Einspänner und Fiakergulasch - juergen von rehberg - E-Book

Einspänner und Fiakergulasch E-Book

Juergen von Rehberg

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Beschreibung

Eine Frau und zwei Männer planen gemeinsam einen großen Coup auf einem Flusskreuzfahrtschiff, das in Krems-Stein vor Anker liegt. Ein russischer Oligarch mit seiner Ehefrau und zwei Kindern sticht unter den Gästen klar heraus. Der mysteriöse Todesfall eines Crew-Mitglieds verändert die Lage völlig. Schauplatz ist neben dem Schiff auch ein Kremser Caféhaus, in welchem konspirative Treffen stattfinden. Die Überführung des Täters hält eine große Überraschung bereit. Den Leser erwartet ein spannender und unterhaltsamer Kriminalfall.

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„Wie immer!“

Hinter diesen zwei kargen Worten verbarg sich die Bestellung eines Gastes, wie er im Café Berger ganz sicher nur ein einziges Mal vorkam.

Der Mann hieß Leopold „Poldi“ Pospischill, war neunundvierzig Jahre alt, von der Erscheinung her eher unscheinbar und mit Leib und Seele Österreicher.

Seit heiligen Zeiten bemühte er sich, so zumindest daher zu kommen, denn von Geburt an war er ein Deutscher, und die Klangfarbe seiner Stimme ähnelte mehr einem dunkel gehaltenen Schwarz, denn einem Schönbrunner Deutsch, wie es einst unser Kaiser – Gott hab ihn selig – parliert hat.

Besagter Herr hieß natürlich nicht Pospischill, sondern Eduard Müller und erblickte in einer kleinen Stadt, nahe Gelsenkirchen, das Licht der Welt.

Und just in diesem Augenblick saß er an dem kleinen Tisch vor dem Fenster, durch das er auf die Obere Landstraße hinaussah, weil er in großer Ungeduld auf einen Freund wartete.

„Kommt sofort, Herr Leopold!“

Mit diesen Worten bestätigte Herr Markus, Kellner im Café Berger, die Bestellung des Gastes, der vor geraumer Zeit darauf bestanden hatte, mit „Herr Leopold“ angesprochen zu werden.

Das Servierfräulein gab den Wunsch des Gastes in die Küche weiter. Das dort tätige Personal hatte sich schon vor langer Zeit das Erstaunen ob dieser Bestellung abgewöhnt, obwohl der Herr Leopold der einzige Gast war, der diesen außergewöhnlichen Speisewunsch äußerte.

Das eher in der Hauptstadt gängige Gericht stand nicht auf der Karte des Cafés, und Wien war weit weg.

Als Herr Markus beim ersten Mal den Wunsch des Gastes an seinen Chef herantrug, lehnte dieser zunächst ab, änderte aber dann seine Meinung, als er erfuhr, dass der „Herr Leopold“ ein regelmäßiger und zudem ein sehr guter Gast war, der auch in Belangen Trinkgeld ein weit geöffnetes Börserl hatte.

„Vertrösten Sie den Gast auf das nächste Mal. Wir werden die Zutaten besorgen und das gewünschte Gulasch in einer größeren Menge zubereiten, um es dann in Portionen einzufrieren.“

Damit war das Problem gelöst, und als Herr Markus dem Gast die frohe Kunde überbrachte, huschte diesem ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht.

Ursprünglich stammt das „Gulasch“ aus Ungarn. In die Wiener Küche fand es durch die Verlegung ungarischer Truppenregimenter nach Österreich seinen Einzug. Das Fiakergulasch ist eine spezielle Wiener Variante des feurig-würzigen Puszta-Gerichts.

Fiakergulasch

1 kg Wadschinken (vom Rind)

Eier (4-6 Stück)

5 Essiggurkerln

2 Paar Sacherwürstel

750 g Zwiebeln

150 g Schmalz (oder Öl)

2 EL Paprikapulver (edelsüß)

1 TL Rosenpaprikapulver, 3 Knoblauchzehen

1 EL Tomatenpüree, 1 EL Majoran

2 Lorbeerblätter

1 TL Kümmel (gehackt), etwas Essig

Salz

Pfeffer (aus der Mühle), Butter (für die Spiegeleier)

Zubereitung:

Topf erhitzen und die Zwiebeln darin bei mäßiger Hitze und kräftigem Rühren goldgelb rösten. Paprikapulver sowie Tomatenpüree einmengen, kurz durchrühren und sofort mit etwas Essig und wenig Wasser ablöschen. Fleischwürfel mit Salz und Pfeffer abmischen und zugeben. Gepressten Knoblauch, Majoran, Lorbeerblätter sowie Kümmel einrühren und so viel Wasser zugießen, dass das Fleisch gerade bedeckt ist. Durchrühren und (nicht völlig zugedeckt) ca. 2 1/2 Stunden bei mittlerer Hitze weich dünsten.

Währenddessen wiederholt umrühren und immer wieder etwas Wasser zugießen. Sobald das Fleisch gar ist, aber noch etwas Biss hat, Topf vom Feuer nehmen und an einem warmen Ort (mäßig erhitztes Backrohr) noch ca. 1 Stunde ziehen lassen.

Die Sacherwürstel in heißem Wasser erhitzen und ca. 10 Minuten knapp unter dem Siedepunkt ziehen lassen. In einer Spiegeleierpfanne Butter schmelzen lassen, Eier vorsichtig einschlagen und zu Spiegeleiern braten. Die Gurkerln fächerartig einschneiden.

Gulasch nochmals kräftig erhitzen, eventuell nochmals etwas Wasser zugießen, abschmecken und kräftig durchrühren. Auf vorgewärmten Tellern anrichten, jeweils ein Spiegelei darauf platzieren und je ein Würstel daneben legen. Mit einem Gurkerlfächer garnieren.

*****

Während in der Küche eine ordentliche Portion Fiakergulasch in der Mikrowelle von dem Aggregatzustand „fest“ in „flüssig“ umgewandelt wurde, befasste sich Herr Markus mit der Zubereitung eines „Einspänners“.

Der Einspänner ist eine Wiener Kaffeespezialität und als solche Bestandteil der Wiener Kaffeehauskultur.

Seinen Namen hat das Getränk von den einspännigen Pferdefuhrwerken. Deren Kutscher hielten den Kaffee in der einen Hand, die Zügel in der anderen. Durch die dicke Schlagobershaube blieb der Kaffee lange heiß und konnte dann während einer Pause getrunken werden.

In einem Glas mit oder ohne Henkel wird ein kleiner Mokka (auch genannt Schwarzer oder Espresso) mit einer üppigen Schlagobershaube bekrönt. Dazu wird Staubzucker serviert. Der „doppelte Einspänner“ wird mit einem großen Mokka zubereitet. Im Allgemeinen wird der Einspänner nicht umgerührt, der heiße Kaffee wird traditionell durch das kalte Schlagobers getrunken.

*****

Herr Leopold war gerade damit beschäftigt, mit einem Teil seines Semmerls den Boden seines Tellers für die Spülmaschine vorzureinigen, als die Tür aufging und ein Herr eintrat, der sich zielstrebig zum Tisch des Herrn Leopold hinbewegte.

„Servus Edi!“

Der Angesprochene blickte den Ankömmling böse an und zischte:

„Himmel Sakrament! Bist du teppert? Du sollst mich nicht so nennen. Wie oft soll ich dir das noch sagen.“

Bei dem Neuankömmling handelte es sich um Franz Leitmoser, den Freund, Kumpan, Haberer oder wie immer man ihn bezeichnen will, von Leopold.

„Komm wieder runter, Poldi“, erwiderte Franz in einem, dem Hochdeutschen sehr nahen Sprachduktus, und das, obwohl er auf dem Land, nämlich im tiefen Waldviertel, geboren und aufgewachsen war.

„Isst du schon wieder dein Leibgericht?“, fuhr Franz fort, „hängt es dir nicht schon allmählich zum Hals heraus?“

„Ich liebe dieses österreichische Nationalgericht“, antwortete Leopold, „ich werde es immer lieben.“

„Du hast doch überhaupt keine Ahnung, du Möchtegern Österreicher“, sagte Franz, „Schnitzel und Kaiserschmarrn, das sind Nationalgerichte; aber kein Fiakergulasch.“

Leopold war sichtlich gekränkt. Er blickte den Freund einfach nur an.

Er verstand nicht, warum Franz ihm immer wieder vorhielt, dass er niemals ein Österreicher sein würde, auch wenn er noch so viel Fiakergulasch in sich hineinstopfen würde und ein Vollbad in Unmengen von Einspännern nähme.

„Wir machen noch das letzte Ding zusammen“, presste er leise hervor, „aber danach sind wir geschiedene Leute.“

Leopold schlürfte den Rest seines Einspänners und drehte sich danach demonstrativ zum Fenster.

„Aber geh, Poldi“, startete Franz einen Wiedergutmachungsversuch, „ich hab`s doch nicht so g‘meint. Schau, ich red‘ halt manchmal an Blödsinn. Kennst mich doch, alter Freund.“

Franz hatte sich vorübergehend von seinem sonst üblichen Sprachduktus verabschiedet, um mit warmen Worten seinen Freund wieder in die Spur zu bringen.

Leopold wandte sich mit argwöhnischem Blick Franz zu.

„Meinst du das auch wirklich ehrlich?“

„Beim Augenlicht meiner Großmutter“, antwortete Franz, und Leopold glaubte ihm.

Hätte er gewusst, dass die Großmutter schon vor einigen Jahren das Zeitliche gesegnet hatte, wer weiß…

Aber das war ja auch egal. Leopold glaubte dem Freund, wohl auch, weil er es glauben wollte.

„Hat es Ihnen geschmeckt, Herr Leopold?“

Es war Christian, der Besitzer des Cafés, der an den Tisch herangetreten war, um den speziellen Gast zu begrüßen.

„Ganz ausgezeichnet, Christian“, erwiderte Leopold, „es gibt auf der ganzen Welt kein besseres Fiakergulasch als was wo bei Ihnen.“

Christian lächelte. Er mochte dieses außergewöhnliche Exemplar eines Gastes, dem er zu keiner Zeit das DU angeboten hatte, und dem er es mit einem inneren Augenzwinkern zugestand.

„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Leopold. Ich werde das Kompliment gern an die Küche weiterreichen.“

Christian wünschte noch einen guten Tag und entfernte sich wieder.

Franz konnte sein Erstaunen kaum verbergen.

„Der behandelt dich wie einen VIP. Das ist doch der Chef, oder?“

„Ja sicher, Franzi“, antwortete Leopold, „wir haben halt die gleiche Chemie. Im Gegensatz zu dir erkennt er meine österreichische Seele.“

Durch Franz ging ein heftiger Ruck. Es drängte ihn förmlich, laut hinauszuschreien, dass sein Freund ein Piefke sei und niemals ein Österreicher. Weder außen noch innen.

Aber er beherrschte sich. Er machte einen festen Knoten in seine Zunge und klopfte Leopold auf die Schulter als Zeichen absoluter Zustimmung.

*****

Die „Anastasia“ lag in Stein vor Anker. Sie war ein russisches Kreuzfahrtschiff für den kleinen Geldbeutel und schipperte unter panamaischer Flagge die Donau flussauf und flussab.

Franz Leitmoser hatte sich als Steward verdingt und war mit Gruschenka, der Schwester vom Chefmaschinisten Juri verlobt.

Juri und er verstanden sich auf Anhieb. Sie verbrachten viel Zeit miteinander. Und ein wenig hatte Franz auch schon Russisch gelernt.

Leopold, damals noch als Eduard Müller unterwegs, hatte sich auf dem Schiff mit Franz angefreundet.

Bei einem Landgang, es war in Budapest, einer der vielen Stationen der Flusskreuzfahrt, waren sich Passagier und Steward nähergekommen.

Nach einigen Gläsern erzählte Franz von diversen Passagieren, die ihren Reichtum auf schier unerträgliche Weise zur Schau stellten.

Es handle sich vornehmlich um Russen, deren fette Weiber sich mit Schmuck behängten wie die Weihnachtsbäume und deren Gebisse Gold bemäntelt wären.

Und die Männer protzten mit Diamantringen am kleinen Finger und Rolex Uhren am Handgelenk.

Eduard sog jedes Wort seines neuen Freundes in sich auf, wie der Schwamm das Wasser. Und von Stund an betrachtete Eduard seine Mitpassagiere mit völlig anderen Augen als noch zuvor.

Er fand die Ausführungen von Franz, dem Steward, mehr als bestätigt.

Was Franz nicht wissen konnte, war, das Eduard Müller ein „Knastbruder im Ruhestand“ war. Er hatte große Teile seines Lebens in staatlichen Einrichtungen verbracht.

Sein damaliges Tätigkeitsfeld erstreckte sich auf Einbrüche und Diebstahl, und seine Karriere verlief immer nur in eine Richtung: bergab.

Irgendwann hatte er dann beschlossen, den Pfad des Unrechts zu verlassen. Hinzu kam, dass seine Mutter verstarb und ihm ein kleines Häuschen hinterließ.

Dieses machte er zu Geld und gab fortan den Bonvivant.

Er verdingte sich als Heiratsschwindler und leierte betuchten Damen das Geld aus den Rippen.

Dass dies nicht gerade gesetzeskonform war, vermochte Eduard nicht zu erkennen, gaben ihm die Damen ihr Geld stets freiwillig. Manche haben es ihm sogar förmlich aufgedrängt.

So fuhr er auf den Flüssen Europas auf und ab und nahm sich der vielen, älteren, alleinstehenden Damen an, die seine Gesellschaft durchaus zu schätzen wussten.

Eduard war zwar kein Adonis, aber die Frauen mochten ihn dennoch. Er hatte „das Tierische“, und das war sein Kapital.

Aber wie das nun einmal ist, geht manchmal das Geld zu Ende, zumal, wenn kein frisches hinzukommt.

Eduard hatte diese Entwicklung völlig aus dem Blick verloren, und eine tiefe Traurigkeit befiel ihn, als er die unschöne Situation gewahr wurde.

So beschloss er, noch einmal die Donau zu befahren, bevor er Anstrengungen machen wollte, eine Arbeit zu finden.