Eines von vielen Büchern über Corona - Michael Brandis - E-Book

Eines von vielen Büchern über Corona E-Book

Michael Brandis

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Beschreibung

In der Pandemie gab und gibt es viel persönliches Leid und viel persönliche Auseinandersetzung. Es gibt Maßnahmenbefürworter und Maßnahmenkritiker. Menschen, die Angst haben vor dem Virus, gegen Menschen, die Angst haben vor den gesellschaftlichen und politischen Folgen der Maßnahmen gegen das Virus. Der Autor gehört dieser zweiten Gruppe an, und versucht, diese Perspektive darzustellen und verständlicher zu machen. Die Sprache ist einfach, der Stil wechselt zwischen um Sachlichkeit bemühten Darstellungen und persönlichen Stellungnahmen. Man kann dem Autor zugutehalten, dass er jene ansprechen will, die nicht viel Zeit aufwenden können. Als weiterführende Hinweise benennt er keine weiteren Bücher, sondern Video-Dokus, die sich schneller und leichter erschließen lassen. Der Autor möchte um ein Nachdenken werben, gerade, wenn man anderer Ansicht ist. Und er tut dies auf eine eigene, persönliche und nachvollziehbare Art. - Der Autor

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Seitenzahl: 234

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Vorbemerkung

Was ist der Anlass für dieses Buch?

Was ist das Ziel dieses Buches?

Drei Hauptargumente gegen dieses Buch

Beginn

Kurzer Überblick über den Beginn

Verschwörungstheorien

Fake News

Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen

Todesursachen

Todesursachen 2020

Ursprung

PCR-Test

Infektionsgeschehen

Epidemiologische Begriffe

Paradigmenverschiebung

Individuelles Erkrankungsrisiko

42

Intensivbetten und Gesundheitssystem

Geimpfte vs. Ungeimpfte

ARE

Impfung

Ein Akt der Nächstenliebe

Absolut alles ist relativ

Ein Akt der Anpassung

Fake News II

Mit Impfstoffen verdient man nicht viel Geld

Impfschäden?

Für wen ist die Impfpflicht?

Strategie eines Endes oder Ende jeder Strategie

Vergleich mit Skandinavien

Mehr-Phasen-Einführung einer Impfpflicht

Geimpft, Genesen …

Politische Parolen

Akt der nationalen Solidarität

Hetze gegen Ungeimpfte

Blue Eyes – Brown Eyes

Sturm auf den Reichstag

Sinn und Zweck einer Impfpflicht

Gefahr für die Demokratie

Meinungsfreiheit

Framing

Rechtsstaatlichkeit

Verschwörungsphantasien von der Zukunft

Bill Gates

1. Bill Gates

2. Die Bill und Melinda Gates Stiftung

3. Die WHO

Wie komme ich an Zahlen?

Quellen für Zahlen und Tabellen

Coda

Das Normale,

sagte Tante Lydia,

ist das, was ihr gewohnt seid.

Was ihr jetzt erlebt,

mag euch vorläufig noch nicht normal vorkommen,

aber nach einiger Zeit wird sich das ändern.

Es wird das Normale werden.

— Tante Lydia 1

1 „Ordinary, said Aunt Lydia, is what you are used to. This may not seem ordinary to you now, but after a time it will. It will become ordinary“.

Tante Lydia ist eine Romanfigur aus: Margaret Atwood (1985): The Handmaid’s Tale / Der Report der Magd.

Vorbemerkung

Was ist der Anlass für dieses Buch?

Die aktuelle Eskalation ist gekennzeichnet durch eine öffentliche Hetzerei, die selbst in den Tagesthemen gesendet wird 2 und eine unselige Diskussion um eine Impfpflicht. Es gibt zwei Seiten: die der Idioten und die der Vernünftigen.

So hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in der Sendung von Anne Will 3 deutlich darauf hingewiesen, dass er die Kritiker mit ihren Phantasien von „gechipt werden“ und „Föten, die zur Impfstoffentwicklung verwendet werden“ nicht versteht und sie ihm auf die Nerven gehen. Er bezeichnet diese Argumente als „Ultraquatsch“, doch ist es sein rhetorisches Mittel, nun ausgerechnet nur den Ultraquatsch herauszugreifen.

Er sucht die absurdeste und seltsamste Ansicht des „Gegners“ heraus und macht sie lächerlich. Mehr noch: Er identifiziert die gesamte andere Seite damit. Und untergräbt damit alle anderen Argumente.

Ganz nebenbei hat er noch die Heilpraktiker in den Topf geschmissen, und damit in einer Nebenbemerkung eine ganze Berufsgruppe diffamiert.

Zudem bringt er immer wieder sein Lieblingsbeispiel: Ein Tumorpatient kann nicht operiert werden, weil ein Ungeimpfter den Platz auf der Intensivstation belegt. Und die Vorsitzende des Ethikrates, Frau Buyx, stimmt ihm zu. Und Herr Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, spricht von der Tyrannei der Ungeimpften. Alles in einer Sendung.

Das Problem daran ist, dass viele Zuschauer die Grundlage solcher Äußerungen dann nicht nachrecherchieren. Sondern sie nehmen das als Information auf, sind entsetzt, und glauben dann, die Ungeimpften wären so, wie sie gerade dargestellt wurden.

2 Sarah Frühauf, Tagesthemen Kommentar, 19.11.2021

3 Anne Will, 07.11.21

Was ist das Ziel dieses Buches?

Es ist nur zu gut zu verstehen, wenn Menschen nach einem langen Arbeitstag und einer Stunde im Verkehr nach Hause kommen und nicht mehr Lust, Nerven und Zeit haben, sich jetzt in ein Thema einzulesen. Doch in den kleinen Häppchen verstehen sie die Themen nicht. Sie registrieren eher nur die Schlagzeilen (auch im TV). Die sozialen Medien sind sehr wertvoll (finde ich), aber sie machen das grundlegende Problem der Nachrichtenverarbeitung und des Zeitmangels nicht besser. Wenn Twitter selbst kleinere Texte in fünf Textnachrichten umbricht, dann hilft auch das nicht, die Situation einzuordnen.

Machen Sie einmal einen kleinen Test. Schauen oder lesen Sie die Nachrichten, warten Sie zwei Stunden, in denen Sie sich mit etwas anderem beschäftigen. Und dann schreiben Sie auf, was die Themen und die zentralen Aussagen in den Nachrichten waren. Das wird schwierig. Falls es Ihnen gelingt: steigern Sie den Schwierigkeitsgrad und schreiben Sie die Themen und Thesen der gestrigen Nachrichten auf. Da spätestens wird es haarig. Und dann beginnt die Schwierigkeit, sich verschiedene Darstellungen aus verschiedenen Quellen zu demselben Thema anzuschauen. Das ist eine Herausforderung.

Ich versuche, meinen Teil beizutragen, es etwas zugänglicher zu machen. Hierzu gebe ich absichtlich nicht pro Kapitel fünf Bücher als weiterführende Empfehlung an. Die kann kaum jemand ernsthaft lesen. Das wären bei beispielsweise 10 Kapiteln 50 Bücher, wer soll das lesen? Ich gebe bei den meisten Kapiteln ein bis zwei Video-Empfehlungen. Die Videos sind unterschiedlich lang, wahrscheinlich sind sie im Durchschnitt eine Stunde lang. Dann hätte man am Ende des Buches zehn Stunden Videos. Die muss man ja nicht am Stück sehen. Aber wenn man sich alle drei Tage ein Video anschaut, ist man in einem Monat damit durch. Dann hätte man einen Überblick, der schon sehr deutlich über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegen dürfte, die diese Zeit nicht aufgewendet haben. Ein Überblick über verschiedene Themen rund um das Thema Corona. Und wenn Sie ein Thema besonders anspricht, können Sie in dieser Richtung leicht weitere Videos und letztlich auch Bücher finden.

Ich möchte versuchen, nicht alle, sondern meine Argumente darzustellen,

weshalb ich mit den Maßnahmen der Regierung(en, mittlerweile zwei verschiedenen) nicht einverstanden bin,

weshalb ich die unsägliche Hetzerei der Regierungen für unwürdig, unethisch, und letztlich auch üble Nachrede halte,

weshalb ich die Impfpflicht ablehne.

Geben Sie sich selbst ein Lob dafür, dass Sie dieses Buch lesen. Egal, wie oberflächlich oder wie kritisierbar das Buch sein wird, der Umstand, dass Sie es lesen, dass Sie sich interessieren und Zeit investieren, hebt Sie aus der Masse heraus. Danke.

Drei Hauptargumente gegen dieses Buch

Die drei Hauptargumente, die mir in Gesprächen immer wieder begegnet sind, möchte ich hier dem Buch voranstellen:

1. Maßnahmen sind per se gerechtfertigt

Sind die Maßnahmen der Regierung gerechtfertigt?

Und die Antwort vieler Menschen darauf ist einfach, ohne darüber nachzudenken: Ja.

Warum sind sie gerechtfertigt?

„Sonst würde man sie ja nicht machen.“

Dies ist nicht nur ein unzulässiger Zirkelschluss.

Dies zeugt auch von der Überzeugung, die Regierenden würden diejenigen Entscheidungen treffen, und diejenigen Gesetze und Maßnahmen anordnen, die an besten für die Gesamtheit des Volkes sind. Es geht geradezu von einem Weltbild Platons aus: der Mensch ist gut und will das Gute. Und die Regierung wird gebildet von weisen Philosophen, die sich stellvertretend für die Gesamtheit für das Gute einsetzen.

Das stimmt nicht.

Im Laufe meines Lebens, im Laufe der Jahre und Jahrzehnte gab es immer wieder Ereignisse, wo Politiker und Amtsinhaber das Volk belogen haben, wie es Korruption gab, Lobbyismus, Drehtür-Effekte bei der Besetzung von lukrativen Posten in Politik und Wirtschaft. Gesetze und Verträge dienten zu oft nicht der Bevölkerung, sondern Unternehmen. Zuweilen auch, ohne dass ein solcher Vorteil offen ersichtlich war.

Ich sage nicht, dass Politiker per se schlechte Menschen sind.

Aber wer glaubt, dass sie per se gute Menschen sind, deren Aussagen und Entscheidungen man nicht zu hinterfragen brauche, der lebt in La-La-Land.

Daher ist dies eine grundlegende Frage: Wollen wir die Regierung tun und machen lassen, weil das Wohl des Volkes und der Menschen, die sie ermächtigt haben, ihnen am Herzen liegt, und sie gut für uns sorgen werden?

Oder sind wir kritisch, und sehen genauer hin, was sie entscheiden – und warum?

2. Keine Ahnung

Ein häufiger Vorwurf, oft polemisch vorgetragen, ist, dass ich „ja so viel Ahnung habe“. Nein, ich bin kein Mediziner und kein Virologe. Auch kein Statistiker. Und kein Jurist. Ehrlich gesagt, ich bin das meiste nicht.

Aber ich kann mir zumindest eine solide Ahnung verschaffen. Auch, wenn ich nicht alles im Detail nachvollziehen kann, kann ich zumindest Grundzüge nachvollziehen und prüfen, ob und wie weit Artikel, Studien, Statistiken, Argumentationen, Nachrichten Videos nachvollziehbar sind – oder nicht. Warum wird Menschen abgesprochen, dass sie dies können?

Die Frage ist, ob wir Menschen dazu ermächtigen wollen?

Durch unser Bildungssystem, durch unser Mediensystem und nicht zuletzt durch unser gesellschaftliches System, welches die Rahmenbedingungen hierfür setzt und zulässt.

3. Ad hominem

Es gibt (mindestens) drei Ebenen.

Die erste Ebene ist die Ebene der Klärung des Sachverhalts. Was ist überhaupt die Situation, welche Optionen gibt es?

Dann gibt es darüber eine zweite Ebene. Das ist die Ebene der persönlichen Beurteilung der Situation, wie sie auf der ersten Ebene diskutiert oder festgestellt wurde. Wie denke ich über die Situation? Wie stehe ich dazu? Wie geht es mir damit? Was befürchte ich, was erhoffe ich? Wovor habe ich Angst?

Gerade in dieser Pandemie wurde und wird zu oft zugleich auf eine dritte Ebene gesprungen. Auf dieser Ebene geht es gerade darum, die beiden unteren Ebenen zu überspringen. Es gibt ein Dogma oder ein Narrativ, und wer auf den anderen Ebenen zu diskutieren versucht, wird auf der dritten Ebene ad hominem (als Mensch) angegriffen.

Zum Beispiel mit dem Begriff „Corona-Verharmloser“. Jeder, der versucht, Corona in seinen Auswirkungen einzuordnen und die Auswirkungen der Maßnahmen gegenüberzustellen, wird als Verharmloser diffamiert.

Oder mit dem Begriff „Corona-Leugner“. Es gibt ja alles. Und es gibt sicherlich auch Menschen, die die Existenz eines Corona-Virus leugnen. Aber alle Menschen, bei denen ich meine Informationen beziehe, und die sich kritisch damit auseinander setzen, leugnen die Existenz des Virus gar nicht. Dann ist der Begriff falsch. Aber dann ist er böse Verleumdung und Hetze.

Und wenn das von der Regierung massiv vorangetrieben wird, indem sie diese Begriffe verwendet und so zum offiziellen Sprachgebrauch macht, was ist dann menschlich von dieser Regierung zu halten?

Beginn

Kurzer Überblick über den Beginn

Die Corona-Pandemie war nicht der erste Vorfall in Zusammenhang mit Viren.

Ende 2002 bis Mitte 2003 war das erste Auftreten eines SARS-Coronavirus (des SARS-CoV-1), damals nahezu ausschließlich im südchinesischen Raum. Es starben vergleichsweise wenige Menschen (etwas über 800 im gesamten asiatischen Raum).

2009 war die so genannte Schweinegrippe (durch das H1N1-Virus).

2011 war es das MERS-Syndrom, ebenfalls durch Corona-Viren (MERS-CoV), letztlich aber nicht in Europa, sondern begrenzt auf Arabien.

2014 war der Ebola-Virus, dies war die bisher gefährlichste Virus-Variante, blieb aber dennoch auf Westafrika begrenzt und gilt seit 2016 als beigelegt.

2017/18 war eine Influenza-Welle, die in Deutschland zu weit über 20.000 Toten führte, ohne dass dies zu Regierungsmaßnahmen führte. Die Zahlen sind geschätzt, da es auch nicht zu offiziellen Tests oder Registrierungen führte.

2019 war das erste Auftreten des SARS-CoV-2. November/Dezember wurde der erste Fall in Wuhan, China festgestellt.

Es dauerte bis Januar 2020, das Virus näher zu identifizieren, es sei eine Art SARS-CoV-Virus, aber nicht vom Typ 1, später wird es als Typ 2 bekannt. Die Bezeichnung der durch das Virus hervorgerufenen Erkrankung gab die WHO im Februar als CoViD-19 bekannt. Wie ähnlich oder wie verschieden die beiden Typen SARS-CoV 1 und 2 sind, ist nur einem Virologen verständlich. Aber es muss Gemeinsamkeiten geben, um sie als Typ 1 und 2 desselben Virus zu klassifizieren. Als dennoch die Behauptung aufgestellt wurde, dies sei ein völlig neues Virus, machte das doch stutzig.

2020 kam es in Europa zu ersten Erkrankungen, Ende Januar 2020 im nördlichen Italien, in der Stadt Bergamo (Lombardei).

Der Bundesgesundheitsminister, Jens Spahn, äußert sich in den Tagesthemen zu der Situation in Deutschland:

„Der Verlauf hier, das Infektionsgeschehen, ist deutlich milder, als wir es bei der Grippe sehen“.

Jens Spahn, Tagesthemen, 23.01.2020 4

Der erste Fall in Deutschland wurde am 28. Januar 2020 in Bayern festgestellt.

Die Belastung des italienischen Gesundheitssystem, die strikten Reaktionen Italiens (Schulschließungen, Gastronomieschließungen), die Transporte von Särgen durch das Militär, die wegen der Anordnung zur Krematierung und der geringen Kapazitäten anfielen, sorgten für Verängstigung auch in Deutschland. Ein oft gelesener und gehörter Satz war „Ich möchte hier keine Bilder wie in Italien“. Der Umstand, dass alleine NRW mehr Beatmungsplätze als ganz Italien hatte, kam als simple Information nicht gegen die Bilderflut und Paniküberschriften in den Medien an.

Am 24.02.2020 war Rosenmontag. Es wurde gefeiert.

Am 02.03.2020 erläuterten Bundesgesundheitsminister Spahn und Virologe Christian Drosten gemeinsam in der Bundespressekonferenz die Situation:

„Also, ganz einfach gesagt:

Wir haben viele milde Fälle. Diese Erkrankung ist eine milde Erkrankung.

Das ist eine Erkältung in erster Linie, eine Erkältung die die unteren Atemwege betrifft, und die ist im Prinzip für den Einzelnen gar kein Problem.

Also wenn ich eine Erkältung kriege, dann werde ich das nicht nur überleben, sondern ich werde im Normalfall sogar relativ wenig davon merken.

Die Frage ist also, worüber besorgen wir uns hier eigentlich?“.

Christian Drosten, Bundespressekonferenz, 02.03.2020 5

Am 11. März 2020 rief die WHO das Vorliegen eine Pandemie aus.

Am 16. März 2020, zwei Wochen nach der Bundespressekonferenz, auf der Dosten fragte, worüber wir uns eigentlich besorgen, wurde der erste Lockdown in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. Er sollte ab dem 22. März 2020 zunächst zwei Wochen dauern.

Persönliche Anmerkung

Ich war von dem Lockdown entsetzt. Ich war darüber entsetzt, wie schnell alles ging.

Wie schnell die Regierung bereit war, ein gesamtes Land herunterzufahren. Wie schnell man bereit war, die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen hinten an zu stellen, nicht zu prüfen, welche gewaltigen Schäden die Maßnahmen auf der anderen Seite verursachten.

Ich war entsetzt, wie schnell eine so tiefgreifende Maßnahme wie der Lockdown kam, wo noch wenige Tage zuvor in der Bundespressekonferenz unter Beteiligung des Bundesgesundheitsministers die Situation als harmlos dargestellt wurde.

Nun muss man jedem zugestehen, dass er sich irren kann, und dass er seine Einschätzung abändert. Aber wie hier Christian Drosten eine Expertise herauskehrte, dann wenige Tage später seine Darstellung um 180° herumkehrt, und dennoch eine Expertise herauskehrte, hat schon etwas von Chuzpa. 6

Ja, es musste schnell gehen. Schließlich hatte man von Dezember bis März, bis zum programmatischen Ausrufen der Pandemie durch die WHO, drei Monate verstreichen lassen.

Ich war entsetzt, wie einseitig Expertendarstellungen eingeholt wurden. Der einzige Virologe, der jemals, dafür wiederholt, in der Bundespressekonferenz auftauchte, war Drosten. Es sollte eigentlich angesichts einer möglichen Bedrohung, die man als so gewichtig einschätzt, dass man zu einem Lockdown bereit ist, zuvor einige Gesprächsrunden mit allen Top-Wissenschaftlern geben, derer man habhaft werden konnte. Und dabei einen Rat von Experten unterschiedlicher Professionen einholt. Virologen, Mediziner natürlich, aber auch Psychologen, Soziologen, Pädagogen, Wirtschaftswissenschaftler. Um die Folgen der Maßnahmen zu diskutieren und gegen den vermeintlichen Nutzen überhaupt abwägen zu können. Stattdessen hat man sich einige Einschätzungen von Wissenschaftlern regelrecht vom Hals gehalten.

Ich war entsetzt, wie man jenseits aller Wissenschaftlichkeit agierte, und dies dreist als wissenschaftlich bezeichnete. Aus Korrelationen Kausalitäten ableitete, wie Erstsemester, die vom Professor auf das Glatteis gelockt werden. Einen ungeeigneten Test zum Maßstab erhob, „an oder mit“ herunterleierte, als wenn nicht genau das der entscheidende Unterschied wäre, und vor allem: nicht zeitnah mit Kohorten-Studien begann. Die Nationale Kohorte 7 hätte einen Ausgangspunkt bilden können. Wir haben ein RKI mit 1.000 Mitarbeitern und von Beginn an bis jetzt, zwei Jahre später, fehlende Daten zu Übertragbarkeit bei symptomlosen Trägern, Infektionsgeschehen an unterschiedlichen Orten (Schulen zum Beispiel), Vulnerabilität.

Ich war entsetzt, dass nunmehr diejenigen, die vor einem Übermaß bei den Maßnahmen warnten, als Verharmloser diffamiert wurden.

Ich war entsetzt, wie schnell das gesellschaftliche Klima kippte, und es wurde angetrieben von der Regierung.

4https://www.ardmediathek.de

5https://www.youtube.com/watch?v=9dcXTWhPnFg

6 Kann die Verwendung des jiddischen Begriffes Chuzpa für ein kritisiertes Verhalten als antisemitische Chiffre gewertet werden?

7https://nako.de/

Verschwörungstheorien

„Verschwörungstheorie“ ist ein Begriff, mit dem man auf einer Meta-Ebene eine Diskussion auf der sachlichen Ebene unterbindet.

Mit „Verschwörungstheoretiker“ wird eine Person ad personam angegriffen und herabgesetzt. Nicht nur in seiner Meinung, sondern in seiner Person, als denkender und urteilsfähiger Mensch. Er wird lächerlich gemacht.

Einmal abgesehen davon, dass der Begriff schlicht falsch ist. Und damit die Verwender des Begriffes bloßstellt. Eine Verschwörung setzt eine Einigung zwischen mehreren Personen voraus. Eine Theorie ist komplexer als eine einfache These. Wer beispielsweise glaubt, sich durch das Tragen des vielzitierten Aluminiumhutes vor Strahlung schützen zu können, ist halt dem Begriff nach kein Verschwörungstheoretiker. Aber das nur am Rande. Letztlich ist der Begriff nunmehr mit einer vollkommen anderen Bedeutung etabliert.

Wenn Ihnen jemand erzählt, dass Banken, Fonds und Stiftungen sich darauf einigen, Aktien im Dreiecksgeschäft zu verkaufen, um Steuerlücken in der Steuerbefreiung zu nutzen, und sich Steuern zweimal erstatten zu lassen, obwohl sie nur einmal gezahlt wurden. Verschwörungstheorie?

Wenn Ihnen jemand erzählt, ein großes Chemieunternehmen lasse Abwasser ins Grundwasser sickern und vergifte damit die Bewohner. Verschwörungstheorie?

Wenn Ihnen jemand erzählt, unsere Freiheit müsse nun keineswegs am Hindukusch-Gebirge in Afghanistan verteidigt werden, sondern es ginge um Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Verschwörungstheorie?

Höre ich Sie denken: „Ja. Verschwörungstheorien.“?

Hier sind die Auflösungen dieser Beispiele:

Cum-Ex-Geschäfte.

Video-Dokumentation: „Eine Staatsanwältin kämpft gegen Steuerraub“ von Michael Wech, Massimo Bognanni und Petra Nagel, WDR 2021. 8

DuPont und der Skandal um die Teflon-Produktion (Perfluoroctansäure).

Video-Dokumentation: „The Devil We Know“ von Stephanie Soechtig und Jeremy Seifert, 2018. 9

Oder in Spielfilm-Form: „Vergiftete Wahrheit“ (Dark Waters), 2019.

Peter Struck, Horst Köhler und der Afghanistan-Einsatz.

„Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt“.

Peter Struck, Bundesminister für Verteidigung, Regierungserklärung im Bundestag, 11. März 2004.

„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Alles das soll diskutiert werden, und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.“

Horst Köhler, damals Bundespräsident, Interview u.a. für den Deutschlandfunk auf dem Rückflug von einem Kurzbesuch in Afghanistan, 21.05.2010 (Sendedatum 22.05.2010).

(Zehn Tage später ist Köhler im Wesentlichen wegen der Reaktionen auf dieses Statement zurückgetreten.) 10

Das sind nur Beispiele. Aus Deutschland und den USA, der Wirtschaft und Politik. Subjektiv ausgewählt. Ohne Viren und Pharma-Industrie.

Ich höre Sie denken: „Aber Derartiges geschieht doch ständig“.

Ja. Eben. Das ist der Punkt.

Es ist geradezu alltäglich, dass uns Nachrichten aus Politik und Wirtschaft erreichen, die Skandale berichten, teils noch als Gerücht, als Frage formuliert, wo man noch nicht behaupten darf, teils als Enthüllungsstory oder Bericht über Gerichtsverfahren, teil als rückblickende Einschätzung.

Und dennoch werden Menschen, die Derartiges befürchten, als Verschwörungstheoretiker verächtlich gemacht.

Wir können froh sein, dass es engagierte Journalisten, Anwälte und weitere Menschen gibt, die in Kleinarbeit, manchmal jahrelangen Recherchen, und gegen Widerstände Fälle von Korruption, Lügen, Verstößen oder schlicht Verbrechen aufdecken.

Aber sie werden erst gefeiert, wenn ein Urteil ihre Anklage bestätigt, oder wenn große Zeitungen oder TV-Sender ihre Darstellung übernehmen. Solange sie noch recherchieren, müssen sie oft aushalten, diffamiert zu werden.

Und wie es halt so ist: Manchmal sind es übertriebene Befürchtungen, manchmal ist es eine unhaltbare These, und manchmal haben sie einfach recht.

Sind Verschwörungstheoretiker nicht Menschen, die unsere Gesellschaft braucht?

Und in wessen Interesse liegt es, sie zu bekämpfen?

Weiterführende Empfehlung:

Die TV-Dokumentation „Profiteure der Angst“ von Jutta Pinzler und Stefanie Schwalfenberg, NDR 2009. 11

Die TV-Dokumentation „Corona - Sicherheit gegen Freiheit“ von Jutta Pinzler, Arte 2021. 12

Als Einstieg in das Thema der Pandemie sind zwei Fernseh-Dokumentationen zu empfehlen:

Profiteure der Angst: Eine sehr empfehlenswerte Dokumentation, thematisch über die Schweinegrippe 2009, aber grundlegend über Zusammenhänge von politischen Entscheidungen und den Einfluss der Pharma-Industrie.

Unter anderem kommen bereits hier Christian Drosten und Wolfgang Wodarg zu Wort.

Wolfgang Wodarg war 2009 Vorsitzender des Unterausschusses für Gesundheit in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Aufklärung der H1N1-Pandemie. Hierbei ging es um die Rolle der WHO, millionenfache Impfungen und Milliardengeschäfte der beteiligten Pharma-Unternehmen. Eine seltene Expertise. Indes wurde er zu Beginn der Corona-Krise nicht als Experte von der Regierung hinzu gezogen, mit dem Verweis, seine Einschätzungen wären falsch.

Und „Corona - Sicherheit gegen Freiheit“: Ebenfalls von Jutta Pinzler, wie die oben genannte Doku, und ebenfalls sehr empfehlenswert, vom November 2021. Ein Vergleich der Strategien in den Ländern Deutschland, Frankreich und Schweden, und mit berechtigten Fragen zu den unterschiedlichen Umgangsweisen mit einer pandemischen Krise, und mit den Abwägungen mit weiteren Gütern und Rechten.

Das Video „Alles Verschwörungstheorien?!“ von Sarah Wagenknecht, 2020. 13

Sarah Wagenknecht hat einen eigenen YouTube-Kanal. Grundsätzlich sind alle Videos von ihr sehr empfehlenswert.

In dem Video spricht sie darüber, wie mit dem Begriff „Verschwörungstheorien“ von tatsächlichen Einflussnahmen von Wirtschaft auf Politik abgelenkt wird.

8https://www.youtube.com/watch?v=7P1yvPjetsM

9https://www.youtube.com/watch?v=NJFbsWX4MJM

10 Zitat Peter Struck: https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/regie-rungserklaerung-des-bundesministers-fuer-verteidigung-dr-peter-struck—792688 Zitat Horst Köhler: Interview: „Sie leisten wirklich Großartiges unter schwierigsten Bedingungen“, Deutschlandfunk, 22.05.2010 (Audio und Transkription). https://www.deutschlandradio.de/sie-leisten-wirklich-grossartiges-unter-schwierigs-ten.331.de.html?dram:article_id=203276

11 Das Video ist gar nicht so leicht zu finden. Nicht mehr in den offiziellen Mediatheken. Taucht immer mal in privaten accounts auf, ist aber auch schnell wieder weg. Es gibt viele Kopien in schlechter Qualität (240p) und nur wenige in akzeptabler Qualität. Versuchen Sie eine solche zu finden. Derzeit hier: https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=B0uLDt0NHA0

12 Derzeit hier: https://www.youtube.com/watch?v=tPtLvtnqgRsNHA0

13https://www.youtube.com/watch?v=t7_sLtCKULE

Fake News

Zu Beginn der Pandemie gab es Thesen zu bevorstehenden Maßnahmen auf verschiedenen kritischen Webseiten, wie die Bundesregierung reagieren würde, was sie womöglich planen könnte. Die Bundesregierung war sehr bemüht, diese Thesen als Fake News zu deklarieren. 14

Abbildung 1: Bundesministerium für Gesundheit, Twitter, 14. März 2020

Am 22. März 2020 tritt der erste Corona-Lockdown in Kraft. Er bringt massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens mit sich.

Was ist von dieser Regierung zu halten?

Was von den „Fake-News“, die sich als wahr herausstellten?

14https://twitter.com/bmg_bund/status/1238780849652465664?lang=de

Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen

Ende April 2020 wurde auf der Webseite des Bundesministeriums für Inneres ein Strategiepapier veröffentlicht. Es trägt den Namen „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“. 15

Es ist immer noch auf der offiziellen Seite des BMI abrufbar. Und ich empfehle jedem, es abzurufen und zu lesen.

Das Innenministerium hat dieses Strategiepapier in Auftrag gegeben. Der Auftrag ging an eine eigens hierfür kurzfristig zusammengestellte Gruppe aus Experten. Fragestellung war, in verschiedenen Modellierungen unterschiedliche Abläufe der Pandemie und mögliche Maßnahmen der Regierung zu modellieren. Soweit ein nachvollziehbarer und guter Ansatz.

Das Papier wurde in wenigen Tagen erstellt. Es gibt drei Szenarien an: den schlimmsten Verlauf („worst case“), der massive Gegenmaßnahmen erfordert, denn ihn gilt es zuvorderst zu vermeiden, einen mittleren Verlauf („Dehnung“ des Verlaufs) und ein Szenario, in dem eine Holzhammer-Methode eingesetzt wird und danach weitergetanzt werden kann („Hammer and dance“; die Bezeichnungen sind original aus dem Strategiepapier), der zwar einen milden Verlauf modelliert, aber dennoch „Holzhammer“-Methoden erfordert. Konkret wurde empfohlen: „starke soziale Distanzierung, ungeachtet des genauen Infektionszustands aller Betroffenen“.

„Ungeachtet des genauen Infektionszustands aller Betroffenen“, das ist genau das, was umgesetzt wurde. Der genaue Infektionsstand wurde nicht ermittelt, und ungeachtet davon die soziale Distanzierung vorangetrieben.

Während die Vorbereitung auf die Pandemie bzw. die Reaktion auf die bereits beginnende Pandemie sinnvoll ist, muss man sich hinsichtlich des Papieres und der Umsetzung drei Fragen stellen:

1. Es geht nicht nur um die Einschätzung, was schlimmsten Falls geschehen kann, sondern auch, wie wahrscheinlich oder realistisch ein Eintreffen in der modellierten Größenordnung ist. Ist der worst case wirklich realistisch?

„In diesem Szenario wäre mit mehr als einer Million Todesfällen zu rechnen.“ 16

2. Es ist nachvollziehbar, aus sozialpsychologischer Sicht, dass eine Kommunikation, die das Volk in Angst und Schrecken versetzt und drastischste Szenarien beschreibt, dazu geeignet ist, das Volk zu einer Befolgung von Maßnahmen zu bringen. Die Frage ist aber, ob es einer demokratischen Regierung zusteht, mit derartigen Mitteln der „Psychologie der Massen“ zu arbeiten?

Beurteilen Sie die Passagen selbst (Hervorhebung durch mich): 17

„Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden:

1) Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst. Die Situation, in der man nichts tun kann, um in Lebensgefahr schwebenden Angehörigen zu helfen, ebenfalls. Die Bilder aus Italien sind verstörend.

2) „Kinder werden kaum unter der Epidemie leiden“: Falsch. Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, z.B. bei den Nachbarskindern. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann“.

Abbildung 2: Abbildung 2: „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“, PDF S. 13

3. Es ist eine durchaus berechtigte Frage, inwieweit hier eine Regierung bei Experten um Rat fragt, um weitere Entscheidungen abzuwägen, oder ob hier eine Regierung eine Expertengruppe selbst zusammenstellt und dieser den Auftrag erteilt, Modellierungen zu entwickeln, die geeignet sind, auch drastische Maßnahmen zu unterlegen.

Stefan Leupertz, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, analysierte das Vorgehen der Regierung so: 18

„Das BMI hat ersichtlich und am Ende mit großem Erfolg versucht, ein Informations- und Meinungskartell zu organisieren, das es den politischen Entscheidungsträgern in schwieriger Lage ermöglicht, durch eine Politik der

Angst Entscheidungskompetenz auch ohne belastbare sachliche Rechtfertigung zu erlangen“.

Was ist von dieser Regierung zu halten?

15https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichun-gen/2020/corona/szenarienpapier-covid19.html

16 „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“, S. 4.

17 „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“, S. 13.

18 „Zahlreiche Seiten geschwärzt: Wie es zur Lockdown-Strategie der Bundesregierung kam“, Focus, 15.02.2021. https://www.focus.de/gesundheit/lockdown-und-kollateralschaeden-zahlreiche-seiten-geschwaerzt-wie-kam-es-zur-lockdown-strategie-der-bundesregierung_id_12965163.html

Todesursachen

Ich möchte mit einem Überblick über Todesursachen beginnen. Hier geht es nicht um Corona, obwohl es als eine der Todesursachen am Rande auftaucht. Und es ist schon sehr beachtenswert, dass es im Jahr der Pandemie in einer Übersicht der Todesursachen tatsächlich nur eine Randerscheinung ist. Allein das ist ein guter Grund, zu überdenken, wie viel Aufmerksamkeit und Ressourcen diesem Thema wirklich angemessen ist. Doch noch grundlegender geht es um etwas anderes.

Ich möchte anregen, grundsätzlich mal über das Sterben und unser Verhältnis dazu nachzudenken, auch anhand dieser Tabelle. In der ganzen Corona-Pandemie-Panik wurde (mir) noch mal deutlich, wie sehr der Tod nicht als Teil unseres Lebens gesehen wird, wie sehr er ausgegrenzt wird, bekämpft wird und darüber vernachlässigt wird, dass vor dem Tod ein Leben steht. Natürlich ist es zulässig und vernünftig, Erkrankungen zu vermeiden oder zu behandeln, Operationen durchzuführen, das Leben zu verlängern. Natürlich ruft es Traurigkeit und Trauer hervor, wenn ein Mensch stirbt – oder wenn wir uns selbst dem Tod nahe fühlen.

Doch wir gehen nach meiner Wahrnehmung mit dem Leben um, als dauere es ewig, und mindestens noch Jahre, in jedem Fall. Das ist nicht der Fall. Angela Merkel forderte in ihrer bekannten Ansprache im Bundestag Anfang Dezember 2020 mit emotionaler Dramatik stärkere Einschränkungen:

„Wenn wir vor Weihnachten zu viele Kontakte haben und es anschließend die letzten Weihnachten mit den Großeltern waren, dann werden wir etwas versäumt haben“.

Angela Merkel 19

Als sie dies sagte, hat mich das emotional sehr mitgenommen. Allerdings anders, als sie es gemeint hat. Welche Entscheidungen wir treffen und welche Lebensrisiken wir auf uns nehmen, muss eine höchstpersönliche Entscheidung bleiben. Der Menschen, die wir besuchen, der Menschen, die wir empfangen.

Ich habe weniger Angst vor dem Tod, oder dem Tod nahestehender Menschen, als davor, etwas verstreichen zu lassen haben, diesen Menschen nicht mehr aufgesucht zu haben.

Ich würde sagen: ‚Wenn wir vor Weihnachten auf Kontakte verzichten und es anschließend die letzten Weihnachten mit den Großeltern gewesen wären, dann werden wir etwas versäumt haben‘.

„Den versproch'nen Besuch hast du nicht gemacht, du hast nicht mehr an ihrem Bett gewacht, du hast die Blume nicht ins Haus gebracht vorm ersten Frost in sternklarer Nacht.“

— Reinhard Mey 20