Einfach gut! - Beate Hofmann - E-Book

Einfach gut! E-Book

Beate Hofmann

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Beschreibung

Fragen Sie sich auch manchmal, ob es das ideale Leben nur bei den anderen gibt? Beschleicht Sie dann das Gefühl, allein zu sein in dem Versuch, Ihren Alltag zwischen Beruf, Partnerschaft, Familie und persönlichen Träumen zu jonglieren? Und mehr noch: dass der Versuch sowieso von vornherein zum Scheitern verurteilt ist? Beate Hofmann zeigt, dass es Wege gibt, die Sehnsucht nach dem guten Leben mit Leichtigkeit zu erfüllen. Sie beschreibt sieben wichtige Bereiche von Achtsamkeit und Bewegung bis Werte und Zuversicht, die Ihr Leben bereichern werden, und spricht mit Menschen, die auf unterschiedlichste Art Erfolg und Erfüllung gefunden haben. Effektive Coaching-Strategien, die Sie leicht in Ihren Alltag integrieren können, führen unmittelbar zu kleinen, aber nachhaltigen Veränderungen. Persönlich, unterhaltsam und fundiert macht Ihnen die Expertin für Lebensstärke Mut, das Beste aus Ihrem Leben zu machen.

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Buch lesen

Cover

Haupttitel

Inhalt

Über die Autorin

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Beate Hofmann

Einfach gut!

Mit Leichtigkeit erfüllter leben

Patmos Verlag

Inhalt

EINLEITUNG

KAPITEL 1

einfach liebenswert

Mich im Spiegel sehen

Mut zu mir selbst

Mich wertschätzen

Wer bin ich?

Selbstliebe lernen

Innere Kritiker enttarnen

Coaching to go

Mut zum Ich –GESPRÄCH MIT KATJA KRUCKEBERG

KAPITEL 2

einfach beziehungsstark

Sich stärken lassen

Beziehungsweise – vom Ich zum Du

Freunde finden und behalten

Ein Geheimnis gelingender Beziehungen

Beziehungsreichtum

Coaching to go

Gemeinsam stark –GESPRÄCH MIT SUSANN UND MARTIN DULIG

KAPITEL 3

einfach zuversichtlich

Stark von innen

Die Kraft der Seele nutzen

PERMA – eine Handvoll Zuversicht

Die Zuversicht wählen

Coaching to go

Ja zum Leben –GESPRÄCH MIT GUDRUN PFLÜGER

KAPITEL 4

einfach achtsam

Das Lassen tun

Die Kunst, ganz bei sich zu sein

Die Stress-Falle verlassen

Wundermittel Achtsamkeit

Stille und Monotasking – ein perfektes Doppel

Achtsamkeit im Alltag praktizieren

Coaching to go

Eine Frage der Haltung –GESPRÄCH MIT JAN THORSTEN ESSWEIN

KAPITEL 5

einfach bewegt

Bewegungsfreudig

Wundermittel Bewegung

Bewegungsfreude statt Kampfgeist

Eine Frage der Motivation

Die Kraft der Bilder

Hauptsache bewegt!

Coaching to go

Mit Leichtigkeit bewegt –GESPRÄCH MIT STEVE KROEGER

KAPITEL 6

einfach wertvoll

Das Gold des Lebens finden

Was Werte wertvoll macht

Welche Werte zählen?

Eigene Werte benennen

Werte leben

Werte wandeln sich

Glück als Wert

Coaching to go

Ein Wert-voller Weg –GESPRÄCH MIT RUDOLF WÖTZEL

KAPITEL 7

einfach sinnvoll

Sinn gesucht

Nach Sinn fragen macht Sinn

Stark durch Sinn

Die Frage nach dem Wozu beantworten

Gestalten statt resignieren

»AHA« – die Sinn-Formel

Erfolg ist nicht das Gleiche wie Erfüllung

Sinn gesucht – Glück gefunden

Coaching to go

Wirksam werden –GESPRÄCH MIT LUDWIG GÜTTLER

Schluss: Mit Leichtigkeit erfüllter leben

Literatur

Anmerkungen

Bildnachweis

Einfach danke

Wie es weitergehen kann

EINLEITUNG

Kennen Sie die unglaubliche Geschichte des Mo­narch­falters? Der leuchtend orange-schwarze Schmetterling lebt in Nordamerika. Er besitzt eine besonders ausgebildete Flugmuskulatur und eine Art »Sehnsuchts-Code«, eine innere Lotsenfunktion, die es den Faltern ermöglicht, die unglaubliche Strecke von Kanada bis hinunter in den milden Bergwald Mexikos zu fliegen. Durch effizienten Flügelschlag und nahezu geradlinigen Flug verbraucht der Mo­narchfalter so wenig Energie, dass er tausende Kilometer weit fliegen kann und die lange Reise gelingt. Von wegen Traumtänzer!

Diese zielstrebige Ausdauer und die speziellen Muskeln sichern das Überleben der ganzen Schmetterlingsart. Wollen wir Menschen nicht nur überleben, sondern einfach gut leben, müssen auch wir die richtige Kombination kennen zwischen Traum und Tatkraft, zwischen Verweilen und Vorwärtsstreben, zwischen Flattern und Fliegen.

Dieses Buch bietet Ihnen Hintergrundwissen, Strategien und Haltungen an, die einem Muskeltraining für Ihre »inneren« Muskeln gleichen. Für mich ist der schlichte, kleine Schmetterling auf dem Buchcover deshalb zu einem besonderen Zeichen geworden. Ich denke an den Monarchfalter und möchte Sie ermutigen, aufzubrechen aus Stress, Perfektion oder Resignation.

Wer einmal aufgebrochen ist und sich hinaus gewagt hat, der entwickelt die Kraft, immer wieder auf die Füße zu fallen. Ich weiß, wovon ich rede. Im Sommer 2011 kam ich nach 365 Tagen Sabbatical mit meiner Familie aus der kanadischen Weite zurück nach Deutschland. Ich hatte von den Pionieren des Westens gelernt, dass man Hindernisse überwinden kann, wenn man sich von einer guten Vision hoffnungsvoll leiten lässt. Ich wusste, mit wie wenig ein Mensch glücklich sein kann und dass das Gold des Lebens nicht in der Erde zu finden ist. Immer wieder bin ich Menschen begegnet, die mir zeigten, dass es letztlich nicht darauf ankommt, was uns begegnet, sondern wie wir damit umgehen. Mit dieser Zuversicht startete ich nach unserer Rückkehr nach Deutschland neu, nahm eine Teilzeitstelle als Dozentin an einer Hochschule an und wagte parallel mit 47 Jahren gemeinsam mit meinem Mann den Sprung in die berufliche Selbstständigkeit. Wir investierten Zeit und Geld, absolvierten die University der German Speakers Association und lernten die Kunst der freien Rede. Heute sind wir das erste Ehepaar Deutschlands mit zwei Zertifikaten der Steinbeis Hochschule Berlin als Professional Speaker und wir teilen nicht nur das Bett, sondern auch gerne die Bühne.

Die meisten Menschen haben riesige Angst, eine Bühne zu betreten und öffentlich zu sprechen. Ich auch. Doch ich weiß, dass man diese Angst überwinden kann, wenn man den Sinn seines Tuns kennt.

Mit meinen Vorträgen will ich Menschen ermutigen, Verantwortung für das Gelingen des eigenen Lebens zu übernehmen. Noch viel lieber allerdings schreibe ich darüber. Denn ein Buch ist nicht so flüchtig wie eine Rede. Geschriebene Worte kann man nachlesen, bedenken, hinterfragen. Ich lade Sie ein, sich in den folgenden Kapiteln auf eine gedankliche Reise zu begeben und zu forschen, ob Sie das Leben leben, das aus Ihrer Sicht das Prädikat erfülltverdient. Ich weiß: Das ist riskant – birgt es doch das Risiko, anschließend etwas verändern zu wollen.

Warum sollten Sie das tun? Weil dieses Leben einmalig ist. Weil Sie einmalig sind. Weil jedes Leben ein Geschenk ist, das wir nicht nur wertschätzen, sondern vor allem gestalten können. Weil in uns allen die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben steckt. Diese Fülle können Sie (möglicherweise neu) in Ihrem Leben entdecken – und dies geht am besten mit Leichtigkeit. Es sind vor allem sieben Bereiche, bei denen es sich lohnt, besonders gut hinzuschauen, und wo sich schon mit kleinen Veränderungen ziemlich viel bewegen lässt. Es geht um die Entwicklung von Selbstwert, tragenden Beziehungen, die Kraft der Zuversicht, die Wirkung von Achtsamkeit, das Geheimnis von Bewegung, das Wissen um die eigenen Werte und die unmittelbare Erfahrung von Sinn.

Sie erhalten zu diesen Bereichen einen Einblick in aktuelle Erkenntnisse aus Psychologie, Soziologie, Philosophie und Medizin. Als Coach ermutige ich Sie darüber hinaus, kleine Coaching-Häppchen, ich nenne diese Rubrik »Coaching to go«, in Ihrem Alltag auszuprobieren. »Coaching to go« bedeutet nicht, dass diese Impulse schnelllebig oder zum einmaligen Gebrauch bestimmt sind. Die Anregungen laden ein, gewonnene Erkenntnisse ganz praktisch, hier und jetzt zu nutzen, um das eigene Leben in kleinen Schritten zu verändern.

Schließlich habe ich zu jedem Kapitel spannende Menschen interviewt und ihre ganz persönlichen Erkenntnisse zum jeweiligen Thema gesammelt. Denn wir lassen uns meist leichter auf etwas ein, wenn wir wissen, dass andere Menschen den Weg bereits gegangen sind und dabei gute Erfahrungen gemacht haben.

Jeder der sieben Wege zur Fülle ist ein Angebot für Sie. Nehmen Sie aus der Fülle von Anregungen und neuen Erkenntnissen das, was Ihnen gut und passend erscheint. Das andere mag einem anderen Leser, einer anderen Leserin nützlich sein. Nicht alles ist für alle gleich gut.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Träume und Visionen von einem guten Leben umsetzen können.

Bleiben Sie dran, so wie der Monarchfalter. Dann können Sie, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem Sie Rückschau halten, dankbar sagen: Ja, ich habe meine Flügel genutzt und die Fülle meines Lebens gelebt!

KAPITEL 1

einfach liebenswert

Mich im Spiegel sehen

Wen finden Sie richtig klasse? Gibt es eine Person, die Sie inspiriert und neugierig macht, die Sie begeistert? Was schätzen Sie an diesem Menschen ganz besonders? Und haben Sie Lust zu einem kleinen Experiment? Dann nehmen Sie jetzt einen Stift, ein leeres Blatt Papier und lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf. Welche Person fällt Ihnen ein und vor allem: Was fällt Ihnen zu diesem Menschen ein? Beginnen Sie bitte den ersten Satz mit dem Namen. Zum Beispiel so: X begeistert mich. Benennen Sie die Stärken, Besonderheiten, Liebenswürdigkeiten und Eigenheiten dieses Menschen. Weshalb bewundern oder schätzen Sie diese Person?

Mir wurde diese Aufgabe in meiner Coachingausbildung gestellt. Nach einigem Überlegen kamen mir zwei Frauen in den Sinn, die ich schätze und interessant finde: Margot Käßmann und Jody Malm. Die eine, Margot Käßmann, bringt als Theologin, Rednerin und Autorin ihre Aussagen pointiert auf den Punkt und scheut sich nicht, damit auch einmal unbequem zu sein. Sie hat Höhen und Tiefen durchlebt und spricht über ihre Zuversicht, die sie aus dem Glauben gewinnt. Ihr Äußeres lässt auf Geschmack und Stil schließen. Sie überzeugt mich mit dem, was sie sagt und wie sie lebt. Und ihre Lebensfreude­ ist ­deutlich spürbar. Jody Malm ist nur wenig jünger als Margot Käßmann. Sie lebt auf einer weitläufigen Ranch im Westen Kandas. Sie schätzt die Natur, die Stille und zieht daraus Lebensenergie. Oft weiß sie mehr, als man ihr sagt, denn sie spürt, wie es den Menschen um sie herum geht. Jody würde ihre Familie als großen Schatz ­bezeichnen. Mit ihrem Mann verbindet sie eine dreißig­jährige, tiefe, liebevolle Beziehung. Jody ist spontan, warmherzig, ein wenig ­verrückt, zu jedem Abenteuer bereit und sie liebt einen guten Cappuccino.

Was hat das alles mit Ihnen zu tun und wozu erzähle ich Ihnen davon?

Wenn Sie aufgeschrieben haben, was Sie an der von Ihnen aus­gewählten Person schätzen, ersetzen Sie deren Namen durch Ihren eigenen. Lesen Sie sich dann die Zuschreibungen laut vor.

Erkennen Sie sich wieder? Als ich die Namen Margot und Jody mit Beate ausgetauscht hatte, war ich ziemlich überrascht. Ich sah Teile von mir selbst wie in einem Spiegel. Erstaunlich, was wir in diesem kleinen Experiment über uns selbst erfahren können. Etliche unserer Träume, Fähigkeiten und Lebensmotive werden damit offenkundig.

Die Psychologie erklärt dieses Phänomen damit, dass wir uns in der Regel mit Menschen umgeben oder gedanklich leiten lassen, die uns ähnlich sind. Und mit der Zeit werden wir ihnen immer ähnlicher. Es lohnt sich, mit dieser Perspektive die eigenen Freundinnen und Freunde, Bekannten und Vorbilder genauer zu betrachten. Umgeben Sie sich mit den für Sie richtigen Menschen? Wem wollen Sie ähnlich werden?

Mut zu mir selbst

Vor einigen Jahren sah ich in einem Magazin ein Foto: Drei Frauen, vermutlich zwischen fünfzig und siebzig, mit silberweißem, teils langem Haar lehnten lachend an einem verwitterten Blockhaus. Ich war fasziniert. So lebendig, echt, stark und voller Lebenskraft ­möchte ich später auch aussehen, nahm ich mir vor. Dieses »Später« kam ­schneller als gedacht. Als wir uns entschieden, als Familie gemeinsam für ein Jahr in die Wildnis Kanadas zu gehen, war mir klar, dass ich nicht am Wildbach stehen und meine Haare färben werde. Sollte ich also den Schritt wagen von den dunkelbraunen, sorgfältig getönten Haaren hin zum silbrigen Glanz, den ich bis dahin immer schon im Ansatz übertüncht hatte ? Mit wem ich auch sprach, die Antworten spiegelten meine eigenen Befürchtungen: Du wirst schlagartig zehn Jahre älter aussehen.

Plötzlich stellten sich existenzielle Fragen ein: Wer bin ich? Worüber definiere ich mich? Mag ich mich so, wie ich bin? Finde ich mich liebenswert?

Äußere Attribute wie die Haarfarbe sind (ebenso wie Geld und Leistung) eine gefährlich brüchige Basis für den Selbstwert. Er ist schnell in Gefahr, wenn sich diese Bedingungen verändern. Doch es ist wirklich schwer, die Bilder, die durch Einflüsse aus der Werbung, aus Filmen oder durch die Mode geprägt werden, zu hinterfragen und dem eigenen Urteil zu trauen.

Heute bekomme ich oft Komplimente für meine Haare. Es ist die Ausstrahlung, die innere Einstellung zu mir selbst, die mich auch mit silbernen Haaren dynamisch wirken lässt. Viele Menschen sehen darin eine Echtheit, die sie anspricht. Sich lieben zu lernen und zu einer starken Persönlichkeit zu werden, gleicht einer langen Reise. Wir gehen vorwärts, verändern uns, mitunter zögernd, Schritt für Schritt. Betrachten Sie diese Reise als ein spannendes Experiment auf dem Weg zu mehr Lebensfreude und Fülle. Leben und lieben Sie los!

Mich wertschätzen

Die Erdbeertorte sieht vorzüglich aus! Ich bin eine der ersten am Kuchenbuffet. Als ich gerade ein prächtiges Stück auf der Tortenschaufel habe, hält mir der ältere Herr hinter mir seinen Kuchenteller hin und fragt: »Sind Sie so lieb und geben mir ein Stück?« Gerne erfülle ich seine Bitte. Doch ich habe nicht mit der Schlange gerechnet, die sich direkt hinter ihm gebildet hat. Stück für Stück teile ich den Kuchen aus, bis die Platte leer ist. So leer wie mein eigener Teller.

An diesem Tag habe ich begriffen, dass man für sich sorgen muss, will man vom Kuchen etwas abbekommen. Ich war sauer auf mich. Wieso habe ich mich nicht getraut, meinen eigenen Wunsch zu erfüllen und war nur für die anderen da? Wieso passiert gerade mir so etwas? Du bist einfach zu gutmütig, zu brav, zu naiv, sagt die innere Stimme. Kennen Sie diese Art der Selbstvorwürfe? Dabei ist dies eine harmlose Situation. Stellen Sie sich vor, Sie haben in einer Prüfung versagt, haben mit Ihrem Verhalten einen Familienstreit ausgelöst oder sind gar an einem Verkehrsunfall schuld.

Wer sich am Boden fühlt, der braucht nicht noch eine zusätzliche Verurteilung, sondern vor allem eine Hand, die ihm aufhilft. Und diese kann durchaus am eigenen Arm hängen. Natürlich war ich unglücklich über diese Situation. Ja, ich hätte mich klüger verhalten können. »Dumm gelaufen, aber das passiert mir kein zweites Mal«, so habe ich mich schließlich aufgemuntert.

Hinfallen, aufstehen, Krone richten – weitergehen! Ich mag diesen Satz. Die Krone ist ein herrliches Bild für den Wert, den ich habe und weder mir selbst noch anderen immer wieder beweisen muss.

Solange wir versuchen, den eigenen Wert durch unsere Leistung zu bestimmen, werden wir es schwer haben, ein gutes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Die bekannte Psychoanalytikerin und Traumatherapeutin Luise Reddemann betont, Selbstwert entstehe aus dem Vertrauen, dass das Leben, Gott oder deine Eltern dich gewollt haben. Wenn diese Aussage Menschen hilft, aus ihren depressiven, kraftlosen Gefühlen herauszufinden, dann wird man erst recht in alltäglichen Situationen davon profitieren. Denn Selbstachtung ist der Boden, auf dem Selbstliebe gedeiht. Bei den meisten Menschen ist das ein lebenslanger Wachstumsprozess.

Charlie Chaplin, der begnadete Stummfilmkünstler, hatte allen Grund, stolz auf sich, seine Kunst und sein engagiertes Lebenswerk zu sein. Doch wie viele Menschen hatte auch Chaplin Zweifel an sich selbst und wünschte sich mehr Selbstvertrauen. Was er in seinem Leben gesucht und erkannt hat, beschreibt eine Rede, die er anlässlich seines siebzigsten Geburtstags gehalten haben soll. Ob die Rede wirklich von Chaplin stammt, darüber scheiden sich die Geister, doch der Wert dieser Worte ist unabhängig vom Autor und lädt ein, sich selbst daran zu prüfen. Ein Satz daraus lautet: »Als ich begann, mich selbst zu lieben, habe ich aufgehört, nach einem anderen Leben zu verlangen, und konnte sehen, dass alles, was mich umgab, mich einlud zu wachsen. Heute nenne ich es Reife.« Mich rühren Gedanken wie dieser an, weil ich eine Altersweisheit darin lese, die erstrebenswert ist.

Statt in sich zu ruhen, vergleichen sich viele Menschen mit ihren Kollegen, Freunden, Nachbarn oder Verwandten. Das passiert oft unbewusst und in Sekundenbruchteilen. Es gibt Orte, da kann man das prima studieren. Ich kenne ein Café. Die Stühle stehen dort nicht in Gruppen um die kleinen Tische, sondern in Reihen – wie im Theater. Der Weg, auf dem Menschen an diesem Café vorbeilaufen, gleicht einer Bühne oder treffender: dem Catwalk einer Modenschau. Manche Passanten sind sich dessen sehr bewusst. Gezielt setzen sie die Schritte, lässig, sich selbst darstellend. Einige Café-Besucher sitzen zu dritt am Tisch, unterhalten sich aber nicht miteinander, sondern kommentieren das Bühnenstück. Und es ist wirklich einladend, ich habe mich auch schon dabei ertappt. Wie wohltuend, wenn Menschen vorbeilaufen, denen es völlig unwichtig ist, ob ihnen jemand zuschaut und was derjenige von ihnen halten könnte. Vergleichen und Werten sind tückische Haltungen. Deshalb sagt eine alte Weisheit aus einem jüdischen Weisheitsbuch, dem Talmud: »Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden ­Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.«

Wer bin ich?

Voraussetzung für eine gesunde Selbstachtung ist Selbsterkenntnis. Wer bin ich? Was ist mir wichtig und wofür gibt es gerade mich auf dieser Welt? Worüber definieren Sie sich? Über Ihren Status, Ihre berufliche Position, das Engagement in Netzwerken oder die Rolle in der Familie? Was bleibt, wenn Sie all dies einmal weglassen?

Wer sind Sie jenseits Ihrer Arbeit? Was macht Sie aus, wenn wir den gesellschaftlichen Status außer Acht lassen? Was fehlt Ihrer Familie, Ihren Freunden, wenn Sie nicht mehr da sind? Was sind Ihre Träume, Ihre Vorlieben, Ihre Sehnsüchte?

Menschen, die sich in seelischen Krisen, nach einem Burnout oder einer tiefen Erschöpfung nach einem kraftvollen Neubeginn sehnen, müssen bei dieser Frage beginnen: Wer bin ich? Manch einer erkennt bei der ehrlichen Analyse, dass er heute anders entscheiden oder handeln würde. »Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Ich würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen. Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin. Ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen. Ich würde mehr riskieren, würde mehr reisen, Sonnenuntergänge betrachten …«, schreibt die 86-jährige Nadine Stair. Hätte und würde beschreiben den Konjunktiv, die Möglichkeitsform. Doch diese Handlungen gibt es in Wirklichkeit nicht. Die Vergangenheit ist Geschichte. Was zählt ist das Heute! Darüber können wir reden und heute können wir etwas verändern.

Wir Menschen verfügen über die Kraft, unser Leben zu gestalten. Dazu müssen wir bei uns selbst beginnen und die Dinge umsetzen, die uns am Herzen liegen. Wie sehr liegen Sie sich selbst am Herzen? Können Sie mit dem Begriff der Selbstliebe, der Selbstachtung etwas anfangen?

Liebe ist für Menschen ähnlich existenziell wie das Sonnenlicht für das Wachstum von Pflanzen. »Die Liebe ist ein wesentlicher Nährstoff, den unsere Zellen unbedingt brauchen, eine wahrhaft positiv aufgeladene Verbindung zu anderen Lebewesen.«1 Durch Liebe geschehen wunderbare Dinge in uns und mit uns. Menschen öffnen sich, haben eine intensivere Wahrnehmung für ihre Umgebung. Sie sind widerstandsfähiger in Krisen, sensibler im Umgang mit­­ein­ander, glücklicher und vor allem physisch gesünder. Liebe verändert nachweisbar biochemische Stoffe in unserem Körper und erweitert vor allem durch positive Emotionen unser Blickfeld. Dadurch wird ein umfassenderes Denken möglich. Wir werden einfallsreicher, flexibler, kreativer und damit klüger. Unschwer sich vorzustellen, dass sich damit eine richtige Aufwärtsspirale, ein Sog zum Besseren im Leben der Menschen entwickelt.

Barbara Frederickson, Direktorin des Labors für Positive Emotionen und Psychophysiologie, forscht auf dem Gebiet der Positiven Psychologie. In ihrem Buch »Die Macht der Liebe« präsentiert sie aktuelle Forschungsergebnisse und revolutioniert den Blick auf das, was wir Liebe nennen, ganz erheblich. Für Frederickson ist Liebe eine Folge von kleinsten, sich wiederholenden Mikromomenten der Wärme und Verbundenheit mit sich selbst und mit anderen Menschen – jenseits von Sexualität oder verwandtschaftlichen Beziehungen. Die positiven Emotionen, welche durch diese Mikromomente hervorgerufen werden, sind Turbokräfte, die gewaltige Schubkraft und Energie im Leben und Handeln freisetzen. »Liebe ist das höchste Gefühl, durch das wir uns vollkommen lebendig fühlen – vielleicht die wichtigste emotionale Erfahrung, die wir machen können«2, stellt Frederickson fest.

Selbstliebe lernen

Ist diese Liebe erlernbar? Ist es möglich, solchen Emotionen deutlich mehr Raum im Leben zu geben und wenn ja, wie gelingt das ganz praktisch? Frederickson ist mit ihrem Team an der Universität von North Carolina genau diesen Fragen auf der Spur.

Die Forscherin ist sich sicher, dass man die Fähigkeit zur Wahrnehmung von (Selbst-)Liebe und Güte schrittweise erweitern kann. In der Folge werden mehr Verbundenheit, Freude und inneres Wachstum erlebbar. Menschen, die aufmerksam für ihre Gefühle sind, werden gesünder, gelassener, zuversichtlicher und stressresistenter. Es klingt zu schön, um wahr zu sein. Kritiker wenden ein, dass diese Form der Selbstliebe eine Art rosa Brille ist, mit der man nur noch das Positive an sich wahrnimmt und die Wirklichkeit verzerrt. Mit zwei Fragen lässt sich prüfen, ob diese Gefahr besteht. Versuchen Sie zunächst, diese Fragen für sich aufrichtig zu beantworten, und stellen Sie sie dann einem Menschen, dem Sie vertrauen:

1. Entspricht das Maß an Lob, das Sie sich geben, den tatsächlichen Umständen und ist es der Realität angemessen?

2. Ignorieren oder verzerren Sie mit diesen Gedanken die Wirklichkeit?

»Denke positiv!« ist einseitig und damit als innerer Leitspruch untauglich. »Es ist, als ob Sie die schmutzige Realität des Menschseins mit einem einfachen gelben Smiley übertapezieren wollten«3, sagt Frederickson. Als wesentlich hilfreicher erweist sich die innere Aufforderung: »Sei offen!«

Dies bedeutet, eigene Emotionen angemessen wahrzunehmen und einen bewussten Umgang damit zu üben. Wer schon einmal bei einer Party oder einem förmlichen Anlass unpassend gekleidet war, kennt das beklommene Gefühl, das sich einstellt, sobald man diesen Fehler realisiert hat. Mit drei einfachen Schritten können Sie eine solche Situation mit einer Haltung der Selbstliebe bewältigen.

1. Schritt –wahrnehmen: Okay, ich bin nicht so passend angezogen, wie ich es mir wünschen würde. Das macht mich unsicher im Kontakt mit den anderen.

2. Schritt –innere Kritiker beruhigen: Beim nächsten Mal werde ich die Einladung aufmerksamer lesen. Ja, es gibt viele Personen hier, die besser angezogen sind als ich. Aber ich werde mich nicht noch weiter kritisieren, denn damit ändere ich nichts an der Situation.

3. Schritt –sich selbst vertrauen: Ich sehe heute nicht so vorteilhaft aus, wie ich es mir wünsche. Doch das hat nichts mit meinem persönlichen Wert zu tun. Deshalb kann ich dennoch wunderbare Gespräche führen, die Musik genießen und mich köstlich amüsieren. Vielleicht bin ich heute der »bunte Vogel« auf der Party und gewinne Sympathien durch mein Anderssein.

Sich in dieser Situation zu trösten nach dem Motto: »Ist doch egal, was ich anziehe. Ich bin wer, gleichgültig, welche Kleidung ich trage«, ohne die eigene Verunsicherung wahrzunehmen, kann dazu führen, dass man ungewollt unnahbar oder arrogant wirkt. Die Kunst, ein stimmiges Selbstwertgefühl zu entwickeln, ist lernbar. Kristin Neff, Professorin für Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung an der Universität von Texas in Austin, hat in ihren Forschungsarbeiten herausgefunden, dass der Selbstwert durch eine mitfühlende Selbstliebe eindeutig gestärkt wird. Selbstmitgefühl ist unabhängig von der Anerkennung anderer. Damit mindert sich die Angst zu versagen, während die Fähigkeit, stressfreier, entspannter und liebevoller zu leben, zunimmt. Dieses Selbstmitgefühl ist in buddhistisch geprägten Ländern wesentlich ausgeprägter als in unseren westlichen Leistungsgesellschaften. Eigenartig, wenn man bedenkt, dass sich die westlichen Länder in einem christlich geprägten Kulturraum befinden, dem das biblische Doppelgebot der Liebe zutiefst vertraut ist. »Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen und ganzer Seele und liebe deinen Nächsten wie dich selbst«, heißt es im Matthäus-Evangelium. Die hier zitierte Übersetzung von Martin Luther rückt die Zuwendung zum anderen, zum Bedürftigen, zur Aufgabe in den Mittelpunkt. Das kann leider auch dazu motivieren, sich für andere aufzuopfern. Mein Verständnis ist ein anderes. Wer sich selbst liebt und wertschätzt, wird zu einer handlungs­fähigen und liebevollen Persönlichkeit werden. Diese Liebe wendet sich von innen nach außen und drückt sich dann in Taten aus. »Gönne dich dir selbst«, empfahl Bernhard von Clairveaux schon vor 900 Jahren dem damaligen Papst Eugen III. Was gönnen Sie sich selbst, um sich zu stärken? Wissen Sie, was Ihnen guttut? Und wenn ja, wie oft setzen Sie dieses Wissen in Ihrem Alltag um?

Ich liebe wohltuende Massagen, sitze gerne in einem Café und lasse die Seele baumeln oder ich gehe in der Natur spazieren. Meistens habe ich aber zuvor noch hundert andere Dinge zu tun und dann ist der Tag auch schon wieder um. Oft gönne ich mir zu wenig von dem, was mir guttut. Kennen Sie das auch? Dabei gibt es gute Gründe, die dafür sprechen, die Selbstliebe als Medizin zum Leben zu nutzen. »Liebe ist die aktive, positive und uneingeschränkte Zuwendung (Wachheit, Aufmerksamkeit, Achtung) für den anderen und entsprechend auch für sich selbst. Eine liebende Einstellung vermindert Kritik, Hass und vor allem Wertungen.«4 Dies zeigt: Selbstliebe ist eine Schlüsselfähigkeit, die wir brauchen, um einfach gut zu leben.

Innere Kritiker enttarnen

Daher ist es enorm wichtig, die inneren Kritiker als Gegenspieler der Selbstliebe zu enttarnen. Innere Kritik unterspült die Selbstliebe­ wie Wasser den Kalkstein. Der Selbstwert wird ausgehöhlt und brüchig. »Das kannst du nicht. Du bist nicht schlank oder klug oder reich oder durchsetzungsfähig genug. Du genügst nicht«, flüstert die innere Stimme. Damit wird die Überzeugung verstärkt: »Ich bin es nicht wert, geliebt und akzeptiert zu werden.« Gute ­Eigenschaften werden kleingeredet, während die Schwächen wie durch ein ­Tele­objektiv herangezoomt und in den Mittelpunkt gestellt werden. Dabei hat jeder Mensch beides – Schwächen und auch Stärken. Doch die Sicht des objektiven Betrachters geht häufig verloren. Dann hat der unbarmherzige Kritiker in uns leichtes Spiel und legt den Finger punktgenau auf die Schwachstellen. Fatal daran ist die eigentümliche Vorstellung, dass Schwächen erst komplett beseitigt werden müssen, bevor wir bestehen können und liebenswert oder gut genug sind. »Wenn … dann« ist ein sehr schlechter Handel, denn es kommt nicht zu dem Punkt, an dem alle Vorbedingungen erfüllt sind.

Das zweite Hindernis guter Selbstliebe, die Selbstverherrlichung, eine Art überhöhte Selbstwahrnehmung, gleicht einem Schutz­panzer. Dahinter verbirgt sich meist ein negatives Selbstbild. Menschen, die sich als ganz besonders großartig, attraktiv und beachtenswert einschätzten, reagieren oft erstaunlich empfindlich auf Kritik. Denn auch hier fehlt der realistische Blick auf eigene Stärken und Schwächen.

Was aber hilft uns, unabhängiger von äußerer Anerkennung und kraftvoller im Umgang mit dem inneren Kritiker zu werden? Ein erster wichtiger Schritt ist es, kleine Erfolge wertzuschätzen und sich selbst bei dem zu ertappen, was gelungen ist. Meinen Studierenden empfehle ich, ­Aktion und Person getrennt zu reflektieren. Gerade wenn zum Beispiel eine Prüfung nicht so gelungen ist, wie ich es mir vorgestellt habe, kann ich mir sagen, dass ich in diesem Moment mein Bestes gegeben habe. Also bin ich gut genug, auch wenn das Ergebnis noch nicht das ist, das ich mir vorstelle. Schritt für Schritt kann ich auf dem Weg innere Antreiber enttarnen und selbst Verantwortung für mein Leben übernehmen. Wer lernt, mit sich selbst befreundet zu sein, sich zu akzeptieren, ohne sich zu verurteilen, dem öffnen sich neue Wege hin zu deutlich mehr Lebensqualität.