Einführung in die Beratungspsychologie - Susanne Nußbeck - E-Book

Einführung in die Beratungspsychologie E-Book

Susanne Nußbeck

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Beschreibung

Zukunftsmarkt Beratung: Zahlreiche AbsolventInnen psychosozialer Studiengange werden in einem Beratungsberuf tätig, von der Ausbildungsberatung bis hin zur Beratung bei Sucht. Dieses Buch vermittelt psychologisches Grundwissen über Beratungskonzepte und -techniken und führt mit praxisnahen Beispielen in die Anwendungsfelder psychosozialer Beratung ein: • beratungsrelevante Grundlagen der Kommunikationspsychologie • Beratungsansätze psychologischer Schulen (Psychoanalyse, Humanistische Psychologie, Verhaltenspsychologie, Systemische Ansätze) • Beratung in der Praxis: Phasen, Settings, Interventionsformen, Beziehungsgestaltung (Burn-out), Qualitätssicherung Ideal für die Prüfungsvorbereitung: die didaktische Aufbereitung mit Marginalienspalte, Glossar und Übungsfragen mit Online-Antworten.

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Seitenzahl: 333

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UTB 2784

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Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Susanne Nußbeck lehrte an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation im Arbeitsbereich Heilpädagogische Psychologie, Diagnostik und Entwicklungsförderung. Ihre Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind Beratung und Begutachtung sowie Entwicklungspsychologie.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

 UTB-Band-Nr.: 2784  ISBN 978-3-8252-5296-0

4. Auflage

© 2019 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: Der Buchmacher, Arthur Lenner, Windach

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuchs

Vorwort von Susanne Zank

1 Einführung

1.1 Historische Entwicklung

1.2 Aktuelle Definitionen von Beratung

1.3 Abgrenzung zu Therapie und Mediation

1.4 Ethische Fragen

1.5 Übungsfragen zu Kapitel 1

2 Grundlagen der Kommunikationspsychologie

2.1 Kommunikationstheorien und Modelle

2.2 Nonverbale Kommunikation

2.3 Übungsfragen zu Kapitel 2

3 Theoretische Konzepte der Beratung

3.1 Von „therapeutischen Schulen“ abgeleitete Beratungskonzepte

3.1.1 Psychoanalytisch orientierte Beratung

3.1.2 Klientzentrierte / Personzentrierte Beratung

3.1.3 Kognitiv-behavioral orientierte Beratung

3.2 Systemorientierte Ansätze

3.2.1 Systemische Beratung

3.2.2 Lösungsorientierte Beratung

3.2.3 Ressourcenorientierte Beratung

3.3 Übungsfragen zu Kapitel 3

4 Der Beratungsprozess

4.1 Settings

4.2 Beratung in Gruppen

4.3 Online-Beratung

4.4 Krisenintervention

4.5 Der Veränderungsprozess

4.6 Diagnostik in der Beratung

4.7 Techniken und Methoden

4.7.1 Konzeptübergreifende Techniken und Methoden

4.7.2 Konzeptspezifische Techniken und Methoden

4.8 Übungsfragen zu Kapitel 4

5 Die Beziehungsgestaltung

5.1 Die helfende Beziehung

5.2 Burn-out

5.3 Übungsfragen zu Kapitel 5

6 Evaluation von Beratungskonzepten und Beratungsprozessen

6.1 Supervision

6.2 Beratungs- und Interventionsforschung

6.3 Qualitätsmanagement

6.4 Übungsfragen zu Kapitel 6

7 Beratungsfelder

7.1 Erziehungs- und Familienberatung

7.2 Beratung in Schule, Aus- und Weiterbildung

7.3 Entwicklungsberatung und Beratung in der Frühförderung

7.4 Beratung bei chronischer Krankheit oder Behinderung

7.5 Beratung bei Abhängigkeit und Sucht

7.6 Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund

7.7 Übungsfragen zu Kapitel 7

8 Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Glossar

Literatur

Sachregister

Online-Antworten zu den Fragen im Buch stehen auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlags unter http://www.reinhardt-verlag.de sowie auf der UTB-Homepage unter http://www.utb-shop.de/ zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches

Zur schnelleren Orientierung werden in den Randspalten Piktogramme benutzt, die folgende Bedeutung haben:

1.Begriffsklärung, Definition

2.Forschungen, Studien

3.Fallbeispiel

4.Fragen zur Wiederholung am Ende der Kapitel

Vorwort

Das Buch von Susanne Nußbeck „Einführung in die Beratungspsychologie“ erscheint nunmehr in vierter Auflage. Das allein ist schon ein Qualitätsmerkmal, denn nicht viele Lehrbücher werden überarbeitet und erneut verlegt. Es enthält einen umfassenden Überblick über Theorie und Praxis insbesondere der psychologischen Grundlagen der Beratung. Das Buch beginnt im ersten Kapitel mit einer allgemeinen, zunächst historischen Einführung, um sich dann den aktuellen Entwicklungen und Definitionen zu widmen.

Grundlagen der Kommunikationspsychologie werden ebenso vermittelt (Kapitel 2) wie theoretische Konzepte der Beratung, die überwiegend auf der Grundlage klinisch-psychologischer Therapieschulen entwickelt wurden. Hier werden im dritten Kapitel psychoanalytische, klientenzentrierte und kognitiv-behaviorale Ansätze ebenso wie systemische Modellvorstellungen kurz und prägnant dargestellt. Dies ist für die LeserInnen sehr wertvoll, da entsprechendes Wissen nicht nur hilft, den „Praxisdschungel“ der großen Beratungsangebote einzuordnen, sondern auch die vielfältigen Aus- und Weiterbildungsangebote kritisch zu prüfen.

Beratung findet in der Regel nicht einmalig statt, stattdessen handelt sich sich um einen Beziehungsprozess mit zwei oder mehreren Personen. Kapitel 4 fokussiert den Beratungsprozess und Kapitel 5 die Beziehungsgestaltung. Diese sind ganz wesentliche Grundlagen des Beratungshandelns, da der Erfolg von Beratung ganz wesentlich von der Beziehung zwischen dem Ratsuchenden und der BeraterIn abhängt. Können Unsicherheiten und Ängste der KlientIn vor der Beratung insoweit überwunden werden, dass die Beratungsstelle betreten werden kann? Ist die Atmosphäre angenehm? Kann sich die Ratsuchende öffnen? Wie geht die BeraterIn mit Kritik um? Dies sind nur einige der wichtigen Fragen, die bei negativen Antworten zum Scheitern der Beratungsbemühungen führen können. Empathie, Kongruenz und Akzeptanz sollten die Grundhaltungen der BeraterIn sein, aber was heißt das konkret? Weitere sogenannte Beratervariablen und Basiskompetenzen, die für die Beziehung entscheidend sind, werden im Kapitel 5 diskutiert. Auch die große Gefahr des Burn-outs wird thematisiert, den gerade sehr engagierte BeraterInnen erleiden können. Es handelt sich um einen anspruchsvollen Beruf, dessen tägliche Herausforderungen mitunter unterschätzt werden.

Erfreulicherweise wird auch der Evaluation und Interventionsforschung ein eigenes Kapitel gewidmet. Es gibt nach wie vor einen Mangel an fundierter Forschung zu Beratungsprozessen, der mit daran liegen mag, dass es kaum universitäre Professuren für Beratung gibt. Die klinisch-psychologische Forschung beschäftigt sich mit den Effekten von Psychotherapie, so dass das viel größere, vielleicht auch komplexere, Praxisfeld der Beratung vernachlässigt wird. Hinzu kommt, dass in der Praxis häufig ein Misstrauen gegenüber Forschung vorzufinden ist, da bezweifelt wird, ob sich ein komplexes Beratungsgeschehen adäquat in der Forschung abbilden lässt. In der Psychotherapieforschung waren ähnliche Bedenken von der Praxis vorgetragen worden, die sehr anspruchsvolle Forschungsmethodenentwicklungen zur Folge hatten. Es wäre äußerst wünschenswert, wenn es einen entsprechenden Entwicklungsschub auch in der Beratungsforschung geben würde.

In Kapitel 7 werden die Beratungsfelder Erziehung und Familie, Schule, Aus- und Weiterbildung, Entwicklung und Frühförderung, Behinderung und chronische Krankheit, Abhängigkeit und Sucht sowie die Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund fokussiert. Das Buch schließt mit der Beschreibung aktueller Entwicklungen, einem Glossar und einer umfangreichen Literaturliste.

Susanne Nußbeck gelingt es, komplexe Sachverhalte sowohl in verständlicher Sprache als auch auf hohem wissenschaftlichen Niveau darzustellen. Zahlreiche Beispiele aus der Praxis machen ihren Text sehr anschaulich und sie greift aktuelle Entwicklungen kompetent auf. Ein Beispiel dafür ist ihre differenzierte Diskussion der Vor- und Nachteile von Online- Beratungsangeboten, deren Verbreitung und somit Bedeutsamkeit erheblich zunehmen wird. Kurzum: Die Leserinnen und Leser gewinnen einen umfassenden, fundierten Einblick in die vielfältigen Themenfelder der psychosozialen Beratung. Ihren Kenntnisgewinn können sie anhand der Übungsfragen am Ende der Kapitel selber überprüfen und sie werden feststellen, dass sie bei aufmerksamer Lektüre viel gelernt haben. Etwas Besseres lässt sich über ein Lehrbuch nicht sagen.

Köln, im Juli 2019 Prof. Dr. Susanne Zank

1 Einführung

Beratung hat eine lange Tradition in vielen Lebensbereichen. Im einführenden Kapitel erhält der Leser einen Überblick über die Entwicklung der Beratungswissenschaften, wie sie sich in der Geschichte in Deutschland und in den angloamerikanischen Ländern darstellt, und darüber, welche Themen heute aktuell sind. „Beratung“ wird von verschiedenen Autoren mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung definiert. Abgrenzungen zu „Therapie“ auf der einen und „Mediation“ auf der anderen Seite, die beide ebenso wie die Beratung auf Veränderungen zielen, von denselben Berufsgruppen ausgeübt werden, oft denselben theoretischen Hintergrund haben und sich häufig gleicher Mittel bedienen, stellen das Spezifische des Konzeptes „Beratung“ heraus. Beratungen geschehen in Kommunikation mit Menschen, die sich in einer Phase der Entscheidungsnot oder Orientierungslosigkeit befinden. Dem Berater kommt daher eine hohe ethische Verantwortung zu, seine Position nicht auszunutzen und dem Klienten nicht zu schaden.

1.1Historische Entwicklung

Beratung ist ein allgegenwärtiges und zeitloses Phänomen. Jeder Herrscher hatte und hat seine Berater, für jeden Anlass finden sich kundige Experten. Mehr oder weniger seriöse Beratung kann man für alle Lebenslagen erhalten. Professionelle Beratung hingegen findet häufig im pädagogisch-psychologischen Bereich und in der Sozialen Arbeit statt, wo sie schon früh institutionalisiert wurde. In der Familien- und Jugendfürsorge gibt es Beratung seit Ende des 19. Jahrhunderts. Seither hat sie einen umfassenden Wandel in ihren Grundannahmen und Zielen durchgemacht.

Geschichte der Erziehungsberatung

Schon im Kaiserreich gab es Beratungen für die Betreuung unehelicher Kinder und Waisenkinder, „Kinderrettungsvereine“, deren „Reiseagenten“ beratende Hausbesuche bei ihrer hilfsbedürftigen Klientel machten (Sommer 1995). Stellen, die für „Beratung in Fragen der Erziehung“ zuständig waren, wurden in Deutschland nach dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 etabliert (Schröder 2004). Die damit verbundenen staatlichen Eingriffsmöglichkeiten in die Familien, die damals – wie auch heute noch – besonders sozial schwache Familien trafen, wurden abgeleitet aus der Maxime, dass jedes deutsche Kind ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit habe (Sommer 1995). Zur Überwachung dieses Anspruchs wurden in den Städten Jugendämter gegründet, deren Leiter meist Verwaltungsfachleute ohne sozialpädagogische Ausbildung waren. Den Jugendämtern angegliedert entstanden Erziehungsberatungsstellen, die oft unter der Leitung von Kinderärzten oder Psychiatern standen (Sommer 1995).

1931 gab es neben den Beratungsstellen der Jugendämter mehr als 100 freie oder kirchliche Erziehungsberatungsstellen (Dietzfelbinger et al. 2003). Beratung umfasste zu der Zeit überwiegend konkreten Informationsbedarf und die Sicherung des Lebens unter als allgemein gültig angenommenen sozialen Norm- und Wertvorstellungen in den Bereichen Bildung, Erziehung, Leben und Beruf (Großmaß 2004b) und verstand sich weniger als Interaktion zwischen Berater und grundsätzlich gleichberechtigten und eigenverantwortlichen Menschen in kritischen Lebenssituationen denn als Hüter einer den gesellschaftlichen Normen entsprechenden Lebensweise.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die in der NS-Zeit gleichgeschalteten und teilweise geschlossenen Beratungsstellen neu gegründet oder umgestaltet. In den fünfziger Jahren gab es Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche und deren Eltern als Erziehungsberatungsstellen auf kommunaler Ebene oder in kirchlichen Trägerschaften. Ehe-, Familien- und Lebensberatung wird jedoch auch noch am Anfang des 21. Jahrhunderts weiterhin überwiegend von den Kirchen angeboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Erziehungsberatung immer noch eher ein autoritäres Fürsorgesystem, in dem Beratung der normativen Lenkung diente (Großmaß 2004b). Nach 1970 nahm die Zahl der Erziehungsberatungsstellen deutlich zu. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) wurde dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung getragen. Vielfältige Lebensentwürfe werden heute akzeptiert, die sich nicht allgemein gültigen Normen unterordnen lassen. Erziehungsberatung wird im Sinne von Hilfe zur Konfliktlösung als Anspruch an die Jugendhilfe festgeschrieben (Menne 2017).

Geschichte der Berufsberatung

Ein zweiter Strang institutionalisierter Beratung in Deutschland entstand 1927 mit dem „Gesetz über die Einrichtung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung – AVAVG“. Damit wurde die staatliche Berufsberatung eingeführt (R. Thiel 2004), die bis 1997 ein Monopol der Arbeitsverwaltung blieb. Die Aufgaben der Berufsberatung waren zunächst die Vermittlung von Lehrstellen und Arbeitskräften (Schröder 2004). Infolge der Ausdifferenzierung des Arbeitsmarktes und der zunehmend vielfältigeren beruflichen Anforderungen wurden später auch individuelle und gesellschaftliche Probleme in die Berufsberatung einbezogen. Sie wurde damit zur Einzelberatung, zur Hilfe zur Selbsthilfe, fast eine „Kurztherapie“ bei Vermittlungsproblemen, die in der Person des zu Vermittelnden gesehen werden. Assessments, testpsychologische Feststellung der Fähigkeiten, um Personen an Stellen anzupassen, wurden weitere Bereiche der Berufsberatung.

Wandel des Verständnisses von Beratung

In den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts kam es aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen, die durch die Studentenbewegung von 1968 ausgelöst wurden, zu einem intensiven Ausbau des Beratungsangebotes, das dann zunehmend psycho-soziale Beratung umfasste (Schröder 2004). Beratung wird nun ein stärker psychologisches Hilfeangebot, das sich an den Bedürfnissen und Problemlagen der Klientel orientiert. Die Vermittlung von Informationen und das Anpassen an Wertvorstellungen der Gesellschaft traten in den Hintergrund und Beratung rückte in die Nähe von psychotherapeutischen Verfahren. Besonders die Anregungen aus der humanistischen Psychologie wurden übernommen und die Techniken der klientzentrierten, nicht-direktiven Gesprächsführung werden bis heute als Basisqualifikation für Psychologen und Sozialpädagogen angesehen. Mit der systemischen Sicht auf Familien und andere Gruppierungen, in denen Menschen leben, änderte sich der Blick auf die Problemlagen. Nicht mehr die einzelne Person steht im Vordergrund der Erziehungs-, Ehe- oder Lebensberatung, sondern das System, in dem die Person lebt und das sie mit konstituiert.

Felder psycho-sozialer Beratung

Pädagogik und Soziale Arbeit sind nach wie vor die wichtigsten Felder psychologischer Beratung. Die Bereiche, in denen sie angeboten wird, weiteten sich jedoch aus. Seit den sechziger Jahren etablierte sich Bildungsberatung als neuer Zweig (Schröder 2004), der Orientierungs- und Entscheidungshilfen bei der Realisierung individueller und gesellschaftlicher Bildungsziele beinhaltet. Studienberatung als Weiterführung der Bildungsberatung entstand nicht zuletzt aufgrund sich immer weiter ausdifferenzierender Studienangebote, die kaum mehr überschaubar waren (Stiehler 2004). Selbsthilfegruppen zu allen Wechselfällen des Lebens formierten sich in den siebziger Jahren (W. Thiel 2004). Der Psychiatrie-Enquête (1975) folgten sozialpsychiatrische Reformen und entsprechende Beratungs- und Betreuungsangebote für psychisch kranke Menschen (v. Kardorff 2004). Beratung wird in vielen Feldern des sozialen Lebens als unabdingbar angesehen, und eine Beratungspflicht in manchen Bereichen auch zur Voraussetzung für Entscheidungen gemacht: So ist die Schwangerschaftskonfliktberatung bei gewünschtem Abbruch der Schwangerschaft seit 1976 vorgeschrieben (Koschorke 2004), vor die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe oder der Agentur für Arbeit ist ein Beratungsgespräch gesetzt. Mit dem Drogenproblem, das seit den siebziger Jahren zu einem besonderen Problem der Jugendhilfe wurde, kamen Drogen- und Suchtberatungsstellen hinzu (Vogt / Schmid 2004). Heute gibt es Beratungsstellen für praktisch alle Lebens- und Problemlagen.

Ausbildung für Berater

Angesichts dieser Entwicklungen wird wohl niemand die Notwendigkeit einer Ausbildung in Beratungsmethoden und -kompetenzen bestreiten. Beratung wird in allen Feldern menschlicher Entwicklung und zwischenmenschlicher Konfliktmöglichkeiten und von Organisationen, die sich mit diesen Problemen befassen, als wichtiges Element angesehen. Weiterbildende, berufsbegleitende Studiengänge und Masterstudiengänge an (Fach)Hochschulen und privaten Hochschulen mit unterschiedlichen Schwerpunkten haben sich etabliert. In der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB) haben sich 21 Verbände zu einem Dachverband zusammengeschlossen und ein Konsenspapier zum Beratungsverständnis herausgegeben, das u.a. eine Weiterbildung auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Studiums vorsieht und ständige Qualitätssicherung fordert (DGfB 2003). Der Trend geht also auch in Deutschland in Richtung auf eine vereinheitlichte und Qualitätsansprüchen genügende, anerkannte Ausbildung psycho-sozialer Berater.

Counseling in den USA

In den angloamerikanischen Ländern hat sich eine eigene Beratungswissenschaft schon länger etablieren können. In der von Witmer am Ende des 19. Jahrhunderts eröffneten psychologischen Klinik und der nachfolgenden Child-Guidance-Bewegung, die sich heilpädagogisch und erzieherisch Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten widmete, liegen ihre Ursprünge (Rechtien 2004b). Die Tatsache, dass psychisch kranken und entwicklungsgestörten Kindern durch therapeutische Interventionen geholfen werden konnte, veränderte den Blick in der Öffentlichkeit und führte in der Psychologie dazu, mehr auf das Entwicklungspotential zu achten als auf Defizite, die überwunden werden müssen (Gelso / Fretz 1999). Die Entwicklung zu einer eigenen Disziplin schlägt sich in den USA durch die Gründung einer Division „Counseling and Guidance“ der American Psychological Association (APA) bereits im Jahr 1946 nieder. Ausbildungsrichtlinien werden von der APA herausgegeben und sorgen so für einen professionellen Standard.

Counselling in Großbritannien

In England wurde 1970 die „Standing Conference for the advancement of counselling“ gegründet, die 1977 in die British Association for Counselling (BAC) überging. Im Jahr 2000 wurde mit der Erweiterung des Namens in British Association for counselling and psychotherapy (BACP) die fachliche Nähe von Beratern und Therapeuten deutlich, die in England gegenüber dem Ratgeben, Überwachen und der Sozialen Arbeit stärker als in Deutschland betont wird (Feltham 2004). 2018 wurde das „Ethical framework“ überarbeitet, wobei insbesondere ein evidenzbasiertes Vorgehen in der Beratung betont wird (BACP 2018).

Empowerment

Im Zuge der in den sechziger Jahren in den USA entstandenen „Community Psychology“, im Deutschen als Gemeindepsychologie übersetzt, kam der Empowerment-Gedanke (Rappaport 1985) in die Beratungskonzepte. In der Gemeindearbeit ging es zunächst um ein gemeindenahes Versorgungssystem zur Bekämpfung von Rassenunruhen und Armut. Heute wird unter Empowerment, „Selbstbefähigung“, meist die „Hilfe zur Selbsthilfe“, das Wecken eigener Ressourcen der Ratsuchenden, verstanden. Der Blick auf die Stärken statt auf die Defizite der Klientel führt zu einer veränderten Sicht des Beratungsauftrages. Die Förderung von Ressourcen und Gesundheit der Klienten steht heute stärker im Mittelpunkt der Beratung (Brandes/Stark 2019).

Supervison

Seit Beginn der neunziger Jahre spielt Qualitätssicherung in den heute vielfältigen Beratungsanlässen und -institutionen eine immer bedeutendere Rolle (Vogel 2004). Besonders die verschiedenen Formen der Supervision haben sich hier etabliert (Pühl 2004). Beratung hat sich von einer reinen Informationsvermittlung und Anleitung zu normkompatibler Lebensführung zu differenzierten Konzepten gemeinsamen Problemlösens unter wissenschaftlichen Standards und Kontrolle entwickelt.

1.2Aktuelle Definitionen von Beratung

Beratung ist ein der Alltagssprache entlehnter Begriff. Man berät sich, wenn mehrere Personen mit einer Sache befasst sind, man sucht den Rat eines Vertrauten, von dem man annimmt, dass er einem wohl gesonnen ist, manchmal erhält man ungebeten gut gemeinte Ratschläge und manchmal wird sogar gedroht: „Ich rate dir gut …!“. Ge- und beraten wird in allen Lebenslagen und in allen Bereichen: Finanzberatung, Ernährungsberatung, Rechtsberatung, Berufsberatung, Studienberatung, Modeberatung … – die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden. Beratung als Vermittlung von Informationen und Anstoß zu Veränderungen findet sich mehr oder weniger explizit und institutionalisiert in praktisch allen Berufsfeldern, wohingegen ausgearbeitete Konzepte eher selten sind.

Gibt man in eine Literatursuchmaschine den Begriff „Ratgeber“ ein, erhält man eine Flut von Treffern, die die Zahl von 10.000 deutlich überschreitet. Von der „Anleitung zum Unglücklichsein“ (Watzlawick 1983) über die „Entdeckung der Faulheit“, Ratschläge sich bei der Arbeit möglichst wenig anzustrengen (Maier 2005), bis hin zu konkreten Ratgebern für alle Wechselfälle des Lebens findet man mehr oder weniger brauchbare Titel, deren Autoren oft trivialen psychologischen Erklärungsmustern folgen und ihre Lebensweisheiten beratend weitergeben wollen.

Was aber unterscheidet diese Art der Beratung von professioneller, psychologischer Beratung? Psychologisch-pädagogische Beratung geht über das reine Übermitteln von Informationen hinaus. Sie ist

Beratung

„ein zwischenmenschlicher Prozess (Interaktion), in welchem eine Person (der Ratsuchende oder Klient) in und durch die Interaktion mit einer anderen Person (dem Berater) mehr Klarheit über eigene Probleme und deren Bewältigung gewinnt. Das Ziel der Beratung ist die Förderung von Problemlösekompetenz.“ (Rechtien 2004b, S. 16)

Beratung spielt sich also immer in einem Interaktionsprozess zwischen zwei Menschen ab, welcher Art die Interaktion ist und welche Kompetenzen den Berater befähigen, die Problemlösekompetenz des Ratsuchenden zu fördern, bleibt in dieser Definition jedoch offen. Dietrich (1983) definiert wesentlich differenzierter:

„Beratung ist in ihrem Kern jene Form einer interventiven und präventiven helfenden Beziehung, in der ein Berater mittels sprachlicher Kommunikation und auf der Grundlage anregender und stützender Methoden innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraumes versucht, bei einem desorientierten, inadäquat belasteten oder entlasteten Klienten einen auf kognitiv-emotionale Einsicht fundierten aktiven Lernprozeß in Gang zu bringen, in dessen Verlauf seine Selbsthilfebereitschaft, seine Selbststeuerungsfähigkeit und seine Handlungskompetenz verbessert werden können.“ (Dietrich 1983, S. 2)

Der Berater muss die grundlegenden Handlungsmuster der Diagnostik, Intervention und Evaluation kennen, um beratend tätig zu werden, aber auch nicht jede Person kann für Dietrich Klient sein. Sie muss einen „Problemdruck“ haben, sich belastet fühlen, und das Bedürfnis zur Veränderung haben. Unter „Belastung“ versteht Dietrich übermäßige Anforderungen, unter „Entlastung“ ein ebenso schädliches Fehlen von Anforderungen. Die Person muss über bestimmte reflexive und sprachliche Voraussetzungen verfügen, sie muss sich selbst und die Welt, in der sie lebt, für grundsätzlich veränderbar halten und muss ein Minimum an Willen zur Eigeninitiative aufbringen (Dietrich 1983). In dieser Definition wird nicht auf die Beziehung zwischen Ratsuchendem und Berater eingegangen (Sander 2004), die in der Arbeit mit den Klienten eine zentrale Rolle spielt. Auch schließen die von Dietrich formulierten Anforderungen an die Klienten eine Beratung, wie sie vielfältig im Rahmen der Familienarbeit mit Multiproblemfamilien „verordnet“ wird, praktisch aus.

Die Definition von Nestmann, Engel und Sickendiek (2004, S. 599)

„Beratung ist eine vielgestaltige, sich ständig verändernde und durch viele interne und externe Einflussfaktoren bestimmte professionelle Hilfeform. Sie unterstützt in variantenreichen Formen bei der Bewältigung von Entscheidungsanforderungen, Problemen und Krisen und bei der Gestaltung individueller und sozialer Lebensstile und Lebensgeschichten“

geht weniger auf die individuellen Voraussetzungen von Berater und Ratsuchendem ein, sondern macht auf die unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Konzepte aufmerksam und betont Unterstützung und Hilfe durch den Berater. Um dieses leisten zu können, braucht der Berater spezifisches Fachwissen, um mit dem Ratsuchenden kompetent Handlungsalternativen, Berücksichtigung gesetzlicher Vorgaben, Erklärungsmöglichkeiten oder Gefährdungen erarbeiten zu können. Andererseits braucht er allgemeine Kompetenzen der Beratungsmethoden, Gesprächsführung, diagnostisches Wissen und ein Wissen um Kommunikationsmodelle, Interaktionsprozesse und Beziehungsaufbau. „Beratung“ ist damit sehr offen definiert und läuft Gefahr, unbestimmt und diffus zu bleiben.

Etwas konkreter Informationsvermittlung und aktive Beteiligung beider Interaktionspartner vereinend definieren Schwarzer und Posse (1986, S. 634) Beratung als

„eine freiwillige, kurzfristige, oft nur situative, soziale Interaktion zwischen Ratsuchendem (Klienten) und dem Berater mit dem Ziel, im Beratungsprozess eine Entscheidungshilfe zur Bewältigung eines vom Klienten vorgegebenen aktuellen Problems durch Vermittlung von Informationen und / oder Einüben von Fertigkeiten gemeinsam zu erarbeiten.“

Alle Definitionen beinhalten den Gesichtspunkt der Unterstützung und Hilfe für einen Ratsuchenden bei der Lösung eines Problems und betonen die eigene, aktive Beteiligung des Ratsuchenden am Beratungsprozess, ohne die das Ziel der Beratung nicht erreicht werden kann. Beratung stellt sich damit als ein interaktiver Prozess dar, der bestimmten Regeln folgt, die dazu beitragen sollen, dass der Ratsuchende selbst einen Weg zur Lösung seines Problems oder zu einer Entscheidung findet.

Beratung

■ Beratung ist ein zwischenmenschlicher Prozess in sprachlicher Kommunikation.

■ Beratung dient neben der Vermittlung von Informationen der Verbesserung der Selbststeuerung und dem Aufbau von Handlungskompetenzen, der Orientierung und Entscheidungshilfe, der Hilfe bei der Bewältigung von Krisen.

■ Der Ratsuchende ist veränderungswillig, sucht die Beratung in der Regel freiwillig und ist aktiv am Prozess beteiligt.

■ Der Berater braucht Fachwissen über das Problemfeld und Beratungswissen zur Beziehungsgestaltung.

1.3Abgrenzung zu Therapie und Mediation

Beratung, Mediation und Therapie zielen auf Veränderung, das Auslösen von Lernprozessen und Entwickeln neuer Handlungsmuster ab. Sie bedienen sich der gleichen zumeist aus psychotherapeutischen Konzepten abgeleiteten Mittel. Auch Beratungsmethoden haben ihre Wurzeln in Techniken und Erklärungsmustern der Psychoanalyse, der Gesprächstherapie, der Gestalttherapie oder der Verhaltenstherapie. In Therapie und Beratung arbeiten überwiegend dieselben Berufsgruppen: Psychologen, Pädagogen, Mediziner, Sozialpädagogen, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Sowohl bei der Beratung als auch bei der Therapie geht es um zwischenmenschliche Beziehungen und persönliche Konflikte, die mit Hilfe kommunikativer Mittel bewältigt werden sollen. So ist es verständlich, dass manche Autoren keinen Unterschied zwischen beiden sehen, wenn Therapie und Beratung zum Ziel haben, „menschliches Leid zu lindern, Probleme zu lösen und dem Menschen zu einem zufriedeneren Leben zu verhelfen“ (Argelander 1985, S. 10). Der Unterschied besteht dann allein in der Dauer des Prozesses, so dass Beratung zur „Kleinen Therapie“ wird (Dryden / Feltham 2006; Rogers 1972).

Therapie

Bei aller Gemeinsamkeit gibt es dennoch gravierende Unterschiede. Therapie als im Bereich der Heilkunde angesiedelte Behandlung psychischer Störungen befasst sich grundsätzlich mit Phänomenen von Krankheitswert. Sie ist seit 1998 institutionell verankert durch das Psychotherapeutengesetz (PsychThG), setzt eine Approbation des Therapeuten voraus und wird im Allgemeinen über die Krankenkassen finanziert. Psycho-soziale Beratung dagegen wird meist für die Ratsuchenden kostenfrei von Beratungsstellen in öffentlicher oder kirchlicher Trägerschaft angeboten. Zunehmend entstehen jedoch auch freie Praxen für Lebensberatungen aller Art, möglicherweise als Folge des Psychotherapeutengesetzes, das nicht allen langjährigen psychologischen Psychotherapeuten Approbation und Kassenzulassung gewährt. Beratung dient der Überwindung persönlicher und sozialer Schwierigkeiten außerhalb der Heilkunde. Sie bedeutet Kompetenzerweiterung und Entscheidungshilfen bei Orientierungsbedarf in bestimmten Bereichen der Lebensführung, ohne dass grundsätzlich eine Störung der Person oder des Systems angenommen wird. Die angenommene selbständige Veränderungsfähigkeit des Klienten einer Beratung kann als ein wesentlicher Unterschied zur Therapie angesehen werden, bei der der Veränderungsprozess selbst im Mittelpunkt steht.

Beratung

Beratung befasst sich mit relativ ungestörten Personen, sie fokussiert Stärken und Ressourcen des Ratsuchenden in seiner Interaktion mit der Umwelt und in einer zeitlich begrenzten Dauer (Gelso / Fretz 2001) und betont damit stärker das Wohlbefinden und die Selbstwirksamkeit gegenüber der Fehlanpassung oder Störung. Beratung kommt damit auch eine präventive und entwicklungsfördernde Rolle zu. Beratung im psycho-sozialen Feld braucht daher Kompetenzen in allen Teildisziplinen der Psychologie, also in der Entwicklungspsychologie, der Differentiellen Psychologie oder Diagnostik, in der Sozialpsychologie und der Allgemeinen Psychologie (Schröder 2004).

Mediation

Mediation ist in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts als außergerichtliches Einigungsverfahren bei Trennungen, tariflichen Auseinandersetzungen, im kommunalen Bereich oder Konflikten über öffentliche Entscheidungen entstanden (Bastine / Theilmann 2004). Mediation ist heute ein Vermittlungsverfahren, bei dem zwei oder mehr Personen, die in Konflikt über eine Sache geraten sind, sich in ihren Meinungen „festgefahren“ haben und sich nicht einigen können, durch die Vermittlung einer neutralen, allparteilichen Person, dem Mediator, zu einer eigenen Lösung kommen. Die Mediation dient der Erlangung einer selbstbestimmten und einvernehmlichen Regelung, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt. Sie zielt darauf ab, dass die uneinigen Partner den Standpunkt des anderen besser verstehen und dass eine konkrete Lösung erarbeitet wird. Sie hat auch präventiven Charakter, indem sie die Problemlösekompetenz der beiden Partner für zukünftige Konflikte stärkt. Das Vorgehen der Mediation ist rein lösungsorientiert, strukturiert und fokussiert das Streitthema. Dies unterscheidet sie von der Paarberatung, bei der es um die Bearbeitung bestehender Konflikte geht (Bastine / Theilmann, 2004). Mediation wird häufig im Vorfeld von gerichtlichen Auseinandersetzungen eingesetzt, um eine einvernehmliche Lösung selbst zu erarbeiten, statt sich der Vorgabe eines Richters beugen zu müssen. Mediation bedient sich zwar bei der Formulierung eines Konfliktes ähnlicher Mittel wie die Beratung, sie hat aber nicht die Veränderung der Personen, sondern allein die Lösung des Konfliktes zum Ziel.

Unterschiede Beratung – Therapie – Mediation

Auch wenn es mehr oder weniger deutliche Überschneidungen gibt, lassen sich die drei Konzepte sowohl inhaltlich als auch im Vorgehen als auch rechtlich voneinander unterscheiden (siehe Tabelle 1). Der Zugang zum Beratungsangebot ist offen für alle Ratsuchenden, der zur Therapie höher schwellig durch eine Begutachtung der Therapiebedürftigkeit, eine Diagnose von Krankheitswert im Zusammenhang mit der Kostenübernahme. In der Beratungssituation gibt es ein klares Angebot in Bezug auf die Lösung eines definierten Problems, in der Therapie wird das grundlegende Problem oft erst erarbeitet, während die Mediation sich auf die Vermittlung in Konfliktsituationen beschränkt.

Tab. 1: Einige Unterschiede zwischen Therapie, Beratung und Mediation

1.4Ethische Fragen

Menschenbild

Auch Berater unterliegen, wie alle Menschen, den Normen und Werten der Gesellschaft, in der sie leben, die sie in ihrem Sozialisationsprozess internalisiert haben und die ihr Menschenbild prägen. Dies bestimmt auch ihre Haltung zum Klienten. Ein Beschreiben von Problemen unabhängig von diesen Normen und dem Menschenbild des Beraters ist ebenso unmöglich wie eine ethisch völlig neutrale beraterische Grundhaltung (Schrödter 2004). Berater müssen daher ihre Haltung zum Klienten und ihre Motivation zum Eingreifen beständig reflektieren.

Missbrauch und Manipulation

Klienten, die Rat suchen, sind in der Regel belastet und verletzlich und infolgedessen empfänglich für Missbrauch und Manipulation. Berater erheben den Anspruch, hilfreich für den Ratsuchenden zu sein, Beratungsprozesse können in manchen Fällen jedoch auch schädlich sein. Nutzen und möglicher Schaden von Beratung müssen gegeneinander abgewogen werden. Der Berater muss sich der Grenzen seiner Kompetenzen bewusst sein und sie einhalten. Sein Handeln muss geleitetet sein von theoretischen und empirischen Kenntnissen über Prozesse des Interaktionsgeschehens, aber auch Kenntnisse hinsichtlich des problematischen Sachverhaltes sind erforderlich. Insbesondere konfrontative oder paradoxe Techniken, die manchmal in der Beratung angewendet werden, können unangemessen sein, wenn sie den Ratsuchenden psychisch destabilisieren, von zweifelhaftem theoretischen Wert sind oder den Klienten be- statt entlasten. Im Einzelfall sind Kosten und Nutzen einer Beratungssituation oft schwer zu prüfen, so dass ständige hypothesengeleitete Reflexion des Vorgehens und kollegiale Supervision als Kontrolle der beraterischen Tätigkeit und Schutz vor Verstrickungen des Beraters in die Probleme seines Klienten nötig sind.

asymmetrischer Prozess

Beratung geschieht bei aller Anerkennung des Ratsuchenden als gleichberechtigter Partner immer in einem asymmetrischen Prozess zwischen einem Rat oder Hilfe suchenden Klienten und einem Berater, der die Hilfe zu geben vermag. Der Ratsuchende hat demnach die Erwartung, dass der Berater ihm aus einer subjektiv als hilflos erlebten Situation heraushilft, während der Berater die Kompetenz hat, dies zu tun. Der Berater setzt den Rahmen, wie Situation und Beziehung gestaltet werden, darf diese Definitionsmacht aber nicht in eine allgemeine Machtposition gegenüber dem Ratsuchenden umwandeln. Die Würde des Ratsuchenden als eigenständiger, unabhängiger und sein Leben grundsätzlich selbst verantwortender Mensch muss jeder Zeit gewahrt bleiben.

Beziehung zum Berater

In der Beratung kommen oft sehr persönliche und manchmal auch tabuisierte Themen zur Sprache. Dies schafft eine Nähe in der Interaktion zwischen Berater und Ratsuchenden, die manchmal vom Klienten als persönliche Beziehung zum Berater fehlgedeutet wird. Es versteht sich von selbst, dass der Berater diese Offenheit der Beratungssituation nicht zu einer ausbeuterischen oder intimen Beziehung ausnutzen darf.

Idealerweise steht der professionelle Berater in keiner anderen als der Beraterbeziehung zum Klienten, um mögliche Abhängigkeiten zu vermeiden. Besonders im pädagogischen Feld ist dies manchmal nicht gegeben, wenn der Beratungslehrer einer Schule gleichzeitig ein Lehrer des Rat suchenden Schülers ist. Dass es hier zu einer Rollenkonfusion kommen muss und der Schüler sich dem Beratungslehrer bei Problemen, die über reine Schullaufbahnberatung hinausgehen, nicht ausreichend öffnen kann, liegt auf der Hand.

Schweigepflicht

Der Ratsuchende vertraut dem Berater, Verständnis für seine Problemlage zu haben, ihm bei ihrer Lösung zu helfen, sich einer normativen Verurteilung seiner Verhaltensweisen zu enthalten und das in der Beratungssituation Erfahrene nicht weiterzugeben. Der Ratsuchende muss sich der absoluten Verschwiegenheit des Beraters sicher sein. Da, wo eine Weitergabe von Informationen an Dritte nötig erscheint, muss der Ratsuchende vorher darüber aufgeklärt werden und einverstanden sein. Manchmal werden Dokumentationen von Beratungsverläufen in Akten weitergegeben, vornehmlich an Kostenträger, so dass die Vertraulichkeit nicht immer gegeben ist. Auch in Gruppenberatungen ist zwar der Leiter zum Schweigen verpflichtet, nicht jedoch die übrigen Teilnehmer (Linden/Helmchen 2018). Problematisch ist, wenn im Verlauf der Beratung geplante oder bereits begangene strafbare Handlungen, beispielsweise Kindesmisshandlungen oder Missbrauch, offenbar werden, eine Suizidgefährdung erkennbar ist oder andere Personen geschützt werden müssen, wie bei einer HIV-Infektion des Ratsuchenden oder einer Bedrohung Dritter. Dann steht der Berater vor dem Dilemma, Rechtsgüter gegeneinander abwägen zu müssen, den Beratungsprozess zu gefährden oder geeignete Möglichkeiten zu finden, die Information weiterzugeben, ohne die Schweigepflicht zu brechen. Dann kann der Berater nicht mehr nur im Sinne des Klienten, sondern muss auch im Sinne gefährdeter Dritter handeln (McLeod 2013a).

Freiwilligkeit

Grundsätzlich setzt effektive Beratung Freiwilligkeit voraus. Diese Voraussetzung ist in der Praxis nicht immer gegeben, wenn beispielsweise gesetzliche Beratungspflicht bestimmt ist oder von Gerichten oder anderen Institutionen Auflagen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, gemacht werden. Eine solche „Verordnung“ von Beratung belastet die beratende Beziehung und macht zunächst einen Prozess der Vertrauensbildung nötig, so dass der Klient sich öffnen und das Beratungsangebot annehmen kann (Glöckler 2013). Dies gelingt nicht immer und darf dem Klienten nicht schuldhaft angelastet werden, so dass der Berater möglicherweise persönlich betroffen ist, wenn seine Angebote verschmäht werden.

Motivation des Beraters

Die Motivation des Beraters, helfend tätig zu werden, kann ganz unterschiedlich sein. Ein gelegentlicher Ratgeber hat meist persönliche Motive, die in der Beziehung zum Ratsuchenden liegen, dessen Wohlergehen ihm wichtig ist, den er vor Schaden bewahren oder dem er einfach seine Lebensweisheit weitergeben will. Der professionelle Berater hat ebenfalls offene und auch verdeckte Motive, gerade diese Rolle einzunehmen, über die er sich klar sein muss, will er sich nicht in der helfenden Beziehung in eigene Probleme verstricken.

Ökonomisierung der Hilfe

Die Professionalisierung helfender Beziehung führt auch zu ihrer Ökonomisierung. Der Berater verdient, ähnlich wie der Therapeut oder der Arzt, sein Geld mit den Problemen anderer Menschen. Wenn der Ratsuchende auf den Kostenfaktor reduziert wird, kann das die Regulation des Beratungsprozesses belasten, indem er beispielsweise nicht rechtzeitig beendet wird. Bei institutionalisierter Beratung in öffentlichen Stellen, stellt sich dieses Problem weniger, weil die Berater unabhängig von den finanziellen Beiträgen der Klienten bezahlt werden. Es kann jedoch bei drohender Schließung und dem erforderlichen Nachweis der Notwendigkeit einer Beratungsstelle dazu kommen, dass Beratungsverhältnisse unnötigerweise begonnen oder in die Länge gezogen werden.

Beratungsrecht

Es gibt kein allgemeines Beratungsrecht, das Rechtsnormen für Verantwortlichkeiten im Beratungsprozess festlegt. Entsprechende Hinweise finden sich in den Sozialgesetzen, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII), im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Strafrecht, im Psychotherapeutengesetz (PsychThG) oder in den gesetzlichen Grundlagen zur Ausübung des Heilpraktikerberufes (Barabas 2004). Die ethische Verantwortung für den Beratungsprozess ist in das Ermessen des einzelnen Beraters gestellt, der sich wiederum an den Statuten seines Berufsverbands orientieren kann, die meist ethische Grundsätze beinhalten. Für ein berufsregelndes Gesetz, um Fachlichkeit und Vorbildung des Beraters zu garantieren, wäre ein einheitliches Berufsbild des Beraters allerdings hilfreich (Barabas 2004).

1.5Übungsfragen zu Kapitel 1

1. Was sind Felder psycho-sozialer Beratung?

2. Wie kann man Beratung definieren?

3. Was ist das allgemeine Ziel von Beratung?

4. Was unterscheidet Beratung von Therapie?

5. Welche ethischen Grundsätze muss ein Berater einhalten?

6. Welche Probleme können sich in der Beziehung zwischen Berater und Klient ergeben?

2 Grundlagen der Kommunikationspsychologie

Kommunikation als Form zwischenmenschlicher Beziehungen ist Gegenstand unterschiedlicher Wissenschaften und bildet die Grundlage vieler Anwendungsbereiche. Verschiedene Kommunikationsmodelle, die die Schwerpunkte unterschiedlich setzen, mehr die Kanäle der Übertragung, mehr die sprachliche Kommunikation, mehr den herbeizuführenden Konsens, die kommunikative Kompetenz, mehr den Wechsel der Perspektiven oder die kollaborative Konstruktion von Bedeutungen fokussieren, sind entwickelt worden und finden ihre Entsprechungen in den Beratungskonzepten.

Zweifellos und für den naiven Betrachter selbstverständlich geschieht Kommunikation hauptsächlich in Sprache. Nonverbale, unmittelbar verständliche, aber schwer bewusst kontrollierbare Anteile spielen jedoch eine große Rolle bei der gegenseitigen Verständigung. Kommunikative Handlungen werden durch Mimik, Blickverhalten, parasprachliche Mittel und Körperhaltung gesteuert, soziale Rollen oder das Selbst dargestellt und gewünschte Eindrücke vermittelt. Dem Berater nützt die Kenntnis nonverbaler Kommunikationsmittel, um die Botschaften seines Klienten zu verstehen, sein eigenes Verhalten zu kontrollieren und sich auf den Klienten einzustellen.

2.1Kommunikationstheorien und Modelle

Beratung geschieht in Interaktion und verbaler Kommunikation zwischen Ratsuchendem und Berater in einem wechselseitigen Prozess. Impulse aus den verschiedensten Wissenschaften, der Philosophie, der Soziologie, der Sprachpsychologie, der Sozialpsychologie, der Technologie, um nur einige zu nennen, bestimmen die heutige Kommunikationspsychologie, die wiederum für viele Anwendungsbereiche, wie Medienwissenschaften, Werbung und eben auch Beratung Grundlagen schafft. Erkenntnisse aus der Kommunikationspsychologie sind hilfreich, wenn man verstehen will, was im Beratungsprozess geschieht, warum sich Ratsuchende unverstanden fühlen können, Berater manchmal glauben, „gegen eine Wand zu reden“, vermeintliche Klarstellungen doch nicht klar sind und Missverständnisse auftreten.

Der Begriff „Kommunikation“, abgeleitet aus dem lateinischen „communicare“, was u. a. „miteinander besprechen, mitteilen“ bedeutet, ist im Deutschen über die Nachrichtentechnik zu seiner heutigen Bedeutung und Verbreitung gekommen, obwohl er schon lange bekannt war. So sind frühe Kommunikationsmodelle auch der Nachrichtentechnik entlehnt.

Sender-Empfänger-Modell

In dem bereits 1949 entwickelten, aber heute noch oft als grundlegend angenommenen Modell (siehe Abbildung 1) wird von einer Informationsquelle ausgegangen, einem Sender mit einem gewissen Vorrat an Zeichen, mit dem er seine Nachricht verschlüsselt, über einen Informationskanal weitergibt an einen Empfänger, der ebenfalls einen Vorrat an Zeichen hat, mit dem er die Nachricht entschlüsselt und in seinen Informationsspeicher aufnimmt. Sender und Empfänger müssen natürlich die gleiche Kodierung verwenden, wenn sie erfolgreich kommunizieren wollen, und auf dem Weg der Übertragung können Störungen auftreten, die die ordnungsgemäße Weitergabe der Information gefährden (Shannon / Weaver 1949). In diesem rein technologischen Modell geht es hauptsächlich um die Übertragung, die Kanalkapazität, also die Menge und Güte der Daten, die übermittelt werden kann. Inwieweit die Zeichen bei Sender / Sprecher und Empfänger / Hörer tatsächlich identisch sind, wird ebenso vernachlässigt, wie die wechselseitige Abhängigkeit, indem jeder Sender gleichzeitig Empfänger sein kann. Welche Bedeutung und welche Funktion die Kommunikation für Sender und Empfänger hat, wird in diesem technischen Modell ebenfalls nicht beachtet, die Bedeutung ist eine Eigenschaft der Botschaft selbst. Das war von den Autoren als Mitarbeiter der „Bell Telephone Laboratories“, denen es um eine möglichst störungsfreie Übertragung ging, auch nicht anders beabsichtigt (Frindte 2001).

Abb. 1 Kommunikationsmodell von Shannon & Weaver (1949)

Besonderheiten menschlicher Kommunikation

Neben der Übertragung von Nachrichten, wie im Modell von Shannon und Weaver dargestellt, zeichnet sich menschliche Kommunikation aber durch Besonderheiten aus, die über die reine Übermittlung klar definierter Botschaften hinausgehen. Kommunikation ist immer eingebettet in den Lebenskontext der Personen, die miteinander kommunizieren. Ihre je eigenen Erfahrungen, Einstellungen, Absichten und Motive fließen in ihr Kommunikationsverhalten ein. Kulturelle Regeln bestimmen, wer mit wem wie reden darf. Mit fremden Personen bleibt man zurückhaltender, gibt ihnen nicht alles preis und wartet erst einmal ab, „mit wem man es zu tun hat“. Mit einem guten Freund kann man anders reden als mit seinem Chef und zu Hause in vertrauter Umgebung anders als im Büro.

Uneindeutigkeit von Begriffen

Sprachliche Begriffe sind nicht eindeutig. Der gleiche Sachverhalt kann unterschiedlich ausgedrückt werden. Man kann sagen: „Ich fühle mich nicht wohl“ oder „Es geht mir schlecht“, um einen momentanen psychischen oder physischen Zustand zu beschreiben. Dasselbe Wort kann unterschiedliche Bedeutungen haben und wird nur aus dem Kontext verständlich. „Wann kommt der nächste Zug?“, hat auf dem Bahnsteig sicher eine andere Bedeutung als bei einem Schachspiel. Wie man einen Satz versteht, hängt von einer Vielzahl von zusätzlichen expliziten (konkret ausgedrückten) und impliziten (gemeinten, nicht ausgedrückten) Informationen ab, die für seine Interpretation nötig sind. Die Bedeutung einer Äußerung kann also nie allein wörtlich verstanden werden, sondern ergibt sich aus der wörtlichen Bedeutung und einem nicht vollkommen bestimmbaren Komplex von Hintergrundannahmen (Searle 1985). Wegen dieses Backgrounds, der Hintergrundannahmen, kann eine Wortbedeutung nie völlig erklärt werden, weil jede Explikation eine neue nach sich zöge, so dass eine unendliche Spirale von weiteren Explikationen entstünde.

Erwerb von Begriffen

Die unterschiedlichen Erfahrungen, die Menschen mit den Wortbedeutungen in ihrer Sozialisation machen, und in welchem Kontext sie sie lernen, bedingen, dass sprachliche Begriffe nicht für alle Menschen einer Sprachgemeinschaft in ihrer Bedeutung völlig gleich sind.

Wenn die Mutter zu ihrem Kind, das ihr zeigen möchte, was es gemalt hat, sagt: „Ich komme gleich!“, dann aber auf sich warten lässt, wird das Kind daraus entnehmen, dass „gleich“ nicht „sofort“ ist, und fortan damit rechnen, dass jemand, der „Ich komme gleich“ sagt, damit eine höchst unbestimmte Aussage macht und irgendwann und womöglich gar nicht, aber sicher nicht sofort kommt.

Auch konkrete Begriffe werden im Kontext erworben. Die Bedeutung des Wortes „Hund“ beispielsweise lernt und differenziert ein Kind, je nachdem welchen Exemplaren es im Laufe seiner Entwicklung begegnet ist. Dennoch können zwei Personen, die niemals den gleichen Hunden begegnet sind, sich über Hunde verständigen, weil sie aus diesen Erfahrungen so etwas wie einen „Durchschnittshund“ gebildet haben, der die typischen Merkmale aller Hunde hat, die sie je gesehen haben. Die Bildung solcher „Prototypen“ lässt sich schon im Säuglingsalter nachweisen (zusammenfassend siehe z. B. Goswami 2008). Schwieriger wird es mit der Übereinstimmung, wenn die Begriffe abstrakter sind. „Liebe, Ehre, Vaterland“ wird von verschiedenen Personen und in unterschiedlichen gesellschaftlichen Epochen sicher anders verstanden. Neben einer Kernbedeutung, in der alle Sprachbenutzer übereinstimmen, gibt es individuelle und kategorielle Randbedeutungen, die die Begriffe uneindeutig werden lassen (Rosch 1978). Dazu kommt, dass jeder Begriff neben seiner Denotation, der inhaltlichen Bedeutung, auch eine Konnotation hat, einen gefühlsmäßigen Beiklang, der seine Bedeutung färbt und etwas über die Einstellung seines Benutzers preisgibt. Es ist ein Unterschied, ob man „Frau“, „Dame“ oder „Weib“ sagt, obwohl jedes Mal eine erwachsene, weibliche Person gemeint ist.

Auch im Beratungsprozess haben die von Ratsuchendem und Berater verwendeten Begriffe unterschiedliche Konnotationen, die gefühlshafte Anmutungen auslösen und die Einstellung zueinander verändern können.

Übertragungskanäle

Die Botschaften menschlicher Kommunikation werden über mehrere Übertragungskanäle, der Sprache, der Mimik und der Gestik, gleichzeitig übermittelt. Diese ergänzen sich, können sich aber auch widersprechen. Während einer einzigen sprachlichen Mitteilung können mehrere nonverbale Botschaften gesendet werden.

Während ich meinem Gegenüber einen Vorschlag für die Gestaltung unseres nächsten Treffens mache, kann ich nacheinander und gleichzeitig denken: „Der sieht aber heute schlecht aus, hoffentlich wird er bis dahin nicht krank“, „Der hat es ja auch nicht leicht mit seiner Frau“, „Hoffentlich fängt er jetzt nicht gleich wieder von seinen Problemen an!“, „Wie kann ich schnell das Gespräch beenden?“ aber auch „Hoffentlich kriege ich meinen Bus noch!“, „Ich hätte mal wieder Lust auf Spaghetti!“ oder „Ich freue mich auf heute Abend!“ Alle diese Gedanken werden kurzfristig in meiner Mimik und Gestik zu sehen sein. Wenn ich es zu weit treibe, wird mein Gegenüber den Eindruck gewinnen, ich sei nicht bei der Sache, höre nicht zu, interessiere mich nicht wirklich für ihn und er könnte irritiert fragen, ob er mir „etwas getan“ habe.

Organon-Modell

Psychologische Kommunikationstheorien gehen daher über die reine Datenübertragung hinaus und berücksichtigen die Besonderheiten der menschlichen Kommunikation, die sich nicht in einem technischen Modell darstellen lassen. Eine frühe Theorie ist das von Karl Bühler bereits 1934 als Sprachtheorie entworfene Organon-Modell (Bühler 1965, siehe Abbildung 2). „Organon“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Werkzeug, Hilfsmittel“. Im Mittelpunkt dieses Modells steht die Sprache als wahrnehmbare Abfolge von im Allgemeinen akustischen Signalen, also sprachlichen