Einführung in die Teilearbeit mit Kindern und Jugendlichen - Wiltrud Brächter - E-Book

Einführung in die Teilearbeit mit Kindern und Jugendlichen E-Book

Wiltrud Brächter

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Beschreibung

Probleme spielend lösen In der Kinder- und Jugendlichentherapie hilft die Arbeit mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen, besser zwischen dem Problem und dem Kind zu unterscheiden. Gespräche und therapeutische Prozesse verlaufen deutlich leichter, belastende Erfahrungen verlieren an Einfluss, und der Kontakt zu eigenen Ressourcen lässt Veränderungen entstehen. Wiltrud Brächter zeigt in dieser Einführung sehr praxisorientiert, wie sich Teilearbeit mit Kindern und Jugendlichen gestalten lässt. Teilekonzepte aus Ego-State-Therapie, hypnosystemischer und narrativer Therapie werden in Verbindung mit Spiel und kreativen Methoden vorgestellt. Gezeigt werden vielfältige Anwendungsmöglichkeiten – u. a. bei Ängsten, Zwängen, depressivem Erleben, Trauma und Suizidalität –, die an das Alter der Kinder und Jugendlichen angepasst werden können. Das therapeutische Vorgehen wird übersichtlich dargestellt, zahlreiche Fallbeispiele und farbige Abbildungen machen die Teilearbeit anschaulich. Das Buch bezieht sich neben dem Einzelsetting auch auf Teilearbeit mit Eltern und Familien. Externalisierungen helfen auch hier, negative Handlungskreisläufe zu unterbrechen und einen neuen Umgang mit Problemen zu entwickeln. Die Autorin: Wiltrud Brächter, Dipl.-Päd.; Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Systemische Therapeutin (SG), akkr. Supervisorin für Systemische Therapie mit Kindern und Jugendlichen. Weiterbildungen u. a. in gestalttherapeutischer Arbeit mit Kindern, psychoanalytisch-systemischer Therapie (APF), Kinderhypnotherapie (MEG). Supervisions- und Weiterbildungstätigkeit in eigener Praxis in Köln sowie als Gastdozentin bei systemischen und hypnotherapeutischen Instituten im deutschsprachigen Raum. Publikationen u. a.: Geschichten im Sand. Grundlagen und Praxis einer narrativen systemischen Spieltherapie (2. Aufl. 2016); Der singende Pantomime. Ego-State-Therapie und Teilearbeit mit Kindern und Jugendlichen (2. Aufl. 2017), Neue Wege im Sand. Systemisches Sandspiel und Kinderorientierte Familientherapie (2018, zus. mit Bernd Reiners), Einführung in die systemische Sandspieltherapie (2022).

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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Wiltrud Brächter

Einführung in die Teilearbeit mit Kindern und Jugendlichen

2025

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Dresden)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Dallgow-Döberitz)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: B. Charlotte Ulrich

Redaktion: Veronika Licher

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2025

ISBN 978-3-8497-0585-5 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8528-4 (ePUB)

© 2025 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

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Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

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Inhalt

Einleitung

1 Teilearbeit beim Einstieg in die Therapie

1.1 Symptome, Seiten, Ich-Zustände – Worauf bezieht sich die Teilearbeit?

1.2 Teilearbeit in Joining und Kontaktaufbau

Wunsch- und Hoffnungsskalen zur Erkundung der Therapiemotivation

Kontakt zu abwehrenden Seiten mit Elementen des Psychodramas

Der Beschämung durch Symptome entgegenwirken

1.3 Teilearbeit in der Auftragsklärung

Einbeziehen von Kindern durch den Ausdruck im freien Spiel

Zeichnen und Gestalten in der Auftragsklärung

Handpuppen als Zugang zur Sicht des Kindes

Teilearbeit mit Tierfiguren in der Zielklärung mit Familien

2 Methodische Ansätze für die Teilearbeit im Therapieverlauf

2.1 Neue Seiten an sich entdecken

Ich bin mehr als mein Problem: Nutzung von Würfeln, Drusen und Papier

2.2 Zugang zu ressourcenreichen Anteilen

Innere Stärke

Innere Helfer:innen

Ressourcen aus der Vergangenheit und der Zukunft holen

2.3 Zugang zu Problemanteilen

Abstand schaffen durch Externalisierung

Was braucht die Problemfigur?

Versorgen von Problemfiguren in der Cartoontherapie

Neubewertung des Problems

2.4 Zugang zu verborgenen Anteilen finden

Unwillkürliche Körpersignale nutzen

Annäherung durch Liedtexte

Gespräche »durch die Mauer«

Den »Null-Bock« malen oder gestalten

2.5 Innere Anteile in Verbindung bringen

Teilearbeit mit Handpuppen

Teilearbeit mit Symbolen

Ressourcentransfer mit dem »Kraftsprung«

Den Weg gestalten: Das Arbeiten mit Bildkarten

Über den Fluss: Vom Problem- ins Wünscheland

Hindernisse überwinden: Das Ressourcenbrettspiel

2.6 Das »innere Team« neu gruppieren

Skulpturen der »inneren Familie« und »innerer Bus«

Abgelehnte Anteile integrieren

Problemen einen neuen Platz zuweisen

2.7 Körperliche Zugänge in der Teilearbeit

Probleme im Körper lokalisieren

Eine Reise zu Tieren, die im Körper wohnen

»Kuscheltieratmung« und »innere Externalisierung«

Kopf, Herz, Bauch – Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven wahrnehmen

»Ressourcengymnastik«

3 Konzepte zur Teilearbeit bei verschiedenen Symptomen

3.1 Teilearbeit bei Ängsten

Ängsten entgegengehen – der Scheinriese Herr Tur Tur

Externalisierung der elterlichen Haltung zur ängstlichen Seite des Kindes

Die »Zähmung der Monster« nach Michael White

»Riddikulus-Zauber« und Veränderungsimagination

3.2 Teilearbeit bei Zwängen

Stärkung der inneren Beobachterin

Rückeroberung des eigenen Raums

Zwangsgedanken in die Freiheit schicken

Mitberuhigung des Elternsystems

3.3 Teilearbeit bei Depressionen

Der Patronuszauber

Die Depression als Landschaft oder Tier

Depressionslandschaften im Sand

3.4 Teilearbeit bei Suizidalität

Ansprechen innerer Anteile bei Suizidalität

Stabilisierung im Spiel

4 Teilearbeit in der Spieltherapie

4.1 Therapeutischer Umgang mit verschiedenen Ich-Zuständen in der Spielbegleitung

4.2 Teilearbeit in der Sandspieltherapie

Narratives Sandspiel: Ich-Zustände in Bewegung bringen

Vorteile in der Kontaktgestaltung bei Kindern mit Ängsten

Zugang zu traumatischen Szenen und frühen Lebensphasen

4.3 Teilearbeit im Handpuppenspiel

Externalisierung abgewerteter Anteile und Möglichkeiten zum Reframing

Versorgung hilfsbedürftiger Anteile und Nachbeelterung

Bindungstherapie mit Kleinkindern

4.4 Teilearbeit im Rollenspiel

Rahmung der Spielhandlung und Rollenübernahme

Sichere Orte im Raum und Nachholen von Entwicklungsphasen

Nachholen unterdrückter Bewegungsimpulse

5 Teilearbeit und Trauma

5.1 Umgang mit traumatischen Reinszenierungen im Alltag

5.2 Umgang mit traumatischen Reinszenierungen im Spiel

5.3 Rettung aus Traumasituationen nach dem Konzept der Ego-State-Therapie

Anwendung im Sandspiel

Anwendung beim zeichnerischen Gestalten

5.4 Kontakt zu dissoziierten Anteilen im Spiel

5.5 Fokussierung von Ressourcen und Bewältigungskompetenzen

»Mit-Teilung«, »Mit-Gefühl« und Rückgewinnung von Vertrauen

Explorieren von Widerstandshandlungen

Erinnerungswürdiges von Schlimmem differenzieren

»Schale des Lichts« und »Surfbrett des Lebens«

5.6 Unterscheidung zwischen »damals« und »heute«

Biografische Arbeit mit Handpuppen

»Retro-States« aus der Vergangenheit holen

5.7 Integration ins Leben: »Lebensbaum« und »Lebensfluss«

6 Teilearbeit bei destruktiv agierenden Ich-Zuständen

6.1 Vorgehen in der Ego-State-Therapie

6.2 Umgang mit täteridentifizierten Ich-Zuständen im Spiel

Kinder von der Täter- in eine Retter-Rolle bringen

»Täter-Imprints« entmachten

6.3 Umgang mit Botschaften innerer Kritiker:innen

Alten Sätzen widersprechen

Auf das Leben von heute blicken

»Schurkenschrumpfen«

7 Teilearbeit bei auf Kampf fixierten Ich-Zuständen

7.1 Stärkende Aspekte von Aggression

Sich stark erleben im Probehandeln

Sich stark erleben nach Traumatisierungen

7.2 Wege aus der Kampf-Fixierung

Wahl einer Position an der Seite des Kindes im Rollenspiel

Modellhaftes Schützen eigener Figuren in der Sandspieltherapie

Mentalisierende Fragen als Zugang zu Ich-Zuständen

8 Teilearbeit im Familiensystem

8.1 Teile-Perspektiven in der Elternarbeit

Zugang zum Erleben des Kindes und Unterbrechung ungünstigen Elternverhaltens

Externalisierung elterlicher Ich-Zustände gegenüber dem Symptom des Kindes

Eltern-Kind-Skulpturen in Problem- und Ressourcenzuständen

Einfühlung in die »Problemseite« des Kindes

8.2 Teilearbeit mit Kindern bei belastendem Elternverhalten

Orientierung angesichts nicht nachvollziehbaren Elternverhaltens durch die Arbeit mit Handpuppen

Mitteilungsmöglichkeit in »Geschichten des Überlebens«

Entlastung in parentifizierten Ich-Zuständen

»Re-Playing« und Therapie verinnerlichter Bezugspersonen

Neuskulpturierung der Vergangenheit

8.3 Teilearbeit in der Familientherapie

Die Arbeit mit Externalisierungen nach Michael White

Familienskulpturen mit Problemexternalisierung

8.4 Teilearbeit im gemeinsamen Spiel

Psychodramatische Familienspieltherapie

Gemeinsam entwickelte Sandbildgeschichten

8.5 Teilearbeit mit Tierfiguren bei Trennung und Scheidung

Anhang: Orientierung in den Spielrollen des Kindes

Literatur

Über die Autorin

Einleitung

Mein erster Zugang zur Teilearbeit mit Kindern war ein sehr persönlicher: Als Mitarbeiterin im Frauenhaus war ich Mitte der 1990er-Jahre mit einem traumatisierenden Ereignis konfrontiert, das starke Wellen in unsere Familie schlug. Unser fünfjähriger Sohn nutzte einen ersten anschließenden Urlaub, um seine Gefühle von Irritation und Verlassenheit im Spiel auszudrücken. In der Rolle eines Tierforschers, kenntnisreich und technisch bestens ausgerüstet, suchte er in der »Wildnis« Sardiniens nach Spuren von Panthern; als Assistentin begleitete ich seine Expedition. Aus dem Schutz seiner starken Rolle heraus konnte er schließlich einen anderen, bisher verborgenen Teil seines Erlebens zeigen: Uns kam ein junger Panther entgegen, der seine Herde verloren hatte und einsam durch die Gegend zog. Auf der Forschungsstation aufgenommen, genoss er unsere Fürsorge, sein jüngerer Bruder gesellte sich als zweiter kleiner Panther dazu.

Damals noch am Beginn einer spieltherapeutischen Ausbildung, hat diese Spielsequenz meine Aufmerksamkeit nachhaltig darauf gelenkt, wie Kinder verschiedene Ich-Zustände im Spiel zeigen und wie therapeutisch mit ihnen umgegangen werden kann.

Aus der Fülle verschiedener Teilekonzepte habe ich für dieses Buch Ansätze zusammengestellt, die mir seitdem in meiner Arbeit besonders wertvoll erscheinen. Hierzu gehören die Externalisierungstechnik der narrativen Therapie, Ego-State-Therapie, hypnosystemische Teilekonzepte sowie Teilearbeit im Kinderpsychodrama. Ich stelle Teilearbeit in Verbindung mit Spiel und kreativen Medien vor, die jeweils an das Alter der Kinder und Jugendlichen angepasst werden können. Besonders wichtig ist mir, den Teileansatz interaktionell zu erweitern und Anwendungsmöglichkeiten mit Eltern und Familien einzuschließen.

Es würde mich freuen, wenn das Buch Interesse weckt, Teileperspektiven stärker in die eigene Arbeit aufzunehmen. Ich danke den Kindern, Jugendlichen und Familien für die berührenden Erfahrungen, die ich im Kontakt mit ihren verschiedenen »Seiten« machen durfte, und den Kolleg:innen1, auf deren Konzepte ich mich in dieser Einführung beziehe.

1 Im Plural habe ich mich für diese Form des Genderns entschieden, im Singular verwende ich aus Gründen besserer Lesbarkeit nur die weibliche Form und hoffe, dass sich hierbei alle Menschen mitgemeint fühlen.Beim Begriff »Täter« gendere ich – wie auch sonst oft üblich – nicht, da (zumindest sexualisierte) Gewalt in der übergroßen Zahl der Fälle von Männern verübt wird; ich verzichte ebenfalls hierauf, wenn ich Äußerungen von Kindern oder Eltern wiedergebe.

1 Teilearbeit beim Einstieg in die Therapie

1.1 Symptome, Seiten, Ich-Zustände – Worauf bezieht sich die Teilearbeit?

Zu Beginn möchte ich die Frage streifen, was in der Teilearbeit eigentlich »behandelt« wird und was Teiletherapie meinem Verständnis nach nicht ist. Eltern kommen oft mit einem Wunsch nach schneller Symptombeseitigung in die Therapie. Symptome können jedoch wichtige Entwicklungsbedürfnisse anzeigen, die für ein Kind nicht erfüllt sind; möglicherweise verweisen sie auch auf ungelöste Probleme im umgebenden System. Diese Einführung sollte insofern nicht als Zusammenstellung von Tools zur Symptombekämpfung missverstanden werden, ohne Kontext und Hintergründe ausreichend zu reflektieren.

Gemeinsam ist allen hier vorgestellten Zugängen, dass sie in ihrer Zielsetzung über eine reine Symptomreduktion hinausgehen:

Systemische Therapie versteht Symptome als bestmöglichen Lösungsversuch. Die Therapie zielt darauf ab, Perspektiven zu erweitern und Lösungen zu finden, die die Symptomatik überflüssig machen.

Hypnotherapie sieht wechselnde Zustände des Erlebens als Ergebnis von unterschiedlicher Aufmerksamkeitsfokussierung; hypnosystemische Teilearbeit zielt auf eine Auflösung von Problemtrancen. Leidvolles Problemerleben wird als eine »Seite« des Erlebens externalisiert; ihr wird die Seite des »gewünschten Erlebens« gegenübergestellt und in Suchprozessen aufgerufen. Zentral ist die Stärkung eines koordinierenden, mit Handlungsfähigkeit verbundenen »Steuer-Ichs«, das dabei unterstützt wird, die Beziehung zu früher Erlebtem neu zu gestalten und Bedrängendes auf Abstand zu bringen (Schmidt 2003, 2004).

Ego-State-Therapie (Watkins u. Watkins 2003) bezieht sich auf Ich-Zustände, die biografisch entstanden sind. Differenziert wird zwischen ressourcenreichen, symptom- und traumaassoziierten sowie destruktiv agierenden Ich-Zuständen. Ego-States werden nicht mit Symptomen gleichgesetzt, sondern »sorgen für die Symptome«, die als Ausdruck eines ursprünglichen Lösungsversuchs verstanden werden (Fritzsche 2014, S. 30). Ziel ist es, ein Verständnis für deren Funktionalität zu entwickeln und ein inneres Unterstützungssystem zu etablieren. Ich-Zustände werden dabei so angesprochen, als seien sie eigene Teilepersönlichkeiten.

Narrative Therapie arbeitet an einer Dekonstruktion von Problemerzählungen, die das Leben von Menschen beschränken können: »Welchen Geschichten erlaubst du, dein Leben zu regieren?« (White 1989). Zentral ist die Technik der Externalisierung: Problemen eine Gestalt zu verleihen, erleichtert es, sich getrennt von ihnen zu erfahren und negative Selbstzuschreibungen aufzulösen. Ziel ist es, »das Problem zum Problem zu machen und nicht die Person« (White 2010, S. 33). Externalisierungen beziehen sich nicht auf äußere Kategorisierungen, sondern auf das, was von Menschen als Problem empfunden wird. Im Familiensetting werden Interaktionen erfragt, die rund um ein Problem entstanden sind, um negative Dynamiken zu unterbrechen und einen kooperativen Umgang damit anzuregen.

1.2 Teilearbeit in Joining und Kontaktaufbau

Wunsch- und Hoffnungsskalen zur Erkundung der Therapiemotivation

Kinder2 werden in der Regel von ihren Eltern zur Therapie angemeldet; Veränderungen können jedoch nur gelingen, wenn sie selbst hierzu motiviert sind. Für den Beziehungsaufbau zu Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, dass sie sich auch mit ihrer skeptischen Seite gesehen und angenommen fühlen. Hiltrud Bierbaum-Luttermann und Siegfried Mrochen (2019, S. 128) sprechen diese Seite im Eingangskontakt direkt an: »Gibt es einen Teil von dir, der jetzt nur unter Protest hier sitzt, der nicht gerne herkommt?« Zur Klärung von Veränderungswünschen und -hoffnungen verwenden sie Skalierungen, aus denen sie innere Anteile ableiten: Ein hoher Skalenwert von 8 (auf einer 10er-Skala) weist auf einen starken Anteil hin, der eine Veränderung möchte. Daneben zeigt sich jedoch auch ein kleinerer Anteil, der Vorbehalte gegenüber einer Veränderung hat. Für die Therapie kann es entscheidend sein, die Motive dieses Anteils näher zu erfassen, wie folgendes Beispiel zeigt.

Nele, die mit acht Jahren tagsüber noch häufig einnässte, »konnte auf Nachfrage gut formulieren, dass sie nicht auf das Einnässen verzichten möchte, weil dann alles noch hektischer werde und ihre Mutter nicht merken würde, dass sie nicht so viele Termine haben wolle. Beide Eltern waren beruflich stark eingespannt, die Kinder hatten viele Termine und es gab viele Konflikte in der Familie« (a. a. O., S. 31).

Kontakt zu abwehrenden Seiten mit Elementen des Psychodramas

Alfons Aichinger (2012) geht davon aus, dass die »Problemseite« von Kindern zu Therapiebeginn eine »Wegmach«-Haltung der Therapeutin befürchtet; entsprechend fühle sie sich bedroht und ziehe sich noch mehr zurück. Spielerisch bezieht er daher besonders diese Seite ein:

Einen sozial ängstlichen kleinen Jungen, der sich beim Erstkontakt unter einem Stuhl versteckt, fragt Aichinger im Selbstgespräch, welches schlaue Tier sich denn dort eine Höhle gebaut habe. Als er hört, dass dort ein Fuchs sitzt, fragt er die Eltern nach der Seite des Jungen, die Spaß an Abenteuern habe. Daraufhin kommt ein Löwe auf ihn zu und faucht ihn an. Um zu schauen, »wie die beiden ihre Fähigkeiten zusammenbringen und sich zu einem Superteam entwickeln könnten«, folgt ihm der Junge in den Beratungsraum (a. a. O., S. 25).

Einem 7-jährigen Mädchen, das wegen aggressiven Verhaltens aus der Schule ausgeschlossen wurde und im Wartezimmer wütend schreit, begegnet Aichinger mit der Vermutung, es müsse wohl ein »leibhaftiger Drache« vor seiner Tür stehen, der ihm Angst mache: »Diesen gewaltigen und prächtigen Drachen jedoch als Freund zu gewinnen, das fände ich toll, dann müsste ich keine Angst mehr haben« (a. a. O., S. 26). Durch die Frage, ob Sarah die Freundin des Drachens sei, gelingt eine Distanzierung; der Drache wird zu ihrem Haushund und Beschützer. Klagen der Mutter über das Verhalten in der Schule werden dem Drachen zugeschrieben; die Externalisierung erleichtert die weitere Arbeit.

Im Kontakt zu Jugendlichen bezieht sich Aichinger auf die Seite, die trotz Bedenken gekommen ist, und stellt ihr die Seite gegenüber, die sich zunächst verweigert. Dabei fokussiert er auf deren Bedürfnisse. Einen Jugendlichen, der in der Schule Handys entwendet hat und vor dem Erstgespräch nicht aus dem Auto aussteigt, spricht er beispielsweise folgendermaßen an:

»Ich sehe, eine Seite von dir ist mitgefahren, diese ist vielleicht erschrocken und in Bedrängnis geraten, seine Freunde könnten entdecken, wer die Handys geklaut hat. […] Eine andere Seite aber, ich nenn sie mal die Eichhörnchenseite, die aus einem wichtigen Grund Handys sammelt, will aber nicht aussteigen. Vielleicht befürchtet die, ich könnte sie verurteilen oder sogar bekämpfen. Daher ist es verständlich, dass sie mit Verweigerung reagiert und im Auto sitzen bleibt. Ich möchte nun beide Seiten einladen, mit mir zusammen herauszufinden, wofür das Eichhörnchen sorgt, wenn es Handys sammelt« (a. a. O., S. 28).

Der Beschämung durch Symptome entgegenwirken

Kinder können sich durch Symptome so stark beschämt fühlen, dass ein Gespräch über Therapieziele kaum möglich ist. Oft geht dies mit einer Ablehnung durch die Eltern einher, die ihr Kind hinter der beklagten Problematik kaum noch wahrnehmen. Mit den Eltern reflektiere ich in solchen Fällen die Ich-Zustände, die bei ihnen angesichts der Problemseite des Kindes in den Vordergrund treten (vgl. Abschnitt 8.1). Vieles kann sich leicht(er) auflösen, wenn sich ein Kind mit allen Seiten angenommen fühlt.

Als sehr hilfreich habe ich in Elterngesprächen die externalisierende Frage erlebt, wie es die Symptome schaffen konnten, sich zwischen die Eltern und die Liebe zu ihrem Kind zu drängen.

Frau T.3, die im Vorgespräch viel über das aktive und impulsive Verhalten ihres Sohnes klagte, kommt auch zum zweiten Termin ohne Jonas. Meine Frage habe viel bei ihr ausgelöst; eine Therapie sei nicht mehr nötig. Sie könne ihn jetzt ganz anders sehen: »Für mich kann Jonas bleiben, wie er ist.«

Eine entlastende Möglichkeit, Beschämungen zu umgehen, bietet in der Kindertherapie die Ebene des Spiels. Problemzustände zeigen sich, ohne dass über sie gesprochen werden muss; im Spielverlauf kann Verbindung zu Lösungsideen entstehen. Jugendlichen oder Kindern, die Spiel bereits »uncool« finden, kann nonverbales Gestalten einen Zugang zu schwächeren und bedürftigen Anteilen bieten. Häufig zeigen sich hierbei Ich-Zustände, die gesehen und versorgt werden wollen, wie im folgenden Beispiel:

Ken‚ 9 Jahre alt, zieht sich im Gespräch seine Kappe tief ins Gesicht und wendet den Blick ab; auf Fragen antwortet er nicht. Als ich ihm anbiete, etwas im Sand aufzubauen, wendet er sich erleichtert dem Sandkasten zu; versunken vertieft er sich ins Gestalten. In einem Wald sitzt später ein kleiner Affe, der seine Eltern verloren hat und vermisst (siehe Abb. 1). Beim Erzählen über das Sandbild kommen wir in Kontakt. Kens Geschichte lässt sich anschließend weiterführen: Der kleine Affe macht sich bemerkbar und wird von seinen Eltern gefunden (siehe Abb. 2).

Abb. 1: Allein im UrwaldAbb. 2: Von den Eltern gefunden

1.3 Teilearbeit in der Auftragsklärung

Einbeziehen von Kindern durch den Ausdruck im freien Spiel

Kinder kommen nur selten mit eigenen Aufträgen in die Therapie. Oft unterscheiden sich ihre Anliegen erheblich von denen der Eltern, können jedoch in einer rein sprachlich gestalteten Auftragsklärung nicht eingebracht werden: Schulangst kann mit der Sorge um psychisch belastete Eltern einhergehen, die ein Kind nicht alleinlassen möchte, Mutismus mit der Unmöglichkeit, über Gewalt in der Ehe der Eltern zu sprechen (Brächter 2010, S. 84 ff.). Wird ihnen zu Therapiebeginn eine Phase freien Spiels eingeräumt, können Anliegen der Kinder sichtbar werden:

Jakob, neun Jahre alt und wegen Konzentrationsstörungen zur Therapie angemeldet, stellt in einem Sandbild dar, wie sich Vögel um ihren Nachwuchs kümmern: Die Mutter brütet, der Vater sucht Futter. Besorgt schildert Jakob, dass die Küken im Ei sterben müssten, wenn ein Elternteil ausfiele. Dabei öffnet er seine Angst um den Vater, der heimlich trinkt. Er befürchtet, dass sich die Eltern trennen könnten, wenn die Mutter von seinen Sorgen wüsste.

Nach dieser Mitteilung sind therapeutische Interventionen möglich, die Jakobs Anliegen zum Ausgangspunkt machen: Im Gespräch werden mögliche Trennungsfolgen reflektiert, die für ihn, anders als für die Küken, nicht lebensbedrohlich wären. Ich erhalte den Auftrag, mit den Eltern zu reden; er tritt aus der Rolle des Geheimnisträgers heraus.