Eingereist und abgetaucht - Daniel Gäsche - E-Book

Eingereist und abgetaucht E-Book

Daniel Gäsche

4,8

Beschreibung

Freiheit, Menschenschlepper und Abschiebeknast "Die Ausweise, bitte!" So angesprochen, fühlt sich jeder erst mal ertappt. Für Menschen ohne Papiere ist diese Aufforderung eine Katastrophe. Daher dürfen sie nicht auffallen, denn sonst sind sie am Ende. Sind sie Kriminelle? Wie Mörder oder Diebe? Was wissen Sie eigentlich über Ihre Putzfrau, die Pflegerin des Nachbarn, den Maurer von gegenüber? Daniel Gäsche hat sich auf Spurensuche begeben. Er hat "Illegale" begleitet, ihre Schicksale gehört und ihren täglichen Kampf mit der Angst miterlebt. Er war dort, wo diese Menschen Unterkunft, medizinische Versorgung und andere Hilfe finden. Er war auch dort, wo sie enden, wenn sie erwischt werden - im Abschiebeknast. Er befragte Politiker verschiedener Parteien, Kirchenvertreter der unterschiedlichen Konfessionen, Polizisten und Ärzte. Alle erkennen Handlungsbedarf. In packenden Reportagen, spannenden Interviews und berührenden Einzelschicksalen beleuchtet Gäsche die Fakten und Hintergründe zum Leben in der Illegalität in Deutschland. Alternativen zur gegenwärtigen Situation gäbe es. Mit einem Vorwort von Sabine Christiansen

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Für Carol

»Don’t think twice, it’s all right.

Não pense duas vezes, está tudo certo.«

Bob Dylan

Daniel Gäsche

Eingereist &Abgetaucht

Illegal inDeutschland

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Militzke Verlag GmbH, Leipzig 2014

Lektorat: Caren Fuhrmann

Umschlaggestaltung: Ralf Thielicke, unter Verwendung eines Fotos

von rolleyes/photocase.com

Layout: Thomas Butsch, www.butsch-buch.de

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

ISBN: 978-3-86189-866-5 (Buch)

ISBN: 978-3-86189-964-8 (E-Book)

Besuchen Sie uns im Internet unter: www.militzke.de

Wir glauben nicht an eure Grenzen. Die gelten nicht für uns.

Euer Stacheldraht, eure Infrarotkameras, eure Stromstöße sind altmodisch. Wir kennen keinen Schmerz. Wir gründen keine Staaten. Staaten interessieren uns nicht. Wenn wir erwischt werden, wenn wir gehen müssen, kommen wir wieder. Passt auf. Wir sind viele (…).

Wir kommen aus Ländern, die es längst nicht mehr gibt. Es gibt uns. Es gibt uns jetzt. Wir sind die neuen Menschen. Und ihr. Ihr seid von gestern.1

Die Begriffe »Illegale«, »illegal« oder »in der Illegalität« in diesem Buch beziehen sich auf diejenigen Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung, ohne Duldung und ohne Kenntnis der Behörden in Deutschland aufhalten und sind daher hier ausdrücklich nur im Zusammenhang mit aufenthaltsrechtlicher Illegalität zu sehen. Keinesfalls sollen diese Menschen diskriminiert werden. In der öffentlichen Diskussion werden sie auch als »Papierlose« (in Frankreich »sans papiers«, in Italien »clandestini«), »heimliche Menschen« oder »Schattenmenschen« bezeichnet. Ansonsten spreche ich von »Menschen in der Illegalität«, »Betroffenen« und »Menschen ohne Papiere«. Die Namen und Herkunftsorte meiner »papierlosen« Gesprächspartner habe ich geändert.

1Björn Bicker: Illegal. Wir sind viele. Wir sind da., Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2009, S. 103 ff.

Inhalt

Vorwort

Einführung

I Maria aus Manaus – Die tägliche Angst

Illegal – was ist das überhaupt?

»Ein spannendes Projekt«

Versuch einer Begriffsklärung

Das Asylrecht in Deutschland – ein kurzer Überblick

Probleme mit der Ausländerbehörde

Asylanträge in der EU und in Deutschland

Abschiebungen

Illegal in Deutschland

Unwissenheit kann gefährlich sein

Politisches Statement: Bernd Krömer (CDU)

II Maria aus Manaus – Letzter Ausweg: Berlin

Die guten Seelen und die Verantwortungsträger

Kirchliche und kirchennahe Projekte

Eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft

Schutzraum für Zukunftsträume

Lobbyarbeit für die Schwächsten

Seelsorger – Ganz nah dran an den Problemen

Es kommt auf den Menschen in seiner Not an und nicht auf politisches Kalkül

Wo Frauen Frauen helfen

Ich denke oft an Hyvong

Gesundheit – ein wichtiges Gut

Ein Tag bei den Maltesern

Meine Sprechstunde bei Frau Dr. Franz

MediBüro – Das Ärzte-Netzwerk

Politisches Statement: Renate Künast (Bündnis 90/GRÜNE)

III Maria aus Manaus – Walk on the wild side

No Way Out – Station to Station

Eingesperrt in Köpenick

Adam aus Białystok

Politisches Statement: Hartfrid Wolff (FDP)

Lost in Eisenhüttenstadt

Singh aus Indien

Politisches Statement: Uwe-Karsten Heye (SPD)

Schicksale – Geflohen, eingeschleust, herumgestoßen

Wenn ich Deutscher wäre, würde man mir zuhören

Linette: Sie bat um Hilfe und bekam einen Haftbeschluss

Walid und die Absurditäten des europäischen Asylsystems

Wenn Menschen ihr Herz öffnen

Politisches Statement: Ulla Jelpke (DIE LINKE)

Wie Weihnachten und Ostern zusammen

Ricardo aus Rio

IV Maria aus Manaus – Auf dem Dirty Boulevard oder Die Angst vor dem Verrat

Wie raus aus dem Teufelskreis?

Illegal in Deutschland – kein Thema für die »GroKo«

Grundrechte für Menschen in der Illegalität

Aus illegal wird legal?

Ein Stückchen mehr Solidarität

Politisches Statement: Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen)

V Maria aus Manaus – Endlich angekommen!?

Danksagung

Anhang

Abkürzungen

Interviewpartner

Organisationen, Beratungsstellen und Ansprechpartner

Wichtige Quellen

TV

Film

Fotonachweis

Vorwort

In Hamburg lässt der Innensenator die Polizei ausschwärmen, um »Menschen ohne Papiere« zu suchen, per Fingerabdruck zu erfassen und ihre Abschiebung vorzubereiten.

Das britische Innenministerium fordert per SMS Menschen in der Illegalität auf, dass die Zeit zur Ausreise gekommen sei.

Nach der Lampedusa-Tragödie spricht der damalige deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich von noch höheren Mauern, die Europa aufbauen sollte, und noch stärkeren Kontrollen, um den illegalen Zugang nach Europa weiter zu erschweren.

All das macht die Hilflosigkeit im Umgang mit Menschen deutlich, die aus vielerlei Gründen nach Europa und Deutschland flüchten und zu Hunderttausenden in einer Parallelwelt leben, weil sie rechtlich gesehen »unerlaubt eingereist« und »illegal aufhältig« sind.

Das geht uns ALLE an!

Wie sollten wir mit dieser Problematik umgehen? Wie viel ist unsere Solidargesellschaft bereit zu »tragen«, zu akzeptieren, wenn Menschen aus anderen Ländern in ihrer Not zu uns kommen?

Wie verhält es sich mit Menschen, die wir als Putzfrauen, Pflege- und Küchenkräfte oder als Babysitter beschäftigen, deren Status wir aber nicht hinterfragen? Die wir als Prostituierte benutzen und deren Schicksal uns kalt lässt? Die auf dem Bau in Schwarzarbeit für wenig Geld schuften und volkswirtschaftlich gesehen einen Schaden darstellen?

Unter uns leben Bürger vierter Klasse – in einer Parallelwelt verbringen sie teilweise sogar Jahrzehnte ohne Papiere und ständig in der Angst denunziert zu werden. Menschen, die auf teils abenteuerlichen und lebensgefährlichen Wegen zu uns gekommen sind, die oft tausende Euro für den Traum vom Überleben investiert haben.

Würden wir in einer Situation wie der ihren nicht genauso handeln – auf der Suche nach Schutz, Arbeit und einem besseren Leben?

Welche Lösungsmöglichkeiten bietet eigentlich die Politik?

Macht sie es sich nicht zu einfach, einen Großteil der zupackenden Unterstützung kirchlichen Einrichtungen und Hilfsorganisationen zu überlassen?

Wie gehen wir mit »Illegalen« um? Weiter wie bisher?

Ich denke zum Beispiel an unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Ihre Zahl ist wieder stark angestiegen. In Deutschland stehen sie im Spannungsfeld zwischen Kinder- und Jugendhilferecht auf der einen und Asyl- und Aufenthaltsrecht auf der anderen Seite. Wir benötigen zunächst eine bessere Anerkennung kinderspezifischer Fluchtgründe – vor kriegerischer Gewalt, Ausbeutung, Missbrauch und Hunger. Formal besitzen junge Flüchtlinge zwar die gleichen Rechte wie einheimische Kinder, aber diese werden nur sehr unzureichend umgesetzt. Eine bessere Integration in das Bildungssystem und die Sprachförderung wären dringend notwendig.

Doch wollen wir diese Förderung eigentlich? Wollen wir, dass sie hier, in unserem reichen Land, bleiben und eine Chance bekommen? Und Papiere, die ihren Aufenthalt legalisieren?

Denn wer hier ohne Papiere ist, ist nur ein Wanderer zwischen den Welten. In der einen illegal, in der anderen verfolgt, geknechtet, abgeschoben. Ohne Ausweis und Aufenthaltserlaubnis gehört man nicht zu unserer Gesellschaft und wird verstoßen.

Sind Menschen in der Illegalität zu behandeln wie Kriminelle? Wie Mörder oder Diebe?

Nur, weil sie keine Papiere haben?

Daniel Gäsche hat »Illegale« begleitet und ihren alltäglichen Kampf mit der Angst miterlebt. Er war an Orten, wo sie Schutz und Hilfe suchen, und dort, wo der Weg für sie ein trauriges Ende findet. Er hat mit Politikern, Kirchenvertretern, Polizisten, Ärzten und vor allem immer wieder mit Menschen aus der Parallelwelt, mit Betroffenen, gesprochen.

Fakt ist: Jeder, der in der Illegalität leben muss, geht uns als Mensch verloren. Wir müssen Wege und Brücken bauen, um diesen Menschen einen Zugang zum legalen Leben zu ermöglichen. Sie zu kriminalisieren hilft überhaupt nicht.

Dieses Buch wird für Diskussionen sorgen und das ist gut so.

21. November 2013

Sabine Christiansen

Einführung

Die Würde des Menschen kennt keine Grenzen. Sie kümmert es nicht, ob jemand schwarz oder weiß ist, sie kümmert es nicht, ob jemand einen Pass hat. Für die Würde des Menschen ist es irrelevant, ob jemand legal oder illegal hier lebt.

Peter Krücker, Caritasverband für die Stadt Köln2

Bei einem Flüchtlingsdrama vor der Küste der italienischen Insel Lampedusa bergen Rettungskräfte Anfang Oktober 2013 aus einem havarierten Schiff über 300 Leichen. Auf dem aus Afrika kommenden Schiff war ein Feuer ausgebrochen, an Bord befanden sich bis zu 500 Menschen.

300 namenlose Tote. Mit ihnen starben 300 Hoffnungen auf ein besseres Leben, 300 Träume von Arbeit und Hilfe auf dem europäischen Festland. Es war eine der schlimmsten Flüchtlingskatastrophen, die Europa erlebt hat. Eine europäische Tragödie.

Das Perverse daran: Einige italienische Fischer, die mit ihren Booten in der Nähe waren, verweigerten den Ertrinkenden jede Hilfe. Aus Angst. In den vergangenen Jahren waren einige ihrer Kollegen, die in solchen Situationen den in Not geratenen Menschen zu Hilfe geeilt waren, wegen Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt und verurteilt worden. Unglaublich, doch wahr: Es gibt eine Regelung, die vorsieht, dass sogar Retter als vermeintliche Schlepper vor Gericht gestellt und bestraft werden können. Das ist zynisch und menschenverachtend.

Lampedusa, die Insel zwischen Tunesien und Sizilien, liegt näher an Afrika als am italienischen Festland und wird häufig von Menschenschmugglern genutzt, um Flüchtlinge aus Afrika, zunehmend auch aus dem arabischen Raum, nach Europa zu bringen. Doch warum zahlen Menschen tausende, ja zehntausende von Dollar an Schlepper, um die Strapazen der Reise inklusive Todesgefahr auf sich zu nehmen?

Stimmt die gängige Behauptung, es würde sich hierbei vor allem um Wirtschaftsflüchtlinge handeln?

»Viele der Flüchtlinge kommen aus Syrien, dem Irak oder Iran. Sie fliehen vor Kriegen oder Diktaturen«, sagt Günter Burkhardt, Pro-Asyl-Geschäftsführer.3

Die Opfer der Mittelmeerkatastrophe waren keine Wirtschaftsflüchtlinge. Sie flohen überwiegend aus Eritrea oder Somalia, aus Ländern, in denen die Menschen zum Militärdienst gezwungen werden oder wegen eines geschwächten Staates ein Machtvakuum und willkürliche Verhältnisse herrschen.

Die Politik der Abschottung sei gescheitert, so Burkhardt weiter. Wer das Massensterben beenden wolle, müsse Flüchtlingen den legalen und gefahrenfreien Weg nach Europa eröffnen. Er plädiert unter anderem dafür, Menschen, die Angehörige oder einen anderen Anknüpfungspunkt in Deutschland hätten, die Einreise zu erleichtern. Auch der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte von Migranten, François Crépeau, rief die EU-Staaten auf, legale Einwanderung zu erleichtern. Die illegale Einwanderung könne nicht »ausschließlich mit repressiven Maßnahmen« bekämpft werden. Dadurch werde nur die Macht der Schleuser gestärkt. Vor allem müsse Europa »insgesamt mehr Verantwortung übernehmen«, so Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt. Bislang ist jeweils jener EU-Staat für die Flüchtlinge verantwortlich, in dem sie die EU-Grenze erstmals überschreiten. Das müsse geändert werden. EU-Parlamentspräsident Schulz verlangt angesichts der Lampedusa-Tragödie eine radikale Neuausrichtung der Asylpolitik. Einwanderer müssten legal einreisen können. Auch Deutschland trage große Verantwortung. Europa müsse endlich anerkennen, dass es ein Einwanderungskontinent sei. Deshalb bräuchten wir, so Schulz, ein legales Einwanderungssystem. Alle großen Einwanderungsregionen dieser Erde, wie die USA, Australien oder Kanada, hätten moderne Gesetze, die legale Zuwanderung regeln. Die illegale Einwanderung sei verbunden mit Hoffnungslosigkeit, die legale Einwanderung mit Hoffnung. Das würde die Menschen davon abhalten, sich unmoralischen Schleppern auszuliefern, die aus ihrer Hoffnungslosigkeit ein Geschäft machten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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