Einfach tun - Martin Kämpchen - E-Book

Einfach tun E-Book

Martin Kämpchen

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Beschreibung

Bewusster Leben durch Einfachheit – indische Lebenserfahrung verbunden mit europäischem Denken Erwachen, sitzen, stehen, liegen: Das tun wir alle jeden Tag – ohne weiter darüber nachzudenken. Der in Indien lebende Schriftsteller Martin Kämpchen verbindet westliches und östliches Denken und entdeckt, was diese Tätigkeiten wirklich bedeuten: Was der Morgen für eine besondere Zeit ist, weshalb das Sitzen die Haltung des Plänemachens ist und das Stehen zu höchster Wahrheit führt, wir aber wirkliche Standfestigkeit und Ruhe erst im Liegen erreichen. Die 44 poetischen Texte zeigen, wie aus dem Alltäglichen Schritt für Schritt eine bewusste Lebenspraxis wird. Martin Kämpchen macht klar: Wir können glücklich und erfüllt leben, wenn wir die Dinge «Einfach tun».

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Seitenzahl: 82

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Martin Kämpchen

Einfach tun

44 Schritte zur Lebenskunst

I

erwachen

Menschen in Europa wohnen weit vom Äquator entfernt und sind darum im Nachteil. Im Winter erwachen sie, wenn es noch Nacht, und im Sommer, wenn es schon längst hell geworden ist. Natürlicher ist es, stets bei Tagesanbruch zu erwachen und bald nach Einbruch der Dunkelheit einzuschlafen, anders ausgedrückt: vom Morgengrauen geweckt und von der Abenddämmerung in den Schlaf begleitet zu werden.

Der Lauf der Sonne ist wie ein großes Ziffernblatt. Wenn sie am Horizont erscheint, sagt die Uhr: Erwache! Wenn sie am Horizont gegenüber untertaucht, sagt die Uhr: Schlaf ein! Denn was ist natürlicher und zugleich großartiger, als wenn wir Menschen den Rhythmus des Kosmos nachahmen – besser: in uns nachvollziehen? Dann stützt der Kosmos unser Leben. Er vermag uns durch seine Unwandelbarkeit Sicherheit zu geben, wenn wir durch Katastrophen und Krisen aus unserer Lebensbahn geworfen werden.

Dieser Trost, dass es, wenn wir die Augen öffnen, um uns hell wird und die Sonne aufgeht, kann viel menschliche Qual mildern.

In Indien treten fromme Menschen nach dem Erwachen ins Freie, um mit gefalteten Händen die rote Sonne am Horizont zu begrüßen. Für sie ist die Sonne das machtvollste Symbol des Göttlichen, das die Menschen mit ihren Sinnen erleben können.

Umgeben von dieser starken Präsenz von Licht wachen wir auf und schlafen ein. Dieses Licht leuchtet auf jede unserer Tätigkeiten, es begleitet unsere Bewegungen. Aus dem Dunkel unseres Schlafes erwachen wir in dieses Licht – das Licht wacht mit uns, stärkt unser Wachsein, beleuchtet unsere tätigen Hände und erleuchtet unsere Gedanken. Darum soll das erste Gefühl, das wir im Erwachen fassen, ein Gefühl der Dankbarkeit sein. Dankbar, wieder aufzuwachen, wieder an einem Schöpfungstag teilzunehmen. «Es werde Licht», heißt es in der Genesis. Dankbar, uns in diesem Licht neu geschaffen zu fühlen.

Mit dem aufgehenden Licht nehmen wir so jeden Morgen an der neuen Schöpfung teil. Gibt es eine beglückendere Weise, den Tag zu beginnen?

den Frieden wünschen

Wann ist die Welt wacher, gegenwärtiger, mehr sie selbst, als am frühen Morgen? Wann schwingt je ein größerer Optimismus in der Luft, als könnten wir noch einmal, alle Vergangenheit wegwischend wie die Kreideschrift auf einer Tafel, neu beginnen? – Am Morgen eben, sehr früh. Der Schlaf hat die Eigenart, wenn er tief und ausreichend war, die Gefühle und Gedanken zu reinigen. Im Augenblick des Erwachens befinden wir uns in einem Zustand der Schwerelosigkeit – wir scheinen zu schweben. Wir leben in einer flüssigen Welt. Erst nach und nach fällt uns ein, welche Aufgaben uns erwarten, der Tag ordnet sich in unserem Innern mit seinen anziehenden und unangenehmen Tätigkeiten. Danach stehen wir wieder mit den Fußsohlen fest auf der Erde.

Das Dunkel der Nacht hat die Kraft, die Luft, die Farben, die Laute und Gerüche wieder frisch zu machen. Am frühen Morgen erleben wir die Natur wie erfüllt mit neuer Energie. Danach beginnen wir zu reden, die Menschen laufen, kaum Augen für die Welt, beschäftigt hierhin und dorthin – und das Frische welkt. Der Staub des Tages legt sich auf Natur und Menschen. Die Welt wird so schwer, dass ihr Gewicht auf uns drückt.

Was können wir tun, um uns die Frische des Morgens lange zu bewahren? – Dankbar nehmen wir die Welt und uns selbst wahr. Dann wünschen wir unseren Mitmenschen, der Natur und uns selbst jeden Morgen den Frieden. Wir segnen die Menschen und die Natur mit unserem Wunsch, dass sie alle den Frieden haben mögen.

Wir denken an die Menschen, die uns am liebsten sind, und wünschen: Der Friede sei mit euch! Wir sehen die Erde, die Bäume, die Wolken an und wünschen: Der Friede sei mit euch! Wir erinnern uns an alle Menschen, denen wir an diesem Tag begegnen werden, und wünschen ihnen: Der Friede sei mit euch!

Durch den Friedenswunsch bleiben die Menschen und die Natur mit Energie und Kraft erfüllt. Sie bleiben sich treu, bleiben in Reinheit und Frische. Der Friedenswunsch, am Morgen ausgesprochen, wappnet uns gegen böse Überraschungen und bedrückende Erfahrungen. Im Frieden sein heißt: bei sich selbst sein, im Gleichgewicht sein, rein und kraftvoll bleiben. Wenn wir, den Friedenswunsch gegenwärtig, durch den Tag gehen, kann uns nichts wirklich verstören. Und sobald unser eigener Friede bedroht ist, finden wir Halt in dem Frieden der Menschen und der Natur.

vertrauen

Wir müssen Vertrauen einüben. Es gilt als modern, die meisten Dinge anzuzweifeln, zu hinterfragen, zu ironisieren. Skepsis und Misstrauen fallen uns leichter, als Vertrauen in die Menschen und in ihre Ideale zu haben. Es fällt uns leichter, unsere Enttäuschungen zu verallgemeinern als unsere positiven Erfahrungen, bei denen sich die Menschen und ihre Ideale bewährt haben. Unsere Klagen finden eher Gehör und Sympathie als unsere Anerkennung. Wie schade, dass wir uns oft dazu zwingen müssen, glücklich über das Glück anderer Menschen zu sein.

Wenn wir unfähig zum Vertrauen sind, berauben wir uns einer der elementarsten Lebenserfahrungen. Das Vertrauen ins Leben – in die Tatsache, dass wir lebendig sind und weiterhin leben werden – ist die Grundhaltung unserer Kindheit gewesen. Damals erschien alles lebensbejahend und kam unseren Bedürfnissen entgegen. Wir konnten essen und trinken, sobald wir danach verlangten. Wir wurden gestreichelt und umhergetragen, ohne es durch eine Leistung zu verdienen. Diese bedingungslose Liebe hat uns tief geprägt. Sie gab uns jenes Urvertrauen, dass das Leben wert ist, gelebt zu werden. Dieses Vertrauen ist tiefster Lebensgenuss. Er vereint uns mit der Schöpfung.

Wie kam es, dass uns dieses Vertrauen, als wir erwachsen wurden, verloren ging?

Der Feind des Vertrauens ist die Angst. Nicht die gesunde, respektvolle Furcht vor dem Höheren ist gemeint, sondern die irrationale, panikartige Angst vor dem Unnennbaren. Sie will uns die Lebensenergie abdrücken. Diese Angst schwitzt Skepsis und Misstrauen aus, sie überschwemmt uns mit pessimistischen Gefühlen. Sie flüstert uns ein, dass nicht Urvertrauen die Grundlage des Lebens ist, sondern Urangst.

Wir können diese Angst nur bekämpfen, indem wir das Vertrauen ins Leben einüben. Es tut not, sich täglich neu zu vergewissern, dass die Schöpfung ist: Die Sonne geht auf, die Wolken ziehen am Himmel vorbei, der Fluss fließt in die Richtung des Meeres, der Baum steht fest in der Erde verwurzelt, der Wind bewegt die Blätter, die Menschen spazieren auf dem Bürgersteig – die Schöpfung ist! Und wir sind inmitten der Schöpfung. Wir atmen in ihr, wir bewegen uns in ihr, wir schlafen und wachen in ihrer Mitte.

atmen

Früher hielt man einem sterbenden Menschen eine Feder unter die Nase. Bewegte sie sich, hieß das, er atmete. Wer atmet, lebt. Der Atem ist jene Tätigkeit, die unser Leben erhält. Am Atem erkennt ein geübter Beobachter sogar, wie wir leben; ob wir ruhig sind oder erregt, fröhlich oder deprimiert, geängstigt oder hochgemut. Wir atmen nämlich kurz oder flach, stoßweise oder tief, der Atem schwingt bis zum Bauch oder kehrt schon von der Brust zu Mund und Nase zurück.

Beängstigend ist, dass wir uns selten des Atems bewusst sind. Wir nehmen nicht wahr, dass wir atmen und wie wir atmen. Unsere Sinne bleiben nach außen gerichtet. Wir sehen und hören, wir freuen uns und sind traurig – und glauben, das seien die wesentlichen Manifestationen unseres Lebens. Aber elementarer sind unsere Atemzüge. Wer einmal keine Luft bekommen hat, kann das bestätigen. Zu atmen ist die elementarste Freiheit, an der wir Menschen uns erfreuen können. Gerade weil Atmen so elementar ist, weist es unmittelbar auf den Schöpfer hin, der – so die Genesis – dem ersten Menschen den Atem eingehaucht hat, damit er lebe.

Deshalb sollten wir uns morgens nach dem Aufstehen als Erstes unseres Atmens bewusst werden. «Ich atme – also lebe ich!» Uns erfüllt Dankbarkeit, dass wir atmen, dass wir weiterleben, Dankbarkeit gegenüber dem Leben und dem, der es geschaffen hat.

Das Einatmen und das Ausatmen in ständigem, gleichmäßigem Rhythmus begleiten uns den ganzen Tag. Ebenso vollziehen alle Rhythmen jenen Wechsel: von der Tätigkeit zum Ruhen, vom Empfangen zum Schenken, vom Sich-Öffnen zum Sich-Zurückziehen. Das kosmische Leben wandelt sich ständig von der Nacht zum Tag, vom Winter zum Sommer, vom Welken zum Erblühen.

Durch den Atem ist unser Leben in diesen Rhythmus eingebunden. Das Einatmen bewegt uns dazu, Energie zu schöpfen, uns zu erholen, gesund zu essen, zu beten, zu meditieren, nachzudenken, Musik zu spielen und zu hören. Das Ausatmen ermutigt uns, an der Welt teilzunehmen, uns an die Menschen zu verschenken, unser Lebenswerk fortzusetzen, für Gerechtigkeit und Frieden zu kämpfen, bereit zum Leid zu sein.

Wenn wir auf diese Weise durch unser Einatmen und Ausatmen bewusst am Leben teilhaben und dabei dem äußeren wie dem inneren Leben gerecht werden, beobachten wir erstaunt, dass wir beginnen, tiefer und regelmäßiger zu atmen. Dadurch werden sogar unsere Stimmungen und Gedanken maßvoller, verhaltener, weil auch sie durch den Atem gestaltet werden.

II

schreiten

Schreiten ist eingeübtes, bewusstes Gehen. Müssen wir dieses Einen-Schritt-vor-den-anderen-Setzen einüben? Das haben wir doch als Kinder getan und längst hinter uns. Achten wir darauf, wie ein Model über den Laufsteg oder ein Schauspieler auf der Bühne geht. Nämlich wie ein Athlet, der durch kalkulierte Bewegungsabläufe von Füßen und Beinen eine maximale Leistung erreicht. Schauspieler wollen zwar keine sportliche Bilanz, aber eine charismatische Wirkung. Durch einen minimalen, präzisen Einsatz von Mitteln erzielen sie eine Aussage. Charisma ist die Fähigkeit, eine Energie oder eine Idee, die im Körper, im Kopf und im Herzen lebt, unmittelbar und ungebrochen nach außen zu projizieren. Die Potenz eines Menschen wird klar und kraftvoll im Äußeren abgebildet und wirkt auf andere Menschen, die Dinge und die Natur ein.

Das charismatische Schreiten drückt Selbstbewusstsein, Stolz, Begeisterung, Schönheitsempfinden, Beherztheit aus. Es sind stets die gehobenen Gefühle, jene also, die sich unabhängig von Lebenszusammenhängen und Menschenumgebung oder trotz ihrer entfalten. Das Schreiten ist geradezu eine Feier unabhängiger Gedanken und Gesinnung. Der Kopf ist erhoben und blickt geradeaus.

Wer schreitet, arbeitet nicht.

Wer schreitet, sieht und beobachtet Horizonte.