch immer stand Fiete erwartungsvoll in der Zimmertür. Ich hatte mich noch nicht geäußert und überlegte, welche Worte ich wählen sollte um ihn, nach seiner über eine Stunde dauernden Mühe, nicht zu sehr zu kränken.

„Ist Okay. Nein wirklich, ist total Okay.“

Nach einer kurzen Pause und prüfenden Blicken fuhr ich fort.

„Na ja, vielleicht solltest Du lieber die alte Diesel-Jeans ausziehen. Der Schnitt ist ja nicht mehr so ganz hipp.“

„Meinst Du? Was ist mit der Hose? Soll ich lieber die dunkle 501 anziehen?“

„Ja, gute Idee. Die 501 ist besser. Sag mal Fiete, was ist denn mit dem Hemd und muss das T-Shirt darunter unbedingt sein?“ Ich war nun in Form und sollte ihm ja auch helfen. Außerdem muss man doch zu Freunden ehrlich sein.

„Was ist mit meinem Hemd und warum zum Teufel soll ich das T-Shirt ausziehen?“, fragte mich Fiete.

„Um ehrlich zu sein, finde ich das Hemd gar nicht schlecht. Es passt nur nicht so gut, wenn Du heute Abend als Frauenaufreißer in die Wunderbar willst, um dort Deine netten Krankenschwestern zu erobern. Das Hemd ist eher etwas für ein Arbeitsessen oder für den achtzigsten Geburtstag Deiner Oma. Zum T-Shirt muss ich wohl nicht wirklich etwas sagen. Du kannst doch nicht mit einem schwarzen T-Shirt unter einem hellen Hemd in die Öffentlichkeit gehen. Da fehlt nur noch ein dicker Aufdruck auf dem Rücken vom T-Shirt, der durch das Hemd hindurchschimmert und auf dem eine Rolling Stone Zunge zu sehen ist. Hier, Du darfst heute ausnahmsweise ein Langarmshirt von mir anziehen. Übrigens, die Socken müssen auch weg. Mit Goofy drauf und in dunkelgrün mit gelb, das geht einfach nicht. Wenn das Deine Frauen sehen, sind sie weg. Was Für eine Unterhose hast Du eigentlich an?“

Die Frage war wohl zu viel für Fiete.

„Es reicht!“, sagte Fiete und dieses in einem, für ihn außergewöhnlich, lauten Ton.

„War ja nur gut gemeint, könnte doch sein, dass Du und eine Deiner Krankenschwestern ...“, zu mehr kam ich nicht. Fiete zog seine Jacke an und ging. Es war übrigens eine rote Jeansjacke, die viel zu kurz war und farblich nicht wirklich zu den anderen Klamotten passte.

Die nächsten drei Abende waren Fiete und die drei Mädels ebenfalls unterwegs. Ich genoss die Abende mit Bekannten, die sich zur selben Zeit auf der Insel befanden und Leuten, die hier auf der Insel leben und die ich durch meine vielen Inselbesuche kennen gelernt habe. Tagsüber hat er mir alles über seine Treffen erzählt und ich hörte in jedem Satz den Namen Cordula.

Cordula hat das gemacht, Cordula hat dies gesagt, Cordula will dies machen.

Fiete war also verliebt und war glücklich, seine Abende hier auf der Insel zusammen mit Cordula verbringen zu dürfen. Leider war er jedoch nie mit Cordula alleine. Immer waren Lola und Lolas Schwester dabei und so war er jeden Abend der Hahn im Korb. Sein Vorteil war jedoch, er brauchte nicht für die Unterhaltung zu sorgen. Dies taten die drei Mädels und so waren die Abende wohl auch immer ziemlich lustig und gingen bis in den Morgen hinein.

Als ich am Donnerstagmorgen wach wurde, drehte ich mich zur Seite und sah, dass Fietes Bett leer war. Ich blickte auf mein Handy und sah dort die Ziffern Acht, Doppelpunkt, Eins und Fünf. Zum Brötchenholen war es für Fiete noch viel zu früh und außerdem war sein Bett unberührt.

„Er wird es doch nicht etwa tatsächlich heute Nacht geschafft haben? War diese Nacht zu seiner Nacht geworden? Hoffentlich hatte er keine Goofysocken und nicht so einen öden Liebestöter an!“, waren meine spontanen, wenn auch noch müden Gedanken.

Während ich neugierig und verwundert auf meinem Bett saß, hörte ich, wie ein Schlüssel in die Wohnungstür gesteckt wurde. Gespannt wartete ich darauf, was ich nun erfahren würde.

Tatsächlich wurde mein warten belohnt. Belohnt in einem Maße, welches ich nicht erwartet hatte.

Grinsend saß ich auf dem Bett und sah Fiete an. Er stand in der Tür, hatte sogar Brötchen dabei und schaute reichlich verdattert aus der Wäsche.

Mit einem „Guten Morgen, hattest Du eine nette Nacht?“, begrüßte ich meinen Freund und war auf seine Antwort gespannt. Naiv, wie Fiete bei dem Thema Frauen ist, antwortete er mir ganz ehrlich. Er hatte den Unterton in meiner Frage nicht verstanden und meinte:

„Ja, es war ein schöner Abend. Erst waren wir in der Wunderbar und haben alle zusammen nett geklönt. Ich saß den ganzen Abend neben Cordula und es war ein schönes Gefühl, ihr so nah zu sein. Gegen drei Uhr schloss dann die Wunderbar“

„Ja und weiter? Von der Wunderbar bis hierher sind es vielleicht zehn Minuten. Du hättest für diesen Weg also ziemlich genau fünf Stunden und fünfzehn Minuten gebraucht. Da muss wohl noch etwas gewesen sein. Bist Du mit Cordula noch weiter gezogen?“

„Nein, wir alle sind dann in die Wohnung von Cordula und ihren Freundinnen gegangen. Wir wollten dort noch Musik hören und etwas trinken. Cordula hatte sich auf dem Weg dorthin bei mir eingehakt. Wir gingen fast Arm in Arm und Lola und ihre Schwester dicht hinter uns. Da Lola etwas zu viel getrunken hatte, musste sie sich nach kurzer Zeit auch bei mir einhaken und so gingen wir zu dritt nebeneinander her. Unterhalten habe ich mich aber, auch auf dem Weg, nur mit Cordula. Cordula ist wirklich toll. Aber ich glaube, es wird nichts aus uns beiden werden.“

„Nun mal nicht so pessimistisch. Das, was Du mir so erzählst, ist doch sehr erfolgversprechend“, sagte ich und war gespannt, was der neugeborene Frauenheld noch für interessante Details für mich hatte.

„Als wir bei den drei Mädels angekommen waren, saßen wir im Wohnzimmer und hörten Musik. Lola fragte, ob noch jemand Hunger hätte und alle sagten ja. Sie ging in die Küche und machte leckere Sandwichs für alle. Cordula und ich klappten in der Zeit das große Sofa aus, damit wir es uns beim Essen gemütlich machen konnten. Lolas Schwester saß auf dem Sessel und suchte neue CDs aus, da wir bereits zweimal dieselbe gehört hatten. Ich hoffte, dass Lolas Schwester auf dem Sessel sitzen bleibt und Lola, nachdem sie mit den Sandwichs aus der Küche kommt, den anderen Sessel nehmen würde. Cordula und ich machten es uns richtig gemütlich und versuchten, soviel Platz wie möglich auf dem Sofa einzunehmen. Lola kam wieder und mit einem Teller voll mit Sandwichs in der Hand, stieg sie mit den Worten „das Essen ist fertig, macht Platz für die Köchin“ auf das Sofa. Ihre Schwester kam auch zu uns rüber und nun saßen wir zu viert im Kreis und aßen unsere Sandwichs“.

Ich hatte, während Fiete erzählte, den Frühstückstisch gedeckt und machte jetzt für meinen Milchcafe die Milch heiß. Die Story war ja auch für Fietes Verhältnisse ganz lustig, allerdings hatte ich schon ein wenig mehr erwartet. Dafür war er also die ganze Nacht unterwegs. Da hätte er auch schlafen können. Doch plötzlich erzählte Fiete weiter.

„Wir haben uns nach dem Essen alle auf dem Sofa hingelegt und es uns gemütlich gemacht. Es ging ganz gut, da es genug Platz auf dem Sofa gab und wir alle ein wenig müde waren. Wir lagen alle auf dem Sofa. Ich lag zwischen Cordula und Lola und meine Füße berührten Cordulas Füße, während ich dabei an diesen schönen Abend mit Cordula und ihren Freundinnen dachte. Dann wurde ich geküsst. Es war ein schöner Kuss und ich habe es sehr genossen, so geküsst zu werden.“

„Mensch Fiete, da freu ich mich aber für dich. Wo Du doch seit Tagen nur von Cordula redest. Ich habe sie ja noch nie gesehen, aber jetzt bin ich wirklich neugierig geworden. Wenn Ich darf, komme ich heute Abend mit in die Wunderbar. Oder wollt ihr beide lieber alleine sein?“, ich war echt beeindruckt von Fiete. Besser gesagt, er hat mich diesmal wirklich verblüfft. Doch nun hörte ich ihn sagen.

„Ich werde heute nicht in die Wunderbar gehen. Ich werde sogar die ganze Woche nicht mehr in die Wunderbar gehen!“

„Spinnst Du? Was ist denn jetzt los? War das Küssen mit Cordula nicht so schön oder möchte sie keine Beziehung mit Dir? Sag jetzt nicht, Du willst nichts mehr von Cordula. Wo ich mir die ganze Woche Deine Schwärmereien über Cordula anhören musste“, ich war echt perplex und sprachlos. Doch diesmal rettete Fiete die Situation, in dem er mit seiner Geschichte fortfuhr.

„Als der Kuss vorbei war, nahmen wir unsere Hände und sahen uns an. Du Ben, darf ich dich als Freund etwas fragen?“

„Ja klar, alles was Du willst“

„Glaubst Du, dass eine Frau wie Lola zu alt für mich ist?“

„Nein ist sie nicht. Bei der Liebe muss es keine Altersgrenzen geben. Wenn es passt, dann passt es. Aber das ist doch jetzt auch wirklich egal. Du hast endlich Deine Cordula und kannst glücklich darüber sein. Ist Cordula etwa im gleichen alter wie Lola?“,

Fiete saß nun still auf seinem Stuhl am Frühstückstisch und starrte in seinen Kaffeebecher. Meine Frage, ob er gerade im Kaffeesatz lesen würde hatte er anscheinend nicht gehört, oder er ignorierte sie einfach.

„Nein, Cordula ist jünger. Sie ist so alt wie ich“, hörte ich Fiete mit einer leisen, fast traurigen Stimme sagen.

„Was ist los, hast Du Angst vor einer Beziehung mit Cordula oder bist Du nur kaputt und müde?“

„Es ist alles ganz anders und alles ist so komisch und so schwer und auch irgendwie verzwickt. Die Abende mit Cordula waren wirklich schön und nun wird es solche Abende nicht mehr geben.“

„Hat sie einen anderen? Ist sie etwa in einer festen Beziehung und hat Dir nichts davon erzählt? Dann ist sie es auch nicht wert, dass sie dich bekommt!“

„Nein Ben, es ist anders. Heute Nacht, als ich auf dem Sofa zwischen Cordula und Lola gelegen habe, da habe ich nicht Cordula geküsst.“

ich blickte Fiete mit großen Augen an und war, was wirklich selten bei mir vorkommt, schon wieder sprachlos.

„Du hast nicht Cordula geküsst?“

„Nein, Lola und ich haben uns geküsst. Lola kam immer näher an mich heran. Zuerst mit Ihrem Körper und dann mit Ihrem Mund. Als ich Ihren Atem spüren konnte, passierte der Rest von ganz allein.“

„Und Cordula? Was hat Cordula gemacht?“, diese Frage konnte ich mir wirklich nicht verkneifen.

„Cordula hat mich angesehen, ist vom Sofa aufgestanden und kopfschüttelnd in ein anderes Zimmer gegangen.“

Wir saßen noch eine Weile am Frühstückstisch und tranken, ohne etwas zu sagen, unseren Kaffee. Später gingen wir an den Strand und ließen uns vom schönen Wetter verwöhnen. Fiete hatte seine Cordula verloren. Aber eine Frau für sein zukünftiges Leben gewonnen.

Noch heute lache ich gerne und viel über diese erste und einzige Frauengeschichte von Fiete.

Zwei

Die Zeit bis zum Geburtstag von Fiete wurde immer knapper und dieses Mal schien mich meine Fantasie im Stich zu lassen. Es war ein Montagabend und ich war gerade dabei meine Tennissachen für unser allwöchentliches Tennismatch zu packen, als ich den Geistesblitz schlechthin hatte.

Nachdem ich meine Tennissachen wie gewohnt einfach in die Tasche geworfen hatte, lief ich in den Keller und kramte in meinen Schränken. Ich suchte nach einem Relikt aus meiner Jugend, nach meinem Tennisschläger aus längst vergangenen Zeiten.

Der Schläger lag, trotzdem er schon lange verbeult und verschlissen nicht mehr gebraucht wurde, noch immer irgendwo bei mir im Keller herum. Ich fand ihn schließlich unter meinen alten Fußballtrikots und ließ nun fast zärtlich alle meine Fingerkuppen über die alte Bespannung gleiten.

Dieser Schläger, als Anspielung auf unsere Tennismatche und dreißig alte Tennisbälle an kleinen Bändern daran aufgehängt, sollte mein Geschenk werden.

Jeder Tennisball wird im inneren einen Gutschein haben und diese Gutscheine werden Fiete und ich in einem Jahr gemeinsam abarbeiten. Dazu bekam Fiete von mir anstelle einer Geburtstagskarte nette Zeilen geschrieben. Diese Zeilen klaute ich, wie ich es oft und gerne mache, bei meinem Lieblingsliedermacher Reinhard Mey. Ich schrieb eines seiner Lieder etwas um, so dass es für Fietes dreißigsten Geburtstag passte.

Das Lied von Reinhard Mey heißt „Fünfzig“ und für Fiete machte ich folgende Worte daraus.

30 Jahre !!!

30! Was jetzt schon?

Hab` ich nicht grad eben noch

Durch ein gemeines Taschenloch

Meinen Einkaufsgroschen verloren?

Hab` ich nicht eben noch ganz sacht

Wieder ne` Fünf nach Haus` gebracht

In einem Heft voll Eselsohren?

Die große Liebe gestern war`s

Unter den Augen all der Stars

An den Wänden in meinem Zimmer!

Die Taschen leer und der Kopf voll

Mädchen und Fußball und Rock`n Roll.

Und wir dachten, dass ist für immer.

30? Ja, wohl schon –

splittert jetzt hier und da der Lack,

bin ich jetzt auch so`n alter Sack,

zu dem ich und meine Gefährten

jeden, der über zwanzig war

gnadenlos stem0pelten und gar

zum Zausel und scheintot erklärten?

Rieselt in meinem Hirn der Kalk,

hat aus dem Nacken sich der Schalk

verkrümelt? Frag` ich mich beklommen.

Hat meine Jugend über Nacht

Sich leise aus dem Staub gemacht

Und ich hab`s gar nicht mitbekommen?

30? Ja, wohl schon –

Die reifere Generation!

30! Was, jetzt schon?

Nun, auch ein großer Optimist

Weiß, dass dies nicht ein Viertel ist.

So schnell ging das! Denk` ich verwundert.

Und manchmal schmunzle` ich in mich rein:

Wie kann man noch so`n Kindskopf sein

Wie ich mit einem drittel Jahrhundert!

Doch ob man alt ist oder nicht

Steht nicht auf Hintern und Gesicht

Und deren Falten mit den Jahren.

Mancher ist schon als Kind senil,

Und junge Greise kenn` ich viel,

Die längst schon mit Hut Auto fahren!

30? Ja, wohl schon –

Und immer noch Opposition!

Da ist so was wie Dankbarkeit.

Mit einem Lächeln seh` ich weit

Im Zeitraffer über mein Leben:

Das ist o.k. so, ja, ich denk`,

Ben hat auch ein Geschenk

In meiner Wohnung abgegeben.

30? Ja, wohl schon –

meine herzlichste Gratulation!!!

Ich war erleichtert. Endlich hatte ich ein Geschenk, welches mir für einen guten Freund als würdig erschien.

Drei

„Da bin ich ja direkt ausnahmsweise pünktlich. Fiete wird sich wundern und staunen, wenn ich an seinem dreißigsten Geburtstag pünktlich um zwanzig Uhr den Klingelknopf drücke“, waren meine Gedanken, während ich fast zehn Minuten zu früh an seiner, sagen wir besser an Lolas, Wohnung ankam. In der nächsten halben Stunde konnte ich die Wohnung noch einige Male sehen und jedes Mal wenn ich bei meiner vergeblichen Parkplatzsuche an der Wohnung vorbei fuhr, wurde meine ehemals gute Laune schlechter.

„Was zum Geier finden alle an einem Stadtteil wie Eppendorf so toll. Nicht mal Parkplätze gibt es hier!“, sagte ich vor lauter Wut in einem ziemlich lauten Ton zu mir selbst. Ich erschrak direkt ein wenig über die Lautstärke, vergaß es aber genauso schnell wieder, da ich dort vorne einen Parkplatz erspähte.

„Na endlich!“, ich pustete tief durch und schnitt auf dem Weg zu meinem Parkplatz einen Audi TT, der tatsächlich versuchte, mir meinen so mühevoll gesuchten Parkplatz streitig zu machen. Sein Hupen muss noch einige Straßen weiter zu hören gewesen sein und da er trotz kaltem Wetters an diesem Märzabend offen fuhr, konnte ich sein wütendes Gesicht deutlich erkennen.

„Sein Pech, wenn er nur blinkt und dabei vergisst, schnell in die Parklücke einzubiegen. Auch als Audi TT Fahrer sollte man wissen, dass die Parkplatzsuche an einem Samstagabend in Eppendorf als eine Art Krieg zu bezeichnen ist.“, als ich ausstieg war er noch immer am pöbeln und während ich Fietes Geschenk vom Rücksitz nahm, musste ich vor Freude über meinen „Parkplatzsieg“ grinsen.

Als ich schwer beladen über die Straße zu der Wohnung von Lola und Fiete ging, kam der Audi TT schon wieder vorbei und ich konnte mir den Satz „Viel Spaß noch beim Suchen“, beim besten Willen nicht verkneifen.

Seinen Gesten nach muss dieser gestriegelte Lackaffe meinen Satz gehört haben und ich ging, da er bereits im Auto sitzend relativ kräftig wirkte, schnell zum Eingang mit der Hausnummer Zehn.

Es war inzwischen schon nach einundzwanzig Uhr als ich auf den Klingelknopf drückte und nach dem Summen der Gegensprechanlage in das Treppenhaus trat.

Dunkel war es im Treppenhaus und meine Laune verschlechterte sich nochmals ein wenig, da mir nun wieder bewusst wurde, dass ich bis in den fünften Stock laufen durfte. Fünf Stockwerke können endlos sein und wenn man dann noch mit Geschenken beladen diesen Höhenunterschied meistern muss, kann Treppenlaufen zur reinsten Strapaze werden. Oben angekommen, vergewisserte ich mich zunächst, dass auch wirklich niemand guckt.

„Die Luft ist rein!“, dachte ich mir und fing sofort damit an, meine mitgebrachten Tüten mit Sägespänen, Papierschnipseln und Styroporteilchen im Treppenhaus auszukippen und fachgerecht auf den Stufen nach unten zu verteilen. Als ich fertig war, sah ich direkt neben der Wohnungstür noch zwei große blaue Säcke stehen. Die Säcke sahen nicht nur aus als ob sie mit Styroporchips gefüllt waren, sie fühlten sich auch so an. Ich konnte meine Neugier beim besten Willen nicht zügeln und sah hinein.

„So naiv kann doch nicht einmal Fiete sein“, schoss es in meinen Kopf, als ich diese Unmengen von den Styroporchips sah. Tatsächlich hatte Fiete alle von Ihm gefegten Chips, ordentlich und penibel wie er nun einmal ist, in diesen beiden blauen Säcken vor seine Tür gestellt.

Ich grinste während ich den ersten Sack nahm und mit diesem Sack in der Hand, natürlich mit der Öffnung auf den Boden zeigend, die ersten Treppen hinunter ging. Nach drei Treppen oder genauer gesagt vierundfünfzig Stufen, war der Sack leer und ich ging wieder nach oben. Immerhin wartete dort noch ein weiterer Sack darauf, von mir ein zweites Mal gelehrt zu werden. Diesmal schaffte ich mit dem Inhalt sogar vier Treppen, was soviel wie zweiundsiebzig Stufen bedeutete. Zufrieden mit meiner Arbeit ging ich wieder nach oben und klopfte an die Wohnungstür.

Fiete machte auf und da das Treppenhauslicht inzwischen ausgegangen war, konnte Fiete das Chaos im Treppenhaus nicht sofort Erkennen. Die beiden blauen Säcke schien er auch nicht zu vermissen und so schob ich ihn, während ich ihm zum Gratulieren in den Arm nahm, zurück in seine Wohnung.

Hier liefen und saßen viele bekannte Gesichter herum, die ich von anderen Feiern der beiden kannte. Durch meine Parkplatzsucherei gehörte ich zu den zuletzt eingetroffenen Gästen und konnte mir relativ schnell einen Überblick darüber verschaffen, in welchem Raum dieser großen Wohnung ich mich aufhalten wollte. Auf die Ecke mit Lolas Angestellten hatte ich nun so gar keine Lust. Erstens haben die außer dem Thema Patienten und Anwendungen keine weiteren Themen, zweitens verstehen die Mädels alle keinen schwarzen Humor und drittens gab es auf der gesamten Welt wohl nicht noch einen so langweiligen und biederen Haufen wie diese Klicke. Außerdem hoffte ich auf hübsche Frauen in einer anderen Ecke der Wohnung. Die Fußballecke von Fietes Mannschaftskollegen reizte mich auch nicht wirklich und so freute ich mich sehr, als ich in der Küche, natürlich in der Nähe vom Buffet, Bianca erblickte. Auch Bianca war eine Angestellte von Lola. Allerdings reichte es ihr, ihre „lieben“ Kolleginnen bei der Arbeit genießen zu dürfen. Bianca war anders. Sie hatte meine Art von Humor, war nicht langweilig, liebte es spontan zu sein, war hübsch, genau mein Typ Frau und leider - eine Lesbe.

- Ende der Buchvorschau -

Impressum

Texte © Copyright by Ben Bertram Alsterdorfer Straße , 514 22337 Hamburg [email protected]

Bildmaterialien © Copyright by Ben Bertram

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 978-3-7393-8829-8