Wo die wilden Geister wohnen - Martina Meier - E-Book

Wo die wilden Geister wohnen E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Wo die wilden Geister wohnen,gibts kein Unten, gibts kein Oben.Flattern wild herum im Kreismanchmal ist es ihnen heiß.Fliegen um die Kirchturmspitze,krabbeln aus so mancher Ritze.Heulen schaurig, gruslig schön,sind ganz lustig anzusehen.Lieben Schlösser und Ruinen,surren manchmal wie die Bienen.Klappern mit dem Kettenhemd,haben manchmal auch verpennt.Wo die wilden Geister wohnen,gibts kein Unten, gibts kein Oben.Rauben dir den schönsten Traum.Es ist wahr, man glaubt es kaum.Dörte MüllerEs ist wieder so weit - wir läuten die Zeit des Gruselns ein. Noch mehr Gänsehautfeeling mit Band 4 Wo die wilden Geister wohnen. Schaurig-schöne Spukgeschichten, nicht nur für Kinder ...

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Seitenzahl: 134

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Wo die wilden Geister wohnen

Schaurig-schöne Geschichten für Kinder Band 4

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - papierfresserchen.de

Herausgeber: Martina Meier – Cat creativ – im Auftrag von:

Copyright (©) 2021 by Papierfresserchens MTM-Verlag

Mühlstraße 10, D- 88055 Langenargen, Deutschland

Cover gestaltet mit Illustrationen von © mikesilent (Hintergrund),

© Anatoliy (Spinne + Skelett) – alle Adobe Stock lizenziert

Druck: Bookpress / Polen.

Lektorat: Cat creativ - cat-creativ.at

1. Auflage 2021

ISBN: 978-3-99051-038-4 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-99051-039-1 - E-Book

*

Inhalt

Der Geist des Holzfällers

Wo die wilden Geister wohnen

Das verfluchte Haus

Das gegruselte Gespenst

Helvira und Antonius

Biester

Versteckspiel

Unerhört

Hexenfrüchte Seelenfänger

Der Neue

Lennart und das Geisterportal

Der liminale Korridor

Die Mutprobe

Der Ursi

Der kleine Geist lebt tief im Wald

Bei den Geistern

Aussortiert

Nussiks große Nacht

Die Geistermission

Leila und das dunkle Herz

Der Fluch von Cheekwood Village

Süßes oder Saures? Halloween-Schreck, umgedreht

Der Fuhrmann

Vollmondfieber

Irgendwann

Die Villa der Hexen

Was wäre gewesen, wenn …

Geschichten aus dem Hexenmoor

Der Schacht im Schlafzimmer

Oh Scheck!

Der kleine Kürbis Leopold

Das Gespenstermoor

Friedhof des Grauens

*

Der Geist des Holzfällers

Es war zu jener Zeit, als die Tage kürzer und die Nächte dunkler und kälter wurden. Fast unmerklich hatte sich der Herbst angeschlichen und den Sommer verdrängt.

Ida hasste diese Jahreszeit. Gelangweilt saß sie am Fenster und blickte auf den nahen Wald. Die Blätter hatten sich bunt verfärbt, was recht hübsch aussah, doch bald würden sie alle zu Boden fallen und kahle, knorrige Bäume zurücklassen.

Ida fröstelte bei dem Gedanken daran und blickte zu ihrer Mutter, die eingewickelt in eine dicke Decke auf dem Sofa saß. Gedankenverloren starrte sie in die Flammen des Kamins, seufzte und widmete sich dann wieder ihrem Buch.

Ida kletterte vom Fensterbrett und kuschelte sich an ihre Mutter.„Hoffentlich haben wir genug Holz“, sagte sie und deutete auf den fast leeren Korb mit Brennholz.

Der Wind frischte auf und heulte ums Haus. Der aufziehende Sturm trieb ein Unwetter vor sich her, gleißend hell teilten die Blitze den Himmel, einzig der Donner war noch kaum hörbar und weit entfernt. Instinktiv kroch Ida tiefer unter die Decke und konzentrierte sich auf die gleichmäßigen Atemzüge ihrer Mutter. Sie musste wohl eingeschlafen sein, denn ein lauter Knall ließ sie erschrocken hochfahren.

Das Wohnzimmer lag nahezu im Dunkeln, nur der schwache Schein des glimmenden Holzes tauchte den Raum in spärlich orangefarbiges Licht.

„Mama“, rief Ida, doch sie erhielt keine Antwort. Plötzlich ließ sie ein dumpfer Schlag hochfahren und kurz darauf fiel etwas Schweres krachend zu Boden. Ida schrie entsetzt auf und riss die Decke über den Kopf.

Das Gepolter wurde von lautem Gestöhne begleitet. Die Regentropfen trommelten an die Fensterscheibe, der Wind pfiff bedrohlich und ließ die fast kahlen Bäume heftig wanken. Ihre Äste malten gespenstische Schatten an die Wand, die Händen mit langen knochigen Fingern ähnelten.

„Er kommt und holt mich“, stieß Ida panisch hervor und musste an die Geschichte von Großvater denken.

„Abends, wenn die Sonne untergegangen ist und der Wald in der Dämmerung liegt, dann erwacht er. Einsam streift er durch das Dickicht, ruft die Kinder zu sich und verwehrt ihnen den Rückweg. Mit seiner scharfen Axt schlägert er die Bäume, sodass der einst so bekannte Pfad ganz anders aussieht – wie ein wirres Labyrinth, aus dem man keinen Ausgang mehr findet.“ Mit tiefer Stimme hatte Großvater ihr dieses Märchen immer und immer wieder erzählt und seitdem machte Ida einen großen Bogen um den Wald, wenn es Nacht wurde.

Polternd kam jemand die Treppe hoch und rüttelte an der Eingangstüre. Er zerrte am Türknauf, schlug heftig dagegen und stöhnte auf. „Idaaa“, drang ihr Name dumpf durch die Tür.

Erschrocken fuhr sie hoch, blickte ängstlich über die Lehne in die Richtung. Das Klopfen wurde lauter und ihr Name wurde unaufhörlich, doch jedes Mal ein wenig lauter gerufen. Ida zitterte am ganzen Körper, heftig schlug ihr Herz und das Rauschen in ihren Ohren wurde immer stärker.

„Was will er bloß von mir?“, wimmerte Ida und sehnte sich nach einer beschützenden Umarmung ihrer Mutter. „Mama“, flüsterte Ida mit weinerlicher Stimme.

Das Geräusch an der Türe verstummte, doch schon kurz darauf hörte sie schwere Schritte seitlich neben dem Haus auf der Veranda. Grell zuckte ein Blitz auf und erhellte für einen kurzen Augenblick den Garten.

Die Kapuze war tief ins Gesicht gezogen, die weite Jacke wehte im Wind und in einer Hand blitzte die scharfe Schneide der Axt. „Idaaaa“, rief er und es klang, als stünde er direkt neben ihr.

„Mama“, kreischte Ida, die Tränen rannen ihr über die Wange und sie hatte fürchterliche Angst.

„Was passiert dann mit den Kindern?“, hatte Ida ihren Großvater stets am Ende der Geschichte gefragt, hin- und hergerissen zwischen Neugier und Angst.

„Der Holzfäller packt die Mädchen und zerrt sie an ihren Zöpfen hinter sich her, er schnappt die Buben an den Ohren und unter lautem Gejaule zieht er sie nach. Ihre Schreie, voll Furcht und Verzweiflung, lässt die Vögel wild kreischend emporsteigen, sie sind die einzigen Zeugen des grausamen Schauspiels.“

Ein nahes Donnergrollen riss Ida aus ihren Gedanken, das aufgeregte Zwitschern von Vögeln drang an ihr Ohr und verstärkte ihre Panik. „Sie sind schon hier“, schluchzte Ida, „seine Zuschauer, die Komplizen seiner grauenhaften Tat.“ Dann plärrte Ida: „Mama!“ Sie flüsterte nicht mehr, stattdessen rief sie mit aller Kraft nach ihrer Mutter.

„Idaaa, mach auf!“, schrie der Kapuzenmann draußen auf der Veranda. Polternd hämmerte er gegen die Terrassentür, drückte sein Gesicht an die Scheibe und riss seinen Mund weit auf, während er ihren Namen rief. „Idaaa, öffne die Tür!“

„Aber wie erkenne ich ihn?“, hatte Ida nachgebohrt und ihr Großvater hatte sich dicht zu ihr runtergebeugt und mit leiser Stimme weitergesprochen. „Sein Mund ist so groß, dass er dich als Ganzes verschlingen kann. Seine wenigen Zähne sind spitz und lang und der Gestank seines fauligen Atems brennt sich unauslöschlich in dein Gedächtnis.“

Ida hatte nicht gewagt, sich zu bewegen, steif saß sie da und lauschte der Beschreibung.

„Seine Axt, scharf und glänzend, funkelt im Mondlicht. Wie Irrlichter springt der Schein der Klinge zwischen den Bäumen umher. Doch hüte dich davor, dem Licht zu folgen, es ist der sichere Weg in das Verderben.“

Ein weiterer Donner verhallte laut krachend über dem Wald. Kerzengerade saß Ida nun auf dem Sofa und starrte voller Angst durch die Terrassentür ins Freie. Er war weg, seine Schritte hatten sich entfernt, doch wo würde er als Nächstes auftauchen? Gebannt horchte Ida in die Dunkelheit, versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken, während sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnten.

„Nein, das darf nicht sein“, wimmerte Ida und konnte ihren Blick nicht abwenden. Dort zwischen den Bäumen sah sie doch tatsächlich Lichter. Sie blitzen mal auf, dann verschwanden sie wieder, doch sie kamen eindeutig schnell näher.

Ida presste die Decke fest an sich, unfähig, sich zu bewegen oder wegzulaufen. Wohin hätte sie auch flüchten sollen, draußen wartete er, lauerte hinter den Bäumen, bereit, hervorzuspringen und sie hinter sich herzuschleifen, hinein in den dunklen Wald.

Die Lichter waren nun ganz nah, geblendet kniff sie die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und schirmte sie mit ihrer Hand ab, nur um kurz darauf festzustellen, dass sie verschwunden waren. Ein Geräusch an der Tür ließ sie abermals zusammenzucken. Ein metallisches Scheren, dann ein klackendes Geräusch und mit einem Mal wurde die Türe aufgestoßen.

„Ida?“, hallte eine bekannte Stimme durch den Raum.

„Papa?“, fragte Ida überrascht und guckte vorsichtig über die Lehne. Ein weiterer Blitz erhellte den Garten. „Pass auf“, schrie Ida und deutete panisch nach draußen.

Mit großen schnellen Schritten kam er näher, seine Kapuze war noch immer tief ins Gesicht gezogen und während er lief, rief er ständig ihren Namen. „Idaaa.“

Ida sprang vom Sofa, warf sich ihrem Vater an den Hals und stammelte unter Tränen unverständliche Wortfetzen.

Nur noch wenige Schritte, dann hatte er sie erreicht. Laut polternd kam er die Treppe hoch, er war schon an der Tür, dann spürte sie seine kalte Hand auf ihrer Schulter.

Ida klammerte sich an ihren Vater. „Lass nicht zu, dass er mich holt“, presst sie hervor.

„Idaaa“, sagte der Kapuzenmann, diesmal ganz nah an ihrem Ohr und der kalte Atem strich ihr über die tränennasse Wange. Ganz sanft klang nun die Stimme und sehr vertraut. „Ida, ich bin es, Mama, ich habe nur rasch Brennholz geholt.“

S. M. Syrch: 1982 geboren in Wien, aufgewachsen in Niederösterreich, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Sicherheits- und Umweltmanagement. Mitglied im Verband Österreichischer Textautoren. Seither mehrere Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Anthologien. Ihr erster Roman „Mini-Me auf Kreuzfahrt“ erscheint im Dezember 2021. Derzeit arbeitet sie an ihrem zweiten Roman.

*

Wo die wilden Geister wohnen

Wo die wilden Geister wohnen,

gibts kein Unten, gibts kein Oben.

Flattern wild herum im Kreis

manchmal ist es ihnen heiß.

Fliegen um die Kirchturmspitze,

krabbeln aus so mancher Ritze.

Heulen schaurig, gruslig schön,

sind ganz lustig anzusehen.

Wiegen sich gar leicht im Wind,

erschrecken Männer, Frauen, Kind.

Zwicken Leute in den Po,

sind so lustig, sind so froh.

Lieben Schlösser und Ruinen,

surren manchmal wie die Bienen.

Klappern mit dem Kettenhemd,

haben manchmal auch verpennt.

Wo die wilden Geister wohnen,

gibts kein Unten, gibts kein Oben.

Rauben dir den schönsten Traum.

Es ist wahr, man glaubt es kaum.

Dörte Müller, geboren 1967 und aufgewachsen im Harz, schreibt seit 2011 Kurzgeschichten und kürzere Romane. 2014 veröffentlichte sie ihren Debütroman, den sie zwanzig Jahre in ihrer Schublade liegen hatte. Zurzeit lebt sie mit ihrer Familie in den Niederlanden und unterrichtet Englisch, Deutsch und Kunst. In ihrer Freizeit schreibt und illustriert sie Kinderbücher.

*

Das verfluchte Haus

„Hi, Emma“, sagte ich zur Begrüßung.

„Hi“, antwortete sie und umarmte mich. Meine Cousine Emma würde für die nächste Woche bei uns bleiben.

„Komm, ich helfe dir mit dem Koffer“, sagte ich zu ihr.

„Danke“, erwiderte meine Cousine, dann gingen wir die Treppe zu meinem Zimmer hinauf.

Als wir oben ankamen, ließ ich mich auf mein Bett fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Und?“, fragte ich. „Wie ist Berlin so?“ Emma war vor einem Jahr, mit ihren Eltern nach Berlin gezogen.

„Na ja, geht so. Dort ist es sehr laut und man kann nicht wirklich viel machen, nicht so wie bei euch hier auf dem Land. Außerdem ist niemand da, mit dem ich meine Geschichten teilen kann“, sagte sie.

„Zeig mal! Hast du wieder eine spannende Geschichte für mich?“, fragte ich aufgeregt.

„Langsam, langsam“, erwiderte Emma lachend. „Ich habe mein Notizbuch in Berlin gelassen, aber auf der Fahrt hierher bin ich, kurz bevor ich angekommen bin, an einem alten, verfallenen Haus vorbeigekommen. Ich habe mir sofort vorgestellt, dass der Besitzer dieses Hauses, ein alter Mann, spurlos verschwunden ist und ihn niemand finden kann. Das Haus wird nicht mehr genutzt, denn niemand, der es betreten hat, ist jemals wieder herausgekommen, jedenfalls erzählen sich das die Bewohner des Dorfes, wo das unheimlich verfallene Haus steht.“

„Wow, das hört sich spannend an! Erzähl weiter!“, sagte ich begeistert.

Emma nickte und setzte ihre Erzählung fort: „Das hatte auch ein Mädchen gehört, welches vor Kurzem in das Dorf gezogen war. Ihr Name war Clara und sie war 14 Jahre alt, viel zu alt, um an solche Schauergeschichten zu glauben. Also beschloss sie, der Sache auf den Grund zu gehen und das Haus zu betreten. Alle Dorfbewohner, welche sie nach dem Weg fragte, erzählten ihr dieselbe Geschichte, dass dort ein Geist wohnen würde und sie verrückt wäre, wenn sie dorthin gehen würde. Doch jedes Mal lächelte Clara nur und ging weiter.

Nach einer ganzen Weile des Suchens fand sie endlich jemanden, der ihr den Weg beschrieb. Der Mann, von dem sie die Wegbeschreibung bekommen hatte, riet ihr nicht von diesem Vorhaben ab! Clara war sehr erstaunt darüber, machte sich jedoch keine weiteren Gedanken. Doch gerade als sie sich verabschiedete, entdeckte sie ein seltsames Funkeln in seinen Augen. Als Clara jedoch blinzelte, war es schon wieder verschwunden. Sie tat es als eine optische Täuschung ab, viel zu froh darüber, jemanden getroffen zu haben, der ihr den Weg zu dem Haus erklärte.

Am Abend erzählte Clara ihren Eltern, dass sie heute ein Mädchen getroffen hätte, welches sie sehr nett fand, und dass sie sich jetzt mit ihr treffen wolle. Ihre Eltern stimmten sofort zu, glücklich darüber, dass ihre Tochter nicht länger zu diesem Geisterhaus gehen wollte. Das allerdings war das Claras Plan. Sie wollte ihre Eltern nur dazu bringen, sich keine Sorgen um sie zu machen. Da sie genau das erreicht hatte, was sie wollte, machte Clara sich nun auf den Weg zu dem verfallenen Haus.

Als sie dort ankam, öffnete sie die Tür. Diese quietschte unheimlich. Clara trat hinein. Gerade als sie ihre Taschenlampe einschalten wollte, fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Clara versuchte sofort, sie wieder zu öffnen, doch es war unmöglich. Nun bekam sie es doch mit der Angst zu tun und in diesem Moment erblickte sie den Mann, welcher ihr den Weg beschrieben hatte. Er empfing sie mit einem Furcht einflößenden Lächeln. Clara schrie auf, drehte sich zur Tür um und versuchte, diese zu öffnen, doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Voller Panik drehte sich Clara um und starrte direkt in die Augen des Mannes. Sie waren rot – leuchtend rot. Plötzlich begann er, vor ihr zu altern, und im nächsten Moment stand sie dem angeblich verschollenen, früheren Hausbesitzer gegenüber.

Clara fackelte nicht lange, sie drehte sich um und rannt eine Treppe hinauf. Es war dunkel, stockdunkel, im oberen Stockwerk und die Dielen knarzten unter ihren Schritten. Der Wind pfiff durch die kaputten Fenster und sie begann, zu frösteln. Warum hatte sie sich nur darauf eingelassen? All denen sie davon erzählt hatte, hatten sie gewarnt und gesagt, dass es in diesem Haus spucken sollte, doch sie hatten ihnen nicht geglaubt! Plötzlich sah sie den alten Mann wieder vor sich stehen. Sie schrie auf und wollte weiterrennen, einfach nur schnell weg von hier, doch sie war wie festgefroren. „Hilfe!!“, schrie Clara mit ganzer Kraft, doch es drang kein Laut aus ihrem Mund. Dann wurde alles schwarz um sie herum.“

„Was ist mit Clara passiert?“, wollte ich wissen. Ich umklammerte meine Beine, Emmas Geschichte war wirklich spannend gewesen, allerdings hatte ich nun auch Angst. Denn bei uns im Dorf stand so ein Gebäude ... und ich hieß Clara! Plötzlich verfärbten sich Emmas Augen. Ich schrie auf.

Da begann Emma, laut zu lachen, und nahm sich ... Kontaktlinsen aus den Augen! Sie hatte sich einfach rote Kontaktlinsen in die Augen geschoben.

„Hey!“, sagte ich. „Das ist nicht witzig!“

„Doch, das ist es! Du bist immer noch genauso ängstlich wie früher! Und man kann dich immer noch so gut verängstigen, wenn man die Hauptperson nach dir benennt!“

„Dafür bist du mir jetzt aber das Ende der Geschichte schuldig“, beschwerte ich mich.

„Nun gut“, meinte Emma. „Es war einfach nur ein böser Scherz, den die Bewohner des Dorfes jedem spielten, der neu herzog. Denn in dem Moment, in welchem Clara völlig in Panik geriet, nahm sich der Junge die Perücke vom Kopf und die Kontaktlinsen aus den Augen. Dann kamen auch die anderen Leute, mit denen Clara gesprochen hatte, herein. Sie hatten von außen die Tür verriegelt und draußen gewartet. Dabei hatten sie sich prächtig amüsiert.“

„Das ist aber nicht sehr nett“, erwiderte ich.

„Ja, aber so war das in diesem Dorf nun mal. Und die Legende von dem alten Hausbesitzer? Dass er verschwunden war? Nun, der alte Mann war schon vor einigen Jahren zu seiner Familie gezogen und das Haus stand seitdem leer.“

Ich musste etwas schmunzeln. „Hast du noch eine Geschichte für mich?“, fragte ich.

„Ja, aber die erzähl ich dir ein andermal.“ Lächelnd sah mich Emma an.

Isabelle Klempin, 12 Jahre alt. Sie schreibt sehr gern Geschichten und möchte vielleicht Schriftstellerin werden.

*

Das gegruselte Gespenst