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Die vorliegende traumapädagogische Übungskartei soll sozialpädagogische Fachkräfte in ihrer Arbeit unterstützen. Die Kartei bietet eine kompakte, praxistaugliche und spontan einsetzbare Sammlung verschiedener Informationen und Übungen der Traumapädagogik. Sie ist farblich untergliedert in die Kategorien Allgemeines (grau), Stabilisierung (gelb), Distanzierung, Flashbackkontrolle und Affektregulation (orange), Ressourcenstärkung und Ressourcenaktivierung (grün), Selbsthilfe (blau) und Notfallhilfen (rot). Jede Kategorie wird von einer Karte mit allgemeinen Informationen begonnen, die Tipps und Hinweise für BeraterInnen sowie eine Übersicht über alle Übungen gibt. Die einzelnen Übungen werden jeweils mit Zielen, Dauer, einer kurzen Erklärung und der Übungsbeschreibung dargestellt. Die Übungen sind so gestaltet, dass sie in vielen Fällen direkt vorgelesen werden können. Außerdem gibt es Hinweise für BeraterInnen.
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Seitenzahl: 82
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Wir danken allen Mitwirkenden für
den kritischen Blick und die
tatkräftige Unterstützung!
Abbildungsverzeichnis
Vorwort
Allgemeine Informationen
Traumawissen
Die traumatische Zange
Das Traumaviereck
Übertragung und Gegenübertragung
Das Stresstoleranzfenster
Verarbeitungsprozesse im Gehirn
Die Teilearbeit
Stabilisierung
Allgemeines
Der sichere Ort
Die inneren Helferwesen
Die sichere Tätigkeit
Der innere Garten
Die Baum-Übung
Das Reinigungsbad
Die Lichtstromübung
Atmung und Selbstregulation
Distanzierung, Flashbackkontrolle und Affektregulation
Allgemeines
Die Screen-Bildschirm-Technik
Die Tresor-Übung
Die Beobachter-Technik
Der imaginative Regler mit Fernbedienung
Angst als Spirale
Die Grenzen des eigenen Raums
Schützender Raum aus Licht
Die imaginative (Glas-) Wand
Imaginative Wut- oder Krafträume
Ressourcenstärkung & Ressourcenaktivierung
Allgemeines
Die Ressourcenlandkarte
Das innere Ressourcenteam
Die 7 Punkte des Selbstwertgefühls
Der innere Diamant
Das Ressourcenprotokoll
Selbsthilfe
Allgemeines
Der Regentag-Brief
Die heilsamen Briefe
Unlösbare Probleme
Der Problemlöse-Tango
Die 5-4-3-2-1 Übung
Soforthilfen zur Reorientierung im Hier und Jetzt
Notfallhilfen
Allgemeines
Der innere Notfallkoffer
Dissoziationsstopp im Kontakt
Akuttrauma
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Die traumatische Zange
Abbildung 2: Das Traumaviereck
Abbildung 3: Übertragung und Gegenübertragung
Abbildung 4: Das Stresstoleranzfenster
Abbildung 5: Verarbeitungsprozesse im limbischen System
Abbildung 6: Die Ressourcenlandkarte
Fachkräften begegnen in sämtlichen pädagogischen Bereichen (stationäre/ teilstationäre/ ambulante Jugendhilfe, Kindertagesstätten, Schulen, Beratungsstellen, Jugendhäusern, Pflegestellen, Jugendamt, etc.) Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Deswegen finden Traumapädagogik und Traumafachberatung in sämtlichen Bereichen der Sozialen Arbeit ihre Anwendung.
Ziele der traumapädagogischen Arbeit mit KlientInnen sind u.a. die Stärkung des Selbstbewusstseins und der Durchsetzungsfähigkeit, die Fähigkeit zur Selbstfürsorge, Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion und die Entwicklung von Zukunftsvisionen. Ressourcen werden erarbeitet, aktiviert und zielgerichtet aufgebaut.
Die vorliegende traumapädagogische Übungskartei soll sozialpädagogische Fachkräfte in ihrer Arbeit unterstützen. Die Kartei bietet eine kompakte, praxistaugliche und spontan einsetzbare Sammlung verschiedener Informationen und Übungen der Traumapädagogik. Sie ist farblich untergliedert in die Kategorien Allgemeines (grau), Stabilisierung (gelb), Distanzierung, Flashbackkontrolle und Affektregulation (orange), Ressourcenstärkung und Ressourcenaktivierung (grün), Selbsthilfe (blau) und Notfallhilfen (rot). Jede Kategorie wird von einer Karte mit allgemeinen Informationen begonnen, die Tipps und Hinweise für BeraterInnen sowie eine Übersicht über alle Übungen gibt. Die einzelnen Übungen werden jeweils mit Zielen, Dauer, einer kurzen Erklärung und der Übungsbeschreibung dargestellt. Die Übungen sind so gestaltet, dass sie in vielen Fällen direkt vorgelesen werden können. Außerdem gibt es Hinweise für BeraterInnen.
Ein Großteil der Übungen sind Imaginationsübungen, d.h. Übungen, die nur in der Phantasie ablaufen. In neurobiologischen Forschungen konnte gezeigt werden, dass das menschliche Gehirn anpassungsfähig an seine Aufgaben ist. Es passt sich also an die Lebenswelt und die Lebensumstände an und vernetzt sich immer wieder neu. Dabei ist es egal, ob Dinge tatsächlich erlebt werden oder nur in der Phantasie stattfinden. Durch Imaginationen von sicheren Orten, Räumen oder Tätigkeiten und Helferwesen kann das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, Mut und Kraft in der Phantasie genauso entstehen. Diese Gehirnaktivierung sorgt dafür, dass die jeweilige Gehirnregion gestärkt wird und dadurch in Zukunft leichter aktiviert werden kann. Durch diesen Trainingseffekt können Gefühle wie Sicherheit und Geborgenheit jederzeit situationsunabhängig reaktiviert werden.
Beim Einsatz ist darauf zu achten, dass durch die Arbeit mit traumatisierten Personen bei den Betroffenen ein spontaner Verarbeitungsprozess in Gang gesetzt werden kann, d.h. dass KlientInnen getriggert werden und entsprechende Reaktionen (z.B. Dissoziieren, Flashbacks, Hyperarrousal, etc.) auftreten können. Dann ist es sinnvoll, die KlientInnen von „gut bis gut“ durch die Situation zu begleiten (also KlientInnen die Situation von da an beschreiben zu lassen, als alles noch gut war und sie bis dahin erzählen zu lassen, wo alles wieder gut wurde) und mit Hilfe von
Übungen aus der Kategorie Distanzierung, Flashbackkontrolle und Affektregulation wieder ins Stresstoleranzfenster zurückzubringen und durch Stabilisierung wieder mehr äußere und innere Sicherheit herzustellen.
Die bewusste Traumaexposition ist ausschließlich der Traumatherapie vorbehalten! Übungen der Traumakonfrontation, EMDR und das Deuten der Psychodynamik sind nur von Fachkräften der Traumtherapie durchzuführen. Weitere Grenzen der Traumapädagogik und Traumaberatung sind Suizidalität, akutes selbstverletzendes Verhalten oder Suchtverhalten, kritisches Untergewicht und eskalierende dissoziative Symptomatik (z.B. bei Täterkontakt oder überwältigenden Traumatriggern). Bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung oder starker Intoxikation ist eine vorübergehende stationäre ggf. intensivmedizinische Versorgung unumgänglich!
Im Grunde verfolgend Traumatherapie und Traumapädagogik die gleichen Ziele und arbeiten im Idealfall Hand in Hand. Die Traumapädagogik hat ihre Schwerpunkte im Stabilisieren, der Psychoedukation und der Ressourcenarbeit. Spontane Verarbeitungsprozesse und die Reorientierung im Hier und Jetzt können von der Traumapädagogik geleistet werden.
Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, zeigen Symptome, die von außen nicht immer logisch erklärbar sind und sie leiden unter den Traumafolgen. Uns ist es ein wichtiges Anliegen deutlich zu machen, dass jedes Verhalten immer einen guten Grund hat. Wir möchten mit der traumapädagogischen Übungskartei dazu beitragen, dass traumatisierte Menschen im sozialpädagogischen Setting Unterstützung erhalten und das Gefühl bekommen verstanden zu werden und sich und ihr Handeln auch selbst besser zu verstehen. Sie sollen durch Psychoedukation, Stabilisierung und Ressourcenaktivierung auf dem Weg in ihr selbstbestimmtes Leben begleitet werden.
Viel Spaß und gutes Gelingen mit der traumapädagogischen Übungskartei wünschen
Sarah Frohmader und Julia Kamm
Definition
Der Begriff Trauma (griech.: Wunde) lässt sich als eine "seelische Verletzung" verstehen, zu der es bei einer Überforderung durch ein traumatisierendes Erlebnis kommen kann. Traumatisierende Erlebnisse können beispielsweise schwere Unfälle, Erkrankungen, Naturkatastrophen, aber auch die Erfahrung von sexueller, psychischer oder körperlicher Gewalt sein.
In den medizinischen Klassifikationssystemen (ICD-11 und DSM-V), die maßgeblich für eine Diagnose und therapeutische Behandlung sind, ist der Begriff so definiert, dass alle Ereignisse, die objektiv mit einer außergewöhnlichen Bedrohung oder einer tatsächlichen bzw. drohenden ernsthaften Körperverletzung von einem selbst oder von Dritten einhergehen, gemeint sind. Aus subjektiver Sicht müssen sie in der Person eine tiefe Verzweiflung auslösen und mit starker Angst und Hilflosigkeit einhergehen.
Als traumatisch erlebte Situationen können bei fast jedem Menschen eine tiefe seelische Erschütterung mit der Folge einer Überforderung des angeborenen biologischen Stresssystems verursachen. Somit wirkt sich ein Trauma nicht nur seelisch, sondern auch körperlich aus.
Die Überflutung des Gehirns während der Hochstressphase behindert die angemessene Verarbeitung der erlebten Eindrücke. Sodass der/die Betroffene die gemachten Erfahrungen nicht, wie gewohnt in seinen/ihren Erinnerungen abspeichern kann. Dies hat zur Folge, dass der Körper auf einem erhöhten Stressniveau bleibt und sich Folgesymptome entwickeln.
Posttraumatisches Stresserleben ist nicht unnormal, sondern ein Signal dafür, dass das Gehirn versucht Erlebtes zu verarbeiten. Es ist eine natürliche Reaktion des Körpers und der Psyche auf eine zutiefst belastende Erfahrung.
Wie gut ein Trauma verkraftet und verarbeitet werden kann, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Glücklicherweise legen sich bei den meisten Menschen die posttraumatischen Beschwerden nach einer Weile von alleine. Die Selbstheilungskräfte lassen die sogenannte akute Belastungsreaktion abklingen und Betroffene können das Erlebte zurücklassen, ohne dass es im weiteren Leben bedeutend beeinträchtigt. Wirken jedoch mehrere belastende Faktoren zusammen, können die posttraumatischen Symptome fortbestehen, obwohl das traumatische Ereignis bereits Wochen oder Monate, zum Teil auch Jahre zurückliegt. Bei diesen Personen spricht man dann von einer Traumafolgestörung, die therapeutisch behandelt werden sollte. Durch die traumapädagogische Arbeit können die Selbstheilungskräfte verstärkt, sowie die therapeutische Arbeit vorbereitet werden.
(DeGPT, o. J.)
Traumafolgestörungen
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Eine PTBS kann als Folge auf ein traumatisches Ereignis entstehen. Betroffene zeigen über einen längeren Zeitraum (mehr als 1 Monat) Symptome. Diese sind das intrusive Wiedererleben (ungewollt wiederkehrende Bilder oder Erinnerungen, z.B. Flashbacks), Vermeidungsverhalten (willentliches Vermeiden von Erinnerungen, Situationen, Menschen und Gegenständen, Teilamnesien, Zurückgezogenheit), emotionale Taubheit (Unfähigkeit positive Gefühle zu empfinden, eingeschränkter Affektspielraum) und Hyperarousal (Übererregung, d.h. ständige Alarmbereitschaft, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit).
Akute Belastungsstörung
Man spricht von einer akuten Belastungsreaktion oder Belastungsstörung, wenn mindestens 2 Tage und höchstens 4 Wochen nach einem traumatischen Ereignis Symptome auftreten, die dann nach weiteren 4 Wochen wieder abklingen. Außerdem gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen der traumatischen Situation und dem Beginn der Symptome (Wiedererleben, Vermeidung, erhöhtes Hyperarousal sowie dissoziative Symptome). Der Schwerpunkt liegt dabei auf den dissoziativen Symptomen.
Entwicklungstraumastörung
Der Begriff Entwicklungstraumastörung kombiniert neurobiologische und entwicklungspsychologische Erklärungsmodelle von Traumata in einem Konzept. Als Traumakriterien gelten entwicklungsschädigende Traumen wie Vernachlässigung, körperliche Gewalt, sexueller oder emotionaler Missbrauch oder die Zeugenschaft von Gewalt oder Tod. Betroffene zeigen Veränderungen in der Affekt- und Impulsregulation, Somatisierungsphänomene (psychosomatische Beschwerden oder Krankheiten), Verhaltensveränderungen (z.B. Reviktimisierung), kognitive, interpersonelle oder Selbstbildveränderungen, Selbst- und Fremdbeschuldigung sowie den Verlust von Vertrauen in den Schutz durch andere. Ebenso zeigen sich funktionelle Beeinträchtigungen (z.B. in Schule, Familie, Beruf oder Beziehungen).
Risikofaktoren und Schutzfaktoren
Als Risikofaktoren gelten: weibliches Geschlecht, jüngeres Alter, niedriger Bildungsstatus, geringes Einkommen, geringe Intelligenz, schlechte körperliche Gesundheit, frühere psychische Störungen, Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit.
Als Schutzfaktoren gelten: soziale Unterstützung, kommunikative Kompetenz, kohärentes Weltbild, gute Integrationsfähigkeit für belastende Ereignisse, Resilienz.
(Beckrath-Wilking et. al. 2013)
Definition
Wenn ein Mensch ein, als existenziell bedrohlich empfundenes Ereignis erlebt hat, reagiert der Körper mit „höchster Alarmstufe“, Gefühlen von Angst, Ekel oder Schmerz und es werden z.B. Stresshormone ausgeschüttet.
Es findet eine Überflutung mit aversiven Reizen statt, die extremen Widerwillen hervorrufen. Das Bindungssystem der betroffenen Person wird aktiviert und sie versucht sich Hilfe bei Bezugspersonen zu suchen. Ist dies nicht möglich (weil z.B. der Täter eine Bezugsperson ist), bleiben nur noch Flucht (flight) oder Kampf (fight). Ist dies ebenfalls nicht möglich oder nicht erfolgversprechend, bleibt als einzige Konsequenz zu erstarren oder sich tot zu stellen (freeze). Dabei kommt es zu Gefühlen von Hilflosigkeit, Ohnmacht oder Ausgeliefertsein und zum inneren Aussteigen aus der Situation (Fragmentierung, peritraumatische Dissoziation). Durch die erhöhte Ausschüttung von Endorphinen wird das Dissoziieren erleichtert und die Todesangst neutralisiert.
Im Nachhinein kann das Erlebnis durch die Dissoziation und Fragmentierung nur noch bruchstückhaft und unzusammenhängend erinnert werden.
Je nach Verarbeitung und Ressourcen in den ersten 6 bis 12 Wochen nach dem traumatischen Erlebnis kann eine PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) entstehen. Die Symptome sind sozusagen eine normale Reaktion auf abnormale oder verrückte Erlebnisse.
(Huber, 2005)
Erkenntnisse und Einsatzmöglichkeiten
Traumata entstehen, wenn bestimmte Faktoren zur gleichen Zeit erfüllt sind: