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Für privaten Anleger:innen ist es eine Herausforderung, die richtigen Entscheidungen in Geld- und Vorsorgefragen zu treffen. Als unabhängiger Experte beschreibt Prof. Dr. Hartmut Walz die Vor- und Nachteile gängiger Anlagemöglichkeiten, erläutert wichtige Auswahlprinzipien und enttarnt versteckte Risiken und Fallen. Sie erhalten wertvolle Orientierung sowie bewährte, umsetzbare Strategien für Ihre langfristige Geldanlage und finanzielle Vorsorge. Machen Sie mehr aus Ihrem Geld! Inhalte: - Vor- und Nachteile gängiger Anlageklassen und Anlagevehikel - Das einfach geniale Achteck der Geldanlage zur Auswahl zieladäquater Anlagen: Transparenz, Kosteneffizienz, Rendite vor Steuern, Sicherheit, Inflationsschutz, Liquidierbarkeit, steuerliche Vorteilhaftigkeit, Nachhaltigkeit - Das Diversifikations²-Prinzip: eine Anlagestrategie für unsichere Zeiten - Die Zinsfalle verstehen und vermeiden - Hintergrundinformationen, Expertenwissen und direkt umsetzbare EmpfehlungenNeu in der 4. Auflage: - Geldanlage und finanzielle Vorsorge trotz Inflation und unbefriedigend niedriger ZinsenDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - E-Book direkt online lesen im BrowserJetzt nutzen auf mybookplus.de.
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Seitenzahl: 490
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Hartmut Walz · Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen
Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen
Schließlich ist es Ihr Geld!
Prof. Dr. Hartmut Walz
4. Auflage
Haufe GroupFreiburg · München · Stuttgart
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Print: ISBN 978-3-648-17739-6 Bestell-Nr. 10168-0004
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Prof. Dr. Hartmut Walz
Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen
4. Auflage, Juni 2024
@ 2024, Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburgwww.haufe.de
Produktmanagement: Kerstin ErlichLektorat: Gabriele Vogt
Satz: Agentur: Satz & Zeichen, Karin LochmannBildnachweis (Cover): © adventtr / iStock by Getty Images
Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie der Auswertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen, vorbehalten.
Haftungsausschluss: Der Autor hat Daten und Berechnungen in diesem Buch sowie in den Arbeitshilfen sinnvoll und anwenderfreundlich aufbereitet, um dem Leser und Nutzer eine umfassende Informationsmöglichkeit zu bieten. Konkrete Anlageempfehlungen sowie Rechts-, Steuer- oder andere Beratung werden damit nicht gegeben. Für Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen und Daten sowie für Folgen aus deren Umsetzung oder Nichtumsetzung, insbesondere eventuelle Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, übernehmen Autor und Verlag weder Gewähr noch Haftung.
Inhalt
Inhalt
Vorwort
Vorwort zur vierten Auflage
Prolog – Der große Unbekannte in der Sprechstunde
Teil A –Situationsanalyse und Rahmenbedingungen
1Nur nicht ausrutschen!
Ein kurzer Blick auf die Entwicklungen der Finanzmärkte – wir hatten schon ruhigere Zeiten
2Bleibt da was übrig?
Über Zinsfallen, reale Minuszinsen und die Besteuerung inflationärer Scheingewinne
3Regenschirme sind in der Dürre besonders preiswert
Die Zinsstrukturkurve erlaubt einen Blick in die Zukunft
4Anlageerfolg trotz Minizins?
Lösungen und Perspektiven im Umgang mit der Zinsfalle
Teil B –Das Anlageuniversums verstehen – der Unterschied zwischen Anlageklassen und Anlagevehikeln
1Das einfach geniale Achteck
Ein nützliches Schema zur Bewertung von Anlagemöglichkeiten
2Von nützlichen Verpackungen und Mogelpackungen
Anlageklassen versus Anlagevehikel
3Wurstsuppe
Ein Bio-Metzger für die Geldanlage – strukturierte und gemanagte Anlageformen
Teil C –Einzelanalyse wichtiger Anlagenklassen und Anlagevehikel
1Cash is King? – Zinsanlagen
Geldvermögen ist nicht nur Bargeld und Anleihen sind nicht risikolos
2Aktienbörsen sind keine Spielcasinos und die meisten Aktionäre keine »Zocker«
Aktien – die wahrscheinlich wichtigste Anlageklasse
3Jede Bewegung schwächt oder: Die Erfindung des Rades in der Geldanlage
Passive ETFs sind gegenüber aktiven Investmentfonds oder -zertifikaten die bessere Alternative
46.000 glänzende Jahre
Gold, andere Edelmetalle und Rohstoffe als Anlageklasse
5Schlüssel zum Glück?
Immobilien als Anlageklasse
6Selbst für Spießer selten geeignet
Bausparverträge
7Ihr Geld hat Besseres verdient
Finger weg von Zertifikaten
8Verunsicherte Versicherte
Altersvorsorge mit Versicherungsprodukten – besser nicht!
9Kapitalvernichtung mit kapitalbildenden Versicherungsprodukten
Kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen, Fondspolicen und neue Klassik
10Staatlich gefördert Geld verlieren?
Über Riester, Rürup und die meist betrübliche Altersvorsorge
11Kryptos sind kein Zentralbankgeld!
Der kleine Unterschied zwischen Operation und Obduktion
12Dinge, die die Welt nicht braucht
Exotische Sachanlagen, die wahrscheinlich andere reich machen
Teil D –Metaregeln der Geldanlage und Vorsorge
1Einstein hatte Recht
Metaregeln und Metatipps für Ihre Geldanlage
2Muss es wirklich so kompliziert sein?
Unnötige Komplexität von Finanzdienstleistungen nützt der Branche, nicht dem Verbraucher
3Die Lindy-Regel
Über Säuglingssterblichkeit bei der Geldanlage – alt ist nicht gleich altmodisch
4Kein Fallschirm für den Piloten
Wer trägt welches Risiko? – Über Anreize, Fehlanreize und deren mögliche Vermeidung durch Honorarberatung
5Mit Sicherheit arm gespart
Sehen Sie Risiken mit neuen Augen
6Ihr Geld hat jetzt ein anderer
Kosten sind sichere Wertvernichter
7Schiefe Wetten
Verantwortungsvoller Umgang mit Risikoprämien – Risikozuschläge sind keine Zinsen
8Ein Tausendfüßler rutscht nicht aus
Streuen Sie Ihre Geldanlagen, denn: Wer gut streut, der rutscht nicht
9Stress mich! Mach mich stark!
Wenn gerade das Risiko die eigentliche Chance ist
10Das schicksalhafte Glas Bier
Entscheidungsrelevanz von Finanzdaten oder: Heute ist der erste Tag vom Rest Ihres Lebens
11Der tote Fisch in der Zeitung
Über die Herausforderung, bei der Geldanlage relevante Signale von Rauschen zu unterscheiden
12Hin und her – Taschen leer
Mehr Erfolg durch weniger Aktivität - passive und regelgebundene Anlagestrategien
Epilog
Danksagung
Stichwortverzeichnis
Für Anne,
ohne die so vieles in meinem Leben
nicht vollendet worden ware
– auch dieses Buch
Vorwort
Geldanlage und finanzielle Vorsorge sind in der heutigen Zeit überhaupt nicht einfach!
Fast alle Ratgeberbücher zum Thema Geldanlage behaupten, dass Geldanlageentscheidungen und finanzielle Vorsorge »eigentlich« ganz einfach seien. Im späteren Verlauf zeigt sich dann entweder, dass diese These nicht stimmt und Leser das Thema doch als sehr komplex und unverständlich empfinden. Oder die Sachverhalte werden zu einfach dargestellt und werden damit nicht mehr der Realität gerecht. Darauf bezogene Tipps, Erkenntnisse usw. sind folglich nicht viel wert. Zum Vergleich: Natürlich kann man Tolstois 1.500-Seiten-Roman »Krieg und Frieden« mit fünf Worten zusammenfassen: »Es ist was über Russland!« Die Frage ist nur, ob Leser damit relevante Informationen erhalten oder eher desinformiert werden.
Das vorliegende Buch wagt den Spagat zwischen zumutbarer Detailorientierung und erforderlicher Vereinfachung, ganz nach dem Motto von Albert Einstein: Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.
Die nachstehende Abbildung zeigt, wie die Abwägung zwischen Vollständigkeit und Vereinfachung gelöst wurde. Sie finden zunächst wichtige Grundlagen und Strategien für Ihre Entscheidungen in Fragen der Geldanlage und Altersvorsorge. Der steile dunkelgrüne Anstieg der Kurve in der Abbildung kennzeichnet somit ein maximales Verhältnis zwischen Aufwand und Informationsmenge zu Ihrem Nutzen, welchen Ihnen das so gewonnene Wissen des Buchinhaltes bringt.
Es lohnt sich jedoch meist, auch noch ein wenig mehr in die Tiefe zu gehen (mittelgrüner Bereich), was anhand der Kästen »Für den tiefer gehend interessierten Leser« möglich ist. Viele detailinteressierte Leser werden zusätzlichen Nutzen aus den dort vorhandenen konkreten Informationen ziehen. Je nach Ihren konkreten Bedürfnissen helfen Ihnen auch Literaturhinweise sowie qualitätsgesicherte Hintergrundinformationen, die Ihnen auf meiner Internetseite zur Verfügung stehen.
Mit Absicht verzichtet das Buch auf ein Zuviel an Information, den orangefarbenen Teil der Funktion, der keinen Mehrwert bietet und z. T. eher verwirrt oder zu Informationsüberlastung führt.
Was Sie in diesem Buch nicht finden und wovor ich ausdrücklich mit dem rot gekennzeichneten Teil der Kurve warnen möchte, sind sogenannte Advertorials, denen Sie täglich in Zeitschriften, Tagespresse oder beim Surfen im Internet begegnen. Allzu oft werden dort interessengesteuerte Informationen verbreitet und falsche Ängste geschürt. Solche »DesInformationen« werden – unschön, aber zutreffend – »Finanzpornografie« genannt. Oftmals werden hier versteckt Produkte im redaktionellen Teil angepriesen – sodass eigentlich »Dies ist eine Anzeige« darüber stehen müsste.
Abb.: Abnehmender Grenznutzen von Detailinformationen
Welchen Nutzen Ihnen dieses Buch bietet:
Dieses Buch wird Ihnen helfen, dass Sie bessere Geldanlage- und Vorsorgeentscheidungen treffen, die Kosten Ihrer Finanzprodukte enorm senken und schädlichen Aktivitätsdruck vermeiden.
Konkret, dass Sie
▪ein klares und realistisches Bild der aktuellen Bedingungen von Vermögensaufbau und Vorsorgen erhalten,
▪eine Übersicht über mögliche und empfehlenswerte Anlagemöglichkeiten gewinnen und zwischen Anlageklassen und Anlagevehikeln unterscheiden,
▪bewährte und einfach umsetzbare Strategien für Ihre langfristige Anlage und Vorsorge finden,
▪überteuerte und intransparente Anlageangebote erkennen und meiden,
▪ebenso Moden, Hypes und Schein-Innovationen meiden, die Ihnen keinen Mehrwert bieten, sondern lediglich Ihr Geld aus der Tasche ziehen,
▪das Beste aus Ihren bestehenden Vorsorgeprodukten machen und – falls »Altlasten« vorliegen – das zu retten, was noch zu retten ist.
Ich bin zuversichtlich, dass Sie nach dem Lesen dieses Buches einen besseren Nachtschlaf haben werden.
Vorwort zur vierten Auflage
In der Zeit seit Erscheinen der dritten Auflage haben sich die Verhältnisse an den Finanzmärkten ganz besonders schnell und stark verändert.
Nach Ende der schlimmsten Auswirkungen der Coronapandemie stiegen zunächst die Inflationsrate und kurz danach auch die Zinssätze in einer seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebten Heftigkeit. Dabei sind einige der bereits in der Vorauflage erläuterten Risiken (Zinsfalle, Kursrisiken von Anleihen, Bonitätsprobleme von Schuldnern etc.) eingetreten. Dafür waren keine »einfach genialen Prognosefähigkeiten«, sondern nur etwas Weitblick und einfache Grundkenntnisse in Mathematik nötig.
Mit dem in dieser Auflage weiter ausgebauten Fokus auf Realzinsen (vor bzw. nach Steuern) erhalten Sie wertvolles Handwerkszeug, welches über unterschiedliche Entwicklungen der Finanzmärkte hinweg Ihre Entscheidungen absichert. Die konsequente Orientierung an der Realverzinsung würde beispielsweise vor übereilten Abschlüssen von Bausparverträgen schützen. Diese sind durch die Zinssteigerungen nämlich keineswegs attraktiver geworden.
Die vierte Auflage wird also noch situationsunabhängiger und situativ robuster.
Sie lesen über die fortschreitende Entwicklung bei Kryptowährungen, also auch die zu erwartende Einführung von Digitalem Zentralbankgeld – hier insbesondere den Digitalen Euro. Denn die Bargeldquote sinkt unaufhaltsam weiter und bestehende Kryptowährungen dienen eher als spekulatives Anlageobjekt denn als sinnvolles Zahlungsmittel. Ein kostenloser Zentralbank-Zugang für jedermann ist zum Greifen nah und bietet schaurig-schöne Perspektiven sowohl für Private als auch für die Kreditwirtschaft.
Durchgängig noch kritischer wird leider die Einschätzung versicherungsgebundener Anspar- und Vorsorgeprodukte. Bei der bAV ist die Unvorteilhaftigkeit der dominierenden betrieblichen Altersversorgung mit Entgeltumwandlung in eine Direktversicherung trotz Arbeitgeberzuschuss von 15 % nachgewiesen. Und nahezu alle klassischen Riester- und Rürup-Verträge sowie Lebens- und Rentenversicherungen und klassische Fondspolicen stellen sich als Verlustgeschäfte heraus. Zwischenzeitlich stehen selbst die preiswerteren Nettopolicen verstärkt auf dem Prüfstand. Da sich Renten von Versicherungsgesellschaften als unvorteilhaft erweisen, werden Möglichkeiten, sich als Bürger selbst eine Rente zu »basteln«, hochgradig attraktiv.
Leider haben sich auch die Bedenken hinsichtlich Greenwashing und überzogener Versprechungen bei angeblich nachhaltigen Kapitalanlagen bewahrheitet.
Mein besonderer Dank geht an die vielen Leserinnen und Leser des Buches und auch des Hartmut Walz Finanzblogs für zahlreiche Rückmeldungen, klärende Nachfragen und Verbesserungsvorschläge. Sie alle haben zur weiteren Steigerung der Qualität und Verständlichkeit des Buches beigetragen!
Auch künftig finden Sie ergänzende und brandaktuelle Informationen im Hartmut Walz Finanzblog sowie auf der Webseite zum Buch (siehe unten).
Schließlich noch: Zur besseren Lesbarkeit wird im Buch bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich, divers (m/w/d) verzichtet. Es wird das generische Maskulinum verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen sind. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. Beispielfälle werden bestmöglich über die Geschlechter verteilt.
Nun viel Erfolg und Freude bei der Umsetzung Ihrer Erkenntnisse aus dem vor Ihnen liegenden Buch wünscht Ihnen
Ihr
Hartmut Walz
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Internetseite zum Buch, mit Arbeitshilfen
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Hartmut Walz Finanzblog unabhängige Informationen, wissenschaftlich fundiert und unterhaltsam
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Prolog – Der große Unbekannte in der Sprechstunde
Viele unserer Studierenden arbeiten parallel zum Studium und es ist nicht verwunderlich, dass bei einem Studiengang »Finanzdienstleistungen« ein Teil der Studierenden, nebenberuflich oder in Teilzeit, in der Finanzdienstleistungsbranche arbeitet. So auch jener Student, den ich zur Sprechstunde in meinem Dienstzimmer an der Hochschule empfange. Sehr selbstbewusst tritt er ein und nimmt Platz.
Auf meine Frage, wie es denn so geht, antwortet er strahlend, dass es besser nicht sein könne und er mit dem Schreiben von Verträgen kaum hinterherkomme. Er ist für ein namhaftes Versicherungsunternehmen tätig und vertreibt insbesondere Rentenversicherungen, aber auch Riester- und RürupProdukte. Ich zeige mich verwundert und verweise auf aktuelle Berichte in der Fachpresse über die z. T. existenzbedrohliche Lage europäischer Versicherungsunternehmen, von denen einige unter verschärfter Kontrolle der Bundesaufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stehen.
Der Studierende kennt diese Berichte nicht – er kommt ohnehin nicht zum Zeitunglesen. Vielleicht ist er gerade deshalb nach eigenen Angaben so »tiefenentspannt«? Seine Gesellschaft könne zwar auch nur den Garantiezins von 0,25 % versprechen1, sagt er. Sie habe aber eine Gesamtverzinsung von 3,1 % erzielt und das sei doch der Hammer und ein unschlagbares Verkaufsargument gegenüber ängstlichen Kunden, oder? Wo könne ein risikoscheuer Kunde denn heute noch 3,1 % Rendite erzielen?
Ich schaue den Studierenden (gelernter Versicherungskaufmann und mitten in einem betriebswirtschaftlichen Studium) prüfend an, um festzustellen, ob er mit mir scherzen möchte oder aber wirklich glaubt, was er da sagt. Schließlich frage ich ihn: Ob er denn wisse, worauf sich die 3,1 % Gesamtverzinsung beziehe?
»Na, 3,1 % auf den vom Kunden eingezahlten Beitrag – das ist doch klar.«
Nein, muss ich leider antworten – das ist weder klar noch richtig. Denn von diesem Beitrag zieht die Versicherungsgesellschaft zunächst noch verschiedene Kostenpositionen ab, nämlich Vertriebskosten, Verwaltungskosten, fixe Verwaltungskosten, Risikokosten und »sonstige Kosten«. Und nur auf den verbleibenden Geldbetrag – vom Fachmann »Sparbeitrag« genannt – wird dann der Garantiezins sowie, im vorliegenden Fall, die Gesamtverzinsung von 3,1 % bezogen.
Konkret und in Zahlen: Von monatlich 100 Euro, die ein Kunde einbezahlt, können für die obigen Kostenpositionen durchaus 20 Euro oder 30 Euro oder mehr in Abzug gebracht werden, sodass z. B. lediglich 70 Euro Sparbeitrag übrigbleiben. Nur auf diese 70 Euro wird dann der Garantiezins bzw. die Gesamtverzinsung bezogen.
Sie werden schnell erkennen, dass Sie bei dieser Faktenlage viele Jahre benötigen, um überhaupt wieder Ihr eingesetztes Kapital von monatlich 100 Euro zurückzuerhalten. Von einer positiven Verzinsung ganz zu schweigen.
Und bis Sie wieder auf die 100 Euro kommen, ist die Kaufkraft Ihres Geldes durch Inflation kräftig gesunken, sodass Sie real noch immer tief im Verlust stecken. Und Steuern zahlen Sie trotzdem …
Übrigens: Als Versicherungskunde haben Sie kein Recht, die Höhe der Abzugspositionen zu erfahren, Sie können diese bestenfalls nachträglich grob abschätzen.
Rendite auf unbekannten Nenner
Kurzum: Versicherungsverkäufer werben den Kunden mit einer scheinbar hohen Rendite auf einen unbekannten Nenner und profitieren vom Missverständnis, dass diese Rendite auf die eingezahlten Beiträge des Versicherungsnehmers berechnet würde. Eine Kennziffer für diesen Sachverhalt gibt es auch. Sie heißt Beitragsrendite und kann bei den meisten Verträgen die Inflationsrate nicht ausgleichen.
Das alles wusste mein Studierender offenbar nicht. Und zwar, obwohl er bereits seit vier Jahren »Verträge schrieb« und regelmäßig an »zertifizierten Produktschulungen« teilgenommen hatte.
Überbringer schlechter Botschaften
Für diesen Studierenden war ich der Überbringer schlechter Botschaften. Das bin ich zwar ungern, aber leider recht häufig. Wichtiger als mein persönliches Wohlgefühl ist für mich nämlich, dass Sie gut informiert sind, d. h., die wesentlichen Fakten kennen und einigermaßen auf Augenhöhe mit Ihrem Gegenüber argumentieren können. Oder sogar die Fähigkeit und das Selbstvertrauen gewinnen, viele Ihrer Anlage- und Vorsorgeentscheidungen alleine zu treffen und selbstständig umzusetzen.
Die Chancen hierfür sind äußerst günstig, denn nach der Lektüre dieses Buches wissen Sie mit Sicherheit erheblich mehr als der durchschnittliche Finanzprodukteverkäufer – den ich übrigens kurz FPV nenne.
Vor diesem Hintergrund fällt es mir leicht, Ihnen eine Rendite von mehreren hunderttausend bis einer Million Prozent zu versprechen. Das klingt unseriös? Nun, wenn man den Kaufpreis dieses Buches auf 30 Euro rundet, dann entspräche bereits eine Ersparnis von 60.000 Euro einer Rendite von 200.000 Prozent und eine Ersparnis von 300.000 Euro sogar einer Million Prozent. Das ist nicht unrealistisch – vor allem, wenn Sie diese Beträge über die nächsten Jahre oder Jahrzehnte betrachten. Allein ein einziger optimierter Vorsorgevertrag kann eine Differenz von über 150.000 Euro erbringen. Und der durchschnittliche deutsche Sparer hat mehrere davon ...
Freilich bringt Ihnen allein der Kauf des Buches noch nichts – solange Sie nicht damit arbeiten.
Kein Ertrag ohne Energie
Es wird nicht immer alles angenehm und auch nicht immer lustig sein, was Sie auf den folgenden Seiten erfahren. Vielleicht rütteln ein paar der Informationen gehörig an den Grundfesten Ihrer bisherigen Vorstellung von Geldanlage und finanzieller Vorsorge. Vielleicht wollen Sie das ein oder andere gar nicht genauer wissen – zu schön und beruhigend war Ihre Vorstellung bisher.
Aber allein, dass Sie dieses Buch in Händen halten, zeigt: Sie möchten nicht die Augen verschließen. Sie möchten sehen und verstehen und, auch wenn nicht gleich genial, so doch besser entscheiden in Geld- und Finanzfragen als viele Ihrer Mitmenschen. Für sich. Und für Ihre Familie ...
Seien Sie kein Leicht erreichbares Opfer!
Vorab möchte ich Sie an dieser Stelle schon einmal mit dem Begriff des LeO vertraut machen. Dieses Akronym steht in der Finanzbranche für »Leicht erreichbares Opfer« und bezeichnet Menschen, die einerseits über Sparfähigkeit und Sparwillen verfügen, aber andererseits über wenig Wissen und gesundes Misstrauen. Unseriöse und egoistische Finanzdienstleister (und die soll es ja geben) leben bestens von LeOs.
Seien Sie kein LeO!
Übrigens:
Ich biete Anti-LeO-Trainings und Vorträge für unterschiedliche Zielgruppen an, z. B. für Freiberufler und Ärzte, Lehrer und sonstige Multiplikatoren, Azubis und Studierende, Belegschaften im Rahmen betrieblicher Bildungsmaßnahmen und natürlich auch für FPVs, die zukünftig ihre Brötchen anständig verdienen wollen.
Mit all diesen Zielgruppen und in unterschiedlichen Formaten habe ich in den letzten Jahren viele gute Erfahrungen gesammelt.
Sprechen Sie mich einfach an.Schließlich ist es Ihr Geld ☺
1So niedrig war der Garantiezins damals bis heute. Für 2025 ist die Anhebung auf 1 % vorgesehen. Aber das ist ziemlich irrelevant, da die Inflation noch stärker gestiegen ist.
Teil A – Situationsanalyse und Rahmenbedingungen
1Nur nicht ausrutschen!
Ein kurzer Blick auf die Entwicklungen der Finanzmärkte – wir hatten schon ruhigere Zeiten
Was Sie in diesem Kapitel erfahren:
▪In diesem Kapitel blicken wir genauer auf die für Sie relevanten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, sowohl bei den Finanzmärkten als auch bei den Zentralbanken und der Politik.
▪So erhalten Sie ein prägnantes Bild von den Rahmenbedingungen, unter denen Sie Ihre Geldanlage- und Vorsorgeentscheidungen treffen.
▪Nachdem wir die von uns nicht beeinflussbaren Rahmenbedingungen verstanden haben, konzentrieren wir uns in den nächsten Kapiteln dann auf die Dinge, die wir selbst beeinflussen können.
Nur allzu schnell vergessen wir, wie rasch sich unsere Umwelt ändert. Denken Sie nur daran, dass es vor zwanzig Jahren noch feste Telefonzellen gab, in denen man sich bei Gewitterregen »unterstellen« konnte, oder vergleichen Sie die beiden Funktionen einer damaligen Telefonzelle mit den unzähligen Funktionen eines heutigen Smartphones. Ganz ähnlich sieht es mit der Weiterentwicklung der globalen Finanzmärkte sowie der Geldpolitik führender Zentralbanken aus. In wenigen Jahren hat die Entwicklung an Grundsätzen gerüttelt, die zuvor über viele Jahrzehnte – z. T. Jahrhunderte – als unumstößlich galten. Bitte rekapitulieren Sie folgende per Schlaglicht hervorgehobene Fakten:
▪Bereits seit dem Börsenkrach von 1987 reagieren die Zentralbanken auf Wirtschaftskrisen stets mit Zinssenkungen und pumpen enorme zusätzliche Liquidität in die Märkte. Und Krisen gab es seither mehr als genug. Hier nur ein kurzer Auszug: Asienkrise 1997/1998, Zusammenbruch des systemrelevanten Hedgefonds LTCM 1998, Russlandkrise 1998, Platzen der »Dotcom-Blase« 2000, Terroranschläge vom 11. September 2001, Subprime-Krise 2007, Europäische Staatsschuldenkrise ab 2010, Covid-Pandemie ab 2020, Ukraine-Krieg ab 2022, Nahost-Krieg ab 2023. Und so wird es wahrscheinlich weitergehen.
▪Das Reaktionsmuster der Zentralbanken auf Konjunktur- und Finanzkrisen war bis Anfang 2022 immer das gleiche: Zinssenkungen und Zusatzliquidität in der akuten Bedrohungssituation und leichte Zinserhöhungen nach Auslaufen der schlimmsten Krisenphase – jedoch nicht mehr auf das Niveau vor der Krise. Also ein Auf und Ab der Zinsen mit klarer Langfristtendenz nach unten.
▪Im Jahr 2019 hatte der Kapitalmarktzins dann seinen (vorläufigen) Tiefpunkt erreicht und zwar über alle Laufzeiten hinweg2. Beispielsweise rentierten zehnjährige Bundesanleihen zeitweilig mit -0,8 % (in Worten: minus null Komma acht).
▪Die über Jahre fortdauernde Politik des lockeren Geldes durch die Zentralbanken hatte auch negative Auswirkungen auf den Markt für Unternehmensanleihen. Renditen und Bonitätsanforderungen sanken, da die Anleger verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten ohne Negativzins suchten. Die Marktmacht der Schuldner und der Liquiditätsdruck der Investoren führten viele Anleger in exotische Anlagen und hohe Risikoübernahmen bei (zu) geringen Risikoprämien. Und so manch ein verzweifelter Anleihe-Investor schien auch den Unterschied zwischen echten Zinsen und Risikoprämien nicht verstanden – oder nicht ernst genommen – zu haben (vgl. hierzu Kapitel D.7).
▪Die disziplinierende Wirkung von Risikozuschlägen für Staatsschulden schlechterer Qualität (= Bonitätsspread) wurde und wird durch die Anleiheaufkäufe der Zentralbanken außer Kraft gesetzt – mit extrem verzerrenden Auswirkungen und manipulierten Renditen.
»Eigentlich« müssten Schuldner (ob privat oder staatlich) bei schlechterer Bonität einen kräftigen Risikoaufschlag zahlen. Kauft die EZB jedoch diese Wertpapiere auf, stützt diese zusätzliche »künstliche« Nachfrage den Kurs, wodurch die Rendite sinkt (also die Finanzierungskosten des Schuldners gemildert werden). Damit wird die eigentlich durch den Markt erfolgende Bewertung des Risikos außer Kraft gesetzt. Diese Problematik ist nach dem steilen Anstieg der Zinsen ab 2022 keineswegs beendet3.
▪Gleichzeitig hat sich die Summe der globalen Staatsschulden in den letzten Jahren weiter und mit wachsender Geschwindigkeit erhöht. Sowohl USA, Japan, Europa verfolgen weiter das Konzept des schuldenbasierten Wachstums. Ob ein schuldenbasiertes Wachstum langfristig funktionieren kann, ist jedoch höchst fraglich. Auch, wie lange das Verhindern einer Rezession durch Schulden funktioniert.
▪Zeitweise hat eine jüngere geldpolitische Denkschule mit dem Namen »Modern Monetary Theory«, kurz MMT, erheblichen Einfluss auf Denken und Handeln der politisch Verantwortlichen genommen. Ein zentrales Dogma der MMT ist, dass Staaten nicht nur Schulden machen können, sondern dass sie es sogar sollten und dass ein Staat mit einer autonomen Zentralbank niemals pleitegehen könne4.
▪Zwischenzeitlich hat sich die Euphorie um die MMT zwar – v. a. nach dem starken Inflationsschub des Jahres 2022 – kräftig abgekühlt, jedoch ist ein Rückgang zu nachhaltig soliden Staatsfinanzen in keiner der führenden Volkswirtschaften erkennbar.
▪Die Phase negativer nomineller Zinsen (also Minuszinsen bereits vor Abzug der Inflationsrate) der Jahre 2018 bis 2022 führte zwar keineswegs zu den niedrigsten (= unvorteilhaftesten) Realzinssätzen, da ja gleichzeitig nur ein geringer Kaufkraftschwund (Inflation) bestand; der Realzins (Zinsertrag minus Inflationsrate) war schon in früheren Jahren oft negativ – und noch mehr nach Steuern. Jedoch öffneten negative Zinsen und »Verwahrentgelte« vielen Anlegern erstmals die Augen dafür, dass sie rückwärts sparen. Endlich verloren viele ihre Geldillusion: nämlich, dass sie sich von (nominell) größeren Salden auf ihren Konten oder Wertpapierdepots täuschen lassen, ohne den gleichzeitigen Kaufkraftverlust zu bedenken. Der im Dezember 2023 verstorbene Spitzenpolitiker Wolfgang Schäuble machte noch als Bundesfinanzminister eine sehr interessante, wenn auch doppeldeutige Aussage: Ihm seien höhere Zinsen lieber als niedrige. Und wörtlich:
»Drei Prozent Zins bei drei Prozent Inflation ist nicht dasselbe wie null Prozent Zins bei null Prozent Inflation5.« Man könnte meinen, der Staat bedauere, dass die Bürger nun nicht mehr der Geldillusion erlägen.
▪Zwar hat ein abrupter Zinsanstieg (USA ab Mitte 2021, Europa ab Mitte 2022) aufgrund der unerlässlichen Reaktionen der großen Zentralbanken auf die hohen Inflationsraten ein plötzliches Ende der Null- und Negativzinswelt eingeläutet. Doch waren die Realzinsen 2022 so stark negativ wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg.
▪Zinssenkungen und eine Politik der Geldmengenausweitung fallen Zentralbanken stets erheblich leichter als Zinserhöhungen und die Verringerung der Geldmenge. Ein gutes Bild dazu ist die »Ketchup-Theorie der Geldpolitik«: Drücken Sie auf die KetschupTube, passiert zunächst meist nichts. Sie drücken etwas stärker und stärker – und plötzlich schießt viel zu viel Ketchup auf den Teller. Den bekommen Sie nun kaum mehr in die Tube zurück.
▪Die zukünftige Zins- und Inflationsentwicklung kann naturgemäß nicht seriös prognostiziert werden, jedoch erscheint ein Szenario längerfristig geringer oder sogar negativer Realzinsen als wahrscheinlich, da stark verschuldete Staaten auf diese Weise ihre Handlungsfähigkeit länger aufrechterhalten können.6
▪Zusammenfassend muss man feststellen, dass die globalen Finanzmärkte weit davon entfernt sind, »normale Märkte« zu sein. Die Manipulation von Geldangebot und -nachfragedurch die Zentralbanken7 ist derart dominant, dass das Zusammenwirken freier Marktkräfte weitgehend außer Kraft gesetzt wurde.
Kurzum: Die externen Bedingungen von Politik und Finanzmärkten sind sehr unruhig und für Anleger »rutschig«. Jammern nützt aber nichts ...
Es liegt also sowohl in Deutschland und Europa als auch global eine sehr besondere und vor allem noch nie dagewesene Ausgangssituation für Geld- und Anlageentscheidungen vor. Es fehlen Erfahrungswerte – wir befinden uns auf nicht kartiertem Grund.
Als private Anleger können Sie diese Umfeldbedingungen nur beobachten und sich ihnen bestmöglich anpassen. Sie können eben nur unter den Voraussetzungen entscheiden und investieren, die durch Politik, Zentralbanken und Marktreaktionen vorgegeben sind. Dabei rate ich Ihnen, Ihre Finanzentscheidungen nicht von irgendwelchen (eigenen oder durch Dritte vorgenommenen) makroökonomischen Prognosen abhängig zu machen. Denn das wäre – auch wenn Sie »eigentlich« seriös handeln wollen – doch zwangsläufig spekulativ. Bleiben Sie lieber prognosefrei8, folgen Sie der Strategie des geringsten Bedauerns9 und konzentrieren Sie sich auf Parameter, die Sie selbst beeinflussen können. Das sind z. B. die Kosten Ihrer Geldanlage und finanziellen Vorsorge. Diese können Sie bis zu 90 % reduzieren, wenn Sie schlechte und überteuerte Produkte meiden. Auch Anlagehorizont und Risikoneigung hängen allein von Ihnen ab. Konstruktive Hilfe erfahren Sie im folgenden Kapitel A.2.
Schließlich empfehle ich Ihnen stets eine optimistische Grundeinstellung, denn positive Wendungen und überraschende Lösungen tauchen ebenso unerwartet auf wie Krisen und Probleme.
Denn das von Pessimisten und Crashpropheten vorgeschlagene »Krisenportfolio« kann es wohl auch nicht sein – richtig?
Abb.: Die ideale Portfoliostruktur für Pessimisten und Katastrophenpropheten – Wasser, Trockennahrung und Atomschutzdecke …?
2Gemäß einer Analyse von Wissenschaftlern der Bank von England hatte Europa im Jahr 2019 die niedrigsten Zinsen seit mindestens 5.000 Jahren. Sie kamen zu diesem Ergebnis, nachdem sie die Zinssätze seit dem Jahr 3000 vor Christus untersucht haben.
3Vgl. Walz, H.: Finanzkrise, 2. Aufl. 2023, Seite 64 f.
4Mit dem sogenannten Transmission Protection Instrument, kurz TPI genannt, stützt die EZB gezielt stark verschuldete Euro-Staaten wie z. B. Italien und verkleinert deren Bonitätsprämie. Vgl. vertiefend: https21-tpi-download.pdf.
5Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf einer Veranstaltung der Stiftung Marktwirtschaft im April 2016: Ihm seien höhere Zinsen lieber als niedrige. Sein Augenmerk gelte den vom fehlenden Zins ausgehenden Fehlanreizen für private Vorsorge.
6Negative Realzinsen sind aus Sicht (hoch) verschuldeter Staaten hochwillkommen. So lange die Rendite der Staatsschulden unter der Inflationsrate liegt, entschuldet sich der Staat sozusagen »automatisch«. Die wichtigste Kennziffer »Staatsschulden im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt« wird sich verbessern (also sinken), da das Bruttosozialprodukt durch die Inflationsrate wächst.
7Vgl. Metrick, A./Schmelzing P.: Banking-Crisis Interventions, 1257-2019, Working Paper 29281 von September 2021, als PDF abrufbar unter: https://www.nber.org/papers/w29281.
8Vier kurze Lehrvideos zum prognosefreien Investieren finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=BFR42wnfD2I.
9Zur Strategie des geringsten Bedauerns vgl. Walz, H.: Finanzkrise, 2. Aufl. 2023, 154 f.
2Bleibt da was übrig?
Über Zinsfallen, reale Minuszinsen und die Besteuerung inflationärer Scheingewinne
Was Sie in diesem Kapitel erfahren:
▪Warum mit Sparbuch, Bundesanleihen & Co. nach Inflation und Steuern meist kein Blumentopf zu gewinnen ist.
▪Wie sich die »risikolosen Zinsen« im Laufe der Zeit nach unten entwickelt haben.
▪Wie das Phänomen der Besteuerung inflationärer Scheingewinne wirkt.
▪Wie Sie Geldillusion konsequent vermeiden.
▪Und warum eine positive Realverzinsung nach Steuern das relevanteste Kriterium für Langfristanlage und Vermögensaufbau ist.
Bereits lange vor der Jahrtausendwende haben sich die Marktzinsen – mit Schwankungen und kleinen Gegenbewegungen immer weiter nach unten entwickelt. Besonders bemerkenswert ist dies nicht bei kurzfristigen Zinsanlagen (wie Festgelder, Tagesgelder, Termingelder, Spareinlagen), sondern bei Zinspapieren – zum Beispiel Anleihen (mit Laufzeiten von z. B. 5 bis 30 Jahren).
Tatsächlich folgen insbesondere die langfristigen Zinsen schon seit etlichen Jahrzehnten – aufgrund der ständigen Schwankungen von den Bürgern nicht ausreichend beachtet – letztlich einem klaren Abwärtstrend10. Und dieser Trend hat sich seit 1981 verstärkt und ist bei allen wichtigen Weltwährungen erkennbar. Nur wenige Ausnahmen an Währungen (von Ländern mit großem Wachstum und/oder hoher Inflationsrate) sowie kürzere gegenläufige Phasen stehen dem entgegen. Gegenbewegungen, also Zinssteigerungen mit einer Dauer von wenigen Jahren – wie auch das »Zinswendchen« der Jahre 2022 und 2023 –, sind bei langjähriger Betrachtung lediglich ein »Rauschen«, also irrelevant.
Zwar gingen Geschwindigkeit und Stärke der Zinserhöhungen im Jahr 2022 und 1. Halbjahr 2023 über alles seit dem Zweiten Weltkrieg Erlebte hinaus. Eine Rückkehr zu den historischen Zinssätzen nach Ende des Zweiten Weltkrieges gilt jedoch bei Marktbeobachtern als unwahrscheinlich. Erheblich wahrscheinlicher sind Szenarien, in denen sich die Zinsen leicht oder sogar kräftig unter dem Durchschnittsniveau des Jahres 2023 stabilisieren. Eine Prognose soll jedoch vermieden werden. Sie ist außerdem schon deswegen müßig, da aus Anlegersicht der Fokus nicht auf den nominellen Zinsen, sondern auf den realen Zinsen – am besten nach Steuern – liegen sollte (dazu gleich mehr).
In der nachfolgenden Abbildung erkennen Sie die Entwicklung der rein nominellen Langfristzinsen auf einen Blick.
Abb.: Renditeentwicklung zehnjähriger deutscher Bundesanleihen seit dem Jahr 2000
In der nachfolgenden Abbildung sehen Sie, was von der nominellen Umlaufrendite nach Abzug der Inflation in den letzten Jahren noch real übrig blieb.
Abb.: Entwicklung Umlaufrendite – Inflation – Realverzinsung im Zeitablauf 1961–2023
Phänomen der Besteuerung inflationärer Scheingewinne
Bezieht man noch die Steuerlast auf die nominelle Verzinsung mit ein, wird erkennbar, dass Zinsanlagen trotz höherer Nominalzinssätze gerade in Phasen stärkerer Inflation eine schlechte Wahl waren. Da der Staat die nominellen Zinserträge besteuert, ohne den vom Anleger erlittenen Kaufkraftschwund zu berücksichtigen, kommt es zur Besteuerung inflationärer Scheingewinne. Dies zeigt die nachfolgende Tabelle.
Beispiel für Jahre mit dieser Konstellation
1973
1976
1987
2010
2014
2019
2022
2023
Alle Werte in Prozent
Nominelle Rendite
9,50
8,00
5,80
2,50
1,00
0,30
1,10
2,50
Inflationsrate
7,10
4,20
0,20
1,10
0,90
1,40
6,90
5,90
Ergebnis vor KESt und Inflation
109,50
108.00
105,80
102,50
101,00
100,30
101,10
102,50
Steuerlast auf Nominalzins
2,66
2,24
1,62
0,70
0,28
0,08
0,31
0,70
Ergebnis nach KESt aber vor Inflation
106,84
105,76
104,18
101,80
100,72
100,22
100,79
101,80
Ergebnis nach KESt und nach Inflation
99,76
101,50
103,97
100,69
99,82
98,83
94,29
96,13
Realverzinsung nach Steuern
-0,24
1,50
3,97
0,69
-0,18
-1,17
-5,71
-3,87
Anmerkung: Als Nominelle Rendite wurden die offiziellen Daten der Umlaufrendite der Deutschen Bundesbank zugrunde gelegt. Die Realverzinsung nach Steuern wurde der besseren Vergleichbarkeit halber durchgängig mit den aktuell gültigen KESt11-Steuersatz plus Soli und ggfs. Kirchensteuer (vereinfachend gerundet auf 28 %) berechnet. Tatsächlich wurden vor 2009 die Kapitalerträge mit dem individuellen Steuersatz belastet. Und noch früher haben Deutsche ihre Kapitaleinkünfte häufig überhaupt nicht versteuert, denn sowohl die diesbezügliche Moral als auch die Kontrollen ließen sehr zu wünschen übrig …
Interpretation der Tabelle:
Rot: Im Jahr 1973 wird die fatale Wirkung der Nominalbesteuerung deutlich. Die Steuerlast auf den Nominalertrag übersteigt mit 2,66 % geringfügig den nach Inflation verbleibenden Realzins, sodass sich trotz der spektakulären Nominalverzinsung von 9,5 % ein kleiner realer Verlust in Höhe von -0,24 % einstellt. Das ist Besteuerung inflationärer Scheingewinne in Reinform.
Grün: Ein erfolgreiches Jahr für Zinsanleger. Die geringe Inflationsrate führt dazu, dass die Besteuerung nur zu 0,2 % auf inflationäre Scheingewinne trifft. Da bleiben selbst nach Steuern noch fast 4 % Rendite übrig. Solche Jahre gab es aber nur selten.
Gelb: Interessant auch die Entwicklung seit dem Jahr 2010. Der Verlauf zeigt deutlich das Ineinanderwirken der drei Treibergrößen Nominalzins, Inflationsrate und Besteuerung, wobei nur die Steuerquote mit 28 % konstant blieb. Die Fakten widersprechen krass der öffentlichen Wahrnehmung. Das Jahr 2022 markiert – trotz steigender Nominalzinsen aufgrund der ungleich stärker gestiegenen Inflationsrate – einen vorläufigen Tiefpunkt der Realverzinsung nach Steuern.
Szenario der »Zinsfalle«
Der Begriff »Zinsfalle« kam im Jahr 2014 in die Fachdiskussion und wurde vom DachfondsManager Eckhard Sauren durch eine gleichnamige Buchpublikation bekannt.12 Gemeint ist mit Zinsfalle, dass Anleger in Phasen niedriger Marktzinsen mit festverzinslichen Wertpapieren kaum noch Ertrag erzielen können, da sie weder eine befriedigende laufende Verzinsung erhalten, noch Hoffnung auf Kursgewinne durch weitere Zinssenkungen haben dürfen.
Bei Sparformen mit Gleitzins (z. B. Sparbuch oder Geldmarktkonto) sowie zinsvariablen Anleihen (= sogenannte Floating Rate Notes, kurz Floater) entspricht der Gesamtertrag der Anleger dem erhaltenen Zins, da es keine Kursgewinne oder Kursverluste der Anlage geben kann. Insofern gibt es hier keine Zinsfalle – die Investoren können bei steigenden Zinsen (am besten steigenden Realzinsen) »aus der Zinsfalle krabbeln«. Den Inhabern von Rentenwerten helfen Marktzinssteigerungen jedoch bis zur Endfälligkeit ihrer bestehenden Anleihen nicht, da höhere Zinsen bei einer Wiederanlage des Geldes durch Kursverluste beim zwangsläufigen Verkauf bereits umlaufender Rentenpapiere aufgezehrt werden. Sie stecken also umso stärker in der Zinsfalle, je länger die Zinsfestschreibung ihrer Anlage gilt. Und bei Verkauf festverzinslicher Anlagen ist ihr Kursverlust umso höher, je größer die Restlaufzeit ist.
Die Zinsfalle auf den Punkt gebracht:
Bei niedrigem Zinsniveau gibt es kein realistisches bzw. wahrscheinliches Szenario, das für Besitzer von Festzinsanlagen vorteilhaft ist.
Bleiben die Marktzinsen unverändert niedrig, erhält der Anleger eine unbefriedigende Rendite, die sogar bei und unter Null liegen kann.
Steigen die Marktzinsen, erleidet der Anleger hierdurch Kursverluste, die umso höher sind,
▪je stärker die Zinsen steigen und
▪je länger die Restlaufzeit seiner Rentenpapiere ist.
Auch in Zeiten niedriger Marktzinsen bleibt immer das unwahrscheinliche, aber nicht auszuschließende Szenario, dass diese – obwohl schon dicht bei Null oder sogar leicht negativ – noch weiter fallen. So waren in der im Jahr 2016 beginnenden Nullzinswelt viele Anleihebesitzer der Auffassung, dass die Marktzinsen nicht unter Null gehen könnten. Tatsächlich sanken sie jedoch tiefer (Schlagwort: »Null ist nicht die kleinste Zahl«), sodass es zu weiteren Kursgewinnen bei umlaufenden Anleihen kam, selbst wenn diese nur eine sehr geringe laufende Verzinsung (= einen niedrigen Kupon) auswiesen.
Zentrale Ergebnisse
▪Die Zinsen zeigen – insbesondere bei längerer Zinsbindung – seit vielen Jahrzehnten einen Abwärtstrend, der lediglich durch Schwankungen bzw. Gegenbewegungen verdeckt wird, die durchaus auch mehrere Jahre anhalten können.
▪Der Trend zu niedrigeren Zinsen ist weltweit bei allen wichtigen Währungen beobachtbar. Es handelt sich also nicht um ein spezifisches Problem der Eurozone und hat auch überhaupt nichts mit der Einführung der Gemeinschaftswährung Euro (rund um die Jahrtausendwende) zu tun13.
▪Wissenswert: Ende 2019 lagen die Effektivzinssätze der meisten Rentenpapiere guter Bonität bei um die Null oder unter Null. Das war nach allen verfügbaren Aufzeichnungen die erste Nullzinsphase der Menschheitsgeschichte.
▪Folglich bestanden im Umgang mit Null- oder Negativzinsen keine praktischen Erfahrungen – entsprechend hoch war die Unsicherheit bei Institutionen und in der Bevölkerung.
▪Mit Einführung negativer Zentralbankzinsen wurde vielen Marktteilnehmern deutlich, dass Null bei Zinssätzen nicht die kleinste Zahl sein muss. Gleichzeitig können Zinsen nicht unbegrenzt ins Negative gehen, solange Bürger Geld von Konten abheben und als Bargeld lagern können. Somit sind niedrige Zinssätze durch die Kosten der Bargeldhaltung begrenzt. Zur Durchsetzung stark negativer Zinsen müsste folglich ein Bargeldverbot verhängt werden. Dies wird aber wohl auf absehbare Zeit – allein schon aus rechtlichen Gründen – nicht durchsetzbar sein.
▪Es bleiben jedoch staatliche Möglichkeiten einer Bargeldvergällung ohne Bargeldverbot. Durch Entkoppelung von Bargeldpreisen und Buchgeldpreisen (konkret: höhere Bargeldpreise) könnte die Bargeldhaltung und -nutzung unattraktiv gemacht werden. Noch tiefere Minuszinsen wären dann möglich.
▪Der schnelle und starke Anstieg der Inflationsraten zwang die Zentralbanken zu einer scharfen Zinserhöhung und Abkehr von der »Politik des billigen Geldes« (im Dollar ab Ende 2021, in der Eurozone ab Mitte 2022).
▪Seit 2023 sind die Zinssätze über alle Laufzeitklassen wieder deutlich positiv, sodass sie künftig grundsätzlich wieder sowohl steigen als auch fallen können.
▪Von einer Zinsfalle sind keineswegs nur festverzinsliche Anleihen betroffen. Sondern indirekt auch alle Anlagevehikel, die ihrerseits in Einlagen, Kredite oder festverzinsliche Wertpapiere investieren, also z. B. Bausparverträge, Lebens- und Rentenversicherungen, Geldmarkt- und Rentenfonds. Risikolose Rendite kann sich bei all diesen Anlagevehikeln schnell in renditeloses Risiko wandeln.
▪Sachwertgebundene Assetklassen wie Immobilien, Aktien, Edelmetalle/ Rohstoffe nehmen vor diesem Hintergrund an Attraktivität zu. Das Phänomen Asset Inflation – also Anstieg von Sachvermögenspreisen auf breiter Front – stellt eine solche »Nebenwirkung« der Zinsfalle dar.
▪Aus Anlegersicht ist die Realverzinsung nach Steuern die wichtigste Orientierungsgröße. Die von Finanzdienstleistern und Medien gefeierte »Rückkehr positiver Zinsen« im Jahr 2022 änderte nichts daran, dass die Realzinsen wegen hoher Inflation extrem negativ waren.
Konkrete Handlungsempfehlungen
▪Alle Anlagevehikel, die ihrerseits in Einlagen, Kredite oder festverzinsliche Wertpapiere investieren, werden durch sinkende Realzinsen (noch) unvorteilhafter. Überprüfen Sie also Bausparverträge, Lebens- und Rentenversicherungen, festverzinsliche Wertpapiere und Rentenfonds kritischer, als Sie dies bisher taten.
▪Die Suche nach Investments, die überhaupt noch eine (reale) Rendite erbringen, wird schwieriger.
▪Ziehen Sie verstärkt sachwertgebundene Assetklassen wie Immobilien, Aktien, Edelmetalle in Erwägung (siehe die jeweiligen Kapitel).
▪Aufgrund des Phänomens der Besteuerung inflationärer Scheingewinne sind sachwertgebundene Assetklassen auch dann attraktiv, wenn sie geringere Renditen abwerfen als inflationsgefährdetes Geldvermögen. Konkret: 2,5 % Mietrendite auf eine Wohnimmobilie kann erheblich attraktiver sein als 4 % nomineller Zinsertrag auf Geldvermögen.
Quellennachweis und weiterführende Literatur:
Horstmann, U./Mann, G.: Bargeldverbot. Alles, was Sie über die kommende Bargeldabschaffung wissen müssen, München, 7. Auflage 2019
Sauren, E.: Die Zinsfalle. Die neue Bedrohung für konservative Anleger – Gefahren für das Portfolio erkennen und vermeiden, München 2015
Scott, B.: Cloudmoney. Cash, Karte oder Krypto: Warum die Abschaffung des Bargelds unsere Freiheit gefährdet, München 2022
Walz, H.: Einfach genial entscheiden im Falle einer Finanzkrise, Freiburg, 2. Auflage 2023
Weitmayr, H.: 100 Jahre Nullzins, in: Institutional Money, Heft 03/2017, S. 142–150
10Vgl. z. B. Rogoff, K./Rossi, B./Schmelzing, R.: Long-Run Trends in Long-Maturity Real Rates 1311 – 2021, Working Paper 30475 (2022), abrufbar unter: https://www.nber.org/papers/w30475.
11Kapitalertragsteuer (Abgeltungsteuer auf vereinnahmte Kapitaleinkunfte).
12Vgl. Sauren, E.: Zinsfalle, 2015.
13Zur Erinnerung: Die Euro-Einführung begann im Januar 1999 als Buchgeld mit der Verrechnung von Zahlungen. Erst drei Jahre später, also zum 1. Januar 2002, wurde mit der Einführung von Euro-Bargeld (Noten und Münzen) in 12 Ländern die größte Bargeldumstellung der Geschichte vorgenommen.
4Anlageerfolg trotz Minizins?
Lösungen und Perspektiven im Umgang mit der Zinsfalle
Was Sie in diesem Kapitel erfahren:
▪Warum es klug ist, sich für die persönliche Liquiditätsreserve mit Minimalzinsen und sogar einem negativen Realzins abzufinden, anstatt Lockvogelangeboten zu folgen oder unkalkulierbare Risiken einzugehen.
▪Warum Cash auch bei Renditelosigkeit eine wichtige Funktion hat.
▪Dass es nur zwei Wege zur Erzielung höherer Renditen gibt – die zwar nicht neu sind, aber zumindest selektiv bedenkenswert.
▪Was Risikoprämien und Illiquiditätsprämien sind und wie man sie nutzen kann.
Nachdem Sie verstanden haben, dass der Realzins nach Steuern schon in der Vergangenheit oftmals negativ war und dauerhaft positive Realzinsen – wenn man Wunder ausschließt – auch für die Zukunft eher selten zu erwarten sind, sollen im Folgenden Möglichkeiten vorgestellt werden, das Beste aus den gegebenen Umständen zu machen.
Natürlich würde ich Ihnen ein paar Prozent Zinsen auf Ihre Spar- oder Terminguthaben wünschen. Aber: In Zeiten, in denen die (nominellen) Zinsen höher sind, ist meistens auch die Inflationsrate höher. Und wenn Sie sich an die Besteuerung inflationärer Scheingewinne erinnern (vgl. Kapitel A.2), ist Ihnen ohnehin klar, dass selbst 4 % (steuerpflichtiger) Zins bei 3 % Inflationsrate vor einigen Jahren zu dem traurigen Ergebnis führte: kein realer Zinsertrag nach Steuern.
Lassen Sie es uns versachlichen: Reale Zinserträge nach Steuern auf liquides Geldvermögen sind schön, waren aber auch in den letzten Jahrzehnten bereits selten. Und: Liquidität hat auch bei fehlendem Realzins ihre Berechtigung. Denn Sie sollten ja über Ihr Gesamtvermögen (= Gesamtportefeuille) optimieren und nicht nur über den Teil Ihres liquiden Geldvermögens.
Fachzeitschriften und Wirtschaftspresse bieten eine Fülle von – leider oft als äußerst fragwürdig zu bewertenden – Anlageempfehlungen: Viele tun so, als ob sie einen einfachen und risikolosen Weg zu höheren Zinsen weisen könnten.
Die Versprechen einer einfachen Lösung (guter Zins ohne Risiko) erweisen sich jedoch ausnahmslos als Trugschluss. Vielmehr besteht die große Gefahr, dass Anlageprodukte mit höheren Renditeversprechen gleichzeitig höhere (versteckte) Kosten und/oder versteckte, zumindest unterschätzte Risiken aufweisen.
Abb.: Die Flucht vor einem Risiko kann direkt ins nächste Risiko führen
Das nebenstehende Bild symbolisiert exakt die Situation vieler Anleger: Das Gnu ist vor einem Löwen ins Wasser geflüchtet und wird dort schon freudig von einem Krokodil erwartet.
Hart, aber wahr
Sehr wahrscheinlich werden Ihnen in der sogenannten Anlageberatung, die in Wahrheit reiner Finanzvertrieb ist, Scheinlösungen und Scheininnovationen angeboten, die unvorteilhaft sind, weil sie
▪Äpfel mit Birnen vergleichen, indem sie
-risikolose mit risikobehafteten Anlagen bzw.
-liquide mit illiquiden Anlagen gleichsetzen;
▪Risiken verschweigen oder verdecken;
▪zusätzliche, z. T. nicht direkt ersichtliche Kosten auslösen, welche die erhoffte Mehrverzinsung schnell wieder aufzehren werden.
Letztlich wird somit Ihr Kapital mit einem schlechten Risiko-Renditeverhältnis angelegt. Das entspricht leider exakt dem Bild mit dem Gnu (Sie ahnen schon, wer das Gnu ist).
Wie Sie es besser machen, lesen Sie im Folgenden.
Planvolles Vorgehen und Vermögensstrukturierung
Anstatt sich bei jeder einzelnen Anlage um einen Kompromiss zwischen Rendite und Risiko zu bemühen und sich damit den oben kritisierten Versprechungen der Finanzprodukteverkäufer auszusetzen, sollten Sie Folgendes tun.
Sie entscheiden ohne Zeitdruck und mit viel Überlegung erst einmal ganz grundsätzlich (vielleicht sogar im »Familienrat«), welcher Teil Ihres Finanzvermögens liquide und ohne (nominelle)18Wertschwankungen verfügbar sein soll (Teil A). Diese Entscheidung ändern Sie nicht ständig und lassen sich hiervon auch nicht in Verkaufsgesprächen von Bankern abbringen. Nur in größeren Zeiträumen (z. B. alle 2–3 Jahre) hinterfragen Sie, ob diese Aufteilung noch Ihren Lebensumständen und Ihrer Risikoneigung entspricht. Sie sind realistisch, dass Sie mit dem liquiden und nominell wertstabilen Teil A langfristig kaum noch eine positive Realverzinsung nach Steuern erzielen werden – es geht in vielen Zeiträumen vielmehr darum, mit dem nominellen Zinsertrag den Inflationsschaden zu reduzieren (vgl. Abbildung Entwicklung Umlaufrendite – Inflation – Realverzinsung im Zeitablauf 1961–2023 auf Seite 20).
Auf den verbleibenden Teil Ihres Finanzvermögens können Sie längerfristig verzichten und für ihn – natürlich unter stetigen Schwankungen – eine höhere Rendite erwarten (Teil B). Diese wird jedoch nicht durch eine von Zauberhand geschaffene höhere Verzinsung eines genialen Anlageproduktes von Banken oder Versicherern ermöglicht, sondern indem Sie Illiquiditäts- und Risikoprämien verantwortungsvoll nutzen.
Hart, aber wahr
Sie haben oben gelesen, dass Sie die Aufteilung Ihres Finanzvermögens in einen liquiden und nominell schwankungsarmen Teil A und einen rentableren, aber mit Kurs- oder Preisrisiken behafteten Teil B grundsätzlich und nicht bei jedem einzelnen Anlageprodukt bzw. jeder einzelnen Entscheidung treffen sollten. Im als Finanzberatung bezeichneten Finanzvertrieb ist jedoch exakt das Gegenteil der Fall.
Hier werden Ihnen gerne kostenintensive und ineffiziente »Mischfonds« (Warum höre ich stets »Mist-Fonds« …?) angeraten. Die Aufteilung zwischen Teil A und Teil B erfolgt damit – völlig falsch – auf Produktebene. Sie wird durch die situative Stimmung, den Verkaufsdruck, die unterschiedliche Provisionshöhe der Produktalternativen oder sonstiges Eigeninteresse Ihres Finanzprodukteverkäufers verzerrt.
Schon oft haben mir Finanzprodukteverkäufer und Vermögensverwalter im vertraulichen Gespräch eingeräumt, dass sie aus Eigeninteresse Mischprodukte (z. B. Aktien und Anleiheanteil) verkaufen. Denn in guten Börsenphasen können sie sich mit einer positiven Gesamtperformance brüsten, ohne die bessere Performance eines entsprechenden Aktienindex zu zeigen. Und in schlechten Börsenphasen können sie zeigen, dass die Verluste des verkauften Produktes geringer waren als die des entsprechenden Aktienindex.
Die Argumentation (oder Ausrede) der Finanzvertriebler ist unisono, dass ihre Kunden nicht in der Lage seien, auf Ebene des Gesamtportfolios zu denken, sondern stets nur stumpf die Wertentwicklung jeder Einzelposition betrachteten.
Da die Leser meines Buches aber keine LeOs sind, gilt diese Argumentation für Sie natürlich nicht!
Management des liquiditätsnahen und schwankungsarmen Teils (Teil A)
Teil A wird aus zwei möglichen Motiven gebildet:
Erstens möchten Sie jederzeit oder zumindest sehr kurzfristig verfügbare Geldmittel haben, z. B. für Wechselfälle des Lebens wie unerwartete Reparaturen, unplanbare Ersatzbeschaffungen usw. Das wäre also die typische Notkasse oder Liquiditätsreserve, um teure Kontoüberziehungen und peinliche Privatkreditanträge zu vermeiden.
Zweitens möchten Sie vielleicht darüber hinaus einen schwankungsarmen Kapitalstock, der keinen Kurs- oder Preisänderungsrisiken ausgesetzt ist. Dieser Kapitalstock unterliegt – abgesehen von Betrug oder dem unabgesicherten Zahlungsausfall Ihres Finanzpartners in Extremsituationen19 – nur noch einem einzigen Risiko, nämlich dem Inflationsrisiko.
Als Anlageprodukte für Teil A werden seit Jahrzehnten insbesondere Tagesgeld- und Festgeldkonten sowie Geldmarktfonds genutzt. Selbst unverzinste Giro- oder Verrechnungskonten haben für die Liquiditätsreserve ihre Berechtigung. Als zusätzliche Alternative bieten sich seit ein paar Jahren auch Geldmarkt-ETFs an. (Näheres zu diesen Produkten finden Sie in Kapitel C.3.)
Hart, aber wahr
Eine nur geringe oder in manchen Jahren sogar negative Realverzinsung nach Steuern bei Ihrem kurzfristigen Geldvermögen (Teil A) ist verkraftbar – solange Ihr persönliches Gesamtportfolio stimmt, d. h., solide Wertzuwächse aus Teil B resultieren.
Um es kurz zu machen: Die Suche nach attraktiven Zinsen bei gleichzeitiger Liquidität und Risikofreiheit der Geldanlage ist ein aussichtsloses Unterfangen und widerspricht langjährig gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung. Sie sollten Ihre wertvolle Zeit und Energie nicht darauf verschwenden und möglichst schnell aufhören, sich mit intransparenten und manipulativen Lockvogelangeboten, die risikofreie Spitzenrenditen versprechen, zu beschäftigen.
Management des längerfristig anzulegenden Teils (Teil B)
Abb.: Wer alles vom Niedrigzinsumfeld profitieren möchte …
Während jedoch für den Teil A Ihres Finanzvermögens galt: »Lieber Niedrigzins hinnehmen, als sich ausnehmen zu lassen!«, können Sie bei Teil B durch verantwortungsvolles und umsichtiges Einsammeln von »Prämien« durchaus langfristig attraktive Realzuwächse Ihres Vermögens erzielen. Und das geht so:
Wenn man von Wundern absieht, gibt es nur zwei relevante Renditetreiber der Langfristanlage …
Eine höhere Anlagerendite kann lediglich aus zwei Arten von Prämien gespeist werden, nämlich aus dem
▪Erzielen von Risikoprämien und dem
▪Erzielen von Illiquiditätsprämien bzw.
einer beliebigen Kombination von beiden Prämienarten.
Die nachstehende schematisierte Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang.
Abb.: Dreidimensionale Darstellung der kumulativen Wirkung von Risiko- und Illiquiditätsprämie
Erläuterung zur Abbildung:
Am vorderen roten Eckpunkt (Punkt A