Eine italienische Affäre - Fanny Blake - E-Book
SONDERANGEBOT

Eine italienische Affäre E-Book

Fanny Blake

0,0
12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wunderbar entspannte Familienferien sollen es werden: Rose und Daniel verbringen wie so oft zwei Wochen mit den erwachsenen Kindern in ihrem Haus in der Toskana. Als auch noch Roses beste Freundin Eve mit ihrem Mann eintrifft, scheint die Sommeridylle perfekt. Alles geht seinen friedlichen Gang, Rose freut sich auf Pasta und Rotwein auf der Terrasse, Daniel zieht ein paar Bahnen im Pool – als eine harmlose SMS auf einmal alles durcheinanderwirbelt. Die Worte »Miss you. Love you. Come back soon«, die Rose auf dem Handy ihres Mannes sieht, erschüttern ihren Glauben an ihre glückliche Ehe zutiefst. Kann es sein, dass Daniel eine Affäre hat? Bestürzt sucht Rose Rat bei Eve, aber die braucht eigentlich selbst Unterstützung, denn nicht nur ihre berufliche Zukunft, auch ihre Ehe steht auf dem Spiel. Zu allem Überfluss spitzt sich der Dauerkonflikt zwischen Daniel und den beiden Töchtern dramatisch zu. Dann geschieht das Unfassbare – und der entspannte Urlaub wird zum Alptraum. Packend und mit feinem Humor erzählt Fanny Blake wie eine Familie sich komplett neu erfinden muss und wie ihr das am Ende gelingt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 635

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wunderbar entspannte Familienferien sollen es werden: Rose und Daniel verbringen wie so oft zwei Wochen mit den erwachsenen Kindern in ihrem Haus in der Toskana. Als auch noch Roses beste Freundin Eve mit ihrem Mann eintrifft, scheint die Sommeridylle perfekt. Alles geht seinen friedlichen Gang, Rose freut sich auf Pasta und Rotwein auf der Terrasse, Daniel zieht ein paar Bahnen im Pool – als eine harmlose SMS auf einmal alles durcheinanderwirbelt. Die Worte »Du fehlst mir. Ich liebe dich. Komm bald wieder«, die Rose auf dem Handy ihres Mannes sieht, erschüttern ihren Glauben an ihre glückliche Ehe zutiefst. Kann es sein, dass Daniel eine Affäre hat?

 Bestürzt sucht Rose Rat bei Eve, aber die braucht eigentlich selbst Unterstützung, denn nicht nur ihre berufliche Zukunft, auch ihre Ehe steht auf dem Spiel. Zu allem Überfluss spitzt sich der Dauerkonflikt zwischen Daniel und den beiden Töchtern dramatisch zu. Dann geschieht das Unfassbare – und der entspannte Urlaub wird zum Alptraum.

FANNY BLAKE

EINE ITALIENISCHEAFFÄRE

Roman

Aus dem Englischen

Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel The Secrets Women Keep bei Orion Books, London

eBook Insel Verlag Berlin 2014

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4326.

© der deutschen Ausgabe Insel Verlag Berlin 2014

Copyright: © Fanny Blake, 2013

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr.

Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar.

Umschlaggestaltung: Cornelia Niere, München

Umschlagfotos: Sarah Ketelaars/Trevillion Images; Panoramic Images/Getty Images

Für meine Mutter und meine Schwester, in Liebe

Aber wir wissen nie, was in andrer Leute Herzen verborgen ist, und wenn wir Glasfenster davor hätten, so müssten, kann ich Ihnen versichern, manche von uns die Läden vorlegen!

1

Die dunkle Umrisslinie der Tür rahmte einen Teil des sonnendurchfluteten Gartens ein, dessen leuchtende Farben einen starken Kontrast zum schattigen Innern des Hauses bildeten. Rose sah die lebhaften Farbtupfer der Bougainvillea, Geranien und Rosen, das silbrige Grün der Olivenbäume in der Ferne, das eindrucksvolle Blau des Himmels. Aber sie war froh, im Haus zu sein. Selbst hier war die Hitze noch zu spüren, obwohl sie die Läden geschlossen hatte, da es seit dem Morgen sehr viel wärmer geworden war.

Eve und Terry wollten um die Mittagszeit in Pisa ankommen und dann gleich zu ihnen herausfahren, das sprach für ein einfaches, spätes Mittagessen. Rose schlang sich die Bänder der Schürze um die Hüften und knotete sie vor ihrem Bauch zusammen, der nicht mehr ganz so sportlich flach war wie noch vor ein paar Jahren. Aber bei zwei Kindern und ihrem gesunden Appetit hätte es schlimmer sein können. Sie wählte ein paar Zwiebeln und Knoblauchzehen aus dem von der Decke hängenden Drahtkorb, dazu die reifsten Tomaten aus einer Schüssel. Das alles legte sie neben die kleinen Bündel von Oregano und Thymian, die sie im Garten geschnitten hatte. Die begann sie nun kleinzuhacken, wozu sie leise vor sich hin summte. Es schien wieder einmal ein paradiesischer Tag zu werden.

»Was gibt's zum Essen?« Daniel war plötzlich hinter ihr aufgetaucht, hatte seine Arme um sie gelegt und ihr einen Kuss in den Nacken gedrückt.

Rose drehte sich um und sah lächelnd zu ihm auf. »Wart's einfach ab!«

»Spielverderberin!« Er legte eine Hand auf ihre Wange und küsste sie noch einmal, diesmal auf die Lippen. Langsam und liebevoll. Sie schloss die Augen und schmiegte sich an ihn.

Als sie schließlich voneinander abließen, warf Rose einen Blick auf die große Uhr über dem Herd. »Schon so spät! Ich muss anfangen.« Sie löste seine Hände von ihren Hüften. »Sonst werde ich nie rechtzeitig fertig!«

Daniel zog in übertriebener Enttäuschung die Mundwinkel nach unten und griff nach dem Badehandtuch, das er über die Lehne eines Stuhls geworfen hatte. »Wenn ich dir hier wirklich nicht helfen kann, gehe ich eine Runde schwimmen.«

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn auf die Wange zu küssen. »Keine Sorge. Alles unter Kontrolle. Hauptsache, du bist bereit, wenn sie kommen.«

Er schlenderte aus dem Haus, den Hügel hinunter, und verschwand durch das Tor zum Pool. Erst da wandte Rose ihre Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu.

In der Küche herumzufuhrwerken war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, besonders hier in der Casa Rosa, dem renovierten Bauernhaus. Es war schon ein paar Jährchen her, dass sie es gekauft hatten. Damals war es eine halbe Ruine gewesen, aber die Lage auf einer Anhöhe hatte sie sofort begeistert. Sie hatten sich beim nächsten Bauern erkundigt, sich dann auf die zeitraubende Suche nach den Mitgliedern der Familie gemacht, denen das Haus gehörte, und einen nach dem anderen überredet, bis es schließlich ihnen gehörte. Rose lächelte. Damals hatte Daniel noch Geduld gehabt. Heute würde er niemals so lange auf etwas warten. Gemeinsam hatten sie nach und nach dem Haus neues Leben eingehaucht und jeden Sommer die Familie hierher eingeladen, inzwischen schon mehr Jahre, als sie zurückdenken konnten; allesamt schöne Erinnerungen.

Beim Gedanken an ihre Töchter entfuhr Rose ein liebevoller Seufzer. Anna, die Ältere, wurde für den späten Nachmittag erwartet, sie brachte sicher einen Wust von Plänen und Problemen mit. Was Jess betraf … es war fraglich, ob sie überhaupt kommen würde, nachdem sie neulich so mit ihrem Vater aneinandergeraten war. Voller Groll hatte sie verkündet, dass sie dieses Jahr überhaupt nicht kommen werde. Sie, ihr Mann Adam und das Baby Dylan würden zuhause bleiben.

»Dylan! Was für ein lächerlicher Name! Wir sind doch nicht aus Wales!« Rose erinnerte sich noch gut daran, wie Daniel losgeschimpft hatte, als er hörte, dass ihr Enkel nach Bob Dylan benannt werden sollte, den Adam als genialen Musiker verehrte. Aber natürlich, was Adam mochte, konnte Daniel nur verabscheuen.

Sie tröstete sich damit, dass Jess und Daniel sich am Ende noch immer wieder versöhnt hatten. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihre Jüngere beim traditionsreichen Familientreffen nicht dabei sein sollte; für sie war es ein heiliges Ritual, auch wenn die Mädchen längst erwachsen waren und ihr eigenes Leben führten. Außer Weihnachten war es die einzige Gelegenheit im Jahr, zu der sie alle in entspannter Atmosphäre zusammenkamen. Rose wollte sich gar keine Alternative zu ihrem gewohnten Familientreffen vorstellen. Jedenfalls hatte sie ein Bett für Jess und Adam gerichtet und eine kleine Matratze für Dylan daneben auf den Boden gelegt. Das Kinderstühlchen, das Daniel für Jess zu ihrem vierten Geburtstag gebaut und das Rose mit Figuren aus Alice im Wunderland bemalt hatte, stand ebenfalls bereit. Vorerst vertagte sie das Problem. Darüber würde sie später mit Daniel reden, in einem passenden Augenblick. Jetzt wollte sie lieber an ihren kleinen Enkel denken und sich darauf freuen, ihn wiederzusehen.

Sie griff nach dem Kanister auf der angeschlagenen Kachel ganz hinten auf der Arbeitsplatte, gab einen Schuss Olivenöl in die Pfanne und drehte das Gas auf. Im nächsten Augenblick schob sie die Zwiebeln und den Knoblauch hinein, die sogleich zu brutzeln begannen, und rührte sie um. Der Duft erfüllte sofort die ganze Küche. Als sie die geschnittenen Tomaten hinzugab, vibrierte das iPhone: Eine SMS. Sicher Eve, die mitteilen wollte, dass sie etwas später ankommen würden. Rose wischte etwas Tomatensaft an der Schürze ab und griff nach dem Handy, das halb verborgen zwischen den Schalen mit Früchten und Gemüse auf dem Tisch lag. Mit dem Handrücken strich sie sich die Haare aus der vor Hitze feuchten Stirn und las die SMS.

Sie zog die Brauen hoch und las sie noch einmal. Das war auf keinen Fall von Eve.

Du fehlst mir. Ich liebe dich. Komm bald wieder. S

Sie kannte eigentlich niemanden, der ihr so etwas schreiben würde.

Wahrscheinlich hatte sich jemand in der Nummer vertan. Sie legte das Handy wieder auf den langen Küchentisch aus Eichenholz zurück und schob es zwischen zwei irdene Schüsseln, eine mit einer Ladung Fleischtomaten, Auberginen und Zucchini, die andere voller Feigen, die sie am Morgen selbst gepflückt hatte, und ein paar missgestalteten Birnen und Äpfeln, die sie am Tag zuvor auf dem Markt gekauft hatte. Sie drehte das Gas unter der Tomatensoße kleiner und ließ sie köcheln, während sie die Arbeitsplatte aufräumte und abwischte. Alles, was in die Spülmaschine durfte, wanderte dort hinein, den Rest wusch sie ab. Sie zog die Schürze aus, hängte sie an die Tür, überlegte, für wen die Nachricht wohl bestimmt war, und fragte sich, welche Folgen es haben mochte, dass sie nicht angekommen war. Sie schob sich die aufgekrempelten Ärmel über die Ellbogen. Vielleicht sollte sie etwas Leichteres anziehen, bevor die anderen kamen. Aber die SMS ging ihr nicht aus dem Kopf, es zog sie an den Tisch zurück. Sie griff noch einmal nach dem Handy und drehte es um.

Auf der glänzenden schwarzen Rückseite waren der bekannte Kratzer und das aufgeklebte Goldsternchen, das es von ihrem unterschied. Es war Daniels Handy. Ihr Herz begann zu rasen, als ihr klar wurde, dass die Nachricht für ihn bestimmt sein musste.

Sie schüttelte ungläubig den Kopf und schaute noch einmal hin. Die Worte flimmerten vor ihren Augen, und sie atmete schwer. Sie schob die Früchteschale ein wenig beiseite und legte das Handy wieder an seinen Platz. Wäre da nicht die tickende Wanduhr gewesen, sie hätte geglaubt, die Zeit wäre stehengeblieben.

Sie stürzte zum Spülbecken und würgte über den Kaffeebechern, die sie dort abgestellt hatte. Noch vor einer halben Stunde hatten sie hier beisammengesessen und über die kommende Woche geredet. Sie ging das Gespräch in Gedanken durch. War da irgendetwas Merkwürdiges gewesen, etwas Ungewöhnliches, irgendein kleiner Hinweis darauf, dass etwas zwischen ihnen nicht stimmte? Nicht dass sie sich erinnern konnte. Weder jetzt noch während der letzten Wochen. Sie drehte das kalte Wasser auf und benetzte ihr glühendes Gesicht und ihren Hals.

Doch schon als sie sich mit einem Geschirrhandtuch abtrocknete, fand sie ihre Reaktion absurd. Daniel eine Affäre? Unmöglich. Undenkbar. Die SMS musste von einem Kollegen oder einer Kollegin stammen. Natürlich. Bestimmt gab es irgendein Problem in einem der Hotels, das nur er lösen konnte. Wie schnell sie Schlussfolgerungen gezogen hatte. Sie vertrauten einander uneingeschränkt. Oder etwa nicht? Ein leichter Zweifel beschlich sie. Ich liebe dich. Wer schrieb ihm so etwas?

Sie griff wieder nach dem Handy.

Da waren sie immer noch, die Worte. Du fehlst mir. Ich liebe dich. Komm bald wieder. Wer immer sie geschrieben hatte, musste doch bedacht haben, dass jemand anderes als Daniel sie vielleicht lesen würde. Es musste also eine harmlose Erklärung geben. Aber wenn es kein Kollege war, wer dann? Sie rieb den Daumen am Mittelfinger, betrachtete eingehend ihre quadratischen, ans Zupacken gewöhnten Hände, ihre ordentlich rundgefeilten Fingernägel. Vielleicht war die SMS nur ein Scherz. Die Initiale S: Unterschrift und einziger Hinweis auf die Identität des Absenders, die sie gleichzeitig wahrte. Das Verlangen, das sie im ersten Moment hineingelesen hatte, musste eine Fehlinterpretation sein. Jede Faser in ihr sträubte sich gegen den Gedanken, ihr Ehemann könnte sie betrügen. Und doch … Passierte nicht genau das dauernd in Ehen? Betrogene Ehefrau findet verräterische Rechnung, Notiz, SMS. Panisch ging sie noch einmal die möglichen Erklärungen durch. Kollege, Kollegin? Ein Scherz? Falsche Nummer? Eine andere Frau? Diese letzte Möglichkeit setzte sich in ihrem Kopf fest, und es schnürte ihr die Kehle zu …

Die Glocke des Klosters schlug die volle Stunde. Eve und Terry konnten jeden Augenblick hier sein. Besser, sie klärte das zuvor noch, um wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen. Spannung legte sich wie ein eisernes Band um ihren Kopf, ihre Verwirrung schlug in Panik um. Sie setzte sich hin und barg das Gesicht in den Händen. Was wenn?

Draußen bellte ein Hund, dann hörte sie, wie Daniel ins Wasser sprang, um seine obligatorischen hundert Bahnen zu schwimmen.

Daniel war ein Frauenschwarm. Das hatte Rose schon immer gewusst. Wenn er einen Raum betrat, wandten sich die Köpfe nach ihm um. Mit seiner Energie und seinem Charisma gewann er leicht Freunde. Von etwaigen Feinden hatte sie noch nie etwas mitbekommen. Ob er Geliebte gehabt hatte … Sie glaubte es nicht. Sie war immer für ihn da gewesen, würde immer für ihn da sein. So wie er für sie.

Sie schenkte sich ein halbes Glas Wasser ein und leerte es hastig. Was immer sie durchmachen musste, nichts sollte die Familienferien trüben. Sie versuchte ihre Gedanken zu sammeln, füllte den großen Nudeltopf mit Wasser und stellte ihn auf der Herdplatte bereit. Dann nahm sie das Messer und stach es so heftig durch die letzte Tomate, dass die Spitze im Schneidebrett steckenblieb. Es gab bestimmt eine harmlose Erklärung. Sie musste einfach fragen.

Sie schnitt die Tomaten in die Pfanne und drehte das Gas ab. Dann nahm sie wieder das Handy und ging nach draußen. Jeder Schritt war eine Qual. Eine grünschwarze Eidechse huschte über den Weg und verschwand im Schatten des Topfs mit den rosa Geranien. Die drückende Sommerhitze umhüllte sie wie eine Decke, wärmte sie aber nicht und verlangsamte auch nicht ihre rasenden Gedanken. Auf der Terrasse, die im Schutz der Weinranken lag, hielt sie kurz inne, um ihren Strohhut aufzusetzen. Ihr Blick wanderte an dem ausladenden Walnussbaum vorbei, in dessen Schatten der Tisch stand, an dem sie essen wollten, weiter durch die Olivenbäume und hinunter zum Pool. Dort konnte sie hören, wie Daniel mit kräftigen Armschlägen durchs Wasser pflügte. Ein paar orangefarbene Schmetterlinge tänzelten vorbei, als sie über den Rasen schritt, der unter ihren Füßen federte, bis sie den Pfad erreichte, der zum Pool führte. Sie sah, wie Daniel am anderen Ende eine Wende machte und sein grauer Haarschopf zwischen Luftblasen unter Wasser verschwand. Er wirkte ganz in seinem Element, wie er sauber durchs Wasser schnitt. Die Sonne glitzerte auf den Wellen, die sich als Schatten auf dem blauen Beckengrund fortpflanzten. Tränen traten ihr in die Augen.

Rose ging über den Fliesenboden zum Beckenrand und blieb eine Sekunde am flach auslaufenden Ende stehen, bevor sie auf die erste Stufe trat und die jähe Kühle des Wassers sie ins Hier und Jetzt zurückholte. Sie verscheuchte eine Fliege, die sich auf ihre Schulter gesetzt hatte. Nur noch ein paar Züge, und Daniel war neben ihr. Sie trat einen Schritt zurück aus dem Wasser. Er hielt sich am Beckenrand fest und sah auf, schüttelte den Kopf, neigte ihn erst auf die eine Seite, dann auf die andere, wobei er sich leicht aufs Ohrläppchen schlug, nahm seine Schwimmbrille ab und warf sie neben ihre Füße. Die Augen gegen die Sonne zusammengekniffen, schaute er zu ihr hoch.

»Alles in Ordnung?«

Selbst sein Lächeln tat ihr weh. Sie bemerkte einen Tomatenfleck auf dem Saum ihrer rosa Leinenshorts und kratzte geistesabwesend daran herum.

Die Jagdhunde der Nachbarn im Zwinger unter der Eiche schlugen wieder an.

»Alles bestens.« Ihre Stimme klang leicht gebrochen, aber er bemerkte es nicht. »Du hast eine SMS bekommen.«

Er schien überrascht.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie ihm das Handy reichte, dessen Oberfläche in der Sonne glitzerte.

»Wirklich? Ich erwarte nichts. Wer immer das sein mag, es kann warten. Dafür hättest du nicht rauskommen brauchen.« Er stemmte sich aus dem Wasser und setzte sich auf den Beckenrand. Sie registrierte seinen Bauchansatz, den er entschlossen mit Sport bekämpfte, und die grauen Locken auf seiner Brust. Wasser lief über sein Gesicht und klatschte ihm die Haare an den Kopf, bis er sie mit einer Hand rubbelte, so dass sie wild abstanden. Auch jetzt noch fand sie, dass er etwas von einem griechischen Gott hatte. Und braungebrannt sah er wirklich gut aus. Kein Zweifel, ihr Mann war immer noch ziemlich … nun, für einen Mann seines Alters wirklich noch zum Anbeißen. Vielleicht war sie nicht die Einzige, die so empfand. Ihr Magen drehte sich um. Sie suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen von Schuld, aber da war nichts.

»Man kann ja nie wissen. Vielleicht ist es wichtiger, als du denkst.« Sie legte das Handy neben sein Handtuch, einen Augenblick lang gerührt, weil er gar nicht auf die Idee zu kommen schien, sie könnte die SMS gelesen haben, und sogleich erschrocken darüber, dass sie es getan hatte. »Eve und Terry werden gleich da sein, und ich dachte, du wolltest dich fertigmachen.«

Er stöhnte. »Es ist so schön hier, wenn wir alleine sind.«

Ja, schön war es gewesen. Bis vor zehn Minuten.

Frag ihn einfach, drängte sie eine innere Stimme. Frag ihn.

Aber sosehr sie sich auch wünschte, sofort bestätigt zu bekommen, dass die SMS ganz harmlos war, so sehr fürchtete sie sich auch vor dem Gegenteil. Also blieb sie stumm und versuchte nur, die Fassung zu bewahren. Ihn jetzt damit zu konfrontieren, wenige Minuten, bevor die anderen eintrafen, war keine gute Idee. Sie tastete nach ihrem Halskettchen, bis sie das zierliche goldene Herz fühlte, das er ihr zum Hochzeitstag geschenkt hatte. »Du hast doch gerne Gäste. Und heute Abend kommt Anna«, sagte sie.

Der Name ihrer Tochter zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. »Mit welchen durchgeknallten Ideen sie diesmal wohl wieder anrückt?«

Rose schaute zum Himmel und schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. Sie bekam keinen Ton heraus.

Daniel lachte und strich mit einem Finger über ihre Wade. »Komm schon, so schlimm ist sie auch wieder nicht.«

Sie erstarrte bei seiner Berührung, dann trat sie einen Schritt beiseite, um nicht dem plötzlichen Drang nachzugeben, ihm einen Fußtritt zu versetzen. Wie kam es, dass er solche Gefühle in ihr auslöste? »Ich hatte gehofft, sie wäre endlich zur Vernunft gekommen. Mit dieser Gartenbau-Ausbildung.«

»Unsere Anna? Träum weiter, altes Haus.« Er wandte mit geschlossenen Augen sein Gesicht der Sonne zu und stützte sich auf die Arme.

»Nenn mich bitte nicht alt«, sagte sie, ohne zu überlegen. »Zumindest verhalte ich mich meinem Alter entsprechend.« Sogleich bedauerte sie ihre Worte und schluckte rasch den Kloß in ihrem Hals herunter, um es zurückzunehmen.

»Was soll denn das heißen?« Aber seine Augen blieben geschlossen, und er klang höchstens amüsiert.

»Nichts.« Sie hielt die Worte im Zaum, die ihr über die Zunge galoppieren wollten, und grub die Fingernägel in ihre Handflächen. Der Schmerz half ihr, sich zu beherrschen. Selbstkontrolle: Das war jetzt das Wichtigste. Sie musste sich zusammenreißen, das Gespräch hinausschieben, bis sie ungestört waren. Solange er seine Schuld nicht eingestanden hatte, war alles wie immer. »Ich muss mit dem Essen weitermachen. Wenigstens einer von uns beiden sollte fertig sein, wenn sie kommen.«

Daniel sprang auf die Füße. »Zu spät!« Er schlang sich das rote Handtuch um die Hüften und beide wandten sich zum Haus um, wo man einen Wagen über die holprige Einfahrt kommen hörte.

»Wie oft habe ich Marco schon gesagt, dass er das blöde Tor zumachen soll. Ist der eigentlich taub? Dann können wir uns ja gleich den ganzen Zaun sparen.«

Sprachen waren nicht Daniels Stärke, doch er konnte es nicht lassen, sich lautstark darin zu versuchen, obwohl viele Einheimische sein Englisch besser verstanden hätten. Marco hatte vor ewiger Zeit drei Jahre in Cricklewood gelebt, und wenn man ihn davon erzählen hörte, gewann man den Eindruck, es sei für ihn immer noch der Nabel der Welt. Heute schlug er sich als zuverlässiger Gärtner, Poolwart und Mann für alles bei einer Reihe englischer Hausbesitzer in der Gegend durch. Er sprach fließend Englisch, aber Daniel bestand darauf, in jedem Gespräch dröhnend sein ziemlich hoffnungsloses Anfänger-Italienisch hervorzukramen. Wer ihm je dabei zugehört hatte, war ebenso beeindruckt von seiner Beharrlichkeit wie von seiner hölzernen Zunge. Meist musste Rose hinterher erklären, was er gemeint hatte.

Sie folgte ihm durch den Garten. Selbstsicher, lässig und sorglos schritt er vor ihr her. Sosehr sie sich bemühte, die Angst unter Kontrolle zu bekommen, sie schnürte ihr doch derart die Kehle zu, dass sie kaum noch etwas um sich herum wahrnahm. Sie wollte sich nur noch ins Bett legen, sich eine Decke über den Kopf ziehen, der ganzen Welt entfliehen und versuchen, mit den schrecklichen nagenden Zweifeln fertig zu werden, die unerbittlich von ihr Besitz ergriffen hatten. Aber das ging nicht. Sie musste sich zusammenreißen, koste es, was es wolle. Als sie ums Haus bogen, parkte gerade ein kleiner schwarzer Wagen rückwärts neben ihrem ein. Ein Arm mit einem in der Sonne glitzernden Reif reckte sich aus einem Wagenfenster und winkte grüßend. Kaum stand das Auto, da flog schon die Beifahrertür auf und Eve stürzte heraus.

»Endlich! Ich dachte schon, wir kommen nie an. Terry musste unbedingt so eine lahme, kleine Kiste mieten. Aber ihr wisst ja, er will unbedingt unseren Planeten retten!« Sie umarmte Rose herzlich, Rose erwiderte die Umarmung und atmete dabei den vertrauten blumigen Duft ihrer Freundin ein. Immerhin, die Kavallerie war schon da.

Eve wandte sich an Daniel. »Lass dich drücken, du Prachtstück von einem Mann.«

Als sie ihn umarmte, konnte Rose nicht umhin, amüsiert festzustellen, wie unpassend Eve für das einfache Leben in der Villa gekleidet war. Sie war in ihrer Garderobe keine Kompromisse eingegangen. Kein Modeguru hätte je etwas an ihr auszusetzen gefunden. »Wenn ich morgen von einem Bus umgenietet werde, dann wissen die Leute wenigstens, dass ich Geschmack hatte«, hatte sie einmal im Scherz zu ihren Freundinnen gesagt. »Ton in Ton« war ihr Motto, diesmal umgesetzt in braunen Sandalen, cremefarbenen Caprihosen, einem bauschigen, wild gemusterten Top in verschiedenen Schattierungen von Braun und Korallenrot und jeder Menge Goldschmuck. Rose wünschte, sie hätte etwas Schickeres angezogen als bloß Shorts und eine Bluse. Sie strich sich mit der Hand ihr kurzes Haar hinters Ohr. Im Vergleich zu Eves teuren Strähnchen sieht es sicherlich stumpf aus, dachte sie. Aber stundenlang beim Friseur zu sitzen war nicht ihre Sache.

»Rose! Du siehst bezaubernd aus«, sagte Eve. Daniel hatte einen Arm locker um ihre Schulter gelegt.

Terry stand vor Rose und streckte ihr erwartungsvoll die Arme entgegen. Er war unrasiert, für ihn untypisch, und sein Gesicht wirkte etwas ausgezehrt, was seine schmale Nase und seine abstehenden Ohren betonte. Mein Bruder sollte sich besser nicht in kurzen Hosen zeigen, dachte sie, schämte sich aber sogleich für diesen Gedanken. Er hatte nie seine Schlaksigkeit verloren, die ihn trotz aller Begeisterung schon in seiner Jugend für eine Sportkarriere disqualifiziert hatte. Vielleicht war sie aber einfach nur zu sehr daran gewöhnt, ihn in seiner Buchhalteruniform mit Anzug und Krawatte zu sehen. Sie setzte ihr Begrüßungslächeln auf, bevor sie in seiner ungeschickten Umarmung landete und sich ihr Gesicht an seinen Stoppeln aufrieb. Obwohl Bruder und Schwester, war ihnen beiden zu viel Nähe nicht angenehm. So schnell es ging, löste sie sich von ihm und trat einen Schritt zurück. Doch dann gab sie sich einen Ruck.

»Schön, dass ihr beide da seid«, sagte sie. »Sollen wir gleich euer Gepäck reinbringen?« Terry hatte bereits den Kofferraum geöffnet und einen kleinen Koffer herausgehoben.

»Das ist alles? Ihr reist doch sonst nicht so spartanisch.«

Terry zog ein Gesicht. »Einer ist verloren gegangen. Aber …«

»Nicht einfach einer, Terry«, unterbrach ihn Eve. »Meiner!«

»Sie haben gesagt, um neun Uhr heute Abend ist er da«, erklärte er. Er klang beschwichtigend, so, als hätten sie bereits einen längeren Disput darüber gehabt. »Sie schicken ihn mit dem letzten Flieger, der von Stansted abhebt.«

»Wir werden es ja sehen«, murmelte Eve. »Was für eine chaotische Klitsche von einem Flughafen. Jedenfalls muss ich mich so lange mit dem begnügen, was ich am Leib trage.«

Rose gab ein paar mitfühlende Laute von sich. Sie ahnte bereits, wie viel Firlefanz sich am Abend auf den Luftweg zu ihnen machen würde.

Eve sah ihren Gesichtsausdruck und hakte sich bei ihr ein. »Du weißt doch, dass ich nicht ohne meine Brennschere, meine Trockenhaube und meine Cremes und Lotionen verreisen kann, und natürlich Garderobe für alle Gelegenheiten. Man darf sich niemals gehenlassen, ich jedenfalls denke nicht daran. Das Zeug nimmt allerdings viel Platz in Anspruch, das räume ich ein.«

»Wohl wahr«, sagte Rose. Sie fühlte sich etwas besser, jetzt, da Eve da war. Vielleicht würde sie mit ihr über die SMS reden. Eve wusste sicher, was zu tun war, sie würde ihr bestimmt versichern, dass sie alles falsch verstanden hatte. »Verlorene Koffer tauchen fast immer wieder auf. Lass dir davon nicht den Tag verderben. Zieh einfach was von meinen Sachen an.«

Eve prustete los. »Von deinen? Danke für das Angebot, Schwägerinnenherz, aber in deine Kleider passt von mir höchstens ein Bein.«

Rose lachte. »Unsinn. Komm erst mal rein, ich schaue mal, was sich finden lässt.« Sie nahm den Koffer auf. »Habt ihr denn ansonsten eine angenehme Reise gehabt?«

»Einfach schrecklich.« Eve war direkt hinter ihr. »Letztes Jahr habe ich mir geschworen, nie mehr einen Billigflieger zu nehmen, aber du weißt ja, wie Terry ist, wenn er ein Schnäppchen wittert. Wir sind mal wieder wie Vieh an Bord getrieben worden, und dann hockten wir geschlagene anderthalb Stunden auf der Startbahn, weil in Pisa die Hölle los war. Vor der Landung mussten wir dann eine halbe Stunde lang Schleifen drehen, so tief, dass wir fast die Ziegel von den Dächern gekratzt haben. Man bekam es mit der Angst zu tun. Haben die denn gar keine Organisation hier in Italien?«

»Ach, du weißt doch, wie das hier ist«, sagte Rose abwehrend und führte sie um das Haupthaus herum zu den Nebengebäuden. »Ihr schlaft diesmal im alten Stall. In Ordnung?«

»Wenn es Moskitonetze an den Fenstern gibt und die Pferde rausgebracht worden sind, ist mir alles recht.«

»Ich habe es nicht vergessen, ich habe dir sämtliche Insektensprays bereitgestellt, die ich im Dorfladen finden konnte, und für den Fall der Fälle auch noch eine Salbe gegen Juckreiz.« Sie öffnete die Tür des alten Stalls, der nun ein sparsam, aber komfortabel möbliertes Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein Badezimmer barg. »Packt doch einfach aus, was ihr habt, und dann kommt ihr auf die Terrasse und wir trinken ein Glas, ja?« Sie hatte das überwältigende Bedürfnis, allein zu sein, denn eines war ihr schlagartig klar geworden: Eve würde ihr nicht helfen können, denn Daniel hatte ganz bestimmt eine Affäre. Es konnte keine andere Erklärung geben.

»Das hört sich nach einem guten Plan an. Ich komme in ein paar Minuten.« Eve betrachtete das nicht besonders breite Bett – ein größeres hatte nicht in den Raum gepasst. »Keine Einzelbetten?«

Rose überhörte geflissentlich Eves enttäuschten Seufzer und schüttelte den Kopf. Mit dem Liebesleben ihres Bruders und ihrer Schwägerin wollte sie sich gar nicht erst befassen. »Wenn du irgendetwas brauchst, ruf mich einfach.«

»Alles in Ordnung mit dir?« Eve legte eine Hand auf Roses Arm.

»Ja, natürlich. Warum?« Zu ihrem eigenen Entsetzen spürte Rose, dass ihr Tränen in die Augen traten.

»Ich weiß nicht, du wirkst ein bisschen … ich weiß nicht … abgespannt.« Sie zog Rose an sich. »Sieh mich mal an.«

»Sei nicht albern.« Rose wandte das Gesicht ab und blinzelte. »Ich gehe jetzt rüber und rette das Essen, und dann suche ich ein paar Klamotten für dich zusammen.« Sie schob sich an Terry vorbei, der in der Tür stand. Dabei vermied sie es, ihn anzuschauen, denn er sollte auf keinen Fall merken, dass etwas nicht stimmte. »Bis gleich«, rief sie mit gekünstelt fester Stimme.

Eve entgegnete irgendetwas, aber Rose verstand es nicht. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte man ihr den Schädel mit Beton ausgegossen. Mit bleischweren Gliedern machte sie sich auf den Weg zur Küche. Daniel. Eine Affäre. Die Worte pochten in ihrem Schädel. Diese SMS, so leidenschaftlich, so sehnsuchtsvoll, hatte ihr endlich ins Bewusstsein gebracht, was sie bisher immer verdrängt hatte. Es gab andere Frauen, die noch immer etwas von ihm wollten. Und nun hatte er sich mit einer von ih

2

Rose wünschte sich sehnlich, das Essen wäre schon vorüber. Nur sporadisch nahm sie am Gespräch teil, antwortete lediglich, wenn sie direkt angesprochen wurde, um sofort wieder in Gedanken darüber zu versinken, was aus ihren Familientreffen werden würde, wenn sie und Daniel sich trennten. Lustlos stocherte sie in den Nudeln und dem Salat herum. Das flaue Gefühl in ihrem Magen ließ keinen Appetit aufkommen. Die anderen überboten sich mit Vorschlägen, was sie in den kommenden Tagen unternehmen könnten, blieben aber im Unbestimmten, ohne für etwas richtig Feuer zu fangen: Ein paar Tage einfach ausruhen, Spaziergänge durch die Landschaft, Ausflüge nach Arezzo, Cortona, San Gimignano, Siena oder zum Lichterfest in Lucca. Schließlich wandte sich das Gespräch wie immer dem eigentlichen Thema zu: ihren Familien.

Eve hatte bereits ihr übliches Loblied auf ihre vier Kinder gesungen und im selben Atemzug verzweifelt die Hände ob ihrer Flatterhaftigkeit gerungen – Charlie, Tom, Luke und, Gott sei Dank, doch noch ein Mädchen, Millie. Charlie hatte nun immerhin eine Stelle, während die Zwillinge, Tom und Luke, problemlos durch Schule und Studium gekommen waren, ohne dabei die geringste Idee zu entwickeln, was sie mit ihrem Leben anstellen wollten. Sie verbrachten ihre Zeit mit unbezahlten Praktika, hofften darauf, dass sich etwas aus irgendwelchen Kontakten ergab, und lagen ihren Eltern auf der Tasche. Millie studierte noch – Medienwissenschaften, was immer das war –, und hatte ähnlich ungenaue Vorstellungen von ihrer Zukunft wie ihre Brüder. Aber es ging ihr gut, und das war doch die Hauptsache, oder etwa nicht?

Den Baumwollkaftan, den Eve trug, hatte sich einst Daniel bei einem Urlaub in Marokko gekauft. Er war alles andere als leicht und keineswegs kleidsam. Eve fächelte sich heftig mit der Hand Luft zu. »Und was ist mit Jess und Anna? Was treiben die beiden denn so?«

»Anna müsste jeden Augenblick hier sein«, antwortete Daniel mit einem Blick auf die Uhr. »Wann soll ihr Flieger noch mal landen, Schatz?«

»So um halb sieben, glaube ich«, antwortete Rose, nahm ein Messer zur Hand, um sich eine Scheibe Taleggio abzuschneiden, legte es aber wieder hin. Sie konnte Daniel nicht in die Augen sehen. »Sie wollte zum Abendessen hier sein.« Anna würde mit Sicherheit willkommene Zerstreuung bieten. Ihre Ältere zog immer die Aufmerksamkeit auf sich, manchmal mehr, als man sich wünschte. Sie konnte sehr unterhaltsam sein und steckte voller Ideen, genau wie ihr Vater, aber sie war durchaus auch in der Lage, mit ihrem Dickkopf, ihrer Ruppigkeit und ihrer Egozentrik zu glänzen.

»Was macht sie denn zurzeit?« Eve griff über den Tisch nach der Weinflasche und schenkte sich nach. Terrys vernehmliches Räuspern wurde von allen geflissentlich überhört.

»Ihr Café hat vor anderthalb Jahren dichtgemacht, seitdem macht sie eine Gartenbau-Ausbildung. Sie lebt in einer Art Kommune. Mit dreißig!« Rose schloss für einen Augenblick die Augen. Ihre Kopfschmerzen wurden schlimmer. »Ich hatte so darauf gehofft, dass sie endlich eine richtige Arbeit annimmt.«

»Charlie hat erzählt, dass er sie getroffen hat.« Eve sprach über ihren ältesten Sohn stets mit einem gewissen Respekt, so als sei ihr immer noch ein Rätsel, wie sie etwas so Großartiges hatte in die Welt setzen können. »Er sagte, sie hätte irgendwas im Visier.« Sie hob das Glas an die Lippen und nippte mit leicht zusammengekniffenen Augen daran.

Daniel stöhnte auf. »Was wird das wohl wieder sein? Sie hat es als Lehrerin versucht, mit einem Marktstand, mit einem Teppichimport, einem Café, als Kursleiterin …«, zählte er an den Fingern ab. »Sie hat so viel Stehvermögen wie eine welke Primel. Wie läuft es denn mit Charlies Kursen?«

»Ach, um den muss man sich keine Sorgen machen«, versicherte Terry sogleich. »Er findet es toll in Gresham Hall und alle dort finden ihn toll. Nicht dass ich erwartet hätte, dass er so etwas macht, ich hatte eher gehofft, dass er in meine Fußstapfen tritt, aber es läuft.« Sein väterlicher Stolz drückte sich in einem flüchtigen Lächeln aus.

Rose verstand vollkommen, warum ihr Bruder so stolz auf seinen Sohn – ihren Neffen – war. Sie wünschte, ihre eigenen Kinder wären auch so erfolgreich. Das würde ihnen immerhin eine gewisse Sicherheit geben, wenn es sie auch nicht unbedingt glücklich machte. Charlie hatte sich den Erwartungen und dem Druck der Familie entzogen. Das Familienhotel, das nun Daniel führte, war nichts für ihn, genauso wenig wie der biedere Beruf des Buchhalters, den sein Vater erlernt hatte. Nein, er wollte etwas Eigenes, und der Lehrerberuf schien ihm dafür genau das Richtige. Einst hatte sie gehofft, Anna würde denselben Weg einschlagen. Nach dem Abbruch ihres Studiums hatte ihre Ältere eine pädagogische Ausbildung begonnen, die Rose für sie organisiert hatte. Anna war ihr dafür nicht sonderlich dankbar gewesen, und kaum hatte sie die Ausbildung mit Ach und Krach abgeschlossen, hatte sie einen Marktstand angemietet und angefangen, Modeschmuck zu verkaufen. Keineswegs das, was sich Daniel und Rose für sie erhofft hatten. Allerdings war es mit dem Marktstand bald wieder vorbei gewesen, weil es Anna zu langweilig wurde – wie alles andere zuvor auch.

»Und Jess?« Eves Frage riss Rose aus ihren Gedanken, aber sie schaltete nicht schnell genug, um verhindern zu können, dass Daniel antwortete.

»Einfach großartig. Sie macht ihre Sache als Geschäftsführerin von Trevarrick wirklich großartig – eigentlich ist sie nur stellvertretende Geschäftsführerin, aber das ist bloß eine Frage der Zeit. Wenn da nur nicht –«

»Will noch jemand Obst oder Käse?«, unterbrach ihn Rose. Schweißperlen waren ihr auf die Stirn getreten, und sie fächelte sich mit der Serviette Luft zu. Wie würden die Mädchen wohl darauf reagieren, wenn sie erfuhren, dass ihre Eltern sich trennten? Sofort rief sie sich zur Ordnung. Vielleicht war die Affäre (wenn es denn überhaupt eine war) doch nicht so ernsthaft, wie es die SMS vermuten ließ.

»Alles in Ordnung mit dir? Du siehst blass aus.« Eves Worte drangen wie aus weiter Ferne an ihr Ohr.

»Alles okay. Ist wahrscheinlich nur die Hitze.« Mit einer Handbewegung wischte Rose jeden Gedanken an Krankheit beiseite. Sie wollte nur noch eins: Sich hinlegen und nachdenken. Allein sein.

»Habt ihr nicht gesagt, es sei nicht mehr so heiß wie letzte Woche?«, bemerkte Eve vorwurfsvoll zu Daniel. »Das ist ja der reinste Glutofen.« Sie nahm ihren BlackBerry zur Hand und checkte ihre E-Mails.

Terry warf seiner Frau über den Tisch einen finsteren Blick zu und hüstelte wieder missbilligend. »Muss das sein?«

»Was denn?«, meinte sie mürrisch und scrollte mit dem Finger. »Sie können ja nichts fürs Wetter, Terry. Ich beklage mich auch nicht über das Haus. Ihr wisst alle, wie gern ich hier bin. Ich ziehe es nun mal vor, nicht gebraten zu werden, das ist alles.« Sie hielt beide Arme in die Höhe, um einen nicht vorhandenen Luftzug ihre Achseln kühlen zu lassen, und schüttelte das Haar von ihrem Nacken.

»Du weißt genau, was ich gemeint habe. Kannst du nicht wenigstens im Urlaub mal deinen BlackBerry in Ruhe lassen? Zumindest, wenn wir hier alle zusammensitzen.«

»Werd nicht albern, Schatz«, sagte Eve mit angespanntem Lächeln, die Betonung ganz auf das letzte Wort legend. »Das stört die beiden doch nicht. Sie wissen, dass ich immer auf dem Laufenden sein muss. Eine Agentin ist rund um die Uhr im Einsatz. Und ich erwarte eine Nachricht von Rufus.« Damit wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Handy zu.

Terry schüttelte den Kopf, sagte aber nichts mehr, sondern verkniff bloß gereizt den Mund.

Zu Roses Erleichterung hatte Daniel über diesem kleinen Disput vergessen, was er sagen wollte. Sie hätte jetzt keine Schimpfkanonade über Adam ertragen können: Unverbesserlicher Hippie, zehn Jahre älter als Jess, ohne Karriereaussichten, und so weiter. Nun ging er wieder ganz in seiner Rolle des leutseligen Gastgebers auf. »Es ist aber wirklich nicht mehr so heiß«, beharrte er lächelnd. »Ihr müsst einfach früh aufstehen und um die Mittagszeit Siesta halten.«

»Dafür ist es heute schon zu spät.« Eve erwiderte sein Lächeln. »Es ist fast vier Uhr. Zeit, ein bisschen im Pool zu planschen, würde ich sagen. Ich kriege sowieso keinen Bissen mehr runter.« Zufrieden damit, dass daheim offenbar nichts Dringendes anlag, stand sie auf und half Rose, den Tisch abzuräumen.

»Ich auch nicht.« Terry erhob sich ebenfalls und verscheuchte eine zudringliche Wespe. »Ich verziehe mich mit meinem Buch irgendwo in den Schatten.«

Die anderen blickten rasch unter sich. Die ganze Familie hatte sich im letzten Jahr darüber erheitert, wie Terry stets friedlich vor sich hin geschnarcht hatte, auf der Brust ein Buch mit dem Titel Globale Auswirkungen der Techniken des Mikromanagements, immer auf derselben Seite aufgeschlagen.

»Halt bloß den Mund!«, meinte er drohend zu Rose, die eine Augenbraue hob. »Diesmal habe ich mir einen Hatlan Coban mitgebracht.«

»Nur weil ich dich überredet habe, was anderes als diese Wirtschaftsschwarte mitzunehmen, die du schon bereitgelegt hattest«, rief ihm Eve über die Schulter zu. Im Flüsterton steckte sie Rose zu: »Er war fuchsteufelswild deswegen.«

»Mich interessiert das nun mal. Ist ja wohl kein Verbrechen.« Nachdem er so das letzte Wort gehabt hatte, verließ er den Tisch.

Rose lächelte still vor sich hin. Die ganze Familie riss schon seit Jahren über Terry ihre Witze. Als seine Schwester fragte sie sich manchmal, ob sie ihn nicht mehr in Schutz nehmen sollte, aber er schien es geradezu darauf anzulegen und konnte am Ende meist sogar mitlachen. Er bot einfach zu viel Angriffsfläche.

Die beiden Frauen gingen über die Terrasse in die Küche, wo es im Vergleich zu draußen angenehm kühl war.

»Ich mache uns einen Kaffee.« Rose, die immer noch wie auf Autopilot geschaltet war, griff nach dem fleckigen Espressokocher. »Dan will natürlich keinen. Er will den Tempel seines Körpers nicht beflecken.« Sie schraubte den kleinen Apparat auseinander, dessen obere Hälfte laut scheppernd auf die Arbeitsplatte fiel.

Eve sah auf. Weder die bissige Bemerkung noch der Krach waren ihr entgangen. »Was ist los mit euch beiden? Da stimmt doch was nicht, das merke ich deutlich.«

»Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, Miss Marple.« Die Worte gingen beinahe unter, so laut ließ sie das Wasser in die Spüle rauschen, um das Unterteil zu füllen.

Während Rose die Kaffeebohnen mahlte, hielt Eve die Hände unter den Wasserhahn, benetzte sich Gesicht und Hals und feuchtete das Oberteil ihres Kaftans an. Sie wirkte nachdenklich. »Wie du willst. Aber wenn du reden möchtest, mir kannst du vertrauen.«

»Klar. Danke, ich weiß das zu schätzen.« Als der Kaffee auf dem Herd stand, begann Rose mit dem Abwasch. Eve stand neben ihr, ein zerknülltes Küchentuch in der Hand. »Aber es ist nichts. Jedenfalls nichts, worüber ich im Augenblick reden möchte.« Sie knallte einen Stieltopf auf die Abtropffläche.

Eve blickte sie fragend an, hielt es aber für klüger, nichts mehr zu sagen.

Rose traute Eve durchaus zu, ein Geheimnis in der Familie bewahren zu können, aber würde sie auch Terry gegenüber ihren Mund halten? Die Ehe von Eve und Terry war für Rose immer ein Rätsel gewesen. Sie hatte sich riesig gefreut, als Eve Terrys Antrag angenommen hatte. Eve war seit ihrer Zeit in Edinburgh, wo sie und Daniel studiert hatten und Rose die Kunsthochschule besucht hatte, ihre beste Freundin gewesen. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl gehabt, dass Eve ihre gleich nach dem Studium geschlossene Ehe mit Will, die nur von kurzer Dauer gewesen war, noch nicht überwunden hatte. Von außen betrachtet passten Eve und Terry gut zusammen. Eve war ein offener, quirliger, fröhlicher Mensch. Keines dieser Adjektive traf auf ihren Bruder zu, beim besten Willen nicht. Doch trotz aller Zweifel, die Rose gehegt hatte, waren Eve und Terry all die Jahre zusammengeblieben, anscheinend glücklich miteinander, obwohl sie oft zankten. Die Beziehungen ihres Bruders waren ihr immer ein Buch mit sieben Siegeln gewesen. Er hatte nie über seine Gefühle geredet. Für Eve musste das doch eigentlich frustrierend sein. Aber vielleicht verhielt er sich ihr gegenüber auch ganz anders, und die beiden führten unter vier Augen die Gespräche miteinander, die eine Ehe zusammenhalten. Woher sollte Rose das wissen?

Sie und Daniel erzählten einander alles. Immer schon. Jedenfalls hatte sie das geglaubt. S: Der Buchstabe zischte böse in ihren Gedanken auf, wand sich um die Sarahs, Susans, um Samantha und Sally aus ihrem Bekanntenkreis, blieb aber an keiner hängen.

Was würde dies für ihre Ehe bedeuten? Alles, worauf ihr Leben aufgebaut gewesen war, stand nun in Frage. Wenn Daniel diese Frau vor ihr verheimlicht hatte, was dann noch? Was mochte er ihr alles gesagt haben, ohne es ernst zu meinen? An diesem Punkt hielt sie mit ihren Fragen inne. Es gab keine Garantie, dass Terry nicht davon erfahren würde, falls sie sich Eve anvertraute, und da Terry nicht gerade ein Ausbund an Diskretion und Takt war, musste man damit rechnen, dass er sich gegenüber Daniel verplapperte.

»Also gut. Reden wir eben nicht darüber.« Eve stellte den abgetrockneten Topf an seinen Platz und schlug einen Plauderton an. »Anna hat Charlie erzählt, dass Jess und Daniel sich mächtig gezofft haben. Stimmt das?«

Rose schnalzte missbilligend mit der Zunge. Nein, in dieser Familie konnte man nicht damit rechnen, dass jemand etwas für sich behielt. Irgendwer erlag immer der Versuchung, eine Neuigkeit auszuposaunen, die der andere vielleicht noch nicht kannte. Nicht, dass sie selbst in dieser Hinsicht ohne Fehl und Tadel gewesen wäre. Nie hatte sie vergessen, wie sie bei einem Familientreffen mal ausgeplaudert hatte, dass Eve Zwillinge erwartete. Wie schrecklich es ihren Bruder gekränkt hatte, dass er es nicht als Erster erfahren hatte! Und sehr zu Recht, wie Rose, nicht zum ersten Mal, nun dachte.

Falls Eve einen Verdacht hegte, dann war es Roses Pflicht, ein wenig Schadensbegrenzung zu betreiben, bevor ihre Schwägerin mit ihrer lebhaften Phantasie und ihrer Lust, in den Problemen anderer herumzustochern, alles noch schlimmer machte.

»Es ist wegen Adam, stimmt's?« Eve hatte aufgehört, abzutrocknen, und sich auf die Tischkante gesetzt. Ihr Gesicht war röter als zuvor und runde Schweißflecken zierten die Achseln ihres Kaftans. »Du musst mir nichts vormachen. Daniel hat nie einen Hehl aus seinen Gefühlen gemacht. Er hätte beim Essen beinahe was gesagt. Bloß weil Adam nicht die Art von Ehemann ist, den er sich für Jess gewünscht hat. Warum muss er denn unbedingt genauso alt sein wie sie und einen normalen ›Beruf‹ haben?« Dabei malte sie mit den Fingern Anführungszeichen um das Wort »Beruf«. »Schließlich haben Leute mit Tischlern oder Drechseln oder was er da macht, schon viel länger ihr Geld verdient als mit dem Vermieten von Hotelbetten. Und außerdem hat Jess doch einen ganz ordentlichen Job. Wo ist also das Problem?«

Rose ergriff die Gelegenheit, über etwas anderes zu reden. »Eine ganz dumme Geschichte. Du weißt ja, Männer und ihr Stolz. Dan hat Adam einen Job angeboten, eine Tischlerarbeit für das Trevarrick. Er dachte, Adam kann den Auftrag gebrauchen, und er wollte ihn ganz normal bezahlen. Er hat versucht, ihn zu unterstützen«, verteidigte sie Daniel. »Adam hat ihm vorgeworfen, er wolle ihn bevormunden, hat abgelehnt und meinte ihm außerdem erklären zu müssen, dass ein Drechsler ganz andere Arbeiten macht.«

»Brauchte er denn den Auftrag tatsächlich nicht?« Eve pickte an einem ihrer Fingernägel herum, dessen melonenfarbener Lack abblätterte. »Mist! Ich wusste doch, dass diese Maniküre nichts taugt.«

»Ich hätte auch gedacht, dass er ihn brauchen kann. Aber er ist sehr stolz und will nicht protegiert werden, am allerwenigsten von seinem Schwiegervater.«

Eve zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und klopfte einladend auf das grüngestreifte Polster. Rose hob den Espressokocher vom Herd, nahm zwei Espressotassen mit Untertellern aus einem Schrank und ließ sich mit einem Seufzer nieder.

»Seufz nicht so. Das klingt, als wärst du hundert Jahre alt.« Eve nahm die Espressokanne und goss die schwarze, ölige Flüssigkeit in ihre Tassen.

»Ich fühle mich auch wie hundert.« Rose lehnte sich zurück. Sie spürte, wie sie sich endlich doch ein wenig entspannte. »Familie! Kann man sich was Schlimmeres vorstellen?« Sie setzte sich gerade hin und nahm einen Schluck. »Huch, der ist aber stark.« Sie stellte die Tasse ab. »Entschuldige. Das Problem ist, Adam kann machen, was er will. Dan kann ihn einfach nicht ausstehen, er findet ihn nicht gut genug für Jess – Gott weiß, wieso –, und außerdem ist er der Meinung, Adam sollte das Geld für die Familie verdienen, nicht Jess. Andererseits weiß Adam, was er vom Leben erwartet. Er will sich von niemandem Vorschriften machen lassen – erst recht nicht vom Vater seiner Frau.«

»Das kann man ihm kaum ankreiden. Wie auch immer, Jess arbeitet gerne für das Hotel, schon immer. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sie anderswo arbeitet oder gar nicht.«

»Aber Dan hat diese vorsintflutliche Vorstellung, dass man seinen Töchtern ein Leben bieten muss wie einer … ach, du weißt schon.« Rose machte eine wegwerfende Handbewegung. Sie alle wussten, wie sehr Daniel seine Töchter liebte und dass er nur das Beste für sie wollte. Allerdings das Beste, wie er es sich vorstellte. Gehörte dazu etwa, dass ihr Vater eine Geliebte hatte?, schoss es ihr durch den Kopf, und sie spürte sofort wieder einen Stich im Herzen. Und sie kannte auch seinen Dickschädel, den Jess von ihm geerbt hatte. »Langer Rede kurzer Sinn, Jess hat sich auf Adams Seite geschlagen, wie du dir denken kannst. Sie und Dan haben einander die Meinung gegeigt, und das nicht zu knapp, und nun hat sie verkündet, dass sie dieses Jahr nicht kommen will.«

»Aber das geht doch nicht! Ich habe Dylan seit Monaten nicht gesehen.«

»Ich muss mit Dan darüber reden, aber wie gewöhnlich ist es eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Er muss einfach nachgeben. Du weißt ja, wie Jess ist, wenn es um ihre Familie geht. Und wir alle wissen genau, woher sie das hat.« Roses Magen verkrampfte sich noch mehr. »Wann kapiert Dan endlich, dass die Mädchen erwachsen sind und ihr eigenes Leben führen? Ich habe es satt, hinterher immer die Scherben zusammenzukehren.« Zu ihrem Entsetzen kullerte ihr eine der vielen Tränen, die sie seit dem Morgen zurückhielt, die Wange hinunter.

Eine Eidechse huschte über die Wand neben der Tür und blieb auf halber Höhe reglos sitzen.

»He, mach keine Sachen.« Eve schlang einen Arm um Roses Schulter. »Das passt doch gar nicht zu dir. Wenn du mir jetzt nicht erzählen willst, was wirklich los ist, haben wir ja noch ein paar Tage Zeit, vielleicht überlegst du es dir anders.«

»Was denn?« Daniel stand plötzlich in der Tür und warf seinen Schatten in die Küche. »Was brütet ihr beiden denn da wieder für Unheil aus?«

»Nichts.« Eve rückte von Rose weg. »Du bist immer so misstrauisch, Dan. Ich habe nur gefragt, wann wir denn Jess erwarten können.«

Rose entging nicht der fast unmerkliche Anflug von Verärgerung, der über Daniels Gesicht huschte, und wie er sich mit einem Finger hinter dem linken Ohr kratzte – beides sichere Anzeichen, dass er sich nur mit Mühe beherrschte. Sie machte sich daran, die Töpfe und Pfannen wegzuräumen.

»Jess?«, sagte er. Für Eve war die Anspannung in seiner Stimme vielleicht gar nicht wahrnehmbar. »Sie kann jeden Tag hier eintreffen, denke ich. Rose weiß am besten Bescheid.« Er durchquerte die Küche Richtung Flur.

Der Ärger, der schon die ganze Zeit in ihr kochte, brodelte hoch. Dass er sich so ganz und gar nicht mit dem Problem befassen wollte, das er selbst geschaffen hatte, war grotesk. »Ich denke, sie wartet darauf, dass du dich bei ihr meldest«, rief sie ihm mit schneidender Stimme hinterher. »Dann überlegt sie es sich vielleicht.« Rose wusste natürlich, dass Jess und Adam bereits Tickets für einen Flug in drei Tagen gekauft hatten, aber sie wusste auch, dass Jess absolut in der Lage war, das Geld dafür in den Wind zu schießen, wenn ihr Vater sich nicht mit ihr aussöhnte.

»Wirklich?« Er klang überrascht. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch etwas zu sagen haben.«

»Ach Daniel!« Rose holte tief Luft. Sie spürte, wie Eve sie beobachtete und jedes kleinste Detail in sich aufnahm. Sie wollte ihrer Schwägerin nicht die Befriedigung geben, Zeugin eines Ehekrachs zu werden und damit ihre Vermutungen bestätigen. Zumal sie Angst hatte, dass sie die Kontrolle verlieren könnte und das wer weiß wohin führte. Doch so gern sie während der Ferien diese Konfrontation vermieden hätte, sie mussten über Jess und Adam sprechen, bevor es zu spät war.

»Nun, wir können ein andermal über die beiden reden. Ich lege mich jetzt ein Weilchen hin.« Damit entschwand er Richtung Schlafzimmer und entzog sich so jeder Diskussion.

Es kam selten vor, dass er so spät am Tag noch einmal Siesta hielt. Sie blickte ihm wütend, enttäuscht und traurig hinterher.

»Und du willst mir weismachen, zwischen euch sei alles in Ordnung«, sagte Eve und zupfte ihren Kaftan an den Schultern zurecht.

»Eve, bitte.« Rose stand auf, um die Gazehaube über das Käsebrett zu stülpen und ein paar lästige Fliegen aufzuscheuchen. »Ich habe gesagt, ich rede mit dir, wenn ich so weit bin. Und das tue ich dann auch.«

»Du bist genauso halsstarrig wie er, weißt du. Aber okay. Wenn das so ist, dann gebe ich jetzt der Versuchung des Pools nach und suche mir dort einen Sonnenschirm. Falls es einen gibt, der so viel Schatten spendet, wie ich ihn brauche.«

Rose gestattete sich ein Lächeln. »Red keinen Unsinn. Du siehst einfach riesig aus!«

»Genau was ich sage! Aber wenn ich mich erst mal in den alten Umstandsbadeanzug von Jess gezwängt habe, wird sich das ändern. Wart's ab.«

Dieses Kleidungsstück, das Jess im letzten Jahr hier zurückgelassen hatte, war das Einzige, das überhaupt für Eve in Frage kam.

»Wir sehen uns später am Pool. Ich versuche mal, Dan noch zu erwischen, bevor er einschläft.«

»Keine gute Idee, Schwesterherz. Ich warne dich.« Eve verließ kopfschüttelnd die Küche.

Wahrscheinlich hat sie Recht, dachte Rose, aber die Sache mit dem Besuch von Jess zu klären, war wichtig. Sonst war es irgendwann zu spät, und sie würde definitiv nicht kommen. Sobald das erledigt war, würde sie sich darauf konzentrieren, was sie mit dieser SMS machen sollte, deren Worte immer noch in ihrem Kopf herumschwirrten.

3

Eve stellte die Liege ein, breitete das Badehandtuch darauf aus und rückte den Sonnenschirm so, dass er genug Schatten warf. Schnarchlaute ließen sie aufblicken. Dort, zwischen zwei Olivenbäumen, schlummerte Terry in einer Hängematte, auf dem Rücken, mit offenem Mund. Sein Buch lag neben ihm auf dem Erdboden. Nicht einmal Harlan Coben war spannend genug gewesen, um ihn wachzuhalten.

Der Himmel über ihnen war von ungetrübtem Kornblumenblau. Sie legte all ihre unerlässlichen Utensilien – Sonnencreme, Kindle, BlackBerry und Sonnenbrille – auf dem Tischchen bereit und ging dann zum Wasser, um die Hand hineinzutauchen, nur um sie augenblicklich wieder zurückzuziehen. Sie hatte eine einladendere Temperatur erwartet. Dann fiel ihr ein, dass Daniel eine spartanische Ader besaß. Alles, was mit Sport zu tun hatte, musste einen an die eigenen Grenzen bringen. Beheizter Pool? Nichts für ihn! Plötzlich sah sie ihn wieder in den Speisesaal des Studentenheims in Edinburgh kommen, nachdem er schon vor dem Frühstück um den Arthur's Seat gejoggt war. Damals joggten noch nicht viele Leute, und um diese Tageszeit schon gar nicht, erst recht keine Studenten. Wie anders damals alles gewesen war. Sie beide hatten nie den Fehler gemacht zu glauben, es wäre die große Liebe, aber intensiv war es doch gewesen, und im Nachhinein betrachtet erfreulich erfüllend, wenn auch nur von kurzer Dauer. Und dann war Will aufgetaucht. Und Rose. Aber das war alles lange her.

Sie schalt sich selbst für ihre Zimperlichkeit und ging zum Ende des Pools, genoss die Sonne auf ihrer blassen Haut und spürte die sittsamen Rüschen des Umstandsbadeanzugs an den Oberschenkeln. Einen Moment lang hielt sie inne, um anschließend die Arme nach vorn zu schwingen und sich mit den Zehen abzustoßen. Ein technisch perfekter Kopfsprung. Der Kälteschock betäubte ihre Nerven. Nach einer halben Bahn begann die plötzliche Taubheit nachzulassen. Luftschnappend tauchte sie auf und trat im Wasser auf der Stelle, während sie sich umsah: der Olivenhain unterhalb des Pools, der leicht abfallende Garten zwischen ihr und dem alten Bauernhaus. Alle hatten sie Rose und Dan für verrückt erklärt, als sie das halb verfallene Gebäude erworben hatten. Aber die beiden hatten über die Jahre so viel Liebe und Sorgfalt hineingesteckt, dass es nun für sie alle zum Zufluchtsort geworden war.

Konzentriert pflügte sie durchs Wasser. Dan hatte sie in jenem Sommer im Meer vor Musselburgh ein bisschen ins Kraulen eingewiesen, nachdem sie ihm gestanden hatte, dass sie in der Schule im Schwimmunterricht nichts gelernt hatte außer einem behäbigen Bruststil mit aus dem Wasser gerecktem Kopf. Damals hatte die Kälte ihr die Lust genommen. Er hatte gelacht und ihr beigebracht, durch das Wasser vorwärtszugleiten, gleichmäßig bei jedem dritten Zug den Kopf zur Seite zu wenden und zu atmen, die Arme zu benutzen und mit den Beinen zu strampeln. Nach ein paar Längen drosselte sie ihr Tempo, rollte sich auf den Rücken und hielt sich mit sanften Arm- und Beinbewegungen über Wasser. Der Kondensstreifen eines Flugzeugs, das sich hoch, hoch oben wie ein starrer Vogel dahinbewegte, zerschnitt die weite blaue Kuppel über ihr.

Sie schloss die Augen, versuchte, einfach an nichts zu denken, sich auf die Hitze in ihrem Gesicht, auf das Gefühl der Schwerelosigkeit zu konzentrieren. Doch es war nutzlos. Eines nach dem anderen traten ihre Kinder – die eigentlich längst keine mehr waren – vor ihr geistiges Auge, belagerten sie mit diesen und jenen trivialen Sorgen. Sie wollte nicht über die verwahrloste Wohnung nachdenken müssen, in der die Zwillinge lebten, oder darüber, ob sie jemals genug verdienen würden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, ob es für Charlie mit Gresham Hall klappen würde oder ob Millie ihren bedeutungslosen Abschluss schaffen und was sie damit anfangen würde. Darüber hinaus gab es noch ihre eigene Zukunft. Die kleine Agentur für Autoren und Illustratoren von Kinderbüchern, die sie vor einigen Jahren gegründet hatte, machte angesichts der Wirtschaftslage schwere Zeiten durch.

Sie ließ die Augen gegen die Sonne geschlossen, nahm das Hundegebell in der Ferne wahr, das Summen eines Insekts dicht vor ihrem Gesicht. Schwerelos, getragen, allein.

Mit geschlossenen Augen ging sie die Liste ihrer Klienten durch. Nieten waren eigentlich keine darunter. Die große Literaturagentur in London, in der sie ausgebildet worden war, hatte sie verlassen, als sie mit Charlie schwanger und in ein Dorf bei Cambridge gezogen war. Nicht lange nach seiner Geburt hatte sie ihre eigene Agentur gegründet und dabei nicht mehr Autoren und Illustratoren angenommen, als sie auf verantwortungsvolle Weise vom Küchentisch aus betreuen konnte. Als die Kinder heranwuchsen, hatte sie ein Büro gemietet, ihren Autorenstamm erweitert und schließlich vor drei Jahren Amy Fraser als Assistentin eingestellt. Vor nur drei Monaten hatte sie Amys Engagement honoriert und sie zur Agentin befördert.

Amy Fraser: gebildet, gut gekleidet, wortgewandt, mit allen Wassern gewaschen. Was trieb sie bloß? Seitdem Eve am vergangenen Freitag aus dem Büro gegangen war, hatte Amy keine Einzige von Eves E-Mails beantwortet. Am Arbeitseinsatz der jungen Frau war nichts aussetzen, doch manchmal hatte Eve sie im Verdacht, hinter ihrem Rücken noch ganz andere Absichten zu verfolgen.

Ein Platschen schreckte sie auf. Sie öffnete abrupt die Augen, genau in dem Moment, als eine Welle über sie hinwegschwappte und sie aus dem Gleichgewicht warf. Als sie wieder auftauchte und sich prustend aufrichtete, hörte sie Gelächter. Sie rieb sich die Augen. Am Rand des Pools entdecke sie Terry.

»Konnte nicht widerstehen. Du hast so friedlich ausgesehen.«

»Das wäre für die meisten Menschen ein Grund, mich auch in Frieden zu lassen.« Nur ein paar Züge, dann war sie am Ende des Beckens, ging die Treppe hinauf und schüttelte ihr nasses Haar aus. »Nur du findest so was lustig.«

»Tut mir leid, aber das ganze Geplansche hat mich geweckt.« Als er auf sie zukam, konnte sie sich wieder einmal des Eindrucks nicht erwehren, dass er mit seinen etwas abstehenden Ohren aussah, als wehte ein Windhauch ihn auf sie zu, so, als wären sie füreinander bestimmt. Er strich mit den Fingern ihre Wirbelsäule entlang. »Entspann dich. Wir sind im Urlaub.«

Sie gab keine Antwort, sondern konzentrierte sich darauf, den Sonnenschirm umzustellen, um sich anschließend wieder auf der Liege niederzulassen.

»Himmel, bin ich erschöpft.« Sie holte lang und tief Luft, spürte, wie die Sonne ihre Glieder wärmte, und dann überkam sie ein überwältigendes Verlangen zu schlafen.

Er setzte sich auf die Nachbarliege und nahm sich von der teuren Sonnencreme, die sie sich im Duty-free-Shop geleistet hatte. Sie beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, verärgert, dass er nicht seine Nivea benutzte.

»Das überrascht mich nicht«, erklärte er, während er das Zeug dick auf seine käsigen Waden schmierte.

Sofort war sie hellwach. »Was soll das heißen?«

»Das weißt du doch genau.« Mit einem hörbaren Laut der Befriedigung lehnte er sich zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, die Beine gespreizt.

Eng anliegende Badehosen sehen an Männern ab einem gewissen Alter einfach nicht gut aus, dachte sie unwillkürlich. An Tom Daley, das war etwas anderes, aber warte mal ein paar Jahre … Sie hatte Terry für diesen Urlaub eigentlich etwas dezentere Badeshorts kaufen wollen, das aber über allem anderen vergessen.

»Musst du eigentlich so viel trinken? Es ist gerade kurz nach Mittag, Himmel noch mal.« Er sagte es leise, als fürchtete er, jemand könnte mithören.

»Deshalb legst du dich neben mich? Um mir das zu sagen?« Beim Gedanken an das Mittagessen setzte Eve sich auf. Der Wein hatte wunderbar zum Essen gepasst. Ein leichter, trockener Weißer, von Daniel mit der für ihn typischen Sorgfalt ausgewählt. Vielleicht habe ich ein Glas zu viel getrunken, dachte sie und erinnerte sich etwas peinlich berührt daran, wie sie sich immer noch nachgeschenkt hatte, als alle anderen schon nichts mehr tranken, und wie unangemessen laut sie über einen von Daniels Witzen gelacht hatte. Sie wusste, dass Terry sie beobachtet hatte, sie hatte auch bemerkt, wie er sie unter dem Tisch bisweilen mit dem Fuß angestupst hatte, aber das hatte sie höchstens noch weiter angestachelt. Eine Art Trotz hatte sich ihrer bemächtigt, auch wenn es »erst Mittag« gewesen war.

»Es tut dir nicht gut, und ich kann es nicht ausstehen, wenn du dich lächerlich machst.«

»Hab dich nicht so«, protestierte Eve. »Es sind bloß deine Schwester und ihr Mann, alte Freunde, die mich besser kennen als … irgendwer sonst.« Sie verkniff es sich gerade noch, »als du« zu sagen. Das hätte ihm dann doch wehgetan. Wenn es auch die Wahrheit war.

»Vielleicht, aber du solltest auch mal einen Gang runterschalten. Deiner Leber eine Verschnaufpause gönnen.« Er griff nach ihrer Hand, um ihr zu versichern, dass er es nur gut mit ihr meinte.

Sie zog ihre Hand weg. »Wenn meine Leber Hilfe brauchen würde, dann wüsste ich das. Trinken ölt das Getriebe, das ist alles. Und überhaupt, ich genieße es.« Es stieg ihr selbst unangenehm ins Bewusstsein, dass sich das langsam anhörte wie die Rechtfertigungstiraden eines Alkoholikers. »Du vielleicht nicht, aber andere Leute kennen den Unterschied zwischen einem Trinker und jemandem, der Spaß hat.« Da hatte er es. Sie wartete auf seine Antwort.

Doch Terry war bereits aufgestanden und ging zurück zur Hängematte. Sie boxte ins Kissen. Manchmal konnte er sie wirklich auf die Palme bringen. Ihm reichte es immer, seinen Standpunkt klarzumachen. Was sie zum jeweiligen Thema dachte, war irrelevant. Die angenehme Schläfrigkeit, hervorgerufen durch die Kombination von Sonne, Bewegung, gutem Essen und Alkohol ging in ihrem Ärger unter. Sie beobachtete seinen vertrauten, dynamischen Gang, seine schlanke Figur. Dann griff sie nach der Sonnencreme und begann sie in ihr Dekolleté einzumassieren. Dabei wurde ihr wieder einmal schmerzlich bewusst, dass an ihrem Körper die Zeit und die Strapazen der Geburten nicht spurlos vorübergegangen waren, während seinem Körper die Jahre kaum anzusehen waren. Trotzdem, diese Badehose war ein Fehler. Sie hatten sie bei einer gemeinsamen Reise nach Südfrankreich vor ein paar Jahren gekauft. Aber wenn er aussah wie immer, warum fand sie ihn dann nicht mehr so attraktiv wie einst? Während sie darüber noch nachsann, nahm sie ihren BlackBerry zur Hand und checkte die Mails. Immer noch nichts von Amy.

Sie rief Amys Adresse auf und tippte rasch:

Probleme? Eve

Sie zögerte. Das hieß, dass sie erwartete, es könnte welche geben, und das war unfair. Das Wochenende nicht mitgerechnet, war sie noch nicht einmal einen Tag dem Büro fern. Vielleicht klang es zu schroff. Sie fügte hinter ihrem Namen ein x hinzu – den Kuss, der jeder Mail den Stachel nahm. Dann löschte sie es als zu wenig geschäftsmäßig und fügte hinzu:

Bitte kontaktiere mich wegen Rufus' Vertrag. Und hast du schon Zeit gefunden, dir die neuen Illustrationen von Alasdair King anzusehen?