Einmal Petaluma und zurück - Franziska König - E-Book

Einmal Petaluma und zurück E-Book

Franziska König

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Beschreibung

Franziska reist mit ihrer Mutter nach Kalifornien, um ihre Tante Bea zu besuchen, die mit ihrem zweiten Ehemann Jesse in einer Kleinstadt nahe San Franzisko sehr im Glücke lebt, wie zu hoffen ist. Viele Jahre lang hat man einander nicht gesehen. 23 Tage lang müssen die Gäste nun ausharren bzw. erduldet werden, und auch Onkel Dölein, der ältere Bruder der Schwestern, reist aus Florida herbei. Man sucht die gemeinsame Zeit dazu zu nutzen, sich mit den teilweise fremdgewordenen Verwandten wieder anzuwärmen, erzählt Geschichten aus seinem Leben, und Teile der Biografien fügen sich zu Ausschnitten aus einem Familienepos zusammen.

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Für meine Liebsten

Um 15 Jahre jünger gespeichert trüge ich sie in meinen Erinnerungen mit mir herum, hatte ich meine Tante Bea in Übersee in einem Wiedersehensentgegenfieberungsbrief wissen lassen.

Daß man erbarmungslosen Lektorenaugen gleich zu Beginn einer Geschichte ein Wort in Überlänge vorlegen muß?

Doch wie sollte man den Brief sonst nennen?

Dies und mehr denke ich nun beim Niedertippen der Erinnerungen, doch zurück zum Vorabend des 6. Novembers:

„Ja, dann belassen wir es doch am besten dabei!“ krächzte mir ein kleiner Vogel namens Bea, der für andere unsichtbar zuweilen auf meinem Schulterblatt sitzt, mitten in´s Ohr hinein - aber der Flug nach San Franzisko war bereits gebucht.

Man saß, bildlich gesprochen, vor einem großen Staubsaugerrohr das einen in wenigen Stunden schon aus seinem gegenwärtigen Leben hinwegsaugen würde.

Inhaltsverzeichnis

Mittwoch, 6. November 2013

Donnerstag, 7. November

Freitag, 8. November

Samstag, 9. November

Sonntag, 10. November

Montag, 11. November 2013

Dienstag, 12. November 2013

Mittwoch, 13. November 2013

Donnerstag 14. November 2013

Freitag 15. November 2013

Samstag, 16. November 2013: Santa Cruz

Sonntag, 17. November

Montag, 18. November

Dienstag, 19. November 2013: Petaluma

Mittwoch, 20. November 2013

Donnerstag, 21. November

Freitag, 22. November

Samstag, 23. November

Sonntag 24. November

Montag 25. November

Dienstag 26. November

Mittwoch 27. November

Donnerstag 28. November

Freitag 29. November

Samstag, 30. November

Mittwoch, 6. November 2013

Halb vier Uhr morgens:

Gepackt hatten wir bereits gestern und die Erwartungsfröhe sog uns die Bettschwere rasch aus dem Gebein.

"Habt ihr die Pässe?" frug Buz fast streng, und stand dazu am Kachelofen um seinen Bürzl zu wärmen.

Dort steht er fast immer, wenn er nicht eben Geige übt, an der Schreibmaschine am "Katechismus für Geiger" arbeitet, oder im Sorgenstuhl vor dem Televisor sitzt.

„Natürlich!“ sagte Rehlein stolz.

Rehlein freute sich, daß die erste Hürde nun glücklich gewuppt worden war: das Früh-Erhöbnis, wovor ihr schon seit September bange war, denn wie stünde man vor der Verwandtschaft in Übersee da, wenn die lange Reise gleich an der allerersten Hürde dieses vorgefühlten Hürdenlaufes zerschrammt wäre, und man das Flugzeug verpasst hätte?!

Flughafen Wien-Schwechat gegen 6 Uhr morgens:

Mit finalen Küsschen behaftet standen Rehlein und ich abgeladen im Flughafengebäude herum.

Buz war nach Hause gefahren, und wir Damen arbeiteten uns mit den Köffern zum Air France-Labyrinth hin, wo man eine ganz verschlafene, käsig-bleiche und gelbhaarige Dame in einer Abfertigungsbox herumsitzen sah.

Zu solch früher Morgenstund bereits in ihr steifes Air-France-Kostüm eingetopft. Müd, so doch um Höflichkeit bestrebt auf ihrem Po sitzend, schleuste sie uns Weltreisende weiter.

"Bereitet Ihnen die Arbeit Vergnügen?" –

"Oh ja, ich liebe es, mit Menschen zu tun zu haben."

Ständig saugen sich meine Gedanken an fremden Menschen fest: ich führe im Geiste Gespräche mit ihnen, und dann sind sie mir alsbald nicht mehr sehr fremd, auch wenn sie in diesen Plaudereien nicht unbedingt immer die Wahrheit sagen.

Rehlein schob den sperrigen Gepäckwagen und stöhnte darüber, daß der Flughafen leider so unübersichtlich geworden sei.

Mir aber gefiel er, und eine Stelle schien mir ganz besonders glamourös:

Eine gigantische blaue Glaswand um einen Torbogen herum, durch den die Reisenden in ein neues Kapitel ihres Lebens hindurch strömen.

Von der Ferne an einen Sternenhimmel erinnernd, bemerkt man im Herannahen jedoch bald, daß es sich bei den glitzernden Sternen um Buchstaben handelt, die aus einem Füllhorn an Buchstabensuppe herabregnen, um sich zu guten Wünschen in vielen Sprachen zu ballen.

Auch wir ließen uns im Menschenstrom hindurchtreiben und gelangten alsbald in luxuriöse Ecken in denen man sich eine Weile lang wie im Paradies fühlen darf:

Alles schillert in schönsten Goldtönen und im Juweliers-Shop hängt eine große kunstvolle Schwarzweißphotographie von David Garrett mit seiner Stradivari. An den Fingern schwere, hochkarätige Klunker mit Totenkopfmotiv.

Glücklich erreichten wir unser Warte-Eck und setzten uns nieder um loszuwarten. Doch als ich mich mal kurz aus meinem Sitz erhob, war Rehlein plötzlich ganz entgeistert, welche Hos ich da wohl trüg?!

Gestern hatte Rehlein lose geraten, zum Joggen in eine andere Hose zu steigen und so stieg ich in eine alte Beulenhose, die um die Gesäßregion herum schon ziemlich abgewetzt war.

Nach dem Joggen am Abend stieg ich bis zum Bettgang nicht mehr heraus und am Morgen einfach wieder hinein, so daß ich jetzt in der falschen Hose stak!

Eine Ärgerlichkeit mit der man sich innerlich erst einmal arrangieren musste.

Ich müsse mir also Mühe geben, daß mich Tante Bea, Onkel Jesse und Onkel Dölein, der extra aus Florida herbeireist, nach der Ankunft in San Franzisko vorerst immer nur von Vorne zu sehen bekämen.

Im Flugzeug nach Paris:

Zu meiner Linken saß ein Herr mit einer wie gemäht wirkenden grauen Frisur, der gekrümmt und gekonnt an seinem Smartphon nippelte.

Hierzu stützte er den Ellenbogen einfach auf meine Lehne, so daß ich mich ziemlich beengt fühlen musste.

Rehlein bescharmte diesen Herrn über mich hinweg, während das Bordpersonal mit den üblichen Belehrungen anhub.

Daß man ihn vielleicht noch brauchen könne, wenn unser Flugzeug in Not geräte, spaßte Rehlein, "Hahahaha!"

Der Herr lachte sehr freundlich zu diesen übermütigen Worten einer erwartungsfrohen Dame, so daß man sah, daß einige seiner ziemlich weit auseinander stehenden Zähne leicht nach außen schielten, und womöglich hätte er sich jetzt sehr gerne mit uns befreundet?

"Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte!"

(Nein. Zu diesen schönen Worten fehlte ihm der Mut.)

Wir flogen über einen dicken Wolkenteppich unter welchem sich das "Tief Horst" nur erahnen ließ.

Ein Fräulein brachte Getränke, und das süßeste Rehlein gönnte sich einen Tomatentrunk über den Wolken.

Paris. Flughafen Charles de Gaulle gegen 13 Uhr:

Ständig werden die herumstehenden Bediensteten in Pichin-Französisch nach irgendwelchen ihnen gänzlich unbekannten Reisezielen befragt, und da jeder Reisende einem individuellen Ziel entgegenstrebt, und auf seine Frage erstmal in ein fragend-verständnisloses Gesicht blicken muß, könnte man ja im Grunde genommen auch gleich „auf den Punkt gebracht“ fragen?

"Nennen Sie mir einen Bus! Ich fahre zu meiner Tante Bea".

"Wo wohnt denn Ihre Tante Bea?"

"In Petaluma"

"In Petaluma? - Nie gehört".

"Balma Lane 60"

"Nie gehört"

"Neben Haubers"

"Ach soooo! Dann sagen Sie es doch beim nächsten Mal bitte gleich! Bus Nr. 5A!"

Und genau in diesem Bus nahmen nun auch wir, ohne gefragt zu haben „auf gut Glück“ Platz.

Über den Wolken gegen 15 Uhr 54

Ich setzte mir die Kopfhörer auf, hörte "Sacre du printemps" und war begeistert.

Zu den Klängen der Musik entfaltete ich die "Kronenzeitung", die im Flugpreis offenbar mit inbegriffen ist, und eine freundliche Dame servierte Champagner im Plastikbecher.

Zu Mittag wurde ein Essen geliefert, das zumindest von Rehlein als „nicht schlecht“ befunden wurde.

So etwa dürfe man sich womöglich das Essen im Häfn von Neunkirchen vorstellen, dachte wiederum ich, da ich die mikrowellenerhitzten Küchenreste nicht gutheißen konnte.

Ich stellte mir vor, wir wären zwei Strafgefangene beim Mittagessen, und Rehlein säße ein, weil sie einen tödlichen Schlußstrich unter ihre Ehe gezogen hat, denn genau über dies Thema las ich soeben sehr interessiert in der Kronenzeitung: Eine Bosnierin hatte versucht, ihren schlafenden Mann zu ermorden, indem sie ihm ein spiritusgetränktes Tuch auf Mund und Nase presste.

Der Herr jedoch erwachte rechtzeitig und leistete erbittert Gegenwehr, so daß er mit dem Leben nochmals davongekommen ist.

Die böse Frau hindess geht straffrei aus, da die lasche österreichische Justiz den Mordversuch als "untauglich"

bewertete.

Vielleicht war es aber auch ganz anders?

Am Ende war es gar keine „böse“ Frau, denn wird mit diesem Begriff nicht überhaupt viel Schindluder getrieben?

Sie war des Zusammenlebens mit dem „Herrn Gemahl“ schlicht überdrüssig geworden, ("ist dies das Leben das ich führen wollte??? Nein!")

…oder aber der Herr hätte den Tod am Ende gar verdient?

Zu diesen Überlegungen faltete ich die Kronenzeitung wieder zusammen, schickte dem kleinen Artikel jedoch noch einige Gedanken hinterher, und sah alles so plastisch vor mir, als wäre ich dabei gewesen.

"Sie ist durch diesen Mann genug gestraft!" dürfte der Staatsanwalt gedacht haben, da man mittlerweile über jeden Fall froh ist, den man nicht bearbeiten muß.

Ich freute mich, daß in meinem Inneren stets mehrere Stimmen zu Wort kommen: die Stimme der Vernunft und die Gegenstimme der scheinbaren Vernunft.

Herausgehebelt aus unserem gewohnten Leben saßen wir nun beieinander und die Reise über den Wolken in glitzrigstem Sonnenscheine verzauberte uns.

Wir ließen unser altes Leben hinter uns, und es entfernte sich in rasendem Tempo.

Ofenbach, unser kleines Dorf - (benannt nach dem Bächlein, das allsommerlich für schwere Überschwemmungen sorgt) und mit ihm Buz als Einwohner, wurde immer kleiner.

Klein wie eine Erbse.

Und dabei hatte Rehlein Buz so überaus ungern allein zurückgelassen.

Ein 75-jähriger Geiger allein zu Haus! Eine Schreckensvorstellung für jeden besonnenen Menschen, und im Vorfeld der Reise waren mitunter Wahnblasen in unser beider Gehirne aufgeblubbert, welch Unheil sich hieraus wohl erwachsen könne?

Dies mag auch der Hauptgrund gewesen sein, warum Rehlein die Reise in die USA so lange vor sich hergeschoben hatte, bis grauer Schnee auf dem Haupt der Geschwister lag.

Nun aber, als wir in Behagen und Vorfreude eingehüllt nebeneinandersaßen, zeigte sich daß die Sorgen über den Wolken tatsächlich nichtig und klein geworden waren, wie einst im Lied von Reinhard Mey so kunstvoll besungen.

Hätte man dies gewusst, so wäre man viel früher hingereist und längst wieder daheim.

"Endlich mal etwas Anderes!" freute sich Rehlein.

Ich stellte meine Uhr um, während Rehlein die Ofenbacher Uhrzeit auf der Ihrigen beließ, damit man immer weiß oder zumindest ahnen kann, was Buz daheim wohl grad so treibt?

Ich wiederum versuchte bereits jetzt, Tritt in unserem neuen Leben zu fassen: jenem noch so frisch angeknabberten ersten Tag, der in ein neues Leben in Petaluma münden sollte und dem wir uns nun rasend schnell entgegenbewegten. Im Geiste sah ich die Tante Bea um 9 Uhr dortiger Ortszeit zur Fernseh-Gymnastik herumhopsen.

Stunden später…

Nach vielen versessenen Stunden über den Wolken senkten wir uns auf Kalifornien hinab.

Ein kleines Mädchen begann laut und durchdringend zu plärren und der Bub vor uns stimmte ein, so daß man in jene Zeiten zurückversetzt wurde, als Heiner & Friedel, die Zwillinge von Rehleins Bruder Rainer noch klein waren und im Duett zu lärmen pflegten.

Und mit einem Male konnte man es so gut verstehen, daß der Onkel Rainer sich vor dem heimischen Lärm in Bonn hinfortgestohlen hatte und nach Kanada ausgewandert war…

San Franzisko – Flughafen gegen 12:20 Ortszeit

Ein wimmeliger Strom an Fluggästen bewegte sich ins Flughafengebäude, wo der Bewegungsfluß alsbald schaumgebremst zum Stillstand kam, dieweil man nun im Wartelabyrinth eingetroffen war.

Meine Gedanken wanderten in die Zukunft, und die Wartenden verwandelten sich in die schnattern- und gackernde Gästeschar auf der Kronjuwelenhochzeit meiner Eltern am 6. April 2037.

Rehlein ist inzwischen 98 Jahre alt (allerdings vor wenigen Tagen erst geworden.)

"Je früher man sich verehelicht, desto wahrscheinlicher ist´s, dies´ schöne Fest doch noch erleben zu dürfen!" dachte ich, als ich in die Gegenwart zurückgekehrt war, inmitten all der Wartegäste einen schlichten Alltagsgedanken.

Wir hatten uns etwas vorangearbeitet und im Passvorknöpfungshäusl saß ein junger Chinese mit einem vertrauenerweckenden Ausdruck auf dem Gesicht.

Die maskenhaft unbeugsame Starre, mit der die Passvorknöpfer bis vor kurzem noch befremdet haben, hat man zumindest auf dem Flughafen von San Franzisko erst einmal abgeschafft.

Heute soll der vertrauenerweckende Ausdruck auf dem Beamtenantlitz das Beamtlich-Unpersönliche zur Gänze übertünchen und hinzu dazu einladen, gerne auch etwas Persönliches von sich preiszugeben: Ob man zum ersten Mal einreise?

Ob es hierfür einen besonderen Grund gäbe?

Rehlein erzählte, daß sie ihre Schwester besuche, die man nun 15 Jahre nicht mehr gesehen habe und die hinzu zeitnah zu ihrem 70. Geburtstag auch die Silberhochzeit mit ihrem zweiten Mann Jesse feiert, einem gebürtigen Norweger, mit dem sie allem Anschein nach recht glücklich geworden ist, nachdem das eheliche Glück mit seinem Vorgänger, dem geselchten Arsch, dem Ägypter Ric, ja leider nach wenigen Jahren schon verpufft war.

Der Chinese setzte ein interessiertes und anteilnehmendes, jedoch auch leicht skeptisches Gesicht zu Rehleins Worten auf, da ihm in der Schulung für Sicherheitsbeamte nahegelegt worden war, nicht immer alles zu glauben, was so erzählt wird.

Rehlein stellte uns zwar als harmlose liebe Damen dar, und doch wurde zur Sicherheit noch schnell ein Foto geschossen und unsere Fingerabdrücke mussten wir auch noch zurücklassen.

Man gibt es ab und behält es doch – was ist es?

(Ein Rätsel für ein schlichtes Hirn.)

Man hätte noch sehr viel tiefer in den Erinnerungen herumkramen mögen, wenn nicht ein ganzer Schwall an Durchstrebenden nachgeschoben hätte: z.B., daß man sich gar nicht so sicher sei, ob es den Onkel Jesse in dieser Form überhaupt noch gibt?

Man hat jedenfalls nie wieder etwas von ihm gehört oder gesehen - keine Fotos, keine Unterschrift, kein gar nichts! Auf den unscharfen Skypaten, die man mit der Tante zuweilen geführt hatte, war er nie zu sehen gewesen, und einzig und allein in Beas Mails wurde gelegentlich die Rede auf ihn geschwenkt.

Da hieß es: "Jesse arbeitet im Keller", und dererlei. Worte die leicht dahingetippt sind, und nicht viel besagen - doch hatte die zwitschrige Tante, - Mutter zweier Töchter und eines Sohnes, - nicht schon früher, zu Zeiten ihrer ersten Ehe, in ihren Briefen stets ein "Wagner-Pizza-Reklamen-Familien-Idyll"

heraufbeschworen?

(Kennt jemand die "Wagner-Pizza-Werbung"?:

Eine rundum sorglose und glückliche amerikanische Familie beim fröhlichen Wagner-Pizza-Essen.

„We love Wagner! We love germany!!!!“jubeln die Kinder. ) Und als es dann vor mittlerweile 25 Jahren jäh zur Scheidung kam, da war´s ein Schock für uns.

Ob sie den Onkel Jesse tatsächlich auf Dauer hat halten können?

Das Hürden-Ende zeichnete sich so allmählich ab, doch unsere Papiere mussten wir noch zwiefach vorzeigen und beim zweiten Male zogen wir uns auch noch einen beamtlichen Rüffel zu: Man möge doch beim nächsten Male bitte im Duett auftreten! Rehlein war im Menschenstrom einfach hinweggeschwemmt worden, und ließ von der Ferne durch Gewinke und allerlei Gestik wissen, daß wir zusammengehören. Doch wenn das alle so machen würden!?

Endlich waren wir frei! Und da sah man auch schon die süße Tante Bea schimmern.

Das Beätchen hatte sich extra für uns mit einer rosa Bluse verschönt und der Anblick beim Wiedersehen fühlte sich kostbar und fast unwirklich an: Nach fast 70 Jahren sieht man sein süßes Baby wieder das einem damals einfach geraubt wurde!Auch wenn dieser Vergleich hinkt: so etwa muß sich der Leser die Gefühle vorstellen, die mich da bewallten.

(Der Leser muß gar nichts.)

Rehlein sähe genau aus wie einst die Degerlocher Oma! erfuhren wir zu Begrüßungsbeginn und waren gerührt.

Unter diesem Aspekt schaute ich Rehlein nochmals so an, als sei sie neu, und tatsächlich hatte sich Rehlein einfach in die Degerlocher Oma verwandelt.

46 Jahre nach ihrem Exitus sah man die Verblichene auf dem Flughafen von San Franzisko somit wieder, doch außer mir und dem Beätchen kannte die Degerlocher-Oma dort niemand, und somit fiel auch niemandem auf, daß sie wieder da war.

Ich hopste freudig auf und ab und freute mich an jedem Detail, z.B. daran, daß die Bea, an der Schwelle zum 70.

Geburtstag stehend, so "updatiert" ist, daß sie alsbald ein grünes Smartphon zückte. Ein Geschenk ihres Stiefsohn Arthurs, der der Meinung ist, eine Frau wäre erst durch ihr Smartphon komplett.

Sie zückte es aus jenem Grunde, weil sich nun die Frage nach Onkel Döleins Verbleib in das Begrüßungszeremoniell verwob.

Doch für einen stolzen Smartphonbesitzer reissen Gründe, das Smartphon zur Hand zu nehmen, auch ohne Onkel Dölein niemals ab.

Würstelartig reihen sie sich nebeneinander und säumen den weiteren Lebensweg des Smartphonbesitzers bis an sein Lebensende.

Wir durchschritten das Portal in den warmen kalifornischen Sonnenschein hinaus.

Die Vorfreuden-Spanne, die mir immer so kostbar ist, war ganz plötzlich auf wenige Zentimeter eingeschrumpft, denn schon trafen meine beiden Önkel Jesse und Dölein aus entgegengesetzten Richtungen nahezu zeitgleich ein und es gab ein freudiges Wiedersehen mit Küssen und Umarmungen! Onkel Dölein hatte als einziger daran gedacht, daß ich Geburtstag habe, und ich selber hatte es nämlich auch vergessen gehabt.

Wir stiegen in Jesses großzügiges Auto und die Tante Bea hatte sogar an Kaffee und Sandwichs gedacht, so daß wir als Fahrgäste sogleich damit verwöhnt und willkommengeheißen werden konnten.

Fahrt in´s etwa 70 Meilen entfernte Petaluma:

Die drei Geschwister begannen gleich zu Reisebeginn lebhaft zu politisieren: Der Bürgermeister von Toronto sähe aus wie ein Schwein und sei auch eines! ereiferte sich Onkel Dölein alsbald.

In meinem Sitz am Fenster fühlte ich mich so still und „in der Ecke abgestellt“ zumal ich bei Themen dieser Art nicht viel beizusteuern vermag.

Einmal aber versuchte ich, wenigstens eine kleine Lustigkeit anzubringen:

„Der Obama hat doch das Händi von der Merkelschen abgehört…" begann ich, doch Onkel Dölein hat sich sein Obama-Bild nicht verwässern lassen mögen: "Der Obama hat doch gar nichts davon gewusst!"

argumentierte er fast aufbrausend, und dabei wollte ich doch lediglich ein kleines Späßlein anbringen und erzählen, wie der Obama beim heimlichen Abhören gehört habe, wie die Kanzlerin zu ihrem Mann Joachim sagte: "Ich reiß mir den Arsch für die Borrtai uff!"

Und wie er dann im Wörterbuch umständlich unter „B“ nach „Borrtai“ geblättert habe.

Dies erzählte ich, weil ich nämlich gedacht hatte, ich sei hier in einer Familie angekommen, wo man sich gerne lustige Arsch- und Furzesgeschichten erzählt? denn dies hatte uns Beas Tochter Linda erzählt, die einige Jahre lang bei uns gelebt hat.

Doch die Geschichte, etwas wahllos aus der Anekdötchentruhe gefischt, schien nicht so anzukommen und so schwieg ich weiter.

Onkel Dölein erzählte, wie seine Frau Deborah plane, inmitten einer kleinen Herde interessierter Jungsenioren nach Kenia zu reisen.

„Ich bin 60. Ich will von meinem Leben doch wohl noch etwas haben!“ habe sie dies Vorhaben gewohnt zankeslüstern ausgebreitet.

Onkel Dö will da aber ganz sicher nicht mitreisen, weil das alles Teapartler sind. Ein Zweig, der dem Onkel zuwider ist.

Die Bea erzählte, wie erschöpft sie in letzter Zeit war.

Doch für´s Wochenende plane sie eine riesengroße Party, so daß einem Partymuffel wie mir ganz bange werden könnt´.

Ich schob die Bänge erstmal von mir, und nun rumpelten wir über die Golden Gate Brücke und ich war begeistert.

Petaluma, 60 Balma Lane - früher Nachmittag

Stolz führte uns die Bea ihr Heim vor.

Gerührt konstatierte ich, daß man die künstlerisch wertvollen Scherenschnitte von meinem Bruder Ming gerahmt und an die Wand gehängt hatte, ebenso die vielen Gemälde Rehleins, die das Haus geradezu unglaublich verschönern.

Im Wohnzimmer hängt eine alte Dame mit einer Pelzmütze auf dem Kopf - Frau Conring aus Rehleins Teezirkel - kunstvoll niedergepinselt und gülden-prunkvoll gerahmt.

Doch statt Frau Conrings bis dahin makellosen Ruf, oder auch "Unruf", da man sich noch gar keine Gedanken über sie gemacht hatte, aufrecht zu halten, zitierte ich aus ihrem Brief an Rehlein zum letzten Weihnachtsfest: "Ich bewundere Deinen hartnäckigen Wunsch zu malen!"

Da hängt man sich eine Dame in Öl in sein Wohnzimmer und weiß praktisch nichts über sie!

Stolz zeigte uns der Onkel Jesse seine gigantische Weindestillerie, so daß man den Gedanken lustig finden will, man hätte ihm als Gastgeschenk eine Flasche Wein mitgebracht und wenig später bestaunten wir auch den schönen Garten, über den zwei Bussarde hinwegflogen, und Onkel Dölein mundeten die Strauchtomaten so unerhört gut.

Im Prädämmer, der in den Volldämmer hineinmünden sollte, hielten wir noch einen kleinen Spaziergang ab.

Am Himmel zeigte sich ein milchig schimmernder Vollmond.

Vor einem Hause wehte eine große amerikanische Flagge nach Art eines Elefantenohres im Abendwind und dann lernten wir einen Schweizer mit Hund kennen, dem wir etwas später im Laufe des Rundganges ein zweitesmal begegnen sollten. Beim zweiten Male trug er bereits ein Leuchtstirnband mit einem grellen Lämpchen, das die Schwärze der Nacht mit einem geheimnisvollen, sehr hellen Silberstrahl anpiekste.

Seit über 40 Jahren in Petaluma ansässig, umgetopft, verschwunden und wie weggefegt aus der alten Heimat, so wie einst Rehleins Geschwister Dölein, Rainer und Bea.

Jetzt befrug der erleuchtete Herr die Bea, ob sie wohl schon das neueröffnete Kasino besucht habe?

Doch die Bea hasst Kasinos.

"Are you kidding???" rief sie entgeistert aus.

Onkel Dölein erzählte uns von seinem verloren geglaubten Sohn Michael, der dem Alkohol verfallen, das Vermögen vertrunken hatte.

Jahrelang hatte man nichts mehr von ihm gehört, doch dann tauchte er als völlig gewandelter, geläuterter Mann wieder auf, und präsentierte hinzu eine schmucke Ehefrau, die er ohne seinen Alkoholismus wohl kaum kennengelernt hätte, da dies beim Treffen der anonymen Alkoholiker geschehen war.

Und auch wenn Onkel Dö vor einigen Jahren noch gesagt hatte, daß ihm sein kleines Hündchen mittlerweile mehr bedeute als der Gestrauchelte, so war er nun doch sehr gerührt, als ihn der wiedergefundene Sohn aus heiterem Himmel frug, ob er ihn "Dad" nennen dürfe.

Der gefühlvolle Onkel ließ sich seine Rührung hindess vielleicht nicht so anmerken, und meinte lediglich: OK. Dies störe ihn nicht.

Am Abend gab es eine köstliche Kürbissuppe, Onkel Jesses Wein und leblose Seespinnenbeine.

Ich schrieb ein kleines Mail an Buz, leider ohne Umlaute, so daß ich mich dabei fühlen musste wie die Bea.

Wie eine welke Hobbyamerikanerin mit einem kleinen weißen Schaumkrönchen auf dem Haupt, vor Jahrzehnten in die Staaten ausgewandert - der Europa zu einer ganz ferner Erinnerung verblasst war.

Donnerstag, 7. November

Eingehüllt in graue und unfroh stimmende Gedanken lag ich im Bett.

Wie wolle man das bloß schaffen, 23 Tage lang in der Fremde untätig mitzuwabern und wie solle das wohl weitergehen, wenn Onkel Dölein als Glücksstütze oder auch Zwistabdämpfungspuffer in wenigen Tagen wieder nach Florida zurück reist?

Harmonieren die Schwestern Rehlein und Bea auf Dauer?

Wäre es nicht ratsamer gewesen, die Gretel, unsere Nachbarin, die viel besser zur Tante Bea passen würde, mitgebracht zu haben?

Übermorgen steht hinzu eine große Party in´s Haus und all diese Gedanken, so auch das Gefühl alt und hässlich zu werden, lasteten in der Horizontalen schwer auf mir.

Schließlich erhoben wir uns.

Durchs Küchenfenster sah man den Onkel Jesse hinwegfahren.

Das Auto zog ein schweres Schiff hinter sich her, und bewundernd blickte Rehlein ihrem Schwager hinterher, um bald kummervoll an Buz daheim zu denken, denn wieder zeigte sich jenes wohlbekannte Muster: Einer, der alles kann außer Geige spielen, und einer, der nichts kann außer Geige spielen.

Es duftete nach frischem Kaffee und ich freute mich sehr, mit den drei Geschwistern zu frühstücken auch wenn das Konversationsnetz so dicht gesponnen war, daß man mit seinen eigenen Geschichten nur mühevoll eine Lücke fand.

Und hat man dann endlich eine gefunden, so werden einem die Geschichten viel zu oft vorzeitig abgewürgt, weil ein Stichwort eine Weiche für einen konversatorischen Hasenhaken gestellt hat.

Rehlein möchte immer gerne Empörendes aus ihrem Leben anbringen, Dölein gerne herumargumentieren und das Beätchen hätte ein Füllhorn an amerikanischen Allerweltsweisheiten und Ratschlägen anzubieten und würzt diese auf gewohnt quirlige und süße Art.

Das Leben von Bea & Jesse war mir in seiner aus Beas Mails herausdestillierten Form stets so vollendet erschienen, doch nun erfuhren wir, daß es auch in dieser Familie leider Schrammen zu beklagen gibt, dieweil es mit der Stiefschwiegertochter Tina ärgerlich sei.

Sie knappst den Kontakt zur Familie einfach ab, auch wenn man sie auf dem Desktop des PCs inmitten der Großfamilie noch so freundlich lächeln sieht.

Doch nachdem das Foto geschossen worden war, fing sie damit an und nun dröselt sie die Nabelschnur zum Nest ihres Mannes so allmählich auf.

Man ahnt´s: die Nabelschnur wird in die Länge gezogen, dünnt aus und reisst schließlich ganz.

Seit März hat man den kleinen Jamison schon nicht mehr gesehen.

Auch wir konnten mit interessanten Geschichten aufwarten: vom 86-jährigen Herrn Jorberg dessen krankhafte, quälende Eifersucht ihm sein Leben schon seit je her zur Hölle gemacht hat.

Besonders arg ist´s nun, seitdem die vergrätzte und verblühte Bedienstete in der Post durch einen unverschämt gut aussehenden und hinzu sehr freundlichen Halbmohren ausgetauscht wurde – und seither scheint´s ihm so, als strebe seine Veronika andauernd zur Post.

Früher hat er sie ja selber ständig dort hingeschickt, doch damals reagierte die Veronika immer nur lustlos darauf.

Und plötzlich ist ihr kein Grund mehr zu banal, um auf die Post zu eilen!

Rehlein erzählt manch eine Geschichte ganz falsch.

Z.B. erzählte sie, daß der Exkanzler Kohl seine Sekretärin geheiratet habe - falsch!

Er heiratete eine böse Frau mit Namen Maike, 34 Jahre jünger als er, die ihn früher bestalkt und schon immer bewundert hatte, (eine "Kohlianerin") während die Sekretärin Juliane Weber, die sich berechtigte Hoffnungen gemacht haben dürfte, von der Welt vergessen wurde.

Die böse Maike kappte auf Tina-Art die Nabelschnur zu den beiden Söhnen Walter & Peter, die für das ungeübte Auge völlig identisch ausschauen, obwohl es sich dabei keineswegs um Zwillinge handelt.

Man merkt´s: ein Dramenkomplex, der in dieser und variierter Form überall auf der Welt zu finden ist.

Vor dem Fenster sah man einen kleinen Kollibri mit wild vibrierenden Flügeln und entzückte sich für einen kleinen Moment an dem Naturschauspiel.

Von Onkel Dölein erfuhren wir, daß er seinen Schwiegervater Howard Stagg nie leiden konnte: Einst lebten Dölein & Debbie einfach "so" zusammen.

Doch der Schwiegervater redete Onkel Dölein in´s Gewissen:

Entweder solle er seine Tochter heiraten, oder aber ziehen lassen - seine Tochter einfach als Zither oder Gitarre für erotische Spielchen zu nutzen, das war für den konservativen und strammen Patrioten ein absolutes "No go".

Und nun wird die Debbie ihrem verstorbenen Vater immer ähnlicher: Der Vater sei z.B. unerhört rechthaberisch gewesen.

Da lachte die Tante Bea, denn Onkel Dölein ist´s ja nicht minder.

Der Schwiegervater habe immer ausgerufen: "…End of discussion!"

"Period. Basta!" setzte Tante Bea hintan, da der Onkel, wenn er in Glut und Eifer gerät gern ein "period!" hinter seine Sätze setzt, was dem Sinne nach bedeutet, daß die Diskussion für ihn damit beendet ist.

Leider waren zwei seitliche Zähne von der Tante Bea abgängig.

Einmal hätten sich die Geschwister fast ein bißchen überworfen: es ging um „die drei roten Herzen“ - ein antroposophischer Kniff mit dem man versucht, böse Kinder gut zu machen: Ist man brav gewesen, so bekommt man am Ende des Tages ein rotes Herz in sein Benehmensprotokoll hineingemalt und wenn man drei rote Herzen in Folge vorweisen kann, so wird einem ein Geschenk gekauft.

Etwas, was von Rehlein ganz und gar nicht gutgeheißen wird, da das Hagerle (das früh verstorbene Brüderlein der Geschwister) für seine nächtlichen Brunnseleien in´s Bettgehäuse immer ein schwarzes Pünktchen in sein rotes Herz gemalt bekam.

"Kommt drauf an, wie man es interpretiert!" nahm die Bea in ihrem bröselnden Deutsch das umstrittene Spiel in Schutz, dieweil sie es bei der Aufzucht nämlich selber auch schon angewandt hat.

Die Bea dünkt sich schon etwas reifer als ihre Vorfahren, denn bevor sie ihrer scheinbar unartigen Enkelin Miette einen schwarzen Punkt in ihr Herz hineinmalt, forscht sie nach dem Ursprung des Übels das sehr oft (allzu oft) auf Miettes kleinen Bruder Charles zurückzuführen ist.

Alsbald wurde uns der Hochzeitsfilm von Beas Tochter Jenny vorgeführt, doch leider waren die Köpfe in diesem selbstgedrehten Video alle abgeschnitten und der Wind blies ziemlich laut. Man sah somit lauter Beine unter verblasenen Beinkleidern und Röcken.

Die Bea erklärte uns die Leute, die man sah oder auch nicht sah, und sang ein intensives Loblied auf die Gegenschwiegerleut´: "die kön-nen tanzen!" so erfuhr man, und ein Bruder vom Bräutigam „Tal“ habe einen Mutterwitz!

Beas Sohn Rifflein hatte sich für einen Tag eine Pfarrlizenz aus dem Internet geholt und durfte das Paar trauen, und das Jennylein sah einfach phantastisch aus!

Von einem Zettel lasen beide Brautleut quirliges Zeug ab, das sehr belacht wurde.

Jetzt aber hieß es, man wolle Einkaufen fahren.

Wir fuhren mit dem Beätchen in die benachbarte Stadt Cotati in einen wunderschönen bunten Supermarkt mit einer gigantischen Auswahl an Köstlichkeiten, so daß es im Schlaraffenland nicht hätte schöner sein können.

Onkel Dölein, der einem immer so gerne Gutes tut, erlaubte mir ein Päckchen Sushi mitzunehmen.

Durch schönes Wetter, dünnbesiedelte Gegenden und strohfarbene, wellenförmige Hügel, z.T. mit Kühen bespickt oder garniert fuhren wir wieder zurück.

Ob das Jennylein in Toronto einen regen Kontakt zu ihrem Onkel Rainer pflege? wollte man wissen.

Nein. Leider überhaupt keinen.

Da stünde doch wohl sicherlich Rainers böse Frau Sharyn dahinter?

"Nein. Ich fürchte, es war der Rainer selber!" seufzte das Beätchen am Steuer vorsichtig.

Er habe sich einfach zu „rainerlich“ betragen: Schaut die Frauen an, als seiense nackt und bohrt allzu oft in der Nase!

Dies habe die Schwiegerfamilie Schalit zutiefst befremdet.

Rehlein hinter mir warf einige Erfahrungen mit etepetetsamen Personen aus Adelskreisen ein, aber nein, diese Erfahrungen passen nicht auf die Shalits, die wunderbare und makellose Menschen seien.

Wieder daheim:

Rehlein in der Küche erzählte vom Pfarrer Fliege.

Der Geistliche hatte einen Abgesangsslogan für seine Sendung erfunden: "Passense gut auf sich auf!". Den sagte er 6x pro Woche auf, doch dann baute er einen Unfall und mit im Auto saß eine fremde Dame.

Drum hat ihm seine Ulrike ja auch den Laufpass gegeben.

Jetzt aber sei er nach Hollywood gezogen und früher hatte er die Neigung, anderen ihren Satz aus dem Munde zu nehmen und ganz anders weiterzuerzählen als dieser gedacht war, da er sich als "Menschenflüsterer" verstand und immer schon zu erahnen glaubte, was jetzt käme.

Wir lachten über diese Geschichten, zumal ja auch ein Jeder mit einigen ähnlichen Beispielen aus seinem eigenen Erfahrungsschatz aufwarten konnte.

Am Abend kochte die Bea für uns.

Sie zerkleinerte eine Riesenzwiebel und kleinere Knoblauchzehen. Man hatte Tomaten aus dem Garten steifgefroren und sägte daran herum.

Es gab´s ein köstliches Mahl.

Der Jesse in seinem grünen Gewand und den schweren Kupferringen an den Fingern schaute aus wie ein König.

Serviert wurde der Fisch, der heute Mittag noch gelebt hat und nun nach seinem Exitus von Rehlein als einzigartig köstlich empfunden wurde, und mir schmeckte das kalte Huhn fast noch besser.

Wir machten uns einen Spaß daraus, wie´s wohl ausschaut, wenn man ein Reiskorn im Gesicht kleben hat, lachten über diesen Anblick und erzählten uns allerlei aus unserem Leben: Ich erzählte eine Geschichte aus meinen Studienjahren: Dem Opa war ein Gerücht zu Ohren gekommen: Es hieß, ich sei in meinen Klavierlehrer Herrn Bloser verliebt, und der Opa riet in einem ausgefeilten Brief zur Besonnenheit. Da er allerdings nur seine unreifen Töchter gewohnt war, setzte er nicht sehr viel Hoffnung in diesen wachrüttelnden Brief – schickte ihn jedoch dennoch ab.

Umso bestürzter aber waren die Großeltern über meine Antwort: "Lieber Opa! Ich habe Deinen Brief ernst genommen und SOFORT Schluß gemacht!" (schrieb ich.)