Einfach fermentieren - Annette Sabersky - E-Book

Einfach fermentieren E-Book

Annette Sabersky

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Fermentierte Lebensmittel sind echte Superfoods: Gemüse, Milch, Brot und Co., die mithilfe von Bakterien verwandelt werden, sind aromatischer, nährstoffreicher, besser bekömmlich und helfen sogar beim Abnehmen. Ernährungsexpertin Annette Sabersky zeigt in einfachen Schritten, wie das Fermentieren funktioniert, gibt Tipps zum Gelingen und Einkaufshilfen für alle, die keine Zeit zum Selbermachen haben.

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Seitenzahl: 243

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Fermentierte Lebensmittel sind echte Superfoods: Gemüse, Milch, Brot und Co., die mithilfe von Bakterien verwandelt werden, sind aromatischer, nährstoffreicher, besser bekömmlich und helfen sogar beim Abnehmen. Ernährungsexpertin Annette Sabersky zeigt in einfachen Schritten, wie das Fermentieren funktioniert, gibt Tipps zum Gelingen und Einkaufshilfen für alle, die keine Zeit zum Selbermachen haben.

Annette Sabersky

Einfach

fermentieren

Gesund durch

fermentiertes Superfood –

Alle Basics, Rezepte

und Einkaufstipps

Wilhelm Heyne Verlag

München

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Originalausgabe 03/2017

Copyright © 2017 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Sabrina Kiefer

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, München – Zürich, unter Verwendung eines Fotos von Marion Grillparzer

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN: 978-3-641-19797-1V002

www.heyne.de

Inhalt

Vorgeschmack

I.   Fermento-Lebensmittel: Warum sauer luftig macht und wie Bakterien Kakaobohnen knacken

Die Hauptakteure

Wild und spontan oder kontrolliert?

Alltägliche Fermentos: Tee, Kaffee, Schokolade

Kraut, Gemüse & Co.

Soja & Co.: Hülsenfrüchte fermentieren – harte Schale, zarter Kern

Getreide fermentieren: von Brot bis Porridge

Joghurt, Kefir und andere Milchprodukte

Alles Käse!

Wurst und Fisch

Fermentierte Getränke

II.   Gesunde Fermentos: Warum Kraut bekömmlicher ist als Kohl und Joghurt auch Menschen mit Laktoseunverträglichkeit bekommt

Kein Wunderbrunnen für Vitamin B12

Bessere Verträglichkeit durch Fermentation

Beispiel Laktoseabbau

Auch Käse wird bekömmlicher

Beispiel Gluten

Milchsäurebakterien knacken Gluten

Beispiel FODMAPs

Beispiel Phytinsäure

Schadstoffkiller

Langes Leben durch Fermentos?

Das Mikrobiom

Stress lass nach

Was die Darmflora stört

Weniger Hygiene ist manchmal mehr

Fast Food vermindert gesunde Darmbakterien

Gesunde Milchsäurebakterien

Milchsäurebakterien in der Medizin

Cholesterin im Lot

Schutz vor Allergien

Ein heißes Thema: Fermentos und Krebs

Schützen »gute« Bakterien vor Übergewicht?

Antibiotika machen dick

»Gute« Bakterien in der Diskussion

Der Weisheit letzter Schluss

III.   Fermentos einkaufen: Der feine Unterschied. Von Slow-Käse und Fix-Brot. So erkennen Sie gute Qualität

Milchsaures Gemüse

Alles aus Hülsenfrüchten

Brot

Milchprodukte

Käse

Veganer Käse und Milchersatzprodukte

Wurst

Matjes

Getränke

Kombucha

IV.   Das Fermento-Prinzip: Das Einmaleins der täglichen Ernährung mit Joghurt, Sauergemüse & Co.

Das Fermento-Prinzip

Schärfen Sie Ihr Bewusstsein für fermentierte Lebensmittel

Essen Sie täglich Fermentos

Genießen Sie kleine, feine Mengen

Essen Sie bunt

Testen Sie die Bekömmlichkeit

V.   Basic-Rezepte: Einfache Anleitungen für Käse, Kraut und Kombucha, die jedem gelingen

Milchsaures Gemüse, Kimchi und Kraut

Hilfreiches Zubehör

Karotten mit Ingwer

Tomaten mit Basilikum und Knoblauch

Knoblauch-Sauerkraut

Spitzkohl mit frischer Minze

Kimchi

Rote-Bete-Kraut

Brot und Porridge

Hilfreiches Zubehör

Roggenbrot mit fertigem Sauerteigextrakt

Roggenbrot mit selbst hergestelltem Sauerteig

Hafer-Porridge

Hirse-Porridge

Buchweizen-Porridge

Joghurt und Kefir – klassisch und vegan

Hilfreiches Zubehör

Frischer Joghurt

Joghurt aus dem Backofen

Sojajoghurt

Kefir

Veganer Kefir

Käse und eine vegane Alternative

Hilfreiches Zubehör

Frischkäse und Hartkäse

Veganer Cashewkäse

Getränke – von Kombucha bis Holunderblütensekt

Hilfreiches Zubehör

Kombucha

Ingwerlimonade mit Ingwer-Bug

Brotdrink (Kwass)

Apfel-Cidre

Holunderblütensekt

Adressen, Links und Literatur

Ausgewählte Literatur

Vorgeschmack

Wo man nur hinhört, es blubbert und brodelt, es wird fermentiert. Christoph Hauser, Küchenchef des Berliner Restaurants Herz & Niere, etwa serviert seinen Gästen raffiniert fermentierte Pastinake zu gebratener Leber, dazu einen Salat mit selbst vergorenem Essig. Leon Benedens und Paul Seelhorst vom Start-up Fairment haben ihre Passion in Kombucha gefunden. Auf Messen und in Workshops erklären sie, wie aus Tee, etwas Zucker und dem Kombucha-Teepilz ein erfrischendes Getränk wird. Dazu bieten sie auch das nötige Equipment an und haben verschiedene Kombucha-Drinks im Angebot. Bei der »KrautBraut«, die eigentlich Cathrin Brandes heißt, kann man das Fermentieren von Gemüse von der Pike auf lernen – in Kursen und per Facebook. Und im neuen Zentrum für Fermentation in Leipzig treffen sich Fermentierungs-Fans, tauschen sich aus und lernen die Herstellung von Ingwerbier und Kimchi.

Auch ich selbst bin ein großer Fan von »Fermentos«, wie ich milchsaures Gemüse, Sauermilchprodukte und gutes Sauerteigbrot nenne. Solange ich denken kann, habe ich Joghurt selbst gemacht, das eine oder andere Roggenbrot gebacken und in jedem Frühjahr Holunderblütensekt angesetzt. Das Fermentieren fasziniert mich einfach.

Im Grunde ist das Fermentieren von Lebensmitteln nichts Neues. Es ist eine traditionelle Technik, um Lebensmittel haltbar, genießbar und bekömmlicher zu machen. Immer gehen dabei Mikroorganismen zu Werke – sie vergären Rohstoffe, knacken sie und bauen sie ab und um. Weil dies letztendlich eine Form des Verfalls von Rohstoffen ist, spricht der Fermentationsexperte Sandor Ellix Katz auch von »kontrolliertem Verrotten«.

Das klingt nicht wirklich appetitanregend. Doch tatsächlich entstehen durch Fermentation ganz neue, spannende Aromen. Von Natur aus milde Lebensmittel wie Milch und Gemüse erhalten zum Beispiel eine feine Säure. Die an sich faden, eiweißreichen Sojabohnen oder Hülsenfrüchte überraschen plötzlich mit verführerisch würzigen Umami-Noten und der traditionell hergestellte Matjes wird dank Mikroorganismen butterweich und köstlich.

Das alles wusste auch schon Uroma. Heute werden die traditionellen Rezepte und Anleitungen zur Fermentation jedoch neu interpretiert. Das Sauerkraut kommt mit Algen, Knoblauch und Gewürzen ins Glas, Joghurt und Käse werden nicht mehr nur aus Kuhmilch hergestellt, sondern auch als vegane Varianten mit Sojamilch, und die fernöstliche Würzpaste fermentiert mit Cashewkernen statt Sojabohnen. Schließlich verwenden die Köche des Kopenhagener Nordic Food Lab für ihre Version der traditionellen Sojasauce auch gerne mal proteinreiche Heuschrecken(!).

Fermentation ist so angesagt wie nie. Das bestätigt auch die Ernährungswissenschaftlerin und Trendforscherin Hanni Rützler, die Fermentation als einen der großen aktuellen Food-Trends ausgemacht hat. Noch sieht sie sie zwar vor allem in den Händen der großen Küchenchefs, die ihren Gästen fermentierte Köstlichkeiten auftischen, doch langsam hält der Trend auch Einzug in die Privatküchen. Rund 160 000 Videos beschäftigen sich auf YouTube mit dem Thema Fermentation, und zahlreiche Websites zeigen Hobbyköche beim Kohlraspeln, Sauerteigkneten und Joghurtmachen.

Superfood

Ich habe den Esskulturforscher Gunther Hirschfelder gefragt, woher die neue Lust am Fermentieren kommt. Er sieht dafür gleich mehrere Gründe. Zum einen seien die Lebensmittel, die da gebraut werden, sehr gesund. »Sauerkraut ist ein Universalheilmittel, mit dem man heil und nachhaltig durch den Winter kommt«, erklärt er. Es strotzt tatsächlich nur so vor gesunden Milchsäurebakterien, liefert zahlreiche Ballaststoffe und ist damit ein echtes Superfood – nicht nur im Winter. Vor allem für den Darm sind die sauren Produkte wertvoll. Wie groß das aktuelle Interesse am Thema Darmgesundheit ist, belegt die Vielzahl der Gesundheitsratgeber, die sich damit beschäftigen. Hierzu passen Fermentos perfekt. Oft sind sie besser bekömmlich als das Rohprodukt – und damit eine Alternative für Menschen mit Unverträglichkeiten und Allergien. Wird Milch fermentiert, kommt es zum Abbau von Laktose, jener Substanz, die immer mehr Frauen, Männern und Kindern Probleme bereitet. Bei der traditionellen (länger dauernden) Teiggärung wird Gluten, das für eine »Wampe« und verschiedene Erkrankungen verantwortlich sein soll, gespalten – und Brot somit möglicherweise für den einen oder anderen besser bekömmlich.

Zum anderen macht es auch großen Spaß, Gemüse zu raspeln, Lake anzurühren und Brotteig zu kneten. Das Selbermachen bringe Befriedigung und somit Entspannung, weiß Hirschfelder. Dazu komme der Reiz des Ungewissen, der Do-it-yourself-Fans noch nach Feierabend zu Kohlkopf und Messer greifen lässt – denn beim Fermentieren ist letztendlich nie vorhersehbar, was am Ende dabei herauskommen wird. Das Ergebnis hängt immer auch von der Rohware (bio oder konventionell?), der Temperatur (zu warm oder zu kalt?) und von der hauseigenen Mikroflora ab. Selbst wenn alles klappt, bleibt noch die bange Frage: Schmeckt es auch wirklich? Ist das Kraut sauer oder mild? Kann ich es Familie und Freunden anbieten?

Zu guter Letzt schwinge bei allem immer auch ein bisschen Konsumkritik mit, so Hirschfelder. Wer Kraut und Kombucha selbst ansetzt, hat eine gewisse Handhabe gegen all die Lebensmittelmultis, die einheitliches, immer gleich schmeckendes Dosenessen, Tiefkühlkost und Fast Food in die Regale stellen. Beim Selbermachen weiß man, was man hat!

Das Fermento-Prinzip

Aber was ist mit jenen fermentierten Produkten, die es fertig zu kaufen gibt? Salami, Roggenbrot, Sauerkraut und Joghurt – alle entstehen traditionell mithilfe von Gärung. Rund 30 Prozent unserer Lebensmittel sind fermentiert, schätzt die Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM). Es stellt sich die Frage, ob auch all die Supermarkt-Fermentos gesund, frei von Zusätzen und damit bekömmlicher sind oder durch Fix-Verfahren die Qualität leidet.

Darauf und auf viele weitere Fragen gibt dieses Buch Antwort. Zunächst werden Lebensmittel unter die Lupe genommen, die mithilfe der Fermentation hergestellt werden. Ein Kapitel mit Einkaufstipps hilft dabei, im Supermarkt die Übersicht zu behalten und die guten Fermentos von jenen, die im Fix-Verfahren hergestellt wurden, zu unterscheiden.

Auch die vielen gesundheitlichen Vorzüge gut fermentierter Produkte sollen beleuchtet werden: Welchen Nutzen haben sie für den Darm, welchen bei Unverträglichkeiten und Allergien? Schließlich geht es auch um die Frage: Wie viel Fermentiertes ist gesund? Dazu gibt es seitens der Wissenschaft bislang keine klaren Empfehlungen. Darum habe ich, basierend auf meinen Gesprächen mit Experten, das sogenannte Fermento-Prinzip entwickelt – eine Ernährungsweise, die den Fokus auf den regelmäßigen Verzehr von Sauermilchprodukten, gutem Brot, feinem Käse und natürlich milchsaurem Gemüse legt.

Schließlich kommt auch das Kulinarische nicht zu kurz. Im letzten Kapitel habe ich für Sie Rezepte für verschiedene Fermento-Gruppen zusammengestellt: Gemüse, Getreide, Milchprodukte und vegane Alternativen sowie Getränke. Sie sind für Einsteiger gedacht und somit ausführliche Basic-Anleitungen, die Schritt für Schritt die Herstellung erklären. Darüber hinaus gibt es jede Menge Tipps für die erforderlichen Gefäße und Gerätschaften – damit haben Sie alle Informationen zur Hand, um selbst mit dem Fermentieren loslegen zu können.

Alle Rezepte wurden mehrfach in meiner eigenen Fermento-Küche erprobt. An manches habe ich mich (noch) nicht herangewagt: An das Fermentieren von Fleisch und Fisch – denn ich habe großen Respekt vor diesen doch empfindlichen, leicht verderblichen Lebensmitteln. Doch das Erforschen der übrigen Fermentos hat umso mehr Spaß gemacht. Zum Leidwesen meiner Familie roch es in der Küche auch mal etwas streng, ein paarmal sprudelte der vorwitzige Sekt unkontrolliert aus der Flasche und verursachte eine Überschwemmung, und das riesige Kombucha-Glas mit dem wabbeligen Pilz sorgte hin und wieder für Irritationen. Doch dafür kamen Familie und Freunde in den Genuss von leckerem Brot, cremigem Joghurt, knackigem Sauergemüse und dem einen oder anderen Gläschen Holunderblütensekt. Die Recherche und Tests für dieses Buch machten auch die Autorin um viele Aromen reicher.

Annette Sabersky im Dezember 2016

I   Fermento-Lebensmittel: Warum sauer luftig macht und wie Bakterien Kakaobohnen knacken

Viele Produkte, die wir tagtäglich essen, sind das Ergebnis von Fermentation. Ob Brot, Käse oder Kraut, Kaffee, Essig oder Schokolade – immer sind zahlreiche Mikroorganismen im Spiel, die aus einfachen Rohstoffen leckere Lebensmittel machen. Doch welche Helferlein gehen da zu Werke, was passiert genau und wie schmeckt’s?

Heute schon in eine Scheibe Roggenbrot gebissen? Dann könnten Sie Bekanntschaft mit Saccharomyces cerevisiae gemacht haben – oder mit Lactobacillus pontis und L. plantarum. War die Stulle mit Weichkäse oder Camembert belegt? Dann waren vielleicht Streptococcus thermophilus oder Penicillium roqueforti im Spiel. Gab es zwischendurch einen (nicht pasteurisierten) Naturjoghurt? Dann haben Sie möglicherweise L. thermophilus verspeist. Und zum Mittagessen? Gab es »Kloß mit Soß« und Kraut oder ein anderes milchsaures Gemüse? Dann war hier vermutlich L. plantarum am Werk. Vielleicht wollte die Familie doch lieber Reis und die Erwachsenen dazu einen Spritzer Sojasauce? Dann hatte Aspergillus oryzae seinen Auftritt.

Fermentierte Lebensmittel sind in aller Munde. Auch wenn einem das oft gar nicht bewusst ist, spielen Mikroorganismen in der Lebensmittelproduktion eine große Rolle. »Etwa ein Drittel derzeit verzehrter Lebensmittel ist fermentiert«, heißt es in einem Bericht der SKLM. Da er bereits 2010 veröffentlicht wurde, ist es wahrscheinlich, dass der Anteil der Fermentos in unserer Ernährung heute sogar noch größer ist. Denn Ferment liegt im Trend.

Fermentation ist das Werk von Bakterien, Schimmelpilzen, Hefen und Enzymen. Es leitet sich ab vom Lateinischen fermentum, das so viel bedeutet wie »Gärung«. Die winzig kleinen, mit bloßen Augen nicht erkennbaren Helfer wandeln pflanzliche und tierische Rohstoffe um und vergären sie. So entstehen oft weniger verderbliche Produkte, weshalb die Fermentation traditionell vor allem genutzt wurde, um Lebensmittel haltbar zu machen. Man denke nur an Äpfel und Trauben, die zu Cidre und Wein vergoren und somit konserviert werden, oder an den klassischen Weißkohl, aus dem das allseits bekannte und unverderbliche Sauerkraut wird.

Ob Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch, Milch oder Fruchtsaft – immer schon wurde die Fermentation genutzt, um Ernteüberschüsse länger genießbar zu machen oder für knappe Zeiten vorzubeugen. Bereits in der Antike ist von Honigwein, auch Met genannt, die Rede. Er entsteht, wenn Honig mit Wasser vermischt wird und sich dann einfach selbst überlassen wird. Hefepilze, die überall in der Luft vorhanden sind, fühlen sich von dem süßen Mix angezogen und lassen sich darauf nieder, naschen davon und vermehren sich rasant. Sie verwandeln dabei den Zucker in Alkohol und Kohlendioxid (CO2), und es entsteht ein schäumendes Getränk. Streng genommen ist die Gärung eine Reaktion unter Ausschluss von Sauerstoff, also anaerob. Der große französische Forscher Louis Pasteur definierte: »Fermentation, c’est la vie sans l’air.« Jedoch gehen die Begrifflichkeiten heute ein wenig weiter. Die Milchsäuregärung, die bei der Sauerkrautherstellung stattfindet, ist tatsächlich ein Vorgang unter Luftausschluss. Der Begriff Fermentation schließt heute allerdings oft auch die Verwandlung von Rohstoffen unter Lufteinwirkung ein, also sogenannte aerobe Vorgänge. Das ist bei der Matjesreifung der Fall oder auch bei der Essigherstellung.

Wozu das Ganze?

Die Haltbarkeit ist im wirtschaftlichen Sinne das größte Plus der Fermentation. Unerhitzte Milch verdirbt nach wenigen Tagen. Zu Joghurt, Kefir oder Käse fermentiert, hält sie sich jedoch wochen- bis monatelang. Rohes Fleisch muss ebenfalls innerhalb kürzester Zeit gegessen werden. Wird daraus Rohwurst, ist es gleich mehrere Monate haltbar.

Die Ausscheidungen der an der Fermentation beteiligten Mikroorganismen sorgen dafür, dass die Rohstoffe konserviert werden. Das klingt nicht gerade appetitlich, bedeutet aber nichts anderes, als dass sie aus dem in Pflanzen und tierischen Produkten enthaltenem Zucker Alkohol, Milch- und Essigsäure bilden und diese absondern. Zugleich schützt dieses Substrat das Gemüse oder das Fleisch vor dem Verderben. »Schlechte« Mikroben haben in dem sauren Milieu kein Auskommen mehr. Kommen sie doch zum Zuge, weil bei der Fermentation etwas schiefgelaufen ist – etwa weil es dabei zu warm war und unerwünschte Mikroorganismen überhandgenommen haben –, entsteht eine unangenehme »Suppe«, die das Lebensmittel verdirbt und ungenießbar macht. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) warnt immer wieder vor Käse oder Wurst, die mit sogenannten Listerien verunreinigt sind. Eine Gefahr stellen sie besonders für alte Menschen, Kranke und Kinder dar.

Üblicherweise sorgt die Natur für Frieden im »Milieu«, indem die Mikroorganismen »Bio-Konservierungsstoffe« abgeben, wie Sandor Ellix Katz, amerikanischer Food-Autor und einer der international wichtigsten Fermentationsexperten, Essigsäure, Alkohol, Milchsäure und antimikrobielle Eiweißbruchstücke nennt.

Aromaplus dank Fermentation

Natürlich lassen sich verderbliche Lebensmittel auch kühlen, einfrieren, pasteurisieren oder sterilisieren, um sie haltbar zu machen. Das sind etablierte Verfahren, die ihre Berechtigung haben, jedoch manchmal auch Nachteile mit sich bringen. So leidet beim Erhitzen von Gemüse, Obst oder Milch oftmals der Geschmack. Werden sie sterilisiert, erhält man zwar ein keimfreies Produkt, das Aroma aber bleibt auf der Strecke. Der Geschmack des Lebensmittels unterscheidet sich deutlich von dem des Rohprodukts, wird teils sogar richtiggehend unangenehm. Das kennt jeder von der Milch. H-Milch, die ultrahoch erhitzte Milch, besitzt einen leicht süßlichen, karamelligen Beigeschmack, der auch Kochgeschmack genannt wird, weil er an stundenlang erwärmte Milch erinnert. Auch Geschmack und Konsistenz von frischen Champignons oder Erbsen unterscheiden sich von dem meist faden und labberigen Gemüse aus der Dose oder aus dem Glas.

Beim Einfrieren leidet der Geschmack dagegen nicht. Das Aroma von Bohnen, Spinat oder Erbsen bleibt auch nach mehrmonatigem Kälteschlaf recht gut erhalten; nach dem Kochen sind sie frisch und knackig. Jedoch ist das Tiefgefrieren energieaufwendig – wie übrigens auch das Hocherhitzen und Sterilisieren.

Ein wichtiges Plus der Fermentation ist darum auch, dass bei der Herstellung der meisten Fermentos keine Energie verbraucht wird: Gemüse raspeln, Salzlake dazu, ins Glas geben, stehen lassen. Der Rest erledigt sich von selbst. Auch die geschmacklichen Vorzüge sind nicht zu verachten. Es entstehen verführerische, auch überraschende Aromen, die teils noch intensiver sind als die des Rohprodukts. Darüber hinaus verbessert die Fermentation die Konsistenz mancher Lebensmittel, zum Beispiel die des Kohls. Frischer Weißkohl ist zwar schön knackig, aber für den puren Genuss nur bedingt geeignet. Man muss ihn durch den Häcksler jagen, um ihn feiner und somit besser kaubar zu machen – und auch, um ihm das Aroma zu entlocken. Dann noch eine Salatsauce dazu, um den Kohl milder und geschmacklich harmonischer zu »stimmen«. Alles recht aufwendig und dann doch nicht jedermanns Geschmack. Stelle ich hingegen aus Weißkohl Sauerkraut her, entsteht dank Milchsäuregärung eine verführerische Geschmacksvielfalt, die dem Rohprodukt haushoch überlegen ist. Der Weißkohl erhält, je nach Gärdauer, eine feine bis intensive Säure, die sich mit etwas Süße und einer leicht salzigen Note paart (das Salz wird hinzugefügt, damit die Gärung schön in Gang kommt, aber dazu später mehr).

Erst Fermentation macht Rohstoffe wie Kakao- und Kaffeebohnen genießbar

So ähnlich verhält es sich auch mit den anderen Fermentos, von denen noch zu lesen sein wird. Ob Kakaobohnen, die entbittern und schließlich zu Schokolade werden, Trauben zu Wein, grüne Teeblätter zu schwarzem Tee, Milch zu Käse oder (bittere) Oliven zu pikanten Antipasti – immer sorgen Hefen, Schimmelpilze oder Bakterien dafür, dass Rohstoffe überhaupt genießbar werden und so eine Geschmacksdichte ohnegleichen entsteht.

Dabei gehen die Mikroben und Enzyme äußerst produktiv zu Werke. Sie zerlegen den in Lebensmitteln natürlich vorhandenen Zucker und bauen ihn in Säuren und Alkohol um. Zudem zerkleinern sie geschmacksneutrale Eiweiße, Fette und Stärke in aromatische Komponenten. So wird aus Stärke Zucker, aus Eiweißen werden umamireiche Aminosäuren und aus Fetten Säuren, die nicht nur einen intensiven Eigengeschmack besitzen, sondern auch Vorstufen sind für andere geschmackvolle Minimoleküle, die wiederum unseren Gaumen kitzeln.

»Fermentierte Lebensmittel weisen ein Geschmacks- und Aromaspektrum auf, das sich durch kaum eine andere ›Kochtechnik‹ ergibt«, weiß Professor Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Der Physiker erforscht hier unter anderem die Physik und Chemie von Nahrungsmitteln, insbesondere die Aromen. Die Fermentation hält er für besonders aufregend, denn »es entstehen Produkte mit neuen Geschmacksrichtungen, anderen Düften und anderen Texturen«, schwärmt er im Journal Culinaire, das dem Fermentieren eine eigene Ausgabe gewidmet hat. Hierbei kommt jedoch, anders als beim Kochen, keine Wärme zum Einsatz, durch die Nährstoffe üblicherweise gespalten, ab- und umgebaut und ganz neue Aromen hervorgerufen werden. Sämtliche Veränderungen entstehen durch Enzyme, die von Bakterien gebildet werden. Doch weil es beim Gären auch mal blubbert und brodelt, spricht Vilgis gerne von »molekularbiologischen Kochprozessen« und »molekularem Niedrigtemperaturgaren«. Wohlgemerkt, alles ohne Temperaturzufuhr! Ein gutes Beispiel dafür ist die Miso-Paste.

Umami und leichte Süße

Stellt man die japanische Würzpaste Miso aus gedämpften Sojabohnen her, wird der Masse Salz und der Pilz Koji zugesetzt. Hinter Koji verbirgt sich Aspergillus oryzae, ein Schimmelpilz, der Stärke in Zuckerstoffe spaltet und so der an sich eher bitteren Sojabohne eine leicht süßliche Note verleiht. Der Zucker wird wiederum zu Milchsäure abgebaut, zugleich entsteht durch das Knacken von Eiweißen und Glutaminsäure der beliebte herzhafte, vollmundige, den Gaumen befriedigende Umami-Geschmack, den Hersteller gerne in Form von Hefeextrakt oder dem Geschmacksverstärker Glutamat Tütensuppen und Brühen zusetzen. Abschließend spaltet Koji das Fett aus der Sojabohne in einzelne Fettsäuren, was wiederum das Aroma belebt – Fett ist schließlich ein Geschmacksträger. An Aromen bilden sich im Verlauf der Fermentation zudem Aldehyde wie das Hexanal mit seiner grünen, etwas erdigen Note sowie Ethylacetat und Butylacetate, die fruchtig, wachsig und leicht fettig schmecken. Letztendlich aber ergebe das Zusammenspiel von Milchsäure (sauer), Glutaminsäure (Umami) und Eiweißresten eine hohe Geschmacks- und Mundfülle, urteilt Physiker Vilgis.

Zur Erinnerung: Sojabohnen schmecken eher fad, leicht bitter und sind roh ungenießbar. Durch Fermentation mit einem Pilz entsteht eine aromareiche Paste, die sich hervorragend zum Verfeinern von Gemüse, Suppen und Fisch eignet. Solche und ähnliche Ab- und Umbauten finden bei allen Fermentationsprozessen statt, sei es nun Milch, Gemüse, Früchte, Fleisch oder Fisch, die zu Joghurt, Kraut, Wein, Salami oder Matjes vergoren werden.

Top oder Flop? Die kulturelle Prägung entscheidet

Ob uns fermentierte Lebensmittel schmecken oder Naserümpfen bereiten, das hängt vor allem davon ab, welche Erfahrungen wir damit (oft schon im Kindesalter) gemacht haben. So wird in Schweden zu Weihnachten traditionell Lutfisk gegessen, ein mit Lauge behandelter Fisch, der anschließend mehrere Wochen lang fermentiert. Nichtkenner beschreiben die gammelig-faulig riechende Masse oftmals als abstoßend, widerlich und ungenießbar. Einheimische können ihm durchaus etwas abgewinnen, ja, ihn sogar genießen, sofern sie ihn von klein auf gegessen haben. Auch das japanische Nattō, eine glibberige, zäh-schleimige Masse aus Sojabohnen, die ausgeprägt nach Ammoniak schmeckt – so wie ein mehr als überreifer Camembert –, sorgt ohne die entsprechende kulturelle Prägung nicht gerade für Begeisterungsstürme. Selbst Sandor Ellix Katz beschreibt Nattō in seinem Buch Die Kunst des Fermentierens als eklig und gruselig. Schließlich wird auch die chinesische Delikatesse »hundertjährige Eier« hierzulande bestenfalls Naserümpfen hervorrufen. Sie müssen einige Monate in Pferdeurin fermentieren, so lange, »bis das Ei fest, das Eigelb grün und das Eiweiß rauchig schwarz wird«.

Die Hauptakteure

Das klingt nicht lecker. Doch solche speziellen Aromen bleiben bei fermentierten Lebensmitteln die Ausnahme, und natürlich muss sie auch niemand essen. Schließlich gibt es genügend schmackhafte Produkte, die in der eigenen Küche hergestellt werden können. Doch es stellt sich die Frage, mit wem wir es eigentlich genau zu tun haben, wenn wir Gemüse vergären, Joghurt herstellen oder Sauerteig ansetzen. Und wie arbeiten die kleinen, mit bloßem Auge nicht sichtbaren Mikroorganismen?

Meist ist hier eine ganze Gruppe von Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen am Werk. Sie werden in der Regel nicht gleichzeitig aktiv, sondern jeder Mikroorganismus erhält seinen eigenen Auftritt. Bei der Sauerkrautherstellung, wie man sie zu Hause durchführt, aber auch bei der Erzeugung anderer milchsaurer Gemüsesorten beginnt zunächst das Milchsäurebakterium Leuconostoc mesenteroides den Zucker im Kohl zu vergären, dann übernimmt Lactobacillus brevis und später schreiten L. plantarum, L. sakei und L. curvatus ein. Aus Zucker wird schließlich Säure, der Anteil beträgt etwa 2 Prozent. Das ist wichtig für die Haltbarkeit und für den frischen Geschmack. Zum Schluss kommt noch L. brevis zum Zuge, der schwer abbaubare Kohlenhydrate knackt und somit für die Bekömmlichkeit des Krauts sorgt.

Milchsäurebakterien: die Vielseitigen

Milchsäurebakterien, sogenannte Laktobazillen, sind die Gärhelfer, die beim Fermentieren die größte Rolle spielen. Sie kommen vor allem auf pflanzlichen Rohstoffen vor und bilden, wie der Name schon sagt, Milchsäure. Zu finden sind sie aber auch auf Fleisch und Fisch, und auch an der Herstellung von Salami, Joghurt, Käse und Crème fraîche sind sie beteiligt. Schließlich vergären sie auch Hülsenfrüchte und Reis zu den in Südindien und auf Sri Lanka verzehrten Dosa- und Idli-Küchlein, die aus einem Gemisch aus roten Linsen und Reis gebacken beziehungsweise gedämpft werden.

Hefen: die Alkoholmacher

Weitere Akteure beim Fermentieren sind Hefen. Sie sind in der Lage, aus dem im Lebensmittel enthaltenen Zucker Alkohol und Kohlendioxid zu bilden und darum Hauptdarsteller bei der Bier- und Weinherstellung, aber auch bei der Schnaps- und Whiskyproduktion. Überlässt man ihnen längere Zeit den Alkohol, wird Essig daraus. Auch beim Brotbacken sind die Hefen zugange und sorgen dafür, dass aus Getreide und Wasser eine Art Triebmittel wird und so ein luftiger Teig entsteht. Sie bilden aus dem Zucker im Getreide Kohlendioxid, das den Teig schließlich aufgehen lässt.

Schimmelpilze: Koji & Co.

Im asiatischen Raum sind Schimmelpilze die Akteure der Wahl. Sie können stärke- und eiweißreiche Rohstoffe knacken, mit denen Milchsäurebakterien und Hefen überfordert wären. Aspergillus-Kulturen, in China auch Qu und in Japan Koji genannt, sind hier die Favoriten. Mit ihrer Hilfe werden aus Reis der bekannte Sake-Wein und aus Sojabohnen Miso-Paste und Sojasauce fermentiert.

In den hiesigen Fermentationsküchen spielen sie allerdings (noch) keine große Rolle. Schließlich braucht man für die Weiterverarbeitung erst einmal einen Koji-Pilz und dann ist der Geschmack auch noch etwas ungewohnt für den europäischen Gaumen. Natürlich haben sich Sojasaucen längst etabliert, doch die würzige Miso-Paste scheint vielen noch fremd zu sein. Das könnte sich aber bald schon ändern: »Eine Handvoll angesagter Lokalitäten mit innovativer Agenda haben sich die Koji-Fermentation beigebracht und sie mit westlichen Zutaten kombiniert«, schreibt Harold McGee – Molekularküchenkenner und Autor – im Spektrum der Wissenschaft. So experimentiere das Personal in den New Yorker Restaurants von Momofuku in einem hauseigenen Labor mit misoartigen Pasten auf Basis von Dinkel, Kichererbsen, Cashewnüssen und Pistazien. Im Nordic Food Lab, der Entwicklungsabteilung des Kopenhagener Sternerestaurants Noma, werkeln Köche außerdem an einem Miso aus gelben Erbsen und an einem Gersten-Koji. Während diese mithilfe von Schimmelpilzen hergestellten Saucen und Pasten auch gut zu den hiesigen Essgewohnheiten passen, sind andere kreative Noma-Kreationen eher gewöhnungsbedürftig: Fischsauce auf Basis von Grashüpfern etwa.

Wild und spontan oder kontrolliert?

Verrührt man ein paar Handvoll Holunderblüten mit Wasser und etwas Zucker, lässt die Mischung ein paar Tage offen stehen und füllt sie dann in Flaschen, erhält man wenige Wochen später ein kribbelndes Getränk, das an Sekt erinnert – ganz ohne weiteres Zutun (siehe hier). Diese wilde Fermentation ist die einfachste Art, Fermentos herzustellen. Sie kommt auch zum Zuge, wenn zu Hause Sauerkraut und anderes Gärgemüse angesetzt werden, ein Sauerteig ohne Hefe oder zugesetzte Sauerteigkulturen vorbereitet wird oder man einfach die Milch stehen lässt, bis daraus Dickmilch oder Joghurt geworden ist. Auch bei der Herstellung von Oliven, Schokolade, Tee oder Kaffee schlagen wilde Fermente zu. Dabei locken Gemüse, Milch oder Kakaobohnen die Bakterien oder Hefen aus der Umwelt an, die sich darüber hermachen und Kohlenhydrate, Eiweiß oder Fett vergären. Plinius der Ältere nannte dies »spontane Entstehung« – spontan, weil die häusliche Fermentation eben kein bis ins letzte Detail planbarer Prozess ist.

Und so ist auch das Ergebnis immer wieder anders, denn man hat ja keinen Einfluss darauf, welche Mikroorganismen sich auf dem Gemüse niederlassen und es vergären. Dies hängt allein von der Umgebung ab und ist somit ganz und gar individuell.

Industrielle Fermentation

Das Gegenteil von wilder, spontaner Fermentation ist die gesteuerte Gärung. Sie findet üblicherweise bei der industriellen Herstellung von Joghurt und Käse, Brot, Wein und Wurst statt. Hierbei kommen immer gezüchtete Bakterien, Hefen und Schimmelpilze mit ganz bestimmten Eigenschaften zum Einsatz. Dies hat den Vorteil, dass das Ergebnis immer gleich schmeckend und somit kontrollierbar ist. Die SKLM nennt verschiedene Vorzüge der üblicherweise gekühlt, gefroren oder gefriergetrocknet angebotenen Präparate.

Dazu zählt:

❖ die Erzeugung von Lebensmitteln auf einem gleichmäßigen und qualitativ hohen Niveau,

❖ die Kontrolle der Fermentationszeit,

❖ die ökonomische Prozessführung durch Verkürzung der Prozesszeit,

❖ die Reduktion hygienischer Risiken,

❖ der Zugang zu neuen Produkten, die nicht durch spontane Fermentation erzeugt werden können.

Bei der industriellen Fermentation geht es also immer darum, Fermento-Lebensmittel effizienter, billiger und schneller herzustellen. Das Fachmagazin DLG-Mitteilungen schwärmt von Käsekulturen, die direkt in die Milch gegeben werden und so die Reifung, Aromaentwicklung und Gasproduktion für die Löcherbildung beschleunigen – so lässt sich Geld sparen. Daneben gibt es »effiziente Oberflächenkulturen« für Weißschimmelkäse vom Typ Camembert und Brie sowie für Blau- und Rotschimmelkäse. Sie rufen »das ausgeprägte Flavour eines lange gereiften Käses hervor, ohne dass tatsächlich die Reifezeit verlängert werden muss«. Auch das spart Geld.

Mithilfe definierter Kulturen lassen sich aber auch andere Eigenschaften von Sauermilchprodukten so beeinflussen, dass sie gesünder werden. Es gibt Bakterienkulturen, die den Joghurt weniger sauer machen, er braucht also weniger Süßungsmittel. Andere Bakterienkulturen und Enzyme intensivieren den Süßgeschmack, indem sie den Milchzucker in Glucose und Galactose spalten. Auch hier benötigt man weniger Zucker.

Nicht nur Milchprodukte werden mit definierten Kulturen hergestellt. Auch für Back- und Teigwaren, Saft und Bier sowie Fleischprodukte gibt es sie. »Im Vordergrund steht zumeist die Optimierung der Prozesse hinsichtlich Effizienz und Sicherheit«, schreiben die DLG-Mitteilungen. Das Ergebnis soll also möglichst gleichförmig sein, genormt. Aus Sicht der Industrie, die Käse, Wurst oder Kraut auf diese Weise nach Schema F herstellt, ist das nachvollziehbar. Doch für Verbraucher bedeutet es Einfalt statt Vielfalt – und stets gleich schmeckende Lebensmittel.

Plädoyer für wilde Fermente

Doch dies birgt Risiken. Denn wo Lebensmittel genormt werden, geht die Vielfalt verloren. »Identität, Kultur und Geschmack werden einem gemeinsamen Nenner untergeordnet, der immer weiter nach unten tendiert«, kritisiert Fermento-Experte Sandor Ellix Katz und setzt sich für die wilde Fermentierung ein. Sie sei das Gegenteil von Einförmigkeit, ein kleines Antidot, das jeder bei sich zu Hause anwenden kann. Dabei könne jeder die lokale Population mikrobieller Kulturen nutzen, die es nur an genau diesem Ort gebe, um daraus einzigartige fermentierte Speisen und Getränke herzustellen.

So könne man auch ein wenig gegen die Globalisierung des Essens und damit Massenfood protestieren. »Wilde Fermentierung ist eine Methode«, so Katz, »die Wildnis in den Körper einzubauen und eins zu werden mit der natürlichen Welt.«

Alltägliche Fermentos: Tee, Kaffee, Schokolade

Tagtäglich isst und trinkt jeder fermentierte Lebensmittel, oft ohne es überhaupt zu wissen. Die Fermentation dient nicht nur dazu, die Haltbarkeit eines Produkts zu verlängern, sondern auch Rohstoffe zu entbittern, schmackhaft und genießbar zu machen. Was dabei passiert, zeigen die Beispiele verschiedener Produkte, die bei jedermann auf den Tisch kommen.

Tee: Vom grünen Blatt zum schwarzen Tee

Trinken Sie lieber grünen oder schwarzen Tee? Und kennen Sie eigentlich den Unterschied? Das wichtigste Merkmal, das die beiden Teesorten voneinander unterscheidet, ist: Der grüne Tee ist nicht fermentiert. Enzyme, die die Blätter dunkel färben, werden durch Hitze unwirksam gemacht. Bei einigen Tees werden die Mikroorganismen und damit die Fermentation durch das Anrösten der Blätter in einer Pfanne unterbunden. Zudem gibt es die Möglichkeit, Enzyme durch Wasserdampfbehandlung zu inaktivieren, wie es nach Informationen des Deutschen Tee-Instituts vor allem bei japanischen Teesorten gemacht wird. Das bedeutet nicht, dass der grüne Tee schlechter wäre, weil er wärmebehandelt ist. Im Gegenteil: Oft enthält er mehr sogenannte Catechine als Schwarztee. Ihnen werden zahlreiche Schutzfaktoren zugesprochen, etwa vor Karies und Krebs. Diese Catechine werden bei der Fermentation der Teeblätter abgebaut. Jedoch hängt es auch von der Teesorte ab und den jeweiligen Anbaubedingungen, wie viele Catechine ein Teeaufguss tatsächlich enthält. So gibt es nach Untersuchungen des Deutschen Tee-Instituts sowohl schwarze als auch grüne Tees mit hohem Catechin-Gehalt. Entscheidender als die Fermentation ist also die jeweilige Sorte.