Eine kleine Semiotik des politischen Raums - Wolf Virga - E-Book

Eine kleine Semiotik des politischen Raums E-Book

Wolf Virga

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Beschreibung

Die Welt als Körper im Raum, eine dreidimensionale Angelegenheit und mit der Zeit eine vierdimensionale, erscheint uns als selbstverständlich. Im politischen Diskurs findet sich dies selten wieder, hier tummeln sich Aussagen von dimensionslos (selbstbezüglich) oder ein- bis zweidimensional. In den unberücksichtigten Dimensionen lassen sich leicht partikularen Interessen in einer Politik verbergen. Ob aus Hinterlist oder begrenzter Erkenntnis, ihre Wirkung entfalten solche Politiken trotzdem, gleich einem kollektiven Unbewussten, in dem Trauma und Konflikt zu ihrer Bearbeitung drängen. Diese Dringlichkeit zeigt sich am Zustand unserer Welt. Das Trauma des Brudermords, die brüchige Lösung des Konflikts im Gesellschaftsvertrag, die Instabilität der Polis legen Zeugnis ab für die Macht des Unbewussten. Eine dreidimensionale Ordnung der Zeichen als politischer Raum, erleichtert die Wahrnehmung des Unausgesprochenen, kann dieses wieder einer Kommunikation zugänglich machen. Grundlage für diese Ordnung ist die logische Form der Zeichen, die gleiche Logik, mit der wir unsere Wahrnehmung und Erkenntnis zu einer Welt ordnen.

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einführung

1.1 Prolog

1.2 Back to the roots

1.3 Krieg und Frieden

Prämissen

2.1 Mittelpunkt

2.2 Raum

2.3 Zeichen

2.4 Neurologisch 1

2.5 Meinungen

Relationen

3.1 Substanz

3.2 Signifikat

3.3 Kausalität

3.4 Umlaufbahn

3.5 Wechselwirkung

3.6 Neurologisch 2

3.7 Die Pizzakonnektion

3.8 Logisches D3

Reduktion

4.1 /1.2.3

4.2 in statu nascendi

4.3 Gottesbeweis

Politik

5.1 Die öffentliche Sache

5.2 Freiheit

5.3 Gleichheit

5.4 Teilhabe

Reflexion

6.1 Vitaler Raum

6.2 seit Minkowski

6.3 Kommunikation

6.4 Repräsentanz

6.5 Relativ

Gesetze

7.1 Annäherung

Pragmatismus

Entscheidung, Abschied vom Konflikt

Limited Edition Demokratie

10.1 Pragmatisch

10.2 Management

10.3 Im Auftrag des Kunden

Epilog

Vorwort

Der Autor ist kein Wissenschaftler und er schreibt nicht für Wissenschaftler, denn diese haben eine eigene Sprache und eigene Regeln. Fußnoten, Zitat und Quellen sind dabei ein erheblicher Bestandteil des Textes: Selten gelesen oder geprüft, füllen sie die Seiten und erfordern viel Arbeit oder Copy-and-paste, die so manche Doktorarbeit hervorgebracht haben. Der Autor ist hier eher ein Konsument der Wissenschaft, einer, der die Mehrzahl der Fußnoten und Quellenangaben überliest, der versucht, das Wesentliche eines Textes zu erfassen, ihm seine praktische Bedeutung zu entringen, einer, dem auch das Denken eine Praxis ist. Der folgende Text beansprucht, nur von denkpraktischer Bedeutung zu sein. Er ist entstanden in dem Versuch, etwas Ordnung in die moderne Fragmentierung öffentlicher Diskurse zu bringen. Ambiguität oder Komplexität werden gerne als Endpunkt des Verstehbaren behauptet, die Geschichte zeigt aber, dass Unverstandenes in einer neuen Perspektive sich zu einer erkennbaren Gestalt fügen kann, aus lauter Bäumen ein Wald wird.

Quellen werden in diesem Text nur als Namen angegeben, Zitate gibt es kaum, die Interpretation des Gelesenen ist die Regel. Überprüfungen lassen sich leicht mit Wikipedia und Co durchführen, Quellenangaben gibt es dort ausreichend, der Autor hat es in vielen Fällen, auch zur Eigenkontrolle, ausprobiert. So wird der Leser auf seinen eigenen Verstand verwiesen, darauf, die Aussagen des Autors ohne formale Referenzen zu prüfen. Logik, WLAN und ein alltagspraktischer Verstand sind hierbei hilfreich.

Und noch etwas: Auf der Suche nach Plagiaten könnte jedes einzelne Wort infrage kommen, bei meiner Geburt hatte ich keines von ihnen präsent. Allerlei Wissen und Lektüre, mit den Jahren aufgesaugt wie ein Schwamm, kommt nun als ein Extrakt heraus, so manches Fragment eines Zitates mag darin enthalten sein. Der Rest ist aber auch nicht von mir, einzig der kognitive Metabolismus des Autors ist originär.

Ein besonderer Dank gilt dem Philosophen Charles Sanders Peirce und dem Lehrer, der mir diesen noch viel zu wenig beachteten Denker nahe gebracht hat.

Es ist bereits alles gesagt worden, aufgeschrieben seit über 2500 Jahren, in unzähligen Variationen, ausdifferenziert bis zum Wirkungsquantum, in der Summe ist es die Beschreibung unserer Welterfahrung. Wer Ohren hat zu hören, der höre Unerhörtes.

1. Einführung

1.1 Prolog

In den letzten Jahren hat sich die Welt für viele Menschen, die sich auf der sicheren Seite wähnten, zunehmend in einen undurchschaubaren und chaotischen Ort verwandelt. Die dadurch entstandenen Unsicherheiten und Ängste fördern irrationale Reaktionen, die das Chaos verstärken, an dessen dystopischem Ende sich die Angst selbst realisiert. Populismus, Verschwörungstheorien, die Hochkonjunktur der Autokratie reagieren auf Umweltzerstörung, Klimawandel, Artensterben oder Pandemie wie Attraktoren einer Abwärtsspirale. Initiativen, die sich um die Rettung der Welt bemühen, erscheinen wie Tropfen auf einem heißen Stein, unter dem eifrig neues Feuer geschürt wird, die Guten kommen ins Gefängnis, die Bösen an die Macht.

Die Wissenschaft meldet sich zu Wort und wird nur von Minderheiten verstanden oder in eine utopische Welt verwiesen. Spezialisten referieren zu einem Problem und fordern Veränderungen, deren Ausmaß als Zumutung, als "nicht pragmatisch" übergangen wird, dabei handelt es sich jeweils nur um eines von vielen Problemen; über die notwendige Summe der Veränderungen redet man lieber nicht, Realismus ist der direkte Weg ins Abseits.

Reden wir von der Welt, reden wir offensichtlich nicht von einer Realität, die Unvereinbarkeit von Ansichten belegt dies eindrücklich. Die eigenen Ansichten stehen dabei genauso zur Debatte wie ein möglicher wahrer Kern einer obskuren Verschwörungstheorie.

Was sich bei all diesen Überlegungen und Stellungnahmen in einer unausgesprochenen Selbstverständlichkeit auflöst, ist die Gestalt unserer Welt, ist die Realität, dass eine Welt für uns nur dann eine ist, wenn diese eine dreidimensionale Angelegenheit, also ein Körper im Raum ist. Eine Welt in der Zeit ist dann vierdimensional, relativ gesehen, ein Körper in der Raumzeit.

Jenseits aller Ansichten verbleibt die Mathematik zur Beschreibung der Welt, eine Unvereinbarkeit mit ihrer Logik ist nicht von dieser Welt.

In dieser Logik beschreibt eine Dimension den Freiheitsgrad einer Bewegung in einem bestimmten Raum. In den Ansichten der Welt finden sich diese Freiheitsgrade wieder, von Dimension null bis zur Raumzeit. Macht man sich ein Bild von der Welt, bleibt es zweidimensional, oberflächlich, unendlich viele Bilder sind so in der Raumzeit möglich, Instagram macht dies zum Geschäftsmodell.

Der Standpunkt einer Ansicht ist zuerst ein Punkt, eine Nulldimension, er drückt sich in der aktuellen Meinung aus. Zu einem Standpunkt gelangt man auf einem Weg, einer eindimensionalen Bewegung1, so hat der Standpunkt eine Berechtigung als Aussage zu diesem Weg, der aber ohne Bezug zu weiteren Dimensionen nicht zu verorten ist. Ein Weg, der die Welt wie ein Netz umspannt, hat weitere Freiheitsgrade zur Verfügung, ein Unterfangen, welches einem einzelnen Leben kaum möglich ist. Ohne Kommunikation ist viel mehr als eine Dimension nicht vorstellbar.

Fake-News, Verschwörungstheorien, Populismus und Geräusche aus der Echokammer sind das, was sie sind: Nulldimensionen. Selbstbezüglich entziehen sie sich einer Kommunikation, kommen über den Status einer dimensionslosen Information nicht hinaus. Vergeblich bleibt jeder Versuch einer kommunikativen Bearbeitung dieses Übels, der Freiheitsgrad null ist resistent gegen jede Verlockung zu einer Bewegung. Die Nulldimension lässt sich aber verorten, in ein- oder mehrdimensionalen Bezugssystemen, hier erscheint sie als Punkt, als Quantität. Ihre Zählbarkeit ist ihre einzige Eigenschaft, ihren Ort und ihr Datum werden ihr vom Raum verliehen, von ihrer Beziehung zu den anderen Teilnehmern im Bezugssystem, von der die Nulldimension noch nichts weiß. Öffnet sich die Nulldimension zu dieser Raumzeit, die wir Welt nennen, wird aus der Meinung eine Lebensgeschichte, ein Roman. Weder Stammtisch noch Talkshow haben Zeit für lange Geschichten, die Reise und ihr Ziel verblassen im Hier und Jetzt, dem Ort der aktuellen Erregung – und so manche Geschichte verbirgt sich lieber vor dem Publikum, bleibt Meinung, denn der Applaus ist nicht garantiert.

1.2 Back to the roots

Der Begriff Demokratie, oder das zugehörige Adjektiv demokratisch, werden im politischen Diskurs häufig strapaziert, selten sind dagegen deutliche Beschreibungen, was damit gemeint wird. "Demokraten sind die Guten" ist eine häufig gebrauchte Variante, aber auch Formulierungen wie: "Irgendwas mit Wahlen" oder "Wo man mitreden kann" decken weite Bereiche im alltäglichen Gebrauch dieser Begriffe ab. Etwas seriöser kommen dann die Rechtsstaatlichkeit, die Gewaltenteilung und die Meinungsfreiheit dazu.

Back to the roots, landet man in der Antike bei den Griechen und einem politischen System, welches sich vor allem durch Instabilität ausgezeichnet hat. Aristoteles hat die Demokratie zu den entarteten Herrschaftsformen gezählt, zur Auswahl standen Königtum, Aristokratie, Politie, Tyrannis, Oligarchie und Demokratie, wobei die ersten drei den guten Herrschaftsformen zugerechnet wurden. Neben gut und entartet bestand die Unterteilung in Herrschaft von einem, von wenigen und von vielen. Bei der Herrschaft der Vielen wird eine Herrschaft durch vernünftige und besonnene Mitglieder der Gemeinschaft als Politie bezeichnet, die Demokratie als ihre entartete Form, sie legitimiert auch die Unvernunft – eine Mehrheit reicht, wovon oder wozu auch immer. Moderne Demokratien berufen sich eher auf die Politie, wenn sie Demokratie sagen, die Beschwörung der Vernunft als Amulett gegen die Abgründe der Herrschaft von Partikularinteressen. Die guten Repräsentanten, die Herrschaft des guten und weisen Königs, einer edlen Aristokratie oder Elite, der besonnenen und vernünftigen Bürger: In Sagen und Märchen kommen sie vor, die Phantasie-Literatur ist voll davon, sie kämpfen gegen das Böse. In den Geschichtsbüchern der Macht stehen andere Geschichten; Krieg, Raub und Mord spielen dabei eine hervorragende Rolle, die Macht, die sich an den Bedürfnissen der Mächtigen ausrichtet. Eitelkeit, Größenwahn und Habgier sind keine seltenen Begleiter im Geschichtsprozess der Macht, Psychopathen und Soziopathen sind nicht ausgeschlossen, der Hass paart sich leichter mit der Macht als die Liebe. Der Hang der Macht zur Entartung scheint ihr immanentes Problem zu sein. In einer späteren Betrachtung hat Aristoteles die Politie dann auch als eine Mischform von Oligarchie und Demokratie bezeichnet, zwei der entarteten Formen der Herrschaft, eine Elite, die sich an ihren eigenen Bedürfnissen orientiert, und die Mehrheit einer Masse, der es ebenfalls an der Vernunft zu einer am Gemeinwohl orientierten Entscheidung mangelt. There's no such thing as society2 – Margaret Thatchers oft kolportierter Ausspruch ist bei einer empirischen Betrachtung der Verhältnisse und aus der Perspektive elitärer Macht naheliegend.

1.3 Krieg und Frieden

Der Philosoph Giorgio Agamben hat in einem Aufsatz mit dem Titel Stasis (Bürgerkrieg) auf einen Konflikt hingewiesen, der seit dem Altertum dokumentiert wurde. Wir können von diesem Konflikt täglich in den Nachrichten hören, er spannt sich zwischen den Begriffen Politik und Wirtschaft auf. Auch wenn diese Begriffe im Laufe der Zeit eine Wandlung erfahren haben, sind ihre Wurzeln bis heute erkennbar. Polis, der griechische Stadtstaat und Oikos3, die Wirtschaftsgemeinschaft, vererben ihre problematische Beziehung an Politik und Ökonomie4. Betrachtet man die Polis als Ergebnis eines Friedensvertrags zwischen konkurrierenden Wirtschaftsgemeinschaften, ist Stasis die entgegengesetzte Bewegung, die Auflösung des Vertrags, die ungebremste Konkurrenz bis zum Krieg. Nach dem Studium der alten Quellen weist Agamben darauf hin, dass die Abfolge von Friedensvertrag (Gesellschaftsvertrag) und Stasis einer zyklischen Dynamik folgt – so weit nichts Neues. Unsere aktuellen Debatten um Privatisierung versus Regulierung (Sozialpolitik, Ökologie, Mieten etc.) beziehen in diesem Konflikt Stellung. Die einzelne Wirtschaftsgemeinschaft wehrt sich mit all ihren Mitteln gegen eine Integration in die Vertragsgemeinschaft, wenn diese Vertragsgemeinschaft nicht ihrem partikularen Interesse entgegenkommt. Dabei wird die Konkurrenz unter den einzelnen Wirtschaftsgemeinschaften nicht abgeschaltet, ein Vergleich der eigenen Vorteile mit denen der Anderen wird ständig bilanziert. Die Freisetzung aggressiver Kräfte zur Erreichung einer positiven Bilanz (Gewinn) in diesem Vergleich (Konkurrenz) wird liberalistisch als Motor unseres Fortschritts gewertet. Diese Kraft unterscheidet sich aber qualitativ nicht von der Dynamik des Krieges, die ökonomische Rhetorik ist nicht zufällig aus der Sprache des Krieges entlehnt, z.B. die Eroberung von Märkten, die feindliche Übernahme etc. Die Einwilligung in die Vertragsgemeinschaft erfolgt oft nach Kriegsverlusten, zur Beendigung der Destruktion, zur gemeinsamen Beseitigung der eigenen Schäden, bei der Bedrohung durch einen Feind/Konkurrenten. Vom Kampf um die besten Weidegründe bis zu den aktuellen Kämpfen um Ressourcen jedweder Art besteht dieser Konflikt bis heute. Eine vorübergehende vertragliche Bindung einer Gruppe gegen die Anderen gleicht einem Friedensvertrag nach innen, einer Kriegserklärung nach außen. Dem ökonomischen (kapitalistischen) Wachstumsparadigma folgend, zeigt sich die Skalierbarkeit dieses Konflikts: die Wirtschaftsgemeinschaft hat ihre partikulare Bilanzierung auf die Polis übertragen, diese verhält sich nun gegenüber anderen Staaten wie zuvor Oikos zu Oikos. Aus Stasis, dem Bürgerkrieg, ist der Krieg der Staaten, dann der Weltkrieg geworden. Wir teilen nun die Polis in Innenpolitik und Außenpolitik und stehen vor der Entwicklung von Wirtschaftsgemeinschaften, die global wirtschaften und partikular bilanzieren, aber von keiner globalen Polis eingebunden werden, da diese allenfalls rudimentär existiert, als Vertrag ohne Exekutive, als Absichtserklärung, hinter der sich partikulare Absichten verbergen. Aus dem Weltkrieg ist nun der weltweite Krieg geworden, der Krieg der ungebundenen Partikularinteressen, die Stasis – man kann diesen Begriff kaum präziser fassen. Die Übernahme der Macht ist in den zusammengebrochenen Staaten bereits erfolgt, in den Autokratien und Oligarchien ist der Vertrag zur Kulisse degradiert, hinter der die Partikularinteressen leichtes Spiel haben; Korruption, Geldwäsche und Auslandskonten bilden die Basis dieses Geschäfts. Der Liberalismus folgt der Logik des Krieges, er wähnt sich als Sieger, wirbt mit einem Anteil an der Beute seine Söldner ein, die er Homo oeconomicus nennt, die kleinste Einheit politischer Partikularität.

An der Wiege dieser Demokratie standen gerade 10% der antiken Bevölkerung, denn die Teilhabe bestand aus dem Teilen von Risiko und Gewinn. Als geteiltes Risiko galt der Wehrdienst, die eigenen Waffen waren Teil des Einsatzes, als Gegenstände aus Metall waren diese für die Mehrheit unbezahlbar. Frauen, Sklaven und Metöken (Zugereiste, Fremde, heute Ausländer, Migrant) wurde die direkte Teilhabe verwehrt, dafür waren sie aber mögliche Beute, Teil des Gewinns im Falle des Sieges. Demokraten waren zuerst nur jene Aristokraten, die in etwa den Haushaltsvorständen der größeren Oikoi entsprachen. In den modernen Gesellschaften verhält es sich nicht wesentlich anders, mit dem Vermögen als Einsatz wird der Anteil am Gewinn geltend gemacht. Man mag sich über das Verhältnis der Vermögensdemokraten und der auf ihre Quantität, ihre Zählbarkeit reduzierten Wählerstimmen streiten, auch ob die Frauen inzwischen einen größeren Anteil haben oder die Metöken (die Immigranten) auf der Agora ihre Stimme erheben können und gehört werden: die Verhältnisse folgen der alten Logik. Auch die bewaffnete Selbstbehauptung ist der Skalierung des Konflikts gefolgt und droht nun mit der atomaren Vernichtung des Gegners, der hochgerüsteten Technik in der ökonomischen Auseinandersetzung, der Manipulation von Information in den neuen Medien, dem Algorithmus beim Datamining für das Mikrotargeting im Verteilungskampf, dem gnadenlosen Umgang mit der Zivilbevölkerung im Konflikt, egal, ob ökonomisch oder militärisch. Wer unbewaffnet oder mittellos auf der Agora erscheint, hat kein Recht auf einen Anteil an der Beute, er erscheint dort als Bittsteller und die Metöken werden lästig, weil es immer mehr werden. Die hochgelobte Demokratie hat universelles Menschenrecht nicht vergessen, dies war und ist systembedingt eine Frage der Binnenverhältnisse im Clan, dem Oikos, des Verhältnisses von Herr und Sklave, Mann und Frau, Familie und Fremder, des Patriarchats, kein Vertragsbestandteil. Die Übertragung der Strafe vom Oikos zur Polis, von der Blutrache zum Richter, dies hat die Sklaven nicht befreit. Das universelle Recht der demokratischen Polis war und ist die Ökonomie, das patriarchale Gesetz des Oikos, der innere Frieden als Wirtschaftsfaktor ihre Gerechtigkeit, bei der die Blutrache stört, denn sie geht über die inneren Angelegenheiten des Oikos hinaus. Der Fortschritt im Rechtswesen kommt aus der Auflösung des Clans, seiner Fragmentierung, die im vorvorletzten Schritt die noch vor 50 Jahren proklamierte Keimzelle der Demokratie, Ehe und Familie, erfasst hat und die durch die Gleichberechtigung ihrer patriarchalen Justiz beraubt wurde. Anlass war dabei die Verwandlung der Haus- und Ehefrau in einen Homo oeconomicus, ihre Demokratisierung. Die Arbeit an der Demokratisierung der Metöken hat begonnen. Getrieben durch das demographische Problem einer überalterten Gesellschaft, ihren Mangel an Arbeitskräften und Einzahlern ins Sozialsystem, schreitet die Aufnahme fremder qualifizierter Fachkräfte voran. Der naive Wunsch, unsere Homo-oeconomicus-Demokratie widerstandslos auf Clangesellschaften zu übertragen, zeugt von der Unkenntnis der Verhältnisse, diese wehren sich mit aller Gewalt gegen ihre Fragmentierung. Über die Rechte der Kinder wird noch zu streiten sein, z.B. über die freie Wahl der Religionszugehörigkeit, die von der Taufe bis zur Beschneidung für Kinder offensichtlich keine Bedeutung hat, sie sind halt noch keine Homines oeconomici, unterliegen dem Recht der Eltern, der Justiz ihres Oikos – soweit reicht die Freiheit noch nicht: "Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, machst du was ich sage!"

Aristoteles hat diese Demokratie der 10 Prozent als eine Politik, die sich an den Bedürfnissen der Herrschenden orientiert, als entartete Herrschaftsform bezeichnet. Die modernen Demokratien wollen diesen Makel nicht auf sich sitzen lassen und berufen sich auf die Politie, diese ist gekennzeichnet als Regierung durch vernünftige und besonnene Mitglieder der Gemeinschaft, als legitime Mehrheitsherrschaft. Aber was ist das für eine Gemeinschaft, die in der unterschiedlichen Verteilung der Vermögen und der Chancen ihrer Mitglieder so wenig Gemeinsames zeigt? Auch ist die Liste der Entscheidungen der Regierenden nicht immer von Besonnenheit und Vernunft geprägt, nicht nur die Reaktion auf die globalen Krisen gibt darüber Auskunft. Und ist die Mehrheit wirklich mehr als eine Quantität, die keinen qualitativen Einfluss auf die Entscheidungen, die Herrschaft hat, die lediglich den Herrscher als Quantität bestimmt? Auch gehen Mehrheit und Vernunft nicht unbedingt zusammen, mit Identitäten wie Volk und Größe (Dominanz) lässt sich, historisch erwiesen, jedwede Besonnenheit ausschalten – mit dem Versprechen eines Anteils an der Beute im Krieg gegen den Anderen, Massenmord inbegriffen. Den Gesellschaftsvertrag, den Wirtschaftsgemeinschaften verhandeln, kann man auch volkstümlich mit wenigen Worten zusammenfassen: Geld regiert die Welt. Auch Ökonomie braucht Vernunft und Besonnenheit, so weit mag es Ähnlichkeiten mit einer vernünftigen Herrschaft geben – aber hinter der Vernunft des ökonomischen Arguments versteckt sich leicht die Herkunft dieser Argumentation, das partikulare Interesse des Oikos, seine aggressive Selbstbehauptung, die entartete Herrschaft.

Herrschaft, die nicht entartet ist, orientiert sich am Gemeinwohl, dem Wohl aller Mitglieder der Gemeinschaft. In einer globalisierten Welt ist auch diese Gemeinschaft global, in einer ökologischen Welt geht sie weit über die Gemeinschaft der Menschen hinaus. Aus dem Gesetz des Haushalts (Ökonomie) ist die Lehre von der Haushaltung (Ökologie) geworden. Um sich von der ökonomischen Globalisierung abzusetzen, wird heute von einer