Einmal blinzeln, Geschichte vorbei – Flash Fiction - Kurzgeschichten für Erwachsene - Martina Meier - E-Book

Einmal blinzeln, Geschichte vorbei – Flash Fiction - Kurzgeschichten für Erwachsene E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Kurz, kraftvoll, unvergesslich. Dieses Buch zeigt, dass manchmal ein einziger Moment genügt – ein Blick, ein Wort, ein Herzschlag – und alles steht Kopf. In über 70 pointierten Flash-Fiction-Geschichten erzählt „Einmal blinzeln, Geschichte vorbei“ von Wendepunkten, inneren Abgründen und kleinen Wundern des Alltags. Jede Geschichte ist etwa 300 Wörter lang und entfaltet eine literarische Wucht, die weit über das Gelesene hinaus wirkt. Mal berührend, mal schockierend, mal augenzwinkernd – die Texte kommen schnell auf den Punkt und bleiben im Gedächtnis. Das Buch ist ideal für Leser*innen, die gern gute Literatur genießen, aber im Alltag wenig Zeit zum Lesen haben. Es passt perfekt in jede Tasche und eignet sich für den kleinen Lesehunger zwischendurch – unterwegs, im Wartezimmer oder vor dem Einschlafen. Was dich erwartet Dieses Buch enthält über 70 eigenständige Kurzgeschichten in der Form von Flash Fiction. Die literarischen Miniaturen sind pointiert, tiefgründig und häufig überraschend. Die stilistische Bandbreite reicht von poetisch über düster bis hin zu ironisch oder minimalistisch. Die Texte sind ideal für alle, die moderne Kurzprosa schätzen, aber sich nicht durch lange Romane kämpfen möchten. „Einmal blinzeln, Geschichte vorbei“ ist außerdem ein ideales Geschenk – zum Wiederlesen und Weitergeben.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Einmal blinzeln, Geschichte vorbei!

Geschichten in 300 Worten erzählt

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Impressum:

Besuchen Sie uns im Internet:

www.papierfresserchen.eu oder www.drachenbuch.com

© 2025 – Papierfresserchens MTM-Verlag

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2025

Unser Büro in Österreich:

Papierfresserchens MTM-Verlag

Tostner Burgweg 21c, 6800 Feldkirch

ISBN Taschenbuch - 978-3-99051-401-6

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Wir weisen darauf hin, dass das Werk einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt ist. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Alle Personen und Handlungen des Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Das Cover wurde mithilfe Künstlicher Intelligenz (Midjourney) erstellt. Die Beschreibungen für das Bild stammt von der Herausgeberin.

*

Inhalt

Max Sekundentänzer

Die Rettung

Nordsee gucken

Der letzte Blick

Winterliche Erinnerung

Schockierte Schmetterlinge

Wie Licht auf geschlossenen Seiten

Kastanien

Wo die Liebe hinfällt

Der Absturz

Das verflixte siebte Jahr

Dantes Inferno

Spiegelscherben

Der letzte Kreuzzug

Rache ist süß

Kein Birdwatching

Zebrajagd

Eine vertraute Stimme

Einem geschenkten Gaul

Flucht nach Wafnir

Zurück ins Glück

Fortgefegt

ChancenReich

Spiegel des Lebens

Damals wie heute Oder: Über die Moralapostel

Ampelverkehr

Ochs am Berg

Worte aus der Tiefe

Das farblose Gummibärchen

Abendstimmung

Die Auserwählte

Gefühlskopie

Einfach vergessen

Vergessen

Nicht der innere Schweinehund

Befreiung

Das XIII. Säuli

Naturtheater

Abflug

Gefühlschaos

Hölle auf Erden

Ungleiche Pole

Gegen den Strom

An einem Tisch

Die Bi(o)bliothek

Eine Herzensangelegenheit

Liebe ist ...

Ein Frühlingstag

Ein Wimpernschlag

Wortblüten

Sommergewitter

Das Kunstwerk

Traum

Übergang

Menschen

Rennen gegen die Zeit

Höhe

Zwielicht – Eine Liebe zwischen zwei Welten

Reifen 13

Aliens

Die Erhebung

Breeze of Perfume

Jetzt

Drei schwarze Punkte

Der Bergsteiger

Ein ungleiches Duo

Uferlos

Fahrt zu den Wolken

Initialzündung

Hände

Entfesselt

Fressen und beschmissen werden

Der letzte Mann auf Erden

*

Die Autorinnen und Autoren

Achim Stößer

Adelheid Bitzer

Alina Baitinger

Alyssa Westensee

Andrea Tillmanns

Anja Lindner

Anke Elsner

Anke Schüür

Barbara Korp

Barbara Neymeyr

Bernhard Finger

Bora Buonder

Carmen Schmidt

Christa Blenk

Christina Reinemann

Dieter Franke

Dominique Goreßen

Doreen Pitzler

Dorothea Möller

Dörte Müller

Elke Werner

Florian Geiger

Gerald Marten

Gerrit Jacobi

Hannelore Futschek

Hannelore Langer-Lausmann

Herbert Glaser

Horst-Volkmar Trepte

Ingrid Hägele

Iris Mesko

Jennifer Warwel

Juliane Barth

Kata Arcana Rune

Kerstin Riechert

Klaus Enser-Schlag

Lea Lusch

Luna Day

Manuela Klemenz

Marcello Friedli-Schwarz

Mario Berger-Naujoks

Markus Weiher

Nadin Kadner

Olga Baitinger

Olyvia Noak-Christ

Pamela Murtas

Petra Kesse

Poet Pit

Ramona Wesselow-Krystosek

Rik Benteler

Roswitha Böhm

Sabine Leibold

Sara (SA)

Sarah Heller

Schwester Paula Grastat

Sieglinde Seiler

Siggi Becker

Stephanie Houben

Sven Müller

Ueli Hermann

Ulli Krebs

Uwe Robert Lohse

Wolfgang Pelikan

Wolfgang Rinn

Wolfgang Rödig

*

Max Sekundentänzer

Max war der Inbegriff des Durchschnittlichen, ein Mann, der als Vorlage für Max Mustermann hätte dienen können. Doch eine Sache hob ihn von der Masse ab: sein Talent, immer um wenige Sekunden zu spät zu sein. Nicht dramatisch, sondern gerade so, dass es auffiel – und sein Leben in unerwartete Bahnen lenkte.

An jenem Morgen war es eine Katze, die sich um seine Beine schmiegte und mit einem leisen Schnurren seine Aufmerksamkeit einforderte. Max zögerte, streichelte sie kurz und verpasste prompt seinen Bus. Als er schließlich am Ort seines Vorstellungsgesprächs ankam, teilte man ihm kühl mit, dass man kein Interesse mehr hätte. Max nickte höflich und trat wieder hinaus in die frische Luft.

Er wusste, dass dies ein Moment war, in dem er sich ärgern sollte – doch er fühlte keinen Ärger. Stattdessen spürte er diese leise Zuversicht, denn diese Sekunden der Verspätung waren ihm vertraut. Wie damals, als eine rote Ampel ihn aufhielt und er ein Plakat für einen Fotokurs entdeckte, das dort klebte – ein Kurs, der ihn aus der Mittelmäßigkeit herausführte. Oder jener Abend, als er zu spät zum Restaurant kam, dadurch seine Reservation verlor, aber dafür an der Bar eine Frau traf, deren Lächeln ihn bis heute verzaubert.

Max wusste: Diese Augenblicke machten ihn aus. Sie waren keine Fehler, sondern Wendepunkte – winzige Verschiebungen im Zeitgefüge, die ihn von Max Mustermann zu Max Sekundentänzer machten.

Was er nicht wusste, war, dass er in fünf Jahren in seinem Wohnzimmer sitzen würde. Er wäre Kreativdirektor – ein Job, den er bekommen hatte, weil er im stecken gebliebenen Aufzug, der zu einer weiteren Verspätung geführt hatte, dem Geschäftsführer einer Werbeagentur begegnete. Neben ihm seine Frau und auf seinem Schoß ihre Tochter Emma.

Für Emma würde er nie zu spät kommen, das wusste er. Aber für alles andere? Vielleicht genau so spät wie immer.

Barbara Korp ist eine junge Autorin mit einem Hintergrund in klassischer Linguistik und Germanistik. Neben ihrer Erfahrung im Verfassen von wissenschaftlichen Publikationen und Blogbeiträgen verfügt sie über eine ausgeprägte Beobachtungsgabe und ein tiefes Interesse an menschlichen Geschichten, die sie in ihre schriftstellerische Arbeit einbringt. Wenn sie nicht schreibt, verbringt Barbara Zeit mit ihrem jungen Hund, der der Einzige ist, der sie beim Schreiben stören darf – oft mit seinem Schnarchen, das eine unerwartete, aber willkommene Ablenkung darstellt.

*

Die Rettung

Quirin blickte sich verzweifelt um. Was sollte er nur tun? Seine Prinzessin war von diesem elenden Monster entführt worden. Er konnte sie doch nicht einfach im Stich lassen. Sie war immerhin sein Lebensinhalt, er liebte sie, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Hatte er nicht ihrem Vater geschworen, sie immer zu beschützen? Er musste sie wiederfinden. Er wusste genau, wohin sie diese Kreatur gebracht hatte, nur um ihren Vater, den König, zu erpressen. Er musste hinauf auf den Gipfel, dort wo das Monster lebte.

Endlich hatte Quirin den Gipfel des Berges erreicht, wo die Prinzessin gefangen gehalten wurde. Hier lebte dieses Ungeheuer, das sie entführt hatte. Nun, er würde sie befreien, egal, was es ihn kostete. Wütend hämmerte er gegen die Tür der Feste.

„Quirin, schnell, ich bin hier!“, hörte er den Schrei seiner Prinzessin. Seine Faust schlug das Fenster ein und die Prinzessin kletterte auf seinen Rücken. Schon erscholl der wütende Schrei des Ungeheuers, das sie gefangen gehalten hatte, doch es war zu spät. Die Prinzessin flog auf Quirins Rücken davon. Der schwarze Ritter würde sie niemals bekommen. Manchmal war es eben doch gut, wenn man einen Drachen als Freund hatte.

Florian Geiger,wohnhaft in Lörrach, geboren am 10. Februar 1982 in Heidelberg, schreibt seit seiner Kindheit gerne Geschichten, besonders aus den Bereichen Science-Fiction und Fantasy. Bisher konnte er Kurzgeschichten in verschiedenen Verlagen veröffentlichen. Website: https://floriantobiasgeiger.jimdofree.com, Friendica im Fediversum: https://opensocial.at/profile/anarcheron

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Nordsee gucken

Ich fuhr damals, schon lange her, viel Motorrad, hatte mir eine neue 250er Yamaha nach dem Abitur als Belohnung gekauft. Ich gehörte aber zu jener Sorte Fahrern, die von echten Bikern und Schraubern gehasst sind – Typ Sonntagsfahrer. Nur durch die Gegend düsen, aber unfähig, den Motor bei voller Fahrt aus- und wieder einzubauen. Und so entschloss ich mich, ganz meinem Fahrertyp entsprechend, eines Sonntags von Oldenburg in Holstein, Ostsee, rüber an die Nordsee zu fahren, Nordsee gucken.

Ich holte noch einen Bekannten ab, er natürlich auf seiner eigenen Maschine – und Abflug. Wir machten noch einen Umweg über die Lübecker Gegend, besuchten dort einen (anderen) Bekannten, der es aber vorzog, in Ostseenähe zu verbleiben, und so fuhren wir beiden Sonntagsbiker allein gen Nordsee.

In Büsum oder gleich daneben parkten wir unsere Maschinen unten am Nordseedeich, ich stürmte den Flutwall hinauf und da sah ich sie in mächtiger und rauschender Pracht – die Ebbe.

Ich hätte, wie jener Lübecker Bekannte, an der Ostsee bleiben sollen, denn die ist immer präsent, manchmal aber auch zu präsent, zeigt tosend und stürmisch ihre Präsenz, indem sie Keller flutet, welche ihr zu nahe gekommen sind. In solchen Momenten hätte manch Keller der Ostsee wohl lieber an der Nordsee bei tosender und stürmischer Ebbe gewohnt.

Gerald Marten,geboren 1955, lebt in Oldenburg in Holstein/Ostsee. Letzte Veröffentlichungen (2025): Poets of the New World Vol.3, Kurzgedicht des Monats, Aphoristicum.

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Der letzte Blick

Wird der Tod der Gipfel des Lebens sein, von dem wir hinabschauen auf unser Leben, das ausgebreitet vor uns liegt wie ein Teppich – teilweise als farbenprächtige Wiesen, Äcker, Wälder, Dörfer, Hügel, Berge und glitzernde Seen – bunt, leuchtend, gleich den bunten Seiten des Lebens, den vielen schönen und erfreulichen Augenblicken, guten Überraschungen und Höhepunkten?

Was ist mit den tiefen Tälern, die wir im Leben nur schwer oder gar nicht überwinden konnten, finsteren Abgründen, in die wir schauen mussten, die uns das Böse ahnen ließen und den Tod oder die vielen schattigen Flecken dort unten, als Symbol der Schattenseiten des Daseins, unseres eigenen Schattens, den wir oft nicht wahrhaben wollten und einfach verdrängten?

Für was stehen die tiefen und dunklen Wälder, undurchdringlich, bedrohlich, unheimlich, angsteinflößend, die grauen Nebelschleier über manchen Tälern, die uns auf unserem Lebensweg die klare Sicht verdeckt haben und das Weitergehen erschwerten? Menschen kann man von hier aus nicht erkennen. Sie waren auch im Leben mitunter weit entfernt, weil wir nicht zuließen, dass sie uns nah kamen.

Die Baumwipfel, die sich sachte im Wind bewegen, erinnern an das Atemholen der Seele im Alltag, das meistens ganz leise und unbemerkt geschah. Über allem spannt sich die Weite des Firmaments, an dem Mond und unzählige Sterne hell funkeln und uns den Schöpfergott in seiner Größe, Schönheit und Unendlichkeit zumindest ahnen ließen, wie auch eine Sehnsucht nach Liebe und Freiheit, die wir im Leben vergeblich suchten.

Da oben auf dem Gipfel sind wir einmal ganz allein mit unserer Todesangst, Einsamkeit, den Fehlern, unserem Schuldigbleiben und menschlichem Versagen. Möge uns Gott dann beistehen, denn er ist meine Hoffnung, die mich mit großem Vertrauen auf seine Zusagen durch das irdische, oft schwere Leben trug, immer mit einer tiefen Sehnsucht nach Heil, Ganzheit, Frieden und Ankommen in Gott.

Sieglinde Seilerwurde 1950 in Wolframs-Eschenbach, der Stadt des Minnesängers Wolfram von Eschenbach (Bayern), geboren und ist von Beruf Dipl. Verwaltungswirt (FH). Sie lebt mit ihrem Ehemann heute in Crailsheim (Baden-Württemberg). Seit ihrer Jugend schreibt sie Gedichte. Später kamen Aphorismen, Märchen und Prosatexte hinzu. Ferner fotografiert sie gerne. Gedichte, Geschichten und Märchen wurden in diversen Anthologien veröffentlicht.

*

Winterliche Erinnerung

Eisiger Ostwind zerrte an ihrer Mütze.

Verlassen der Strand, kein Schiff am Horizont.

Mit Rückenwind lief sie flotten Schrittes, hielt Ausschau nach Motiven, die die Eiseskälte erahnen ließen, und schoss mit fast erstarrten Fingern Fotos von Eiskristallen im Watt: Ziel erreicht.

Anke Schüür, geboren 1954, lebt an der Nordseeküste. Sie schreibt Gedichte, kurze Geschichten, Erzählungen u. a. mehr. Seit 2005 diverse Veröffentlichungen, z. B. in Anthologien, Zeitungen, Kalendern und bei einem Online-Magazin, aber auch in E-Books und inzwischen drei Büchern per Selfpublishing.

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Schockierte Schmetterlinge

Vor knapp zehn Jahren heiratete ich im Romantikgarten eines Burghotels. Die Planung organisierte ich detailliert und verbot offiziell Tauben. Das Hotel besaß so einen Link zu einem Adler. Vielleicht war es auch ein Falke. Jedenfalls versuchte ich, den Adler zu buchen. Der sollte uns die Ringe flugs bringen. Dies hätte ich noch schön gefunden. Nur war der Adler ein Workaholic. Viel unterwegs, immer am Arbeiten. Ständig ausgeflogen und ausgebucht.

Meine Schwester kam auf die Idee mit den Schmetterlingen. Diese sollten wir nach der Trauung in die Lüfte schweben lassen. Hierbei handelt es sich um einen hawaiianischen Brauch und dieser passte perfekt zu unserem Flitterwochenziel. Nachdem sie sich erkundigt hatte, dass alles artgerecht mit den Schmetterlingen vonstattenging, machte sie die Bestellung. Nur kamen die 20 Flieger schockgefroren und man sollte gewisse Anleitungen (Zeiten, Temperaturen, Auftauen ...) korrekt befolgen, um sie genau im richtigen Moment aufgetaut entschockt fliegen zu lassen.

So weit so gut. Die kleine Schachtel sandte auch kurz vor der Trauung akustische Signale.

Frisch vermählt übergab uns meine Schwester die Butterfly-Box. Mir schmetterlingte eine gewisse Problematik. Daher hielt ich lieber die Box und überlies meinen Frischangetrauten die Öffnung. Ein paar Schmetterlinge flogen dann heraus. Sie besiedelten mein Brautkleid und entlarvten zwei andere, zu hell gewählte Kleider. Es gab Ahhhhs und Ohhhsss. Dann mehr Ohhhhs. Denn einige waren noch immer schockgefroren (oder tot?) und lagen in der Kiste. Wir gaben ihnen Zeit. Meine Schwester, die jeden Regenwurm aufliest und rettet, übernahm das. Später flogen sie alle davon. Zum Teil schockiert, aber sie flogen.

Später die erlösende Nachricht. Meine Tante, ehemals Floristin, fand den Schwarm. Der Garten des Ritterhotels hatte einen Schmetterlingsbaum. 18 Exemplare zählten wir.

Und die zwei anderen … Mir persönlich gefiele der Gedanke, dass sie sich vor Schock entschockt unsterblich ineinander verliebt hatten und schon mal vorgeflogen waren … nach Hawaii.

Ramona Wesselow-Krystosek lebt und schreibt in Zürich. Ihr Debüt ist das Kinderbuch „Alex’s Reise nach Saphora“. Aktuell fokussiert sie sich auf Poesie und Kurzgeschichten aller Genres.

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Wie Licht auf geschlossenen Seiten

Ich sitze am Fensterplatz wie jedes Mal. Und wie immer kam er kurz nach mir. Mit dem zerfledderten Buch unter dem Arm und der Kapuze tief im Gesicht. Er setzt sich mir gegenüber auf den freien Platz, sieht auf das Buch in der Tischmitte, lächelt kurz und unscheinbar, nur ein Zucken in den Mundwinkeln. Ein kurzer Blick, der mir einen Schauer durch den Körper jagt. Wir lesen, dann steht er auf und geht ohne ein Wort – wie immer.

Was wäre, wenn man sich nicht mehr verstecken müsste? steht heute auf der Anfangsseite seines mitgenommenen Buchs.

Andere Menschen zu durchschauen, fällt mir leicht, doch bei ihm versagt jeglicher Instinkt. Er ist leise und doch so laut. Seine Bewegungen gezielt und doch unscheinbar. Da und doch nie ganz greifbar.

Und wieder ein Samstagabend. Ich greife nach dem Buch. Dann müsste ich erst lernen, mich zu zeigen, steht auf der Notiz.

Ich weiß nicht mehr, wann er begann, unser langsamer Wortaustausch. Kleine Bleistiftnotizen zwischen den Buchseiten. Persönliche Fragen am Anfang. Buchaustausch. Heute stehe ich früher auf. Ich weiß nicht mehr, wie man bleibt, steht auf seiner Notiz, doch ich kann es nicht glauben. Seit Monaten selbe Zeit, selber Platz, selber Ablauf. Gedankenverloren trete ich in die kühle Nachtluft, als ich einen Arm um mein Handgelenk spüre, sanft und doch bestimmt. Eisgraue Augen durchleuchten mich. Seine Stimme ruhig, warm und doch klar: „Ich bin nicht gut mit Menschen, aber du bist leise genug, dass ich dich hören kann.“

Sanfte Lippen tastend auf meinen, nicht aufdringlich, nicht fordernd. Wie der Windhauch, der das Umblättern von Seiten erzeugt. Ich lasse mich fallen, lasse mich leiten.

Als ich die Augen wieder öffne, weiß ich, dass nun alles anders werden wird. Ich spüre keine Angst, nur ein warmes Lächeln, das sich über meine Lippen zieht.

Kata Arcana Runeist 29 Jahre alt und kommt aus Wien. Den Großteil ihrer Freizeit verbringt sie mit ihrer vierjährigen Hündin und ist kreativ aktiv. Sie schreibt seit der Volksschulzeit, jedoch vorwiegend für sich selbst. Sie hat bereits veröffentlichte Werke in Sammelbänden sowie vier Bücher bei story.one.

*

Kastanien

Immer, wenn ich sie auf der Straße liegen sehe, muss ich mich bücken und sie aufheben. Ich möchte die glatte Oberfläche spüren, die sich immer warm anfühlt, auch wenn es kalt, windig und regnerisch ist. Es vermittelt mir das Gefühl von Wohligkeit, von Kindheit, von ungezwungenem Toben auf der herbstlichen Straße. Das Schlurfen durch das herabgefallene, braune Laub, das Stillstehen inmitten der durch in Luft tanzenden Blätter, die den Boden noch nicht berührt haben, das alles berührt auch meine Seele.

Sie haben ihren Zauber bis heute nicht verloren, sie animieren zum Sammeln, zum Basteln, zum Aufbewahren in den verschiedenen Taschen der jeweiligen Mäntel. Beim zufälligen Hineingreifen spüre ich wieder die unterschiedlichen Rundungen und ich muss unwillkürlich lächeln. Wie kann eine so kleine braune Frucht so viel Gefühl erzeugen? Ist es nicht wunderbar, dass es so etwas gibt?

Hannelore Langer-Lausmann: Ich wurde in den 50er-Jahren in Bamberg geboren, war viel unterwegs und lebe nun seit Längerem wieder in meiner Geburtsstadt. Schon früher habe ich Glossen, Reiseberichte und Kurzgeschichten mit viel Freude verfasst.

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Wo die Liebe hinfällt

Ich war 50 Jahre alt, als ich mit meiner Tochter vor 25 Jahren ein Konzert einer bekannten Band besuchte. Wie immer bildeten sich lange Warteschlangen vor der Halle, aber wir hatten Glück und bekamen zwei Sitzplätze ganz vorne an der Bühne, obwohl wir spät dran waren. Es war, als hätte das Schicksal seine Hand im Spiel.

Der Vorhang öffnete sich, die Band begann mit dem Konzert. Einer der Sänger und Gitarristen lächelte mich an und blinzelte mir zu. Instinktiv drehte ich den Kopf zur Seite, aber zu spät. Der Blitz hatte eingeschlagen. Er wertete mein Verhalten wohl als Absage, strafte mich im weiteren Verlauf mit Nichtachtung. Ich hätte mir dafür in den Hintern treten können.

Zu Hause beschäftigte mich dieser junge Mann in Gedanken dauernd. Er war viel jünger als ich, aber – wo die Liebe eben hinfällt. Beim nächsten Mal gab ich mir viel Mühe, ihm meine Sympathie zu zeigen. Ich lachte, strahlte ihn an. Zögernd gab er seine Zurückhaltung auf.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine eigene Sprache zwischen uns. Bei weiteren Konzerten wusste er jedes Mal genau, wann ich den Saal betrat und wo ich saß oder stand. Er musste feine Antennen für mich entwickelt haben. So ging es fast zwei Jahre.

Eines Abends nach Weihnachten standen wir wieder vor einer Halle. Plötzlich tauchte eine Gestalt mit Begleitung neben mir auf, fragte leise nach meinem Namen und Wohnort. Wir fassten uns an den Händen, gingen flüsternd ein Stück weiter. Meine Tochter und alle anderen in der Umgebung wurden still. Ich versprach, ihm zu schreiben.

Plötzlich meinte er: „Ich mache dir gleich einen Antrag.“

„Ich bin verheiratet“, gestand ich.

Es blieb bei einer Liebeserklärung. Er bemühte sich danach noch einige Zeit weiter, aber die Band löste sich auf, wir verloren uns aus den Augen.

Carmen Schmidtlebt in Bremen. Sie hat Deutsch und Sport studiert. Sie veröffentlicht mit dem Bremer Krimistammtisch jährlich Anthologien, erhielt zwei Literaturpreise.

*

Der Absturz

Wir verlassen die Wohnung meiner Tante. Es ist wieder spät geworden, wir haben uns verplaudert. Also werden wir zum nächsten Taxistandplatz gehen, einen Wagen anheuern und uns quer durch die Stadt zur elterlichen Wohnung bringen lassen.

---ENDE DER LESEPROBE---