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Der Sozialarbeiter Ronald Hirt freut sich auf ein verlängertes Wellness-Wochenende in den verschneiten Schweizer Alpen. Doch er kommt nicht wirklich zur Ruhe. Innerfamiliäre Diskussionen führen zu Spannungen und eine gefährliche Rettungsaktion in der Dunkelheit auf den gefrorenen Bergsee hinaus sorgen für zusätzliche Unruhe. Eine mysteriöse Person hat offenbar seine eigenen Pläne.
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Seitenzahl: 108
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Peter Jakoubek
Eisig und kalt
Peter Jakoubek
Eisig und kalt
Eine Ronny Hirt Geschichte
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Peter Jakoubek: Der Blick hinter die Kulissen
Dank:
Bisher erschienen beim Verlag epubli
Demnächst im Verlag epubli
Über den Autor
Impressum
Texte: © 2022 Copyright by Peter Jakoubek
Umschlag: © 2022 Copyright by Peter Jakoubek
Lektorat: focus-lingua / Gabriela H. Venetz
Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin
Jegliches Leben war aus ihr gewichen. Mit einer klaffenden Wunde am Hinterkopf lag sie auf dem harten Betonboden.
Vorausgegangen war einmal mehr eine dieser ätzenden Streitereien. Nichts konnte er ihr recht machen, stets dieses Genörgel und dazu diese unendliche, nicht zu ertragende Eifersucht. Sie hatte nicht ganz Unrecht, er liebte junge Damen und zeigte dies auch durch schlüpfrige Bemerkungen oder grenzwertige Berührungen.
Wieder hatte sie begonnen, ihn zu nerven mit ihrem Gekeife und den erniedrigenden Schimpfereien. Sie keuchte die Kellerstufen hoch, in der Hand einen schmutzigen Bodenlappen. Ihr Gesicht glühte vor Wut, Schweissperlen glänzten an ihrer Stirn.
Er stand oben im Erdgeschoss beim Eingangsbereich und sah diesen furchterregenden Drachen auf sich zukommen.
Bei der letzten Treppenstufe warf sie ihm unvermittelt den muffigen und feuchten Bodenlappen mitten in sein empörtes Gesicht. Das brachte das Fass definitiv zum Überlaufen und löste bei ihm eine Art Reflex aus. Er machte einen kräftigen Schritt auf die tobende Frau zu und packte sie an den Schultern – oder stiess er sie? Er wusste es nicht mehr – es ging so schnell. Sie wollte nach hinten ausweichen, verlor auf dem obersten Treppenabsatz den Halt und stürzte rückwärts, händeringend, die Treppenstufen hinunter in den Keller. Es schien ihm, als ob sie ihn während des Sturzes immer noch beschimpfen würde. Ihr Kopf knallte an die Kante der grossen Tiefkühltruhe. Er hörte ein dumpfes Geräusch, dann war Stille.
Erschrocken, aber auch mit Genugtuung gaffte er in den Keller. Das Licht war schummrig, ihr Gesichtsausdruck immer noch wütend.
Vorsichtig stieg er hinunter. Hier lag sie nun ihm zu Füssen. Tot, einfach tot! Deshalb hörte er auch keine nervtötenden Schimpftiraden mehr. Er war irgendwie erleichtert, aber eine Leiche im Keller – nein! – das konnte er nicht gebrauchen. Und wie sollte er diesen Hergang der Polizei erklären – das würde nur Ärger bedeuten. Dazu seine Vorgeschichte – die Ermittlungsbeamten würden ihm kaum Glauben schenken.
Demnächst sollte er wieder Arbeit bekommen, neue Gäste trafen ein. Er musste improvisieren, darin war er zum Glück geübt.
Die Frauenleiche musste erst einmal zwischengelagert werden. Sie lag zum Glück praktisch neben einem idealen Aufbewahrungsort. Er öffnete die alte Tiefkühltruhe, hob die Leiche an und liess sie darin verschwinden.
Bereits hatte er eine geniale Idee im Kopf, wie und wo er einen Unfall vortäuschen könnte. Draussen beim gefrorenen See wusste er von gefährlichen, grossen Eislöchern. Er hatte heute Vormittag persönlich mitgeholfen, diese Löcher, die für einen Teamevent vorbereitet wurden, in das dicke Eis zu bohren.
Dort hinein, in das eiskalte Wasser, wollte er die Leiche in dieser oder in der nächsten Nacht versenken. Der Leichnam würde erst im Frühsommer zum Vorschein kommen, bis dann wäre er längst über alle Berge.
Mit hastigen Bewegungen räumte er alles sauber beiseite, Blut musste weggeschrubbt und die Lappen ausgewaschen werden. Anschliessend löschte er das Kellerlicht und eilte die Treppenstufen hoch zum Erdgeschoss.
𓆟
Zu viert wanderten die neuen Mieter zum abseits gelegenen, älteren Ferienchalet, das sich in einer wunderschönen Winterlandschaft befand. Das Gepäck war nicht wie üblich in Rollkoffern, sondern wegen des etwas längeren Fussmarsches in Rucksäcken verpackt. Die Skiausrüstung inklusive Skischuhe konnten sie bei der Bergstation der Gondelbahn gebührenpflichtig deponieren.
Die beiden Kinder rannten mit ihren Rucksäcken voraus und kamen dadurch mit einigem Vorsprung beim Hauseingang des geschindelten Holzhäuschens an.
«Wollen wir schon mal klingeln?», fragte das Mädchen seinen Bruder.
«Oh ja, so sind wir früher an der Wärme.»
Doch beim Eingang befand sich keine Klingel, so klopfte der Knabe kräftig mit seiner Faust gegen die hölzerne Tür.
Keinen Wimpernschlag später wurde diese von einem aus Sicht der Kinder älteren Mann geöffnet, der verwundert in ihre Gesichter blickte.
«Hallo! Wo habt ihr eure Eltern gelassen? Ah, da hinten sehe ich sie kommen.» Der fremde Mann spähte zum Winterweg hinüber.
«Wir sind vorausgeeilt, da wir es kaum erwarten können, hier zu sein. Ich bin Sina und das ist mein Zwillingsbruder.»
«So ist es, Loris ist mein Name.»
«Gut so, also kommt herein. Aber zieht die Schuhe bitte gleich hier aus.»
«Und wie ist Ihr Name?», wollte Sina wissen.
«Ich heisse Herr Pauli und bin für die Übergabe dieses Ferienhauses zuständig.»
Sina und Loris entledigten sich ihrer Rucksäcke, schlüpften aus ihren Schuhen und wollten sofort die weiteren Räume besichtigen.
«Stopp, Kinder! Nicht so schnell. Ich will, das Ferienhaus zuerst euren Eltern übergeben.»
Die Kinder kicherten und Herr Pauli zuckte fragend seine Schultern. «Was ist daran so lustig?»
«Wegen der Eltern …», Sina wollte gleich eine genauere Erklärung liefern, doch es klopfte an die leicht geöffnete Tür.
«Hallo?!», fragte Lara, schob die Holztür etwas weiter auf und betrat vorsichtig den Eingangsbereich.
«Kommen Sie nur herein. Ihr Nachwuchs wartet schon ungeduldig. Mein Name ist Pauli», er streckte seine Hand zur Begrüssung entgegen.
Die Kinder kicherten erneut.
«Ich bin Lara Hirt, guten Tag Herr Pauli.»
Händeschüttelnd begrüssten sich die beiden.
«Herzlich Willkommen Frau Hirt und da kommt Ihr Mann …» Er hielt inne und beäugte das Gesicht von Tina genauer, legte seine Stirn in Falten und bemerkte scheinbar sogleich seinen Irrtum, denn er wich unvermittelt einen Schritt zur Seite.
«Nein, ich bin Tina Krüger, die Lebenspartnerin von Lara Hirt». Tina hielt ihre Hand ebenfalls zur Begrüssung entgegen. Doch Herr Pauli erwiderte den Händedruck diesmal nicht, sondern blickte ungläubig, aber auch irgendwie fasziniert in Tinas blaue Augen.
«Äh … okay, guten Tag. Aber Sie, Frau Hirt, sind schon die Mutter der Kinder?».
Wie es schien, folgerte Herr Pauli, dass Tina Krüger zu jung wäre, um die Mutter von Sina und Loris zu sein.
Nun meldete sich die etwas vorlaute Sina zu Wort und brachte noch mehr Verwirrung in Herrn Paulis Kopf. «Wir sind Loris und Sina Tschannen.»
«Tschannen?», wiederholte Herr Pauli fragend. «Aber gebucht hat ein Ronald Hirt, ist das Ihr Ex-Mann, Frau Hirt?»
«Nein, mein Vater! Sehen Sie, hier ist unser Mietvertrag.» Lara kramte ein Mäppchen aus ihrer Tasche hervor und überreichte dieses dem verdutzten Hausverwalter.
Er studierte das Formular, welches sich im gelben Mäppchen befand: «Ja, sehr gut. Also kommen Sie. Ziehen Sie bitte auch die Schuhe aus, dann zeige ich Ihnen die Räume.»
Herr Pauli kratzte sich am Kopf.
Gemeinsam besichtigten die neuen Feriengäste das zweigeschossige Chalet. Im oberen Stock waren zwei Schlafzimmer sowie ein Bad mit WC und Badewanne. Im Erdgeschoss befand sich die Küche mit den nötigsten, etwas in die Jahre gekommenen Einbaugeräten. Daneben eine grössere Stube mit Esstisch und Eckbank, einem Sofa sowie TV- und DVD-Geräten. Im Eingangsbereich war in einem kleinen Raum, wahrscheinlich nachträglich, ein WC mit Dusche eingebaut worden.
«Hier unten ist der Keller mit einem Gestell für die Skier inklusive Skischuhe.»
Herr Pauli öffnete die Tür und zeigte in die Dunkelheit hinunter.
«Die Skiausrüstung haben wir bei der Bergstation deponiert, so müssen wir sie nicht immer hin- und herschleppen», erläuterte Lara.
«Das ist sehr gut. So müsst ihr gar nie in den Keller. Der Lichtschalter ist unsinnigerweise erst unten beim Kellerabgang.»
«Kein Problem! Wir benötigen den Keller nicht, oder befinden sich dort unten die Sicherungen?»
«Nein, die sind hier hinten im Putzschrank.» Herr Pauli zog die Tür zur Besenkammer auf und zeigte auf den Sicherungskasten. «In allen Räumen wird mit Elektro-Speicheröfen geheizt. Falls einmal etwas nicht stimmt, schauen Sie erst bei den Sicherungen nach. Sonst telefonieren Sie mir, ich bin hier in der Nähe an der Arbeit und kann im Notfall sofort vorbeikommen.»
«Danke für Ihr Angebot, welches wir hoffentlich nicht in Anspruch nehmen müssen. Tina, sollten wir sonst noch etwas wissen von Herrn Pauli?»
«Ja, wegen der Hausabgabe am kommenden Samstag. Kommen Sie am Vormittag persönlich vorbei?»
«Genau, gemäss Ihrem Mietvertrag ist die Abnahme des Chalets um zehn Uhr. Ich werde einige Minuten zuvor hier sein, und …», Herr Pauli lächelte beschwingt zu Tina, «… falls es etwas später wird, ist dies absolut kein Problem. Die nächsten Gäste kommen erst um sechzehn Uhr. Also geniessen Sie erst einmal die Ferientage.»
Für Tina völlig überraschend und dazu auch irritierend, klopfte Herr Pauli mit seiner Hand kumpelhaft kurz auf ihre rechte Schulter. Danach bückte er sich, schlüpfte in seine grossen Winterstiefel und öffnete die Eingangstür. «Nun gut, adieu die Damen!»
«Danke und auf Wiedersehen!», rief Lara hinterher. Tina schwieg.
Eilig lief Herr Pauli in Richtung der Hotelanlagen. Wer ihm nicht mehr aus seinem Kopf wollte, war die junge, äusserst gutaussehende und sympathische Tina Krüger mit ihren glasklaren, blauen Augen.
𓆟
Mit der grossen Gondel waren wir gemeinsam zur Bergstation hochgefahren, dort trennten sich unsere Wege.
Meine Tochter Lara und ihre Lebenspartnerin Tina zogen mit Sina und Loris los, um ihr gemietetes Chalet, das sich etwas abseits vom Feriendorf befand, zu übernehmen.
Sibylle und ich überquerten zu Fuss eine Skipiste und gelangten gleich zum Eingang des schönen, modernen Hotels, das zudem einen attraktiven Wellnessbereich anbot.
Beim Empfang nannten wir unsere Namen. Wir wurden herzlich begrüsst. Nach den üblichen Formalitäten fuhren wir mit dem Lift in die dritte Etage und fanden die grosse Suite ganz am Ende des Westflügels.
Unser gesamtes Gepäck sollte in den nächsten dreissig Minuten von einem Portier angeliefert werden.
So standen wir, einzig mit unserem Handgepäck, in der supermodern eingerichteten Suite. Dies alles dank dem Hauptpreis eines Wettbewerbs, an dem Sibylle teilgenommen hatte.
Sibylle, die Mutter von Tina, war bis vor Kurzem gleichzeitig eine Arbeitskollegin von mir gewesen. Sie war für das Personelle zuständig und deshalb wesentlich an meiner Anstellung im Stadthaus Uster beteiligt gewesen. Per Ende Jahr hatte Sibylle diese Stelle gekündigt, weil sie eine neue Herausforderung annehmen wollte. Sie hatte zuvor einige Monate auf diversen Plattformen nach einer freiwerdenden HR-Stelle gesucht. Schnell wurde sie fündig und konnte im vergangenen Oktober den Arbeitsvertrag bei einer Versicherungsgesellschaft unterzeichnen. Ihr neuer Arbeitsort war seit Anfang dieses Jahres Zürich-Oerlikon.
Dadurch verlor ich eine Arbeitskollegin, welche ich öfters über den Mittag gemeinsam mit Meili getroffen hatte, wobei wir oft spannende Gespräche geführt hatten.
Doch ich konnte auch etwas Befreiendes erkennen. Anfangs, als ich Sibylle kennengelernt hatte, schien es, als hätte eine nähere, intimere Beziehung daraus entstehen können. Sibylle war seit der scheusslichen Trennung von ihrem gewalttätigen Mann alleinstehend und, meiner Meinung nach, ganz und gar nicht auf der Suche nach einer neuen Beziehung.
Mir erging es ähnlich. Seit dem unverschuldeten Autounfall meiner Frau vor bald zehn Jahren lebte ich alleine. Dann flackerte etwas auf – mit Sibylle. Doch es stimmte irgendwie für uns beide nicht – noch nicht? Stand möglicherweise unsere gemeinsame Arbeitsstelle dazwischen?
Logisch, meine Tochter würde sagen, ihr seid kopfgesteuert, lasst mal die Gefühle laufen. Und doch …
Nun hatte also Sibylle bei einem Wettbewerb den Hauptpreis gewonnen. Dieser beinhaltete zwei Nächte in einem modernen Hotel, inklusive Wellness, und dies in einem Skiresort.
«Ronny», fragte sie mich damals, «Ronny, ich möchte mit dir zusammen den Hauptpreis, das Wellnesswochenende einlösen. Hättest du Lust, mich zu begleiten? Ich würde mich sehr freuen.»
« Ja sehr gerne!» Ich brauchte nicht lange zu überlegen und sagte gleich zu.
Dann ergab sich, dass unsere Töchter ebenfalls in das gleiche Skigebiet mitreisten, und das kam so:
Dora, unsere Bekannte, welche mit ihren Kindern vor einigen Monaten aus dem Berner Seeland in die Forch gezogen war, hatte Loris und Sina für das Schneesportlager der Schule angemeldet. Sie wäre froh gewesen, die Zwillinge im Lager zu wissen, weil sie beruflich sehr eingespannt war. Leider wurde das Schneesportlager coronabedingt noch vor den Weihnachtsferien abgesagt.
Unsere Töchter entschieden sich daraufhin, mit den Zwillingen eine Woche in die Skiferien zu reisen. Anstatt das Skifahren im Schneesportlager zu erlernen, sollten Sina und Loris dort die Skischule besuchen. Sibylle und ich fanden dies eine unterstützungswürdige Idee. Zu Weihnachten schenkten wir unseren Töchtern die Mietkosten für die Ferienunterkunft. Ich hatte die Lokalität gesucht und Sibylle für Freitag bis Sonntag die Wellness-Tage im Hotel gebucht. So wollten wir ein verlängertes Wochenende in einem Skigebiet verbringen, obschon Sibylle überhaupt nicht Ski fahren konnte.
Es klopfte an unsere Zimmertür. Ich öffnete, weil ich in dem Moment unmittelbar daneben stand. Ein jüngerer, in Anzug gekleideter Herr stand vor der Tür. Daneben ein Gepäckrolli mit unseren Taschen und Koffern beladen.
«Herr Könz? Ihr Gepäck!»
«Nein, nicht Herr Könz, aber unser Gepäck», gab ich spontan zur Antwort.
«Darf ich es Ihnen gleich hineinbringen?»
«Ja gerne. Sibylle unser Gepäck ist eingetroffen!»
«Oh gut, ich komme», tönte es aus dem Bad.
«Du brauchst nicht zu kommen, das Gepäck wird geliefert.»
Der Portier ergriff die Taschen und stellte sie in den geräumigen Eingangsbereich. Danach schleppte er Sibylles Koffer in die Suite und zu guter Letzt noch einen Aktenkoffer von mir.
«So, das ist alles. Bitte unterschreiben Sie mir noch den Empfangsschein.»