Einführung ins Qualitätsmanagement - Gerald Winz - E-Book

Einführung ins Qualitätsmanagement E-Book

Gerald Winz

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Beschreibung

Kompaktes Lehrbuch für Studium und Praxis

Dieses Lehrbuch für Studium und Praxis ist speziell abgestimmt auf das Wirtschaftsingenieurwesen. Es wird ein breites Wissen über die wesentlichen Elemente des Qualitätsmanagements dargestellt: vom Qualitätsmanagement in der Beschaffung, der Statistik, der ISO 9001, den Qualitätsmethoden, bis hin zum Projekt- und Risikomanagement und der Servicequalität. Zudem wird ein Schwerpunkt auf das internationale Qualitätsmanagement gelegt. Zentral für das Wirtschaftsingenieurwesen sind kommunikative Kompetenzen – sei es beim Umgang mit Fehlern, bei der Lösungssuche oder beim Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems.

- Alles Wichtige zum Thema QM
- Kompakte und anschauliche Darstellung
- Praxisorientiert und wissenschaftlich fundiert

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Gerald Winz

Einführung ins Qualitätsmanagement

Qualitätsmethoden, Projektplanung, Kommunikation

2., aktualisierte Auflage

Dieses Buch ist in der Erstauflage unter dem Titel „Qualitätsmanagement für Wirtschaftsingenieure“ erschienen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de/> abrufbar.

Print-ISBN        978-3-446-47333-1E-Book-ISBN   978-3-446-47739-1ePub-ISBN       978-3-446-47781-0

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.Alle in diesem Buch enthaltenen Verfahren bzw. Daten wurden nach bestem Wissen dargestellt. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen.Aus diesem Grund sind die in diesem Buch enthaltenen Darstellungen und Daten mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Darstellungen oder Daten oder Teilen davon entsteht.Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder einem anderen Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – mit Ausnahme der in den §§ 53, 54 URG genannten Sonderfälle –, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.+

© 2023 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.hanser-fachbuch.deLektorat: Lisa Hoffmann-BäumlHerstellung: Carolin BenedixCoverrealisation: Max KostopoulosTitelmotiv: Stephan Rönigk, unter Verwendung von Grafiken © istockphoto.com/AlonzoDesign

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Vorwort

1 Einführung

1.1 Die Entwicklungsgeschichte des Qualitätswesens

1.2 Der Qualitätsbegriff

1.3 Das Kano-Modell

1.4 Wirtschaftliche Aspekte

1.5 Prinzipien eines umfassenden Qualitätsverständnisses

1.6 Aufbau des Buchs

1.7 Literatur

2 Qualitätsmanagementsysteme

2.1 Grundlagen

2.2 Die Norm DIN EN ISO 9001

2.2.1 Kontext der Organisation

2.2.2 Führung

2.2.3 Planung für das Qualitätsmanagementsystem

2.2.4 Unterstützung

2.2.5 Betrieb

2.2.6 Bewertung der Leistung

2.2.7 Verbesserung

2.3 Weitere wichtige Normen

2.4 Das EFQM Excellence Modell

2.5 Auditierung und Zertifizierung

2.6 Zusammenfassung

2.7 Literatur

3 Qualitätsmanagement in der Beschaffung

3.1 Aufgaben des Qualitätsmanagements in der Beschaffung

3.2 Strategie der Beschaffung festlegen

3.3 Faktoren der Lieferantenauswahl bestimmen

3.4 Qualitätsmanagementvertrag verhandeln

3.5 Erstmuster prüfen

3.6 Wareneingangsprüfung

3.6.1 Annahmestichprobe

3.6.2 Einfachstichprobenanweisung

3.6.3 Doppelstichprobenanweisung

3.6.4 Stichprobenprüfung nach ISO 2859

3.6.5 Grenzen der Wareneingangsprüfung

3.7 Lieferanten beurteilen

3.8 Felddaten analysieren

3.9 Zusammenfassung

3.10 Literatur

4 Statistische Prozessregelung

4.1 Statistische Grundlagen

4.2 Qualitätsregelkarte

4.3 Prozessfähigkeit

4.4 Kennwerte zur Prozessfähigkeit

4.5 Vertrauensintervall

4.6 Prozessregelung mittels Künstlicher Intelligenz

4.7 Zusammenfassung

4.8 Literatur

5 Messsysteme und Messsystemanalyse

5.1 Grundbegriffe

5.2 Messmittel in der Fertigung

5.3 Messsystemanalyse

5.4 Prüfplanerstellung

5.5 Zusammenfassung

5.6 Literatur

6 Qualitätswerkzeuge

6.1 Sieben Qualitätswerkzeuge

6.1.1 Fehlersammelliste

6.1.2 Histogramm

6.1.3 Regelkarte

6.1.4 Pareto-Diagramm

6.1.5 Ishikawa-Diagramm

6.1.6 Korrelationsdiagramm

6.1.7 Brainstorming

6.2 Visuelles Management

6.2.1 Visualisierung

6.2.2 Visualisierungstafel

6.2.3 Andon

6.3 8D-Methode

6.4 Poka Yoke

6.5 Six Sigma

6.6 Zusammenfassung

6.7 Literatur

7 Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA)

7.1 Einführung in die FMEA

7.2 Schritte der FMEA

7.3 Formblatt der FMEA

7.4 Zusammenfassung

7.5 Literatur

8 Prozesskettenmanagement

8.1 Prozessorientierung

8.2 Klassifizierung der Prozesse

8.3 Prozessketten-FMEA

8.4 Zusammenfassung

8.5 Literatur

9 Qualitätsbezogene Kosten

9.1 Internes Rechnungswesen

9.2 Klassische Einteilung der qualitätsbezogenen Kosten

9.3 Prozesskostenorientierte Betrachtung

9.4 Quality Scorecard

9.5 Zusammenfassung

9.6 Literatur

10 Servicequalität

10.1 Grundlagen

10.2 Service-Excellence-Definition

10.3 Wahrnehmung von Servicequalität

10.4 Servicebegeisterung messen

10.5 Prozesse und Methoden

10.6 Excellence-Orientierung der Mitarbeiter

10.7 Serviceinnovationen

10.8 Service-Excellence-Kultur

10.9 Best-Practice-Beispiele

10.10 Zusammenfassung

10.11 Literatur

11 Projektplanung

11.1 Projektprozess

11.2 Terminplanung

11.3 Risikomanagement

11.4 Ergänzende Planungen

11.5 Simultaneous Engineering

11.6 Agiles Projektmanagement

11.7 Zusammenfassung

11.8 Literatur

12 Führung von Projektteams

12.1 Zusammensetzung von Teams

12.2 Teamentwicklungsprozess

12.3 Kick-off-Meeting

12.4 Rollenverhalten

12.5 Sechs Denkhüte

12.6 Kommunikation in Videokonferenzen

12.7 Zusammenfassung

12.8 Literatur

13 Interkulturelles Qualitätsmanagement

13.1 Qualität und Kommunikation

13.2 Kultur beeinflusst Qualität

13.3 House of Intercultural Quality Management

13.4 Kulturelle Ausprägung von QM-Aspekten und Lösungswege zur Überbrückung

13.4.1 Eigenkultur – Fremdkultur

13.4.2 Kommunikative Kompetenzen

13.4.3 Interkulturelle Kompetenzen

13.4.4 Qualitätsverständnis

13.4.5 Fehlerkultur

13.4.6 Lokale Abläufe, Strukturen und Standards

13.4.7 Kundenbeziehung

13.4.8 Service Excellence

13.4.9 Lokale Umsetzung

13.4.10 Aus- und Weiterbildung

13.4.11 Innovationsfähigkeit

13.4.12 Unternehmens- und Qualitätskultur

13.5 Vorgehensweise zur Lösung von Critical Incidents

13.6 Fallbeispiele

13.6.1 Critical-Incident-Qualifikationsmatrix Malaysia

13.6.2 Critical-Incident-Qualitätsproblem im Werk China

13.7 Zusammenfassung

13.8 Literatur

Literatur

Abkürzungen

Glossar

Der Autor

Vorwort

Das Buch soll all diejenigen ansprechen, die einen Überblick und ein breites Wissen über Qualitätsmanagement benötigen. Dies ist in der Industrie für Querschnittsaufgaben in Einkauf, Vertrieb, Service, Logistik, Planung, Projektmanagement und Qualitätsmanagement gegeben. Es sind die typischen Einsatzgebiete der Ingenieure und Ingenieurinnen, Wirtschaftsingenieure und Betriebswirte. Ein Denken in Zusammenhängen ist erforderlich. Die Aufgaben stehen zumeist in einem internationalen Kontext. Zugleich erwartet die Industrie von ihren Qualitätsexperten eine besonders hohe kommunikative Kompetenz. Daher werden in vielen Kapiteln die kommunikativen Gesichtspunkte und Lösungen für die Herausforderungen im Qualitätsmanagement besonders herausgestellt und behandelt.

Die im Buch dargestellten Themen reichen vom Qualitätsmanagement in der Beschaffung über Statistik zur Beurteilung der Fähigkeit von Prozessen und Prüfmitteln über eine große Bandbreite von Qualitätsmethoden bis hin zum Projekt- und Risikomanagement. Das Thema Servicequalität wird aufgrund seiner ansteigenden Bedeutung für die produzierende Industrie ausführlich dargestellt.

Durch meine internationalen Industrieerfahrungen weiß ich, wie wichtig der Schwerpunkt interkulturelles Qualitätsmanagement ist. Wie können trotz kulturell bedingter Unterschiede in der Kommunikation, im Qualitätsverständnis und in der Fehlerkultur Qualitätsmanagementsysteme im Ausland erfolgreich entwickelt werden? Diese Herausforderung wird besonders praxisnah und lösungsorientiert behandelt.

In der zweiten Auflage finden die aktuellen Normen Berücksichtigung. Wichtige Sachverhalte werden durch zusätzliche Beispielrechnungen veranschaulicht. Neue Entwicklungen im Rahmen von Qualitätsmanagement 4.0 werden aufgezeigt. Das spannende Kapitel „Interkulturelles Qualitätsmanagement“ wurde umfassend überarbeitet.

Prof. Dr.-Ing. Gerald Winz

1Einführung

Zur größten Rückrufaktion der Geschichte kam es 2015 in den USA wegen fehlerhafter Airbags des japanischen Zulieferers Takata. Zu den bereits 17 Millionen reparierten Fahrzeugen wurden nochmals über 33 Millionen Autos in die Werkstätten beordert. Bereits 2004 gab es einen Unfall mit dem Airbag. Doch die Ingenieure taten das Ereignis als Einzelfall ab und suchten nicht nach der Fehlerursache. Die Unfälle mit Toten und Verletzten häuften sich. Tatsächlich wurden in der Entwicklung und in der Fertigung Fehler im Qualitätsmanagement gemacht. In einer Fabrik in Mexiko kam es zu Abweichungen im Produktionsprozess, in einer US-Fabrik sortierte eine Maschine mangelhafte Teile nicht automatisch aus. Der Qualitätsleiter von Takata musste sich sogar vor dem US-Senat verantworten. Die Firma meldete kurz darauf Konkurs an. Auch in Deutschland geschehen permanent KFZ-Rückrufe. Diese werden in der Rückrufdatenbank des Kraftfahrzeugbundesamtes unter www.kba-online.de nachgehalten. Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 575 vom Kraftfahrzeugbundesamt veranlasste Rückrufaktionen. Zehn Jahre früher lag die Zahl bei lediglich 186. Das europäische Schnellwarnsystem „Safety Gate“ schützt vor gesundheitlich bedenklichen Verbraucherprodukten im Non-Food-Bereich (siehe https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/webReport).

2021 rief der Medizintechnikhersteller Philips weltweit Beatmungsgeräte zurück. Alleine in Deutschland waren 200 000 Menschen betroffen. Der Konzern musste einen Milliardenbetrag auf seine Sparte abschreiben. 2016 musste der Premiumhersteller Samsung sein High-End-Smartphone Galaxy Note 7 weltweit zurückholen, da es in seltenen Einzelfällen zu Bränden aufgrund einer Akkuüberhitzung gekommen war (vgl. Allemann 2016). Das Note 7 durfte auf vielen Flügen nicht mehr mitgenommen werden. Millionen von Endverbrauchern waren betroffen. Solche prominenten Qualitätsunfälle sind nur die Spitze des Eisbergs, da die allermeisten Rückrufe im Business-to-Business-Geschäft passieren und damit außerhalb der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Die Beispiele zeigen, wie bedeutend und umfassend Qualitätsmanagement heute ist. Es beginnt in der Entwicklung, geht über die Fertigung und Prüfvorschriften und reicht bis zur Fehleranalyse von Produkten im Markt. Gleichzeitig rücken die Aspekte Fehlerkultur, Kommunikation und Lieferantenbeziehung ins Blickfeld. Die Hersteller sind von ihren Lieferanten in hohem Grad abhängig. Ein Wechsel dauert mindestens ein Jahr, da die meisten Zulieferprodukte wie Airbags oder Akkus speziell auf das Endprodukt abgestimmt sind. Die jüngere Vergangenheit ist leider voll mit negativen Beispielen, und es betrifft alle Industriezweige.

Woran liegt es? Wird an der Qualität gespart, liegt es am schlechten Projektmanagement in der Entwicklung oder mangelt es an der Kommunikation zwischen dem Hersteller und den Zulieferern? Oder fehlt den Unternehmen häufig auch das erforderliche Wissen zur Lösung von Herausforderungen im Qualitätsbereich? Denn neben der Qualität der Produkte geht es auch um die Qualität der Fertigungs- und anderer Unternehmensprozesse. Das beginnt schon mit dem Prüfen der Tauglichkeit einer Idee. Gutes Qualitätsmanagement benötigt deshalb

       technisches Wissen über Produktion, Statistik und Methoden,

       betriebswirtschaftlichen Sachverstand und Organisationswissen,

       professionelles Projektmanagement sowie

       Kommunikationskompetenzen und interkulturelle Qualitätskompetenz.

Qualität ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen. Wer Mängel in der Produkt- oder Servicequalität aufweist, steht vor einem Verkaufsproblem. Spricht sich das Qualitätsproblem herum, wandelt sich das Verkaufsproblem zu einem Imageproblem. Es kann Jahre dauern, bis das Bild von der guten Qualität wieder zurechtgerückt ist. Das Management von Qualität ist damit ein wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie.

1.1Die Entwicklungsgeschichte des Qualitätswesens

Das Verständnis und die Aufgaben des Qualitätswesens haben sich über die Zeit entwickelt. Bild 1.1 zeigt die wichtigsten Entwicklungsstufen der jüngeren Geschichte im Überblick.

Bild 1.1Entwicklungsgeschichte des Qualitätswesens

Qualitätskontrolle

Zu allen Zeiten haben sich Menschen mit Qualität beschäftigt. Keine Pyramide wäre entstanden, wenn die Ägypter nicht auf Qualität geachtet hätten. Bis in die 1960er-Jahre hinein beschränkte sich das Qualitätswesen allerdings zumeist auf die nachträgliche Kontrolle des fertigen Produkts. Mittels manueller, später automatisierter Methoden wurde eine Ausschussprüfung durchgeführt. Die guten Teile werden geliefert, die schlechten verworfen. Auch heute sind Qualitätsendkontrollen – zumindest an kritischen Stellen – in der Industrie üblich, aber nur als Teil des Maßnahmenbündels.

Qualitätssicherung

Ab circa 1960 setzte sich die Überlegung durch, dass das Endprodukt automatisch gut ist, wenn der Fertigungsprozess korrekt abläuft. Man hat sich deshalb auf die Qualitätssicherung des Fertigungsprozesses verlegt. Mit dem Einzug der computergestützten numerischen Maschinensteuerung (CNC-Steuerung) wurde mittels statistischer Methoden die Prozessregelung (kurz SPC: Statistical Process Control) eingeführt. Hierbei werden aus dem laufenden Fertigungsprozess stichprobenartig Werkstücke entnommen und gemessen. Aus den Messwerten lassen sich Rückschlüsse auf die Parameter des Fertigungsprozesses ziehen und diese entsprechend nachstellen. Hierdurch wird die Reaktionszeit auf Fehler verkürzt, Ausschuss und Nacharbeit werden reduziert.

Qualitätsmanagement

Durch die fortschreitende Reduzierung der Fertigungstiefe – einer der Treiber war und ist die Automobilindustrie – entstanden komplexe Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Von jetzt an bestimmt die Qualität der zugelieferten Güter maßgeblich die Qualität des Endprodukts, d. h. der Hersteller ist erheblich von der Qualitätsfähigkeit seiner Lieferanten abhängig. Deshalb war es wichtig, Mindeststandards und Vertrauen zu schaffen. So wurden die Qualitätsnormen eingeführt und diese werden bis heute weiterentwickelt.

HINWEIS

Eine Norm ist ein Dokument zur regelmäßigen Anwendung, welches Regeln und Forderungen für Geschäfts- und Arbeitsprozesse, Tätigkeiten, Produkte und Merkmale festlegt. Eine Norm wird von nationalen oder internationalen Gremien und Verbänden erarbeitet und verabschiedet.

Eine externe Partei muss prüfen, ob ein Unternehmen die Anforderungen einer Norm erfüllt. Durch eine schriftliche Bestätigung oder eine offizielle Zertifizierung wird dies dokumentiert. Das Zertifikat gilt als Nachweis, dass Qualität organisatorisch beherrscht wird. Zertifiziert wird hier das Qualitätsmanagementsystem. 1992 wurde in der weltweit gültigen Norm 8402 der Begriff des Qualitätsmanagements geprägt. Hierin muss sich das Management des Unternehmens zum Qualitätsmanagement verpflichten. Der Gedanke der kontinuierlichen Verbesserung der Fertigungsprozesse hält Einzug.

HINWEIS

Unter einem Qualitätsmanagementsystem wird sowohl die Gestaltung der Aufbauorganisation und der Ablauforganisation als auch die Verknüpfung der qualitätsbezogenen Aktivitäten untereinander verstanden. Es entsteht ein System vernetzter Regelkreise auf allen betrieblichen Ebenen, welches die Ziele, die Verantwortlichkeiten, die Prozesse, die Dokumentation und die zur Durchführung erforderlichen Mittel festlegt. Maßgeblich für den Aufbau und den Umfang eines Qualitätsmanagementsystems sind die internen und externen Randbedingungen, die Produkte und Leistungen, organisatorische Abläufe sowie die Größe des Unternehmens.

Total Quality Management

Das Qualitätsmanagement entwickelte sich zu einem unternehmensweiten Ansatz weiter, der heute unter dem Begriff Total Quality Management (TQM) bekannt ist. Der Name soll betonen, dass es sich um einen totalen, d. h. ganzheitlichen Ansatz handelt, der alle Mitarbeiter und alle Geschäftsprozesse einbezieht. Die Fertigungsprozesse sind also nur eine Teilmenge. Diese Betrachtung erfordert ein hohes Maß an Prozessorientierung. Das vorrangige Ziel sind vorbeugende – also präventive – Maßnahmen in den Prozessen wie dem Entwicklungs- und dem Fertigungsprozess.

Die Ganzheitlichkeit des modernen Qualitätsverständnisses verdeutlicht der Qualitätskreis in Bild 1.2. Entlang des Produktlebenszyklus muss in allen Phasen eine hohe Qualität erzielt werden. Dazu müssen Vorgaben definiert und deren Umsetzung bzw. Erreichung verfolgt werden. Es beginnt bei der Marktanalyse, geht über die Produktentwicklung und die Fertigungsprozessplanung zur Fertigung und Prüfung bis zum Versand sowie der Servicebetreuung und endet bei der Entsorgung des Produkts.

Bild 1.2Der Qualitätskreis

In diesem umfassenden Qualitätsverständnis sind die Prozesse auf den Kunden ausgerichtet. Die Größen Zeit, Kosten und Qualität werden gemeinsam optimiert. Die Konzentration auf absolute Qualität verhindert Nacharbeit, Doppelarbeit und Verschwendung. Damit hat Total Quality Management eine große Überschneidung zum populären Ansatz des Lean Management, dessen Ziel ebenfalls die Organisation von schlanken, d. h. verschwendungsfreien Geschäftsprozessen ist.

TQM ist als Unternehmensphilosophie zu verstehen, die durch Strategien und Maßnahmen umgesetzt werden muss. Vertreter des TQM-Ansatzes sind unter anderem die ISO 9004, das Excellence-Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) und Six Sigma. Six Sigma ist im Grunde eine Rückbesinnung auf die Fülle vorhandener Werte, Methoden, Techniken und Möglichkeiten des Total Quality Management, die aber jetzt intensiver, tiefgreifender geschult und genutzt werden. Damit hilft Six Sigma dem Unternehmen, seine Prozesse zu durchleuchten, Verschwendung zu vermeiden und die Produktivität voranzutreiben. Six Sigma verlangt TQM-Vollnutzung. Die unbestechliche statistische Messung der Prozessleistung aller kundenrelevanten Unternehmensprozesse steht im Vordergrund. Relevanz haben vorrangig die messbaren Verbesserungen und Einsparungen.

Jüngste Entwicklungen im Qualitätsmanagement sind im Kontext von Industrie 4.0 zu sehen. Durch die Digitalisierung und Vernetzung von Produkten, Maschinen, Produktionsprozessen und sogar organisatorischen Abläufen entstehen auch für das Qualitätsmanagement neue Möglichkeiten, die unter dem Schlagwort Qualitätsmanagement 4.0 zusammengefasst werden (vgl. beispielsweise Refflinghaus 2016, S. 1 oder Freisinger et al. 2022, S. 23). Datenströme aus einer Vielzahl von Sensoren werden in Echtzeit ausgewertet. Durch Machine Learning lernen Maschinen und Anlagen, die Qualität zu verbessern. In einer visionären Zukunft erkennt die Künstliche Intelligenz ohne Zeitverzug, dass eine ungünstige Kombination von Prozessparametern vorliegt, und würde in den Prozess eingreifen, um sicherzustellen, dass das Werkstück innerhalb der Toleranzen liegt.

1.2Der Qualitätsbegriff

Doch was ist Qualität? Es gibt bis heute heterogene und diffuse Auffassungen über „Qualität“ und keine allgemein akzeptierte Definition. Der Qualitätsbegriff ist vom lateinischen „qualitas“ abgeleitet und bedeutet „Beschaffenheit, Eigenschaft“. Zwei zentrale Ansätze der Qualitätsdefinition sind der kundenbezogene und der produktbezogene Qualitätsbegriff.

Der produktbezogene Qualitätsbegriff findet sich in der DIN ISO wieder und bezieht sich auf objektive Kriterien (Bild 1.3). Entscheidend ist, dass eindeutige Merkmale festgelegt und damit überprüfbar sind. Zu diesen Merkmalen können physikalische Größen (z. B. Gewicht, Temperatur, Beschleunigung) zählen, aber auch Merkmale, die sich auf den Verkauf des Produkts (z. B. Preis, Menge pro Einheit, Verpackungsgröße) oder den Umgang mit dem Kunden (Kundenfreundlichkeit) beziehen.

Bild 1.3Der Qualitätsbegriff nach DIN EN ISO 9000:2015, 3.6.2

Die Merkmale einer zu prüfenden Einheit können unterschiedlicher Art sein. Es wird unterschieden in:

       Quantitative Merkmale: Sie können Werten zugeordnet werden, die sich auf einer Skala abbilden lassen. Sie werden auch als variable Merkmale bezeichnet. Beispiele sind: Durchmesser, Längenmaß, Bohrungstiefe, Schichtdicke, Ofentemperatur, Stromstärke.

       Qualitative Merkmale: Sie haben kennzeichnenden oder klassifizierenden Charakter. Sie sind einer Skala ohne definierte Teilung zugeordnet und werden auch als attributive Merkmale bezeichnet. Beispiele sind: Poren auf Bauteiloberflächen, Grat vorhanden ja/nein, Rattermarken, Bauteilbeschädigungen, Lackfehler, Einschlüsse, Kratzer.

Die Qualität von Produkten und Dienstleistungen umfasst aber nicht nur deren Funktion, sondern auch ihren wahrgenommenen Nutzen für den Kunden (DIN EN ISO 9000:2015, 2.2.1). So kann aus Sicht des Produzenten die Qualität in Ordnung sein, weil die spezifizierten Merkmale eingehalten wurden. Aus der kundenbezogenen Sicht ist das Produkt vielleicht von geringer Qualität, weil er andere – auch subjektive – Merkmale einbezieht (Tabelle 1.1). Warum das so ist, erklärt das Kano-Modell.

Tabelle 1.1 Qualitätssichten

 

Qualität objektiv schlecht

Qualität objektiv gut

Qualität subjektiv schlecht

Desaster

Kommunikationsproblem

Qualität gut subjektiv

Zeitbombe

Idealzustand

1.3Das Kano-Modell

HINWEIS

Noriaki Kano, *1940 in Tokio, ist emeritierter Professor an der Universität Tokio. In den 1980er-Jahren entwickelte er das Kundenzufriedenheitsmodell, welches heute unter dem Namen Kano-Modell bekannt ist.

Nach Kano können die Merkmale, die ein Kunde an ein Produkt oder an einen Service stellt, in Kategorien unterteilt werden. Kano unterscheidet in dem nach ihm benannten Modell (Bild 1.4):

       Basismerkmale bewirken bei Erfüllung keine Zufriedenheit beim Kunden, führen jedoch bei Nichterfüllung zu Unzufriedenheit, z. B. den Wunsch nach einem Airbag oder einer Servolenkung äußert der Kunde nicht explizit, sie werden als selbstverständlich definiert.

       Leistungsmerkmale basieren auf den individuellen Anforderungen, die der Kunde äußert, z. B. Motorleistung bei dem einen oder die Klimaanlage bei dem anderen Kunden.

       Begeisterungsmerkmale werden vom Kunden nicht erwartet und auch nicht explizit gewünscht, lösen aber bei Vorhandensein Begeisterung aus, z. B. Kurvenlicht. Hier können kleine Unterschiede die Kundenentscheidung ausmachen.

       Indifferente Merkmale stehen für den Kunden in keinem Zusammenhang zur Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit, z. B. die Farbe des Wischwassers.

       Umkehrmerkmale führen beim Kunden bei Vorhandensein zur Unzufriedenheit bzw. Ablehnung. Beim Pkw könnten dies die lauten Windgeräusche während der Autobahnfahrt sein.

Bild 1.4Das Kano-Modell

Merkmale, die Begeisterung ausgelöst haben, können über die Jahre zu Leistungsmerkmalen abrutschen und eines Tages in der Kundenwahrnehmung zu Basismerkmalen werden. Insbesondere bei technischen Produkten ist dies schnell möglich (vgl. Winz/Brysch 2013, S. 22). Löste in den 90er-Jahren das mobile Telefonieren noch Begeisterung aus, so sind guter Empfang, klare Sprachqualität, geringes Gewicht und lange Laufzeit Basismerkmale.

1.4Wirtschaftliche Aspekte

Qualität hat neben den beschriebenen Markt- und Imageaspekten insbesondere auch eine wirtschaftliche Auswirkung: Je später ein Fehler in der Produktentstehungskette aufgedeckt wird, desto größer sind die durch ihn verursachten Kosten. Die Fehlerkosten steigen circa um den Faktor 10 von Phase zu Phase: Entwicklung, Arbeitsvorbereitung, Produktion, Feldeinsatz. Wird der Fehler jeweils eine Phase später entdeckt, so sind die Kosten zur Fehlerbeseitigung etwa zehnmal höher (Bild 1.5). Ist das fehlerhafte Produkt bereits im Feld, d. h. beim Kunden im Einsatz, dann kann es unkalkulierbar teuer werden, wie die eingangs erwähnten Beispiele zeigen. Hiermit wird die wirtschaftliche Bedeutung eines präventiven Qualitätsmanagements deutlich. Qualitätsmanagement muss schon in der Entwicklung, besser noch bei der Erfassung der Kundenanforderungen ansetzen. Legt man das Verständnis des Total Quality Management zugrunde, dann ist die Beseitigung jeglicher Art von Verschwendung Aufgabe des Qualitätsmanagements.

Bild 1.5Die Zehnerregel der Fehlerkosten

Ein Teil der Fehlerkosten wird gemessen und liegt dem Controlling vor. Man spricht auch von den Costs of Nonconformance (Bild 1.6), also den Abweichungskosten. Dazu gehören Nacharbeit, Ausschuss und Garantieleistungen. Diese Kosten sind meist bekannt und werden berichtet. Es wird geschätzt, dass sie ungefähr 5 bis 8 % vom Umsatz ausmachen. Der größte Teil der Kosten ist jedoch nicht bekannt und befindet sich wie ein Eisberg unterhalb der Wasseroberfläche. Dazu gehören beispielsweise verspätete Waren, die mit Expresslieferungen zum Kunden gebracht werden, oder verlorene Fertigungskapazitäten, weil durch Qualitätsprobleme die Maschine angehalten werden muss. Wer rechnet schon die Kapitalbindungskosten der gesperrten Ware aus dem Lagerbestand heraus? Auch die Problemlösungsbesprechungen zu den immer gleichen wiederkehrenden Qualitätsunfällen binden Experten und Management. Die Kosten werden in den seltensten Fällen gemessen, weil die Mitarbeiter „eh da“ sind. Die so blockierten Mitarbeiter könnten sich aber stattdessen um neue Produkte oder Kunden kümmern, wenn es diese Qualitätsprobleme nicht gäbe. Und wer misst schon die Zufriedenheit von Mitarbeitern oder Kunden? Wie kann man das in Geld umrechnen? Entgangene Aufträge lassen sich gar nicht messen. Man spricht in solchen Fällen von Opportunitätskosten.

Bild 1.6Costs of Nonconformance – das Eisbergmodell

Hieraus wird ersichtlich, dass Qualität von Produkten, Dienstleistungen und Unternehmensprozessen eine oftmals unterschätzte wirtschaftliche Dimension hat. Unternehmen, die Qualitätsmanagement systematisch und konsequent umsetzen, erzielen daraus wirtschaftliche Vorteile. Es mögen zwar am Anfang Aufwendungen in Personal, Trainings und Geräte stehen, die sich aber bei richtigem Verständnis und richtiger Durchführung mittel- und langfristig immer auszahlen.

1.5Prinzipien eines umfassenden Qualitätsverständnisses

Ein umfassendes und modernes Qualitätsverständnis geht weit über das reine Messen von Produktmerkmalen hinaus. Es bezieht das gesamte Unternehmen mit allen Mitarbeitern und Partnern ein. Es ist präventiv, d. h. es zielt darauf, Fehler zu vermeiden, bevor sie auftreten. Weiterhin verfolgt ein umfassendes Qualitätsverständnis einen prozessorientierten Ansatz, also weg von einem Denken in Funktionen und Abteilungen hin zu einem Denken in Prozessen und Abläufen. Zudem steht der Kunde im Mittelpunkt, an dem sich Qualität und Qualitätswahrnehmung festmachen (Bild 1.7).

Bild 1.7Prinzipien eines umfassenden Qualitätsverständnisses

1.6Aufbau des Buchs

Das umfassende Qualitätsverständnis muss kommuniziert und dauerhaft im Unternehmen implementiert werden. Auf diesem Weg soll das Buch den Leser darin unterstützen, indem es die Art und Weise der Qualitätsorganisation erklärt, die dafür nötigen Methoden darlegt wie auch bedeutende kommunikative Aspekte im Qualitätsmanagement beleuchtet (Bild 1.8). Zunächst werden im Kapitel „Qualitätsmanagementsysteme“ die Grundlagen gelegt, indem auf die wichtigen Normen und Begrifflichkeiten eingegangen wird. Die in der Praxis sehr bedeutsamen Themen der Beschaffung, der statistischen Prozessregelung und der Messsystemanalyse werden in gesonderten Kapiteln vertieft. Eine nachhaltige Umsetzung gelingt nur mit der konsequenten Anwendung von Qualitätswerkzeugen und Methoden. Dabei haben im modernen QM die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA), das Management von Prozessketten und die damit zusammenhängenden Methoden zur Erfassung der qualitätsbezogenen Kosten eine herausragende Bedeutung und werden entsprechend ausführlich erläutert. Neben der technischen Qualität nimmt der Kunde die produktbegleitende Servicequalität wahr. Hier wird auf neueste Entwicklungen eingegangen und mittels Best-Practice-Beispielen vertieft. Zur professionellen Umsetzung der Qualitätsmaßnahmen werden die wesentlichen Aspekte der Projektplanung und der entsprechenden Führungsaufgaben gesondert umrissen. Zu den Führungsaufgaben gehört es, mit ausländischen Lieferanten und Kunden zu verhandeln und Fertigungsstätten im Ausland zu managen. Künftig muss der Ingenieur noch stärker das Qualitätsmanagement in einem interkulturellen Kontext gezielt betreiben. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis wird diese Herausforderung bislang nicht ausreichend berücksichtigt. Deshalb werden in einem ausführlichen Kapitel die kulturellen Ausprägungen von QM-Aspekten diskutiert und Lösungswege zur Überbrückung dargelegt.

Bild 1.8Aufbau des Buchs

Hiermit erhalten die Ingenieurin und der Ingenieur das Rüstzeug für die erfolgreiche Bewältigung aller Herausforderungen des modernen Qualitätsmanagements in Studium und Praxis.

1.7Literatur

DIN EN ISO 9000:2015: Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe. Beuth Verlag, Berlin

Allemann, M. (2016): Rückruf-Aktionen nehmen zu. Oder doch nicht? Interview im Schweizer Rundfunk. Abrufbar unter: www.srf.ch/news/wirtschaft/rueckruf-aktionen-nehmen-zu-oder-doch-nicht. Zugriff am 01. 01. 2023

Freisinger et al. (2022): Die digitale Transformation des Qualitätsmanagements. Carl Hanser Verlag, München

Refflinghaus, R. (2016): „Vorwort“. In: Refflinghaus, Kern, Klute-Wenig: Qualitätsmanagement 4.0 – Status Quo! Quo vadis? Universität Kassel, S. 1

Winz, G.; Brysch, A. (2013): „Wenn Kundenbegeisterung entscheiden soll – Neuer Leitfaden zur Einführung von Service Excellence“. In: QZ Qualität und Zuverlässigkeit 58-4, S. 22 – 25

2Qualitätsmanagementsysteme

Qualität muss im Unternehmen organisiert und gemanagt werden. Als Leitfaden dienen Normen, in denen Forderungen gestellt werden, die unternehmensspezifisch zu erfüllen sind. In diesem Kapitel werden der Aufbau und wesentliche Inhalte eines Qualitätsmanagementsystems nach der weltweit am meisten verbreiteten ISO 9001 beschrieben. Hieran lässt sich der Status quo des modernen Qualitätsmanagements verdeutlichen. Die Gliederung orientiert sich am Prozessmodell der Norm. Einen anderen Ansatz entwickelt das Modell der European Foundation for Quality Management. Es gilt als Vertreter der Total-Quality-Management-Philosophie und verfolgt einen ganzheitlichen Anspruch. Die Untersuchung der Wirksamkeit von Qualitätsmaßnahmen und Qualitätssystemen oder die Erfüllung von Normvorgaben findet im Audit statt.

2.1Grundlagen

Damit Qualität nicht nur zufällig erzeugt wird und Kunden durch ein schwankendes Qualitätsniveau unzufrieden sind, müssen organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass Produkt- und Servicequalität sicher und dauerhaft auf einem hohen Niveau erzielt werden. Zu den wichtigen organisatorischen Maßnahmen gehören die Beschreibung von Prozessen und Tätigkeiten, die Regelung von Zuständigkeiten, die Schulung von Mitarbeitern, die Anwendung von Methoden, der Einsatz der Messtechnik und die Koordination von Dokumenten und Informationsflüssen. Dies geschieht in einem von der Organisation bestimmten, aufgebauten und aufrechterhaltenen Qualitätsmanagementsystem. Die Organisation ist das Unternehmen, welches durch die Gesamtheit der aufbau- und ablauforganisatorischen Gestaltung (Bild 8.1) dargestellt ist. Das Qualitätsmanagementsystem konzentriert sich dabei auf die qualitätsbezogenen Aktivitäten und deren Verknüpfung.

Es entsteht so ein System vernetzter Regelkreise auf allen betrieblichen Ebenen. Die Elemente des Qualitätsmanagementsystems beinhalten die Struktur der Organisation, Rollen und Verantwortlichkeiten, Planung, Betrieb, Politiken, Praktiken, Regeln, Überzeugungen, Ziele und Prozesse zum Erreichen dieser Qualitätsziele. Das Qualitätsmanagement soll den erreichten Zustand nicht nur aufrechterhalten, sondern bei Änderungen der Randbedingungen weiterentwickeln und kontinuierlich verbessern.

Ein Qualitätsmanagementsystem ist immer ein auf das einzelne Unternehmen angepasstes System. Beispielsweise wird ein globaler Konzern, der Infotainmentsysteme produziert, ein deutlich umfangreicheres Qualitätsmanagementsystem haben als ein lokales Kleinunternehmen in der Lohnfertigung von Maschinenabdeckungen. Der Aufbau und der Umfang des Systems werden also von den unternehmensspezifischen Zielsetzungen bestimmt. Maßgeblich sind die internen und externen Randbedingungen, die Produkte und Leistungen, die organisatorischen Abläufe sowie die Größe des Unternehmens.

2.2Die Norm DIN EN ISO 9001

Seit über 40 Jahren werden Qualitätsnormen entwickelt und finden weltweit Verbreitung. Der am weitesten verbreitete Standard ist die DIN EN ISO 9001 mit knapp einer Million zertifizierter Unternehmen. Die Norm ist Teil der Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff., an die sich ein Unternehmen bei der Erstellung seines Qualitätsmanagementsystems anlehnen kann. Die Normenreihe wird regelmäßig überarbeitet, um den Anforderungen der Wirtschaft und Weiterentwicklungen im Qualitätsmanagement gerecht zu werden. Der aktuelle Revisionsstand einer ISO-Norm ist an der Jahreszahl zu erkennen, welche durch einen Doppelpunkt getrennt hinter der ISO-Nummer steht.

HINWEIS

DIN: Deutsches Institut für Normung

EN: Europäische Norm

ISO: International Organization for Standardization

Die Reihe besteht aus drei Normen, die unterschiedliche Zielstellungen verfolgen:

       In der Norm DIN EN ISO 9000:2015 mit dem Titel „Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe“ werden die Grundlagen für Qualitätsmanagementsysteme und die in der Normenreihe verwendeten Begriffe erläutert. Sie wurde 2015 überarbeitet und schafft eine einheitliche Begriffsdefinition zwischen der ISO 9000 ff. und der ISO 14011 für das Umweltmanagement.

       Die Norm DIN EN ISO 9001:2015 mit dem Titel „Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen“ ist zwingend für die Zertifizierung. Sie zielt auf die Qualitätssicherungsprozesse, die notwendig sind, um die gegebenen Kundenanforderungen zu erfüllen. Damit stellt die ISO 9001 einen Mindeststandard zur Umsetzung von Qualitätsmanagementsystemen dar. Dies ist der wesentliche Unterschied zur ISO 9000 und 9004. Die Vorteile der Anwendung der ISO 9001 sind zum einen das Vertrauen, welches zwischen externem Kunden und Lieferanten geschaffen wird, und zum anderen beseitigt es Schwachstellen in der Organisation und in den Abläufen.

       Die Norm DIN EN ISO 9004:2018 mit dem Titel „Qualitätsmanagement – Qualität einer Organisation – Anleitung zum Erreichen nachhaltigen Erfolgs“ geht über die ISO 9001 hinaus. Die ISO 9004 ist keine Zertifizierungs- oder Vertragsgrundlage, sondern sie stellt einen Leitfaden zur systematischen Verbesserung der Gesamtleistung einer Organisation bereit. Dieser enthält Anleitungen zur Ausrichtung eines Unternehmens in Richtung Total Quality Management. Die Norm stellt zudem Prozesse zur ständigen Verbesserung übersichtlich dar. Sie ist übergeordnet und auf alle Organisationen anwendbar, unabhängig von deren Art und Größe und von der Art der Produkte. Dabei muss die Firma in einer Selbstbewertung überprüfen, in welchem Maß die Organisation die in der ISO 9004 enthaltenen Elemente anwendet. Zu jedem Element wird ein Reifegrad festgelegt. Der Abschluss der Selbstbewertung sollte zu einem Maßnahmenplan für Verbesserung führen.

2015 fand die Revision der ISO 9000 und der ISO 9001 statt. Die Unterschiede zum Revisionsstand 2008 sind erheblich. Man spricht deshalb auch von einer großen Revision. Die Struktur hat sich verändert. Es wird die sogenannte High Level Structure benutzt, die für alle ISO-Normen, die sich auf Managementsysteme beziehen, verbindlich ist (Tabelle 2.1). Durch diese Vereinheitlichung soll für Unternehmen zukünftig die Integration verschiedener Normen erleichtert werden.

Tabelle 2.1 High Level Structure der ISO 9001

Aufbau der DIN EN ISO 9001:2015

1 Anwendungsbereich

2 Normative Verweisungen

3 Begriffe

4 Kontext der Organisation

5 Führung

6 Planung für das Qualitätsmanagementsystem

7 Unterstützung

8 Betrieb

9 Bewertung der Leistung

10 Verbesserung

Die ISO 9001 unterstützt die prozessorientierte Ausrichtung von Unternehmen und orientiert sich an den Geschäftsprozessen. Der Aufbau folgt deshalb einem sogenannten Prozessmodell (Bild 2.1). Es stellt die Integration bzw. das Zusammenspiel von sieben Hauptkategorien dar, welche den Inhalt eines QMS präsentieren und miteinander in Verbindung stehen. Sie sind in weitere Unterkategorien gegliedert. In den entsprechenden Kapiteln der Norm sind die Forderungen beschrieben. Die Umsetzung der Forderungen obliegt dem Unternehmen. Je nach Branche, Größe des Unternehmens und Komplexität der Produkte und Dienstleistungen kann eine solche Umsetzung im Unternehmen unterschiedlich umfangreich ausfallen.

Bild 2.1Das Prozessmodell der ISO 9001

2.2.1Kontext der Organisation

Der „Kontext der Organisation“ sind die internen und externen Faktoren, die eine Auswirkung auf die Vorgehensweise einer Organisation haben.

Bild 2.2Struktur des Normkapitels „Kontext der Organisation“

Das Normkapitel 4 besteht aus den vier Abschnitten (Bild 2.2):

       Verstehen der Organisation und ihres Kontextes (4.1): Das Unternehmen muss sich fragen, welche Themen aus dem Umfeld Einfluss auf das QMS haben: technische, soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Zusammenhänge, Wettbewerber, Gesetze.

       Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen interessierter Parteien (4.2): Das Unternehmen muss klären, welche interessierten Parteien für das QMS relevant sind und welche Erfordernisse und Erwartungen sie haben (Bild 2.3). Hiermit wird dem sogenannten Stakeholder-Ansatz Rechnung getragen.

Bild 2.3Beispiele von interessierten Parteien sowie deren Erfordernisse und Erwartungen (in Anlehnung an DIN ISO 9004:2018, S. 15)

       Festlegen des Anwendungsbereichs des Qualitätsmanagementsystems (4.3): Der Anwendungsbereich des QMS muss bestimmt und die Grenzen müssen festlegt werden. Der Bereich kann sich auf die gesamte Firma, ein Werk oder einzelne Abteilungen beziehen. Dazu muss als dokumentierte Information verfügbar sein, für welche Produkte und Dienstleistungen das QMS gilt.

       Qualitätsmanagementsystem und dessen Prozesse (4.4): Das Unternehmen muss ein QMS einschließlich der benötigten Prozesse aufbauen, aufrechterhalten und verbessern. Die Norm erwähnt, dass dazu unter anderem Folgendes bestimmt werden muss:

       die erforderlichen Eingaben, Abfolgen und Ergebnisse dieser Prozesse,

       die Wechselwirkungen der Prozesse, Kriterien und Indikatoren zur Leistungsmessung,

       die benötigten Ressourcen,

       die Zuweisung von Verantwortungen und Befugnissen,

       Methoden zur Überwachung, Bewertung und Messung.

Die Durchführung der Prozesse muss so weit dokumentiert sein, dass die Prozesse wie geplant ausgeführt werden können. Die Umsetzung in der Praxis geschieht mittels Prozessbeschreibungen und Arbeitsanweisungen.

Die Prozessbeschreibung stellt den Ablauf von Tätigkeiten, Entscheidungen, Zuständigkeiten und Dokumenten von Geschäftsprozessen dar, wie in dem Beispiel in Bild 2.4 gezeigt.

Bild 2.4Grafische Prozessbeschreibung am Beispiel eines Prüfplanprozesses

All diese Dokumente müssen genehmigt, verteilt und aktualisiert werden. Alte Dokumente werden gelöscht bzw. eingesammelt und gegen die aktualisierte Version ausgetauscht. Arbeitet ein Werker beispielsweise noch nach einer alten Arbeitsanweisung, kann dies erhebliche negative Folgen wie erhöhte Ausschussraten oder auch erhöhte Verletzungsgefahren haben.

2.2.2Führung

Die oberste Leitung ist eine Person oder Personengruppe, die eine Organisation auf der obersten Ebene führt und steuert (Geschäftsführung, Vorstand, Bereichsleiter). Sie hat eine Vorbild- und Motivationsfunktion. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Mitarbeiter. Da mit der Einführung und Durchsetzung eines Qualitätsmanagementsystems häufig Veränderungen der gewohnten Abläufe einhergehen, ist nicht selten mit Widerstand zu rechnen. Zudem trägt die oberste Leitung die Verantwortung für die Wirksamkeit des QMS. Das Kapitel 5 der Norm umfasst die Führung und Verpflichtung für das QMS, für die Kundenorientierung, für die Qualitätspolitik und für die Rollen, Verantwortlichkeiten und Befugnisse in der Organisation (Bild 2.5).

Bild 2.5Struktur des Normkapitels „Führung“

Die oberste Leitung muss in Bezug auf das Qualitätsmanagementsystem Führung und Verpflichtung (5.1) zeigen, indem sie

       . . . die Verantwortung für die Wirksamkeit des QMS übernimmt und sicherstellt, dass das QMS seine beabsichtigten Ergebnisse erzielt. Hierzu gehört auch, dass Personen und andere relevante Führungskräfte einbezogen, angeleitet und unterstützt werden, damit diese zur Wirksamkeit des QMS beitragen können.

       . . . die Bedeutung eines wirksamen Qualitätsmanagements sowie die Wichtigkeit der Erfüllung der Anforderungen des QMS vermittelt. Geht beispielsweise der Werksleiter persönlich in die Nachtschicht, um das neue Qualitätsprogramm zu schulen, dann ist dies ein klares Zeichen an die Belegschaft und betont die Relevanz des Qualitätsmanagementsystems.

       . . . sicherstellt, dass die Qualitätspolitik und die Qualitätsziele festgelegt und mit der strategischen Ausrichtung und dem Kontext der Organisation vereinbar sind.

       . . . sicherstellt, dass die Anforderungen des QMS in die Geschäftsprozesse der Organisation integriert werden und das Bewusstsein über den prozessorientierten Ansatz, das risikobasierte Denken und den Gedanken der Verbesserung fördern.

       . . . sicherstellt, dass die für das QMS erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stehen.

Die oberste Leitung hat die Kundenorientierung hervorzuheben, indem Kundenanforderungen methodisch ermittelt werden mit dem Ziel, die Kundenzufriedenheit zu verbessern. Dies schließt auch Gesetze und behördliche Auflagen ein. Risiken und Chancen sind zu bestimmen und zu berücksichtigen. Der Fokus auf Kundenzufriedenheit und Verbesserung ist aufrechtzuerhalten. Dazu gibt es verschiedene Methoden wie das Kano-Modell, das Quality Function Deployment oder Befragungen. Wichtig ist, dass dabei die verschiedenen Abteilungen wie der Vertrieb, das Marketing, die Entwicklung, das Qualitätsmanagement und andere zusammenarbeiten.

Die Festlegung der Qualitätspolitik (5.2) als Teil der Unternehmenspolitik liegt in der Verantwortung der obersten Leitung. Sie muss eine Verpflichtung zur Erfüllung von Anforderungen und zur kontinuierlichen Verbesserung des QMS enthalten. Die Qualitätspolitik bildet den Rahmen für die Qualitätsziele und ist an die Mitarbeiter zu kommunizieren, z. B. im Intranet, durch Aushänge und Schulungen, und die Qualitätspolitik muss für die interessierten Parteien verfügbar sein.

Von der obersten Leitung werden die relevanten Rollen, Verantwortlichkeiten und Befugnisse in der Organisation (5.3) festgelegt und kommuniziert. Sie muss sicherstellen, dass

       . . . das QMS die Anforderungen der Norm erfüllt.

       . . . die Verantwortlichkeit benannt wird, welche über die Leistung des QMS und Verbesserungsmöglichkeiten berichtet.

       . . . die Kundenorientierung innerhalb der Organisation gefördert wird. Die Norm stellt auch an dieser Stelle nochmals die Bedeutung des Kunden heraus.

       . . . bei Änderungen die Integrität des QMS erhalten bleibt. Solche Änderungen können neue Produkte, neue Lieferanten, ein neuer Standort oder geänderte Abläufe sein.

2.2.3Planung für das Qualitätsmanagementsystem

Das Normkapitel „Planung“ beinhaltet Forderungen zu Maßnahmen im Umgang mit Risiken und Chancen, zur Formulierung von Zielen und deren Erreichung sowie zur Planung von Änderungen (Bild 2.6).

Bild 2.6Struktur des Normkapitels „Planung“

Die Norm verlangt vom Unternehmen, dass es die Risiken und Chancen eines QMS bestimmt (6.1). Dies drückt den präventiven Charakter des Qualitätsmanagementsystems aus und repräsentiert damit die vorbeugenden Maßnahmen. Typische Maßnahmen und Methoden werden in Kapitel 6, Kapitel 7 und Abschnitt 11.3 besprochen. Die Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen müssen proportional zum Einfluss auf die Konformität von Produkten und Dienstleistungen sein. Mit diesem risikobasierten Ansatz sollen unerwünschte Auswirkungen auf das QMS verhindert und fortlaufende Verbesserungen erreicht werden. Es gibt jedoch keine Anforderungen an einen formellen Risikomanagementprozess.

Ausgehend von der Qualitätspolitik sind die Qualitätsziele (6.2) abzuleiten. Die allgemeinen Qualitätsziele müssen über operative Teilziele und Unterziele auf die Prozesse und Mitarbeiter heruntergebrochen werden (Bild 2.7). Qualitätsziele müssen konkret und messbar sein, einen Soll-Wert haben und dürfen sich nicht widersprechen. Sie können in Mitarbeitergesprächen oder in Workshops vereinbart werden. Im optimalen Fall kennt dann jeder Mitarbeiter seinen messbaren Beitrag zum übergeordneten Qualitätsziel.

Bild 2.7Pyramide der Qualitätsziele

Kommt es zur Planung von Änderungen (6.3), die sich beispielsweise durch neue Produkte und Dienstleistungen, neue Lieferanten, neue Fertigungstechnologien oder durch den Kauf oder Verkauf von Geschäftsbereichen ergeben, muss die Organisation jede mögliche Konsequenz daraus berücksichtigen und sicherstellen, dass die Änderung in das QMS integriert wird. Die Organisation muss weiterhin die Verfügbarkeit von Ressourcen gewährleisten und eventuell Verantwortungen und Befugnisse neu benennen.

2.2.4Unterstützung

Das Normkapitel „Unterstützung“ ist neu aufgenommen (Bild 2.8). Hierin befinden sich viele Inhalte aus der Revision 2008, nur anders zusammengestellt.

Bild 2.8Struktur des Normkapitels „Unterstützung“

Allgemein wird zu den Ressourcen (7.1) verlangt, dass die Organisation die erforderlichen internen und externen Ressourcen für das QMS ermittelt und bereitstellt.

Zu den Ressourcen zählen im Einzelnen die benötigten Personen, die Infrastruktur, welche aus Gebäude und Gebäudetechnik, Hardware und Software, Transporteinrichtungen und Informations- und Kommunikationstechnik besteht, und weiterhin die Prozessumgebung, die Messmittel und das Wissen.

Die Prozessumgebung muss das Erreichen von konformen Produkten und Dienstleistungen ermöglichen. Bei der Produktion von Elektronikbauteilen können dies beispielsweise die Luftfeuchtigkeit und der Staubgehalt in der Fertigung sein. Bei der Fertigung von präzisen Bauteilen kann dies die konstante Temperatur für hochgenaue Längenmessungen sein oder wie Bild 2.9 zeigt, die ausreichende Beleuchtung des Arbeitsplatzes, welche die Fehlerraten senkt.

BEISPIEL

Bei der Analyse der Leistungsabhängigkeit an typischen Industriearbeitsplätzen zeigt sich, dass die Fehlerquote für schwierige Sehaufgaben wie Sägen oder Zuschneiden mit zunehmender Beleuchtungsstärke deutlich stärker zurückgeht als bei einfachen Sehaufgaben. Die Befragung der Beschäftigten während der Langzeitversuche ergab, dass eine höhere Beleuchtungsstärke zu geringerer Ermüdung führt.

Bild 2.9Rückgang der Fehlerquote in Abhängigkeit von der Beleuchtungsstärke (licht.de o. J.)

Die Organisation muss das Wissen bestimmen, das benötigt wird, um ihre Prozesse durchzuführen und um die Konformität von Produkten und Dienstleistungen zu erreichen. Dieses Wissen, welches auch geistiges Eigentum und Erfahrungsschatz beinhaltet, muss vermittelt werden. Zur Wissenserlangung kann sich die Organisation interner Quellen bedienen wie beispielsweise aus Lessons-Learned-Projekten, 8D-Reports, FMEA-Dokumentationen, Reviews zum Projektabschluss und Expertenwissen. Oder es können auch externe Quellen wie Hochschulen, Konferenzen sowie der Wissenserwerb durch Kunden und Anbieter genutzt werden. Es wird jedoch kein umfassendes Wissensmanagementsystem gefordert.

Das Normkapitel zur Kompetenz (7.2) behandelt die Fähigkeit, Wissen und Fertigkeiten anzuwenden, um die beabsichtigten Ergebnisse zu erzielen. Für Personal, welches die Qualitätsleistung beeinflusst, muss die nötige Kompetenz bestimmt werden. Die Organisation muss sicherstellen, dass die Person durch angemessene Ausbildung, Schulung oder Erfahrung kompetent ist und wenn erforderlich Maßnahmen zur Kompetenzerwerbung einleiten. Die Umsetzung kann beispielsweise durch ein Vorgehen zur systematischen Einarbeitung von neuen Mitarbeitern geschehen. Dazu ist ein Soll-Fähigkeitsprofil von jedem Arbeitsplatz zu erstellen, worauf dann der Abgleich mit dem Ist-Fähigkeitsprofil erfolgt. Hieraus ermittelt sich der Schulungsbedarf. Ebenfalls sollten regelmäßig Schulungen zum Qualitätsmanagement durchgeführt und in der Personalakte dokumentiert werden.

ANMERKUNG

Die Norm erläutert nicht, was beispielsweise unter „angemessen“ (in der englischen Fassung „appropriate“) zu verstehen ist. Dies eröffnet einen Interpretationsspielraum. So werden die Dinge interkulturell teilweise völlig unterschiedlich verstanden und umgesetzt (siehe Kapitel 13, „Interkulturelles Qualitätsmanagement“).

Die Norm fordert unter Bewusstsein (7.3), dass die Personen die Qualitätspolitik, die relevanten Qualitätsziele, ihre Verantwortlichkeiten, ihren eigenen Beitrag zum QMS bzw. die Folgen einer Nichterfüllung kennen müssen. In der Praxis bedeutet eine Änderung im Bewusstsein immer eine Verhaltensänderung. Dies gelingt am besten in der in Bild 13.22 gezeigten Unternehmenskultur der Lernenden Qualitätsorganisation.

Die Organisation muss in der internen und externen Kommunikation (7.4) bestimmen, worüber, wann, mit wem und wie sie über das QMS kommuniziert. Kommunikation erhöht generell das Engagement der Personen und ihr Verständnis über den Kontext der Organisation, über die Kundenerwartungen und über das QMS allgemein.

Dokumentierte Informationen (7.5) sind Informationen, die von einer Organisation gelenkt und aufrechterhalten werden, ebenso wie das Medium, auf dem sie enthalten sind. Eine dokumentierte Information beinhaltet die Kennzeichnung, das Format und die angemessene Überprüfung. In der Norm wird pauschal von dokumentierten Informationen gesprochen. Kleine Unternehmen benötigen weniger Dokumentation als große Unternehmen oder solche mit komplexen Prozessen und Produkten.

Die Lenkung der dokumentierten Informationen verlangt ein Verfahren zur Genehmigung, Herausgabe, Bewertung, Aktualisierung, Änderungskennzeichnung und Verhinderung des Gebrauchs alter Dokumente. Die Umsetzung erfolgt durch eine verbindliche Vorschrift, wer welche Regeln, Vorschriften und Formulare im Unternehmen aufstellen und in Kraft setzen darf, wo die Dokumente bzw. Regeln für Mitarbeiter auffindbar sind und wie lange sie aufbewahrt werden müssen.

2.2.5Betrieb

Der Betrieb umfasst einen großen Bereich des Produktlebenszyklus, beginnend bei der Planung über die Entwicklung, die Produktion und Dienstleistungserbringung bis zur Freigabe und Steuerung nichtkonformer Ereignisse (Bild 2.10).

Bild 2.10Struktur des Normkapitels „Betrieb“

Ausgehend von den analysierten Chancen und Risiken wird die betriebliche Planung und Steuerung (8.1) abgeleitet. Es müssen die Kriterien und Ressourcen bestimmt werden, damit konforme Produkte und Dienstleistungen erreicht werden. Die Umsetzung kann durch eine Ressourcenplanung auf Basis von Maschinenbelegung, von Aufträgen und Arbeitsplänen oder durch die Zuordnung von Personal zu Projekten erfolgen. Die Freigabe erfolgt nur auf Basis von Aufträgen und Projekten auf Basis von geprüften Personalressourcen. Zur Planung und Steuerung gehören neben den richtig qualifizierten Mitarbeitern ebenfalls die Bestimmung von Maschinen, Lagerkapazitäten, die Festlegung der Prüf- und Qualitätssicherungsinstrumente und die Festlegung der Daten zum Nachweis einer fehlerfreien Produktqualität. Das Ergebnis dieser Planung muss für die Betriebsabläufe der Organisation geeignet sein. Die Methodik muss der Situation angepasst erfolgen.

Die Prozesse zur Herstellung des Produkts müssen beschrieben und freigegeben werden. In Fällen der Massenproduktion mit unqualifizierten Mitarbeitern erfolgt eine ausführliche Planung der Prozesse teilweise komplett bebildert mit allen Handgriffen, die durchzuführen sind. Auf der operativen Ebene gibt es detaillierte Arbeitsanweisungen für Fertigungsschritte, Montageaufgaben und Einstellarbeiten. Hierzu gehören auch Checklisten, Prüfanweisungen und Formulare. Für komplexe Arbeitsanweisungen ist es ratsam, diese mit Bildern zu unterstützen, um Eindeutigkeit herzustellen und kritische Schritte abzusichern (Bild 2.11).

Bild 2.11Beispiel für eine bebilderte Arbeitsanweisung

Der Prozess des Bestimmens von Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen (8.2) beginnt mit der Kundenkommunikation. Kundenanforderungen können sich mit der Zeit ändern, wie das Kano-Modell zeigt. Daraus werden die Anforderungen an die Produkte und Dienstleistungen abgeleitet. Die Umsetzung gelingt durch die Erstellung eines Lasten-/Pflichtenhefts, welches die Anforderungen und Einsatzbedingungen sowie die angestrebten Leistungsdaten des Produkts umfassend darstellt. Auch bei Dienstleistungen und Beratungsprojekten gibt es solche Leistungsbeschreibungen. Zuletzt sind die Forderungen an Produkte und Dienstleistungen zu überprüfen.

Das Normkapitel zur Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen (8.3) enthält Unterkapitel zu der Entwicklungsplanung, den Entwicklungseingaben (Anforderungen), der Entwicklungssteuerung, den Entwicklungsergebnissen und den Entwicklungsänderungen. In der Praxis enthält der Produktentwicklungsprozess, welcher Teil des Idea-to-Product-Prozesses ist, Quality Gates, auch Meilensteine genannt. Quality Gates sind die Prüfungen und Entwicklungsbewertungen, die dokumentiert werden. Die Validierung einer Produktentwicklung wäre die Prüfung eines Prototyps, bei der Entwicklung eines Seminars wäre es ein Pilotlehrgang mit ausgewählten Teilnehmern.

Die Steuerung von extern bereitgestellten Produkten und Dienstleistungen (8.4) soll sicherstellen, dass die beschafften Prozesse, Produkte und Dienstleistungen den Anforderungen entsprechen. Die Art und der Umfang der Kontrolle von externen Bereitstellungen sind zu ermitteln und die externen Anbieter über die Anforderungen zu informieren. In der Norm wird nicht von Lieferanten gesprochen, sondern von sämtlichen externen Anbietern, was beispielsweise Lieferungen aus Schwesterwerken einbezieht. Bei der Umsetzung ist eine systematische Auswahl der Lieferanten wichtig. Welche Kriterien fließen in welcher Gewichtung in die Entscheidung ein? Dazu kommt, dass regelmäßig eine Lieferantenbeurteilung vorgenommen werden sollte. Die eingehende Ware ist auf Mängel zu prüfen, was beispielsweise in der Wareneingangsprüfung geschehen kann. Heute wird häufig in Qualitätsvereinbarungen festgelegt, dass der Lieferant Prüfzeugnisse mitliefert. Nähere Ausführungen finden sich in Kapitel 3, „Qualitätsmanagement in der Beschaffung“.

Die Produktion und Dienstleistungserbringung (8.5) verlangt beherrschte Bedingungen, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit, sorgfältigen Umgang mit dem Eigentum des Kunden sowie Produkterhaltung während der Verarbeitung und Auslieferung bis zum Kunden. Neu ist die Forderung, auch die Tätigkeiten nach der Lieferung zu ermitteln. Diese können durch Risikoanalysen oder Kundenfeedback, Gewährleistungsbestimmungen und Pflichten zur Instandhaltung oder zur Entsorgung entstehen.

Die Umsetzung der Normforderung kann bei produzierenden Firmen durch Fähigkeitsuntersuchungen von Fertigungsprozessen und Maschinen erfolgen. Laufende Prozesse werden durch Statistical Process Control überwacht. Qualifiziertes Personal darf Tätigkeiten entsprechend einer Freigabematrix ausführen. Über eine solche Matrix wird sichergestellt, dass nur die richtig qualifizierten Mitarbeiter die komplexen Fertigungs- und Montageschritte ausführen und Maschinen bedienen.