ELDERHOOD - ALT&WEISE - Ganzheitliches Institut Schweiz Dr. Thomas Rüedi - E-Book
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Beschreibung

Es ist ein Alarmzeichen für die Gesundheit unserer Kultur, wenn es in der westlichen Gesellschaft immer mehr alte und immer weniger weise Menschen gibt. Darum ist es höchste Zeit, dass wir verstehen, warum das so ist, dass wir mit einer neuen Perspektive der „Elderhood“ wieder seine wahre Ausdrucksstärke verleihen und dass wieder viele „Alte&Weise“ in der Mitte unserer Gesellschaft ihre ursprüngliche, neue und fundamentale Rolle als Juwelen unserer Gesellschaft einnehmen. Dieses Buch will hierzu einen Beitrag im deutschsprachigen Raum leisten. Darin geht es aber auch darum, das Interesse von noch im fortgeschrittenen Familien- und Arbeitsprozess befindlichen Menschen in der zweiten Lebenshälfte zu wecken und für diese – mit einer revolutionären, neuen Perspektive – einen Grundstein zu legen, damit sie sich auf den Weg begeben und sich dabei auf die sich anbahnende, das menschliche Leben vervollkommnende Zeit der "Elderhood" in ihrem Leben freuen können … was in unserer westlichen Gesellschaft im Moment für die meisten so völlig unvorstellbar scheint.

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Seitenzahl: 414

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

© 2025 Thomas Rüedi

Website: www.ganzheitliches-institut-schweiz.ch

Email: [email protected]

Coverdesign und Illustration von: Thomas Rüedi

Softcover: ISBN 978-3-384-30564-0

Hardcover: ISBN 978-3-384-30565-7

E-Book: ISBN 978-3-384-30566-4

Verlagslabel: Swiss Holistic Institute

Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschliesslich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig.

Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Ganzheitliches Institut Schweiz, Via Ardisla 13, 7013 Domat/Ems, Schweiz

Bildnachweise: siehe Anhang

ELDERHOOD

NEUE FASZINIERENDE PERSPEKTIVENFÜR DAS ALT&WEISE-WERDEN

MIT ÜBUNGSANREGUNGEN

THOMAS RÜEDI

SWISS HOLISTIC INSTITUTE / TREDITION

WWW.GANZHEITLICHES-INSTITUT-SCHWEIZ.CH

EDERHOOD - ALT&WEISE

Cover

Urheberrechte

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MEIN DANK GEHT AN:

Zalman Schachter-Shalomi & Ronald Miller

Meinen langjährigen Freunden Patrick und Bob

Markus, Mattias, Ian, Alexa

Meinen Eltern Kurt & Bigna (†)

Meinen Brüdern Felix und Andrea

Dzogchen-Linie und -Tradition

The Yogic Tradition of Tsalung Thrulkor

Indigenen Weisheitstraditionen der Welt

Navajo Traditional Teachings

Stiftung Lebenstraum

Theresa Reichelt von tredition

VORWORT

„IN UNSERER GESELLSCHAFT GIBT ES IMMER MEHR ALTE UND IMMER WENIGER WEISE MENSCHEN !“1

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„DIE ALTEN&WEISEN SIND DIE JUWELEN DER MENSCHHEIT!“2

Wie wir an der ehrwürdigen, 15 Meter hohen und 800-jährigen Sommerlinde mit einem Stammumfang von 9.20 m, die im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern in Deutschland steht, eindrücklich sehen, ist der Stamm ziemlich knorrig und altersentsprechend, jedoch treibt sie jedes Jahr immer noch frische, saftig grüne Blätter. Damit übt sie eine faszinierende, ehrerbietige und zum Staunen anregende Wirkung auf uns aus.

Dieser Baum sagt uns symbolisch und gemäss dem Thema dieses Buches, dass Alter und auch hohes Alter mit Vitalität, Schönheit, Ausstrahlung und Weisheit verbunden sein kann oder, wenn wir die Indigenen Völker als Vorbilder nehmen, dass viele „Alte“ in diesen Kulturen die „Weisen“ waren und sind – wie in unseren, europäischen Kulturen früher auch.

Der Haupttitel des Buches „Elderhood“ – als „Älterwerden“ übersetzt2 – zeigt uns in eindrücklicher Art und Weise, dass es tatsächlich keinen Ausdruck in der deutschen Sprache dafür gibt, für die Zeit des „Alt&Weise-Werdens“. Obwohl dieser Ausdruck aus der englischen Sprache stammt und eingereiht in die Abfolge „Childhood (Kindheit)“ – „Adolescence (Jugendlichenalter)“ – „Adulthood (Erwachsenenalter)“ gut passen würde, existiert er auch in der Umgangssprache englischsprachiger Länder so gut wie gar nicht. Beide Formen der Abwesenheit – aber auch das Fehlen eines Bewusstseins für die eigentliche und ursprüngliche Bedeutung der kulturellen Bezeichnung „Elder“ (Alte&Weise) – beweisen uns, dass mit diesem Lebensabschnitt und der Rolle der so bezeichneten Menschen in unserer westlichen Kultur etwas nicht in Ordnung sein kann …

Vor ungefähr zwei Jahren ist mir im Zusammenhang mit Recherchen zu meinem letzten, englischsprachigen Buch – „Three Steps Into Oneness“ – das ebenfalls englische Buch von Zalman Schachter-Shalomi und Ronald S. Miller „zu-gefallen“, mit dem vielsagenden Titel „From Age-ing to Sageing – A Revolutionary Approach to Growing Older“2, was mit anderen Worten sinngemäss übersetzt heisst: „Vom Alt-zum Weise-Werden – mit einem revolutionären Ansatz alt werden“. Es ist ein eindrückliches und faszinierendes Buch, ein die sog. „Elderhood-Bewegung“ prägender „Klassiker“, das die in unserer westlichen Kultur übliche Sichtweise des Alterns – als hauptsächlich deprimierender, entwertender und entwürdigender Prozess des Zerfalls – wortreich, fundiert und auch humorvoll pulverisiert, revitalisiert und in ihr Gegenteil verwandelt. Das folgende, von mir sinngemäss übersetzte, einführende Zitate aus Schachter-Shalomis/Millers Buch gibt uns einen Geschmack davon:

„Um ein neues Modell für ein revolutionäres Alt&Weise-Werden (Elderhood) hervorzubringen, möchte ich nicht nur eine alte und ehrwürdige Institution, die unsere Zivilisation seit Ur-Zeiten bereichert hat, wiederbeleben, sondern diese ergänzen und noch einen Schritt weitergehen.“

Wir werden ausführlich und vertieft auf den Ansatz von Schachter-Shalomi/Miller im Kapitel der sog. „Elderhood-Quellen“ eingehen, welcher aufgrund ihres absolut grundlegenden Werkes in diesem vorliegenden Buch immer wieder in verschiedenen Inhalten und Themen „nachhallt“.

In diesem Buch werden wir das „Alt&Weise-Werden“, als Teil einer bewussten Gegenbewegung zum ersten Eingangszitat, immer wieder auch als „Elderhood-Prozess“ und uns, die wir in diesem Prozess sind oder die sich dafür auch schon in einem früheren Zeitpunkt der zweiten Lebenshälfte interessieren, als „Elders“ oder „Alte&Weise“ bezeichnen. Damit der Lesefluss nicht gestört wird, habe ich, anders als anfänglich im ganzen Buch beabsichtigt, nur punktuell die Begriffe „Elders in Fortbildung“ oder „Alte&Weise in Fortbildung“ verwendet. Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass wir uns bewusst in der Qualität der Demut üben und, wie von vielen anderen Autoren auch angeregt, als „in Fortbildung bzw. im Training befindlich“ bezeichnen – bis zu unserem Lebensende. Ob wir unser Ziel erreichen, wo uns dann andere Menschen als solche zu bezeichnen beginnen, soll uns bei unseren Bemühungen nicht kümmern, denn es geht nicht darum, irgendeine Rolle zu spielen, sondern dabei ganz wir selbst zu sein, in einem gereiften Zustand.

Wo die Begriffe „Elders“ und „Alte&Weise“ in diesem Buch verwendet werden, ist also immer die Bezeichnung „… in Fortbildung“ gemeint.

Letzthin habe ich einen älteren, US-amerikanischen Freund gefragt, wie gängig der Begriff des „Elder“ in der englischen Sprache bzw. in einer tieferen Bedeutung in seiner Kultur sei – wo sie schon seit Jahrhunderten mit Indigenen Menschen zusammenleben, bei welchen Elders eine wichtige Rolle spielen; er hat mir geantwortet, dass der Begriff „Elders“ für die meisten US-Amerikaner leider auch „nur“ das Alt-Werden im westlich-defizitären Verständnis bedeutet. Dies drückt wahrscheinlich auch aus, dass ihnen in einer postkolonialen Sichtweise innerhalb der USA die Indigene Kultur nicht vertraut geworden ist, was sich in den letzten Jahren langsam zu verbessern scheint. Immerhin ist der englische Begriff „Elder“ in Nordamerika doch vielen in einem Indigen-kulturellen Kontext auch in der Bedeutung von alt und weise bekannt.

Dazu ist zu erwähnen, dass gerade auch die neueren Erkenntnisse über die Besiedlung des amerikanischen Doppelkontinentes vor der „Entdeckung“ durch Christoph Kolumbus (1492) zeigen, dass da schon vor Urzeiten grosse Indigene Kulturen lebten – beschrieben z. B. im Buch „Amerika vor Kolumbus: Die Geschichte eines unentdeckten Kontinents“ von Charles C. Mann3. Wir werden die grundlegende Bedeutung der Indigenen Völker rund um den Globus bei den Elderhood-Quellen in mehreren Unterkapiteln ausführlich würdigen und darin speziell auf die ursprüngliche, traditionelle Rolle von Alten&Weisen darin eingehen.

Es ist interessant, dass in diesen Kulturen neben den alten auch jüngere Menschen mit aussergewöhnlichen Fähigkeiten und Führungsqualitäten als Elders bezeichnet werden; die Qualitäten von Elders werden dabei immer im Zusammenhang mit einer vielseitigen Dynamik zwischen den Menschen innerhalb einer Gemeinschaft, aber auch zwischen Mensch, Natur und Umwelt begriffen.

Zu den Hinweisen hinsichtlich von Weisen in unseren, früheren Kulturen in Europa ist zu erwähnen, dass beispielsweise bei den Kelten4 die Götter und Halbgötter als Weise verehrt wurden, welche als spirituelle Lehrer, Propheten, Geschichtenerzähler, Zauberkundige, Heiler und Krieger unter den Menschen gelebt hatten und in ihrem Leben überall präsent waren.

Seit der Entdeckung des eingangs des Kapitels erwähnten Buches bin ich auf der Suche nach einer annähernd interessanten, lebendigen und umfassenden Sichtweise – geschriebene und Online-Literatur – im deutschsprachigen Europa und bin höchstens auf ein paar interessante „Ruinen aus alter Zeit“, auf bemühte Versuche einer positiven Umschreibung, des „Schönredens“, dieses oben angesprochenen Zerfallsprozesses oder im besten Fall auf ein paar zaghafte „Miniaturen“ dieses umwerfendspannenden, ganzheitlichen Ansatzes gestossen.

Das konnte und wollte ich so nicht auf sich beruhen lassen.

So entschloss ich mich einerseits – auf der Basis des faszinierenden, mitreissenden und breiten Ansatzes von „From Age-ing to Sage-ing“ mit Einbezug und den Ergänzungen von weiteren Autorinnen und Autoren – v. a. auch eine beträchtliche Anzahl Texte aus dem englischsprachigen Raum eigenhändig in Auszügen und Zitaten ins Deutsche zu übersetzen bzw. andererseits ein eigentliches Buch zu diesem Thema in deutscher Sprache zu schreiben. Wo ich englische Texte sinngemäss übersetzt habe, habe ich in der Fusszeile immer auch einen Hinweis auf den englischen Originaltext angegeben, damit alle, die das möchten, auch das Original lesen können. Allerdings ist das Angebot an Literatur zu einer ganzheitlichen Elderhood-Arbeit, wie sie bei Schachter-Shalomi/Miller und in diesem Buch umrissen wird, auch im unvergleichbar grösseren englischen Sprachraum recht bescheiden, auf was auch im anschliessenden Teil 1 unter „Symbolik des Status quo“ weiter eingegangen wird.

In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass im Kontext der Darstellung und Würdigung des ansonsten ausserordentlich inspirierenden und absolut grundlegenden Werkes „From Age-ing to Sage-ing“ hier darauf hingewiesen werden soll, dass – abgesehen von entsprechenden Textpassagen des erwähnten Originalwerkes aus dem Jahr 1995 – im vorliegenden Buch nur englischsprachige, US-amerikanische Literatur erwähnt und übersetzt wird, welche eine heutige, angemessen dekolonisierte Sprache verwendet. Somit werden generell – von welcher Nation auch immer – keine post- oder neokolonial-imperialistischen Texte und Schreibweisen akzeptiert – wie z. B. wenn „Amerika“ als Synonym für die USA anstatt für den ganzen Kontinent, heute darum oft als die „Amerikas“ bezeichnet, gebraucht wird etc.

Im Verlauf der Recherchen zu den Elderhood-Quellen bin ich bei der Spurensuche zu Teilaspekten der Elderhood-Arbeit auch auf Prominenz im deutschsprachigen Schrifttum und deren gehaltvolle Texte gestossen. Jedoch, umfassendere Konzepte für einen eigentlichen, umfassenden Elderhood-Prozess, die vergleichbar gewesen wären, habe ich vergeblich gesucht.

Schliesslich werde ich den Ansatz dieses Buches mit ganzheitlichen Konzepten und Auszügen aus meinem letzten, in englischer Sprache erschienenen Buch mit dem Titel „Three Steps into Oneness / Drei Schritte in die Einheit“5vereinigen, wo es z. B. heisst:

„In der Zeit, in der wir gerade leben, erleben wir eine Zeit der Abwesenheit von Weisheit“

Als Autor dieses Buches – und eigentlich bei allen früheren Werken auch – erlebe ich mich immer wieder in der Position von jemandem, der zwar einiges an Wissen und Erfahrung aus mich interessierenden Tätigkeiten, Engagements und eigenen Therapieerfahrungen hat und der dabei seine Intuition schon ein Stück weit entwickeln durfte – aber auch jedes Mal wieder von Neuem als einen Studenten, als einen Neugierigen, Begeisterten, Spurensucher, als jemanden, der immer wieder fasziniert ist davon, was am Schluss entstanden ist und was ich dabei selber dazugelernt habe.

Einer der wichtigsten Hintergründe für das erwähnte Zitat, ja geradezu ein „Leitsymptom“ davon ist die Abwesenheit der Alten&Weisen als Elders in unserer westlichen Gesellschaft.

Der mit der Industrialisierung und deren schrittweiser Technologisierung verbundene, sich aufbauende Wohlstand für grössere Teile der westlichen Gesellschaft bis zum heutigen Tag hat zu einem Abbau an kultureller Weisheit geführt – die gerade auch im Verschwinden der Rolle der „Alten&Weisen“ ihren Ausdruck findet. Das uralte, Indigene kulturelle Ziel des „globalen Blühens“ (global flourishing) für alle – Menschen und „Nicht-Menschen“ –, als angewandte, lebendige Weisheit, ist dieser Entwicklung weitgehend zum Opfer gefallen.

Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen, wird in diesem Buch häufig die männliche Form verwendet. Dies geschieht aus rein stilistischen Gründen und schließt stets alle Geschlechter gleichermaßen ein.

Letztendlich ist auch ein wesentlicher Grund, mich mit diesem Thema zu beschäftigen, die Tatsache, dass ich kürzlich meine Pension angetreten und mich bei der Ankunft in meinem „Un-Ruhestand“ entschieden habe, ganz bewusst, möglichst entspannt, aktiv, kreativ und ganzheitlich alt zu werden. So wurde ich selber zum Elder in Fortbildung.

Dann ist da noch dieses kürzlich mit einem Ü50er-Freund geführte Gespräch über das Thema „Alt-Werden“, bei dem es mir klar wurde, dass es sehr wichtig ist, sich bereits in seinem Alter – wenn nicht interessehalber auch schon vorher – nicht nur mit der klassischen „Pensionsplanung“ zu beschäftigen, sondern sich auch vorsorglich mit der eigentlichen Elderhood-Arbeit eine spannende und inhaltsvolle Perspektive zu geben. So geht es in diesem vorliegenden Buch darum, ebenfalls das Interesse von noch im fortgeschrittenen Familien- und Arbeitsprozess befindlichen Menschen in der zweiten Lebenshälfte zu wecken und für diese – mit einer revolutionären, neuen Perspektive – einen Grundstein zu legen, damit sie sich auf den Weg begeben und sich dabei auf die sich anbahnende, das menschliche Leben veredelnde Zeit der „Elderhood“ freuen können … was in unserer westlichen Gesellschaft im Moment für die meisten so völlig unvorstellbar scheint.

Unsere westliche Gesellschaft hat in einem doppelten Sinn ein Problem mit dem Begriff des ELDER / ALTEN&WEISEN: die Problematik der Abwertung des ALTERNS und der damit verbundenen Abwesenheit von WEISHEIT.

Obwohl es eigentlich selbstverständlich ist, ist es an dieser Stelle wichtig, dass in diesem Buch – wenn wir von Alten&Weisen oder Elders sprechen – immer von Frauen und Männern die Rede ist. Die allermeisten Elderhood-Quellen, auf die ich Bezug nehme, sind dieser Auffassung und es ist in den von mir verwendeten Quellen wenig über geschlechtsspezifische Anwendungen dieser Begriffe zu finden. In diesem Buch wird die Auffassung vertreten, dass es im Elderhood-Prozess inhaltlich zwischen Männern und Frauen zu einer Annäherung kommt, zumal die Qualitäten von Elders in den meisten Texten ohne Unterscheidung in Geschlechter beschrieben werden. Im Kapitel zum Thema „Arterhaltung im Zeichen der Elderhood neu verstehen“ werden wir auf die hormonellen Wechseljahr-Prozesse bei der Frau, als Menopause bekannt, und beim Mann, kaum als Andropause bekannt, eingehen. Diese führen – gemäss der Auffassung in diesem Buch – über verschiedene Wege zur Annahme einer Elderhood-Rolle, die weniger vom biologischen und psychologischen Geschlecht abhängt als von der grundsätzlichen Wichtigkeit der Alten&Weisen in unserer Gesellschaft überhaupt.

Dieser Prozess verläuft bei beiden inhaltlich unterschiedlich, jedoch vom Resultat her sehr ähnlich, was speziell im Bezug auf Jahrtausende alte, Indigene Lebensformen darauf hinweist, dass eine Unterscheidung in Geschlechter für diese Kulturen für die grundsätzliche Bedeutung und Rolle von Elders in ihrer Gesellschaft eine untergeordnete Rolle gespielt hat; einmal abgesehen von ihren geschlechtsspezifischen Rollen bei Ritualen und Initiationen ins Frau- bzw. Mann-Sein. Und doch gibt es sie auch: Im Kapitel „Harmonie und Weisheit im Diné(Navajo)-Hózhó-Lebensstil“ werden wir kurz auf die gesellschaftlich gleichgestellte, jedoch unterschiedliche Bedeutung der Weisheit bei Frauen und Männern in der Indigenen Navajo-Tradition eingehen.

Bei der Suche nach AutorInnen zum Thema dieses Buches ist mir aufgefallen, dass es noch vergleichsweise wenige Frauen gibt, die über dieses Thema allgemein, unter Erwähnung beider Geschlechter bzw. geschlechtsneutral geschrieben und publiziert haben – auch wenn es ein paar Autorinnen gibt, die wahrscheinlich aus emanzipatorischen Gründen vor allem die Alte&Weise als Frau darstellen wollten. Ich habe mich entschieden – abgesehen von der zum Elderhood-Prozess zugehörigen Betrachtung der hormonellen Abänderung (Meno- und Andropause) bei beiden Geschlechtern –, keinen Gender-Aspekt in dieses Buch aufzunehmen und das Thema Elderhood auf einer grundsätzlich geschlechtsneutralen Ebene zu betrachten – was bedeutet, dass ich davon ausgehe, dass Elders beider Geschlechter, früher und heute, immer beide eine herausragende Bedeutung hatten und haben. Zu einer Elderhood bei anderen, nichtbinären Geschlechts-Identitäten werde ich mich in diesem Buch nicht äussern.

Bevor wir uns in die einzelnen Themen vertiefen, möchte ich die Struktur des Buches vorstellen, die ich auch für meinen persönlichen Prozess hilfreich finde. Ausgehend von den Grundlagen, einer akzentuierten Betrachtung der Ausgangslage und der sog. Elderhood-Quellen, geht es anschliessend in die eigentliche Elderhood-Arbeit, um eine Beschreibung der Ebenen dieser Arbeit und um die durch mich intuitiv formulierten Elderhood-Leitsätze, welche dann einzeln in den Elderhood-Anwendungen gedeutet werden sollen. Im 3. Teil des Buches wird auf konkrete Formen einer möglichen Elderhood-Beratung hingewiesen und es sind ebenfalls noch Anregungen für konkrete Übungen für uns Elders zu finden.

Da dieses Buch möglichst alle Alten&Weisen erreichen möchte, wurde ein überkonfessioneller bzw. überreligiöser Standpunkt darin gewählt. Es werden jedoch im Zusammenhang mit der spirituellen Elderhood-Arbeit zur Veranschaulichung auch Beispiele von Sichtweisen oder Übungen von Weisheitstraditionen vorgestellt – z. B. Auszüge aus der jüdischen Kabbalah, Methoden des tibetischen Buddhismus, Sichtweisen des Hinduismus oder Praxen von Indigener Spiritualität etc.. Dabei ist auch der bewusste Einbezug von mystischen Aspekten wichtig – welche auf der spirituellen Ebene der Elderhood-Arbeit eine zentrale Bedeutung haben; diesbezüglich macht z. B. die katholische Kirche Deutschland für das Christentum folgende Aussage:

„Mystik ist weder Schwärmerei noch Esoterik. Vielmehr beschäftigt sie Glaubende seit Jahrhunderten und hat sie zu poetischen wie philosophischen Texten inspiriert. Die Hochzeit der christlichen Mystik ist schon ein paar hundert Jahre her, doch sie könnte sogar ein Weg für die Kirche der Zukunft sein.“

Das Alt&Weise-Werden können wir auch als Phase einer Retraite (französisch) oder englisch eines „Retreat“ betrachten, wo wir uns zur Vervollkommnung unseres irdischen Lebens – oder je nach religiöser Philosophie auch aus der derzeitigen Inkarnation – langsam, schrittweise und bewusst, in Rücksicht auf unser gealtertes und gereiftes Körperhaus6 – körperlich, vegetativ, gefühlsmässig und geistig – und in Würde aus dieser Welt zurückziehen und verabschieden. Es ist der Spätherbst mit seinem wunderbaren Licht, den schönen, ausdrucksvollen Farben in unseren Wäldern („Indian Summer“), stellenweise schon mit ein bisschen Schnee, mit seiner Mystik und Schönheit – den wir als durch unseren Prozess erwachte Elders ausstrahlen wollen – und der Winter, die Ruhe und Stille, der Tod in unserem irdischen Leben.

Den Buchtitel „Elderhood – neue, faszinierende Perspektiven für das Alt&Weise-Werden“ verstehe ich als eine Ansage, die bedeutet, dass es für uns Zeit ist, diesen Begriffen „neues Leben einzuhauchen“, den gestellten Fragen und oft pessimistischen Feststellungen zu unserer heutigen Zeit buchstäblich eine neue, offene, strahlende, spannende und klare Perspektive, neuen Glanz zu verleihen; einen Glanz, der in der Hauptsache in uns innen entsteht und durch uns hindurch als der „Herbst und Winter des Lebens mit all seinem magischen Licht“ strahlt – durch unsere Augen, unsere sanft lächelnden Gesichter, durch unsere Taten und Handlungen in würdevoller, aufrechter Körperhaltung und nährender Demut, in vom Leben gezeichneten, durch uns liebevoll umsorgten „Körperhäusern“, in denen wir achtsam wohnen …

„Elders sind die Juwelen der Menschheit“7

Um sich mit dieser neuen Perspektive anzufreunden, haben wir Elders aus einer Art von Winterschlaf oder in der Pflanzenwelt aus einer Art von Überlebens- und Ruheform zu erwachen. Die meisten von uns potenziellen Alten&Weisen befinden sich in einem einer „retrograden Amnesie“ vergleichbaren Zustand – einem nach einem Unfall- oder Schockerlebnis (Stichwort: Anthropozän, siehe später) eintretenden, vorübergehenden Vergessen unseres früheren Lebens, unseres natürlichen Seins –, in dem wir uns nicht mehr an unsere ganz natürliche Berufung zu Elders als Grundpfeiler jeder Form von Gesellschaft erinnern können oder diese uns als unmöglich erscheint. Das Aufwachen, das schrittweise Sich-Erinnern möchte ich dadurch erreichen und fördern, dass wir in diesem Buch viele verschiedene, jedoch immer wieder sich inhaltlich überlappende oder gar ähnliche Impulse aus verschiedenen Richtungen und Dimensionen erhalten – wie die ersten kraftvollen Sonnenstrahlen im Frühling im Verlauf des Tages-Sonnengangs die bereits angelegte Knospe an einem Stauch wecken, die durch diese ganz natürlich daran erinnert wird, wieder auszutreiben und aufzublühen. Damit sind gleichermassen das Erinnern an eine traditionelle und das Erwachen in eine in die heutige Zeit gebrachte, moderne Rolle als Alte&Weise verbunden. Damit erhoffe ich mir, dass auch durch die Impulse dieses Buches der Archetyp Elder in uns in seine unvergleichliche Aktivität erwachen kann.

Wie wir später in diesem Buch erkennen werden – indem wir wesentliche Anteile der Vision von „Age-ing to Sage-ing“ von Schachter-Shalomi/Miller schrittweise entfalten –, wird es darum gehen, dass sich zuerst vereinzelte von uns Alten&Weisen als Wegbereiter und Pioniere fasziniert, berührt und motiviert aufmachen, diese Neukreation eines westlichen Elders – den wir auch als „westlich-städtischen Sannyasin“ (ohne jegliche Verbindung zu der Sannyas-Bhagwan-Bewegung !) bezeichnen werden – in sich und in der Mitte unserer Gesellschaft schrittweise zu beleben. Diese sind gemäss der Vision dann auch gleichzeitig die Vorboten einer neuen, aktuellen, gesunden Form der Gesellschaft im Westen und vermögen damit auch weltweit inspirierend auszustrahlen.

Um im Kontext einer weltweiten Dekolonisierung absichtlich meine grosse Achtung und Wertschätzung für die früheren und heutigen Indigenen Kulturen zum Ausdruck zu bringen, verwende ich im Verlauf des Buches den Begriff „Indigen“ immer mit Grossbuchstaben am Anfang. Als weitere Eigenart in diesem Buch möchten wir die grosse Bedeutung der Religiosität oder Spiritualität im Elderhood-Prozess dadurch zum Ausdruck bringen, dass wir überall wo wir – in einem theistischen Zusammenhang – über Göttliches sprechen oder – in einem nicht-theistischen, z.B. buddhistischen Kontext – über das Absolute sprechen immer die Großschreibung verwenden.

Abschliessend möchte ich im Vorwort noch erwähnen, dass ich in meinem Institut (Ganzheitliches Institut Schweiz) Begleitungen, Beratungen und Coachings im Bereich der Elderhood-Arbeit8 bzw. zu den Inhalten dieses Buches anbiete. Der Bereich Elderhood ist eines der wenigen Beratungsangebote, die ich noch persönlich als Unterstützung anbiete, dies nicht zuletzt als Möglichkeit und Chance, ein Stück auf dem Weg als Elders in Fortbildung gemeinsam gehen zu können – siehe auch die konkreten Angaben hierzu auf der zugehörigen Seite im Teil 3 am Ende des Buches.

1 Zitat übersetzt ins Deutsche aus Stephen Jenkinson; „Come of Age: The Case for Elderhood in a Time of Trouble“; ISBN 978-1-62317-209-1

2 Schachter-Shalomi, Zalman; Miller, Ronald S.; „From Age-ing to Sage-ing: A Revolutionary Approach to Growing Older“; ISBN 978-0-446-55373-5

3 „Amerika vor Kolumbus: Die Geschichte eines unentdeckten Kontinents“; Charles C. Mann; Gebundene Ausgabe – 21. Oktober 2016; ISBM 978-3498045364

4 http://keltia.de/kelten-wie-waren-die-goetter-die-kelten

5 Thomas Rüedi; „Three steps into Oneness – Holistic Spirituality as a new View on Awakening including Indigenous, Traditional and Modern Wisdom“; ISBN: 978-3-347-92763-6

6 Der Begriff stammt ursprünglich von Dr. Rüdiger Dahlke und wird hier für unseren menschlichen Organismus als „Behausung“ für unsere Seele oder für unser spirituelles Wesen verwendet.

7 Schachter-Shalomi, Zalman; Miller, Ronald S.; „From Age-ing to Sage-ing: A Revolutionary Approach to Growing Older“; ISBN 978-0-446-55373-5

8https://www.ganzheitliches-institut-schweiz.ch/taetigkeitsgebiete-beratung/alt-und-weise-elderhood/

TEIL 1: ELDERHOOD-GRUNDLAGEN

ÜBER DIE SYMBOLIK DES STATUS QUO

Bevor wir zur Vorstellung von einer Auswahl von Elderhood-Quellen und dann im Teil 2 des Buches zur ausführlichen Betrachtung der Elderhood-Arbeit kommen, wollen wir uns mit zwei symbolischen, absichtlich akzentuierten Bildern der heutigen Zeit (Status quo) beschäftigen, die unsere westliche Weltanschauung im Bezug zu unserer Lebensgrundlage – dem Planeten Erde – und zu Elders in unserer Gesellschaft widerspiegeln.

Anhand dieser Bilder soll dieses Buch herleiten, wieso es uns in den westlichen Kulturen in einer heutigen Betrachtung zum einen …

… grundsätzlich an angewandter Weisheit fehlt bzw. wie diese, zum Zweiten, speziell bei vielen alten Menschen „abhandenkommen“ konnte.

Dieses sind zwei für die heute Zeit prägende, aufrüttelnde Feststellungen, die die dringende Notwendigkeit bzw. den Ruf nach Veränderung mit sich bringen, die zum Schreiben dieses Buches Anlass gaben und mit einer Spurensuche nach urzeitlichalten und nachhaltig-modernen Antworten verbunden sind.

So beginnen wir im ersten Bild damit, dass wir uns mit dem globalen, nicht unumstrittenen, jedoch gebräuchlichen Begriff des sog. „Anthropozän“9 beschäftigen – „dem Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist“. Um die damit verbundene Botschaft für dieses symbolische Bild zu schärfen, ergibt sich eine zeitliche und inhaltliche Übereinstimmung mit den damit – seit der Industrialisierung von Europa um ca. 1800 und dem davon ausgehenden Kolonialismus – verknüpften, stellvertretenden, symbolischen und beschämenden Lebensumständen der Indigenen Völker weltweit – diese sind in dieser Zeit Sinnbild für unser gestörtes Verhältnis in der westlichen Welt zur Natur und für unsere entrückte Rolle als Mitbewohner des Planeten Erde.

Anschliessend befassen wir uns mit dem zweiten Bild, indem wir sinnbildlich die problematische, entwertete Rolle der Senioren, der alten Menschen in vielen westlichen Gesellschaften gerade auch als Ausdruck und Resultat des Anthropozän untersuchen; und mit den Hintergründen dafür, wieso wir und unsere Alten nicht mehr, immer weniger oder nur ausnahmsweise zu Weisen werden können, wollen, sollen und dürfen …

So wollen wir, um in der absichtlich akzentuierten Symbolik dieses Kapitels zu bleiben, am Anfang in unseren kollektiven und gesellschaftlichen „Keller“ hinuntersteigen, um da zwei modrig riechende „Kultur-Kellerleichen“ zu sichten. Ihr Anblick und Geruch sollen uns mit der nötigen Motivation versorgen, um dann auf einem Weg über die verschiedenen Ebenen der Elderhood-Arbeit die Treppenstufen vom Keller hinauf, über sämtliche Stockwerke schliesslich auf das „Sonnendach“ zu gelangen – angeschrieben auf einem Schild über dem Eingang:

„FOR ELDERS IN TRAINING ONLY – NUR FÜR ALTE&WEISE IN FORTBILDUNG“.

Auf diesem Weg, angetrieben durch unsere Motivation und unser Engagement, werden gleichzeitig noch die beiden „Kellerleichen“ umgebettet, als „Motivatoren“ gewürdigt und respektvoll beerdigt.

Und wie wir im Verlauf des Buches sehen werden, wird diese hier einleitend und absichtlich herausgehobene Sichtweise – die ich einerseits in meinem letzten Buch hergeleitet habe, die andererseits auch von mehreren Autoren eingenommen wird, die im Elderhood-Quellen-Kapitel zu Wort kommen – inhaltlich bestätigt werden.

BEEINFLUSSUNG, AUSBEUTUNG UND UNTERDRÜCKUNG ALS EIGENSCHAFTEN DES „ANTHROPOZÄN“

Wenn wir das überwiegend vertretene, heutige, kollektive und gelebte Verhältnis westlicher Gesellschaften in Europa und Nordamerika zum Planeten Erde anschauen, dann stellen wir fest, dass im Anthropozän und in dessen Hauptinhalt – die Industrialisierung ab dem Jahr 1800 bis heute – eine zunehmende Ausbeutung, Zerstörung und Verschmutzung unserer Lebensgrundlagen stattfinden; dies trifft selbst dann und umso mehr zu, wenn wir den Beginn dieses Zeitalters gemäss einer neueren, wissenschaftlichen Übereinkunft auf das Jahr 1950 festlegen.

Damit erkennbar ist, dass diese Sicht auf diese Thematik nicht nur in diesem Buch vertreten wird, wollen wir zu Beginn dieses Kapitels ein paar grundlegende, sinngemäss aus dem Englischen übersetzte Zitate von Autoren der sog. „Elderhood-Quellen“ aufführen, die wir dann im Anschluss noch in ihrem Kontext kennenlernen werden:

„Die Entstehung der modernen Welt, welche aus der Dominierung der Natur und dem technologischen Fortschritt entstand, hat einerseits die zunehmende Kurzsichtigkeit und Nicht-Nachhaltigkeit erkennbar gemacht, die sich in der durch den Menschen verursachten Zerstörung von Kultur, Ökologie und Biodiversität ausdrückt.“ („Indigenous sustainable wisdom“10)

„Die Menschheit hat ihren Jahrmillionen alten und von Wohlbefinden gekennzeichneten Weg in eine der Spezies Mensch typischen Verbindung unter sich und mit der Mitwelt verloren.“(Darcia Narvaez11)

„Verzaubert durch die industrielle Welt von Beton und Stahl entwickelten westliche Menschen autistische Züge in ihrer Beziehung zur Natur. In diesem autistischen Zustand reduzierten die Menschen die natürliche Welt aus einer Verbindung von Subjekten mit einem gleichwertigen, natürlichen Existenzrecht hin zu einer Ansammlung von Objekten, welche einzig und allein den menschlichen Bedürfnissen zu dienen haben. Diese Abtrennung des Menschen von der Natur führte und führt zu einer beispiellosen Zerstörung von Pflanzen und Tieren und ihren Lebensräumen, Verlust einer nahen Verbindung mit allen Lebewesen der Erde, Entfremdung und spiritueller Verarmung.“ (Thomas Berry12)

„In der Psyche von westlichen Menschen erleben wir die Abbildung einer zunehmend mechanistischen, zersplitterten, zusammenhangslosen Welt, gekennzeichnet mit unberechtigtem Optimismus und gemischt mit Paranoia und Gefühlen von Leerheit – als Ausdruck einer weit verbreiteten, kollektiven, unausgeglichenen, fehlerhaften Funktionsweise der linken Hirnhälfte.“ (Ian McGilChrist13)

Gemäss jüngeren wissenschaftlichen Untersuchungen – auf die wir dann noch aus-führlicher im Kapitel „Indigene nachhaltige Weisheit“ zu sprechen kommen – kann heute davon ausgegangen werden, dass die anthropologische Spezies Homo (siehe auch Grafik14), zu der auch die Menschen (Homo sapiens) gehören, nach einer langen Phase der Entwicklung, in der unsere Vorfahren für bis zu zwei Millionen Jahren als Jäger&Sammler gelebt hatten, erst vor ca. 10’000 Jahren begonnen haben, sich aus einer zutiefst nachhaltigen, bis dahin äusserst erfolgreichen Integration innerhalb der Natur und des Gesamtökosystems des Planeten Erde zu lösen. Diese Trennung von „Mensch“ und „Natur“ – die mit der Niederlassung und dem Beginn von Ackerbau zusammenfällt – kann als einer der Haupthintergründe betrachtet werden, die zu den heute als Anthropozän bezeichneten, massiven Veränderungen geführt haben.

 EINSCHUB: DER ANTHROPOZÄN UND DIE HIRNHEMISPÄREN

Interessant und erhellend ist in diesem Zusammenhang das Modell des britischen Psychiaters und Neurowissenschaftlers Ian McGilChrist10/15, welcher diese Entfremdung mit einer charakteristischen Entwicklung der Funktionsweise der zwei Hirnhälften des menschlichen Grosshirns während dieses Zeitraums erklärt. Obwohl er sich von vereinfachten, populärwissenschaftlichen, heutigen Modellen distanziert, gibt es gemäss ihm, in einer differenzierteren Betrachtung der Thematik, auch klare Hinweise auf erhebliche Unterschiede zwischen der rechten und linken Hirnhälfte:

• Die linke Hirnhälfte ist tendenziell detailorientiert, mechanistisch und dem Eigeninteresse zugeneigt.

• Die rechte Hirnhälfte ist tendenziell mit einer grösseren Breite in der Betrachtung, Flexibilität und Grosszügigkeit ausgestattet.

Zusammen mit anderen Neurowissenschaftlern ist es McGilChrist in seinen Werken und Publikationen einerseits gelungen, die neue Sicht auf die Funktion der beiden Hirnhälften vertieft und detailliert darzustellen. Andererseits ist die heutige Weltsicht – gemäss seiner Deutung von vielen Forschungsresultaten – in ihrer Essenz dadurch gekennzeichnet, dass die linke Hirnhälfte sich kollektiv in uns westlichen Menschen in den letzten ca. 300 Jahren eine kulturelle Dominanz angeeignet hat, welche für einseitige, lebensfeindliche, globale Entwicklungen mitverantwortlich ist.

Ursprünglich befinden sich beide Hirnhälften in einer gesunden, harmonischen, sich gegenseitig ergänzenden Funktionsweise – wie es häufig bei Indigenen und asiatischen Völkern auch heute noch der Fall ist.

Dabei ist es ihm ein Anliegen zu betonen, dass beide Hirnhälften und gerade auch die linke Hirnhälfte – vorausgesetzt diese können ihre Funktion als gesunde, ausgewogene Teile erfüllen – gleichwertig wichtig, notwendig sind für das Mensch-Sein. Dies weil die linke Hirnhälfte in den letzten Jahren in der intuitiven Wahrnehmung von vielen Menschen oft nur noch ausschliesslich in ihrer Einseitigkeit erkannt wird – und im Kontext des Modells von McGilChrist, gut nachvollziehbar, einen „schlechten Ruf“ bekommen hat.

Im Weiteren wollen wir auf die interessanten weiteren Betrachtungen in seinem Modell, was die Rollen der Hirnhälften (Stichwort: „The Master and His Emissary – der Meister [rechte Hirnhälfte] und sein Abgesandter [linke Hirnhälfte]“10) angeht, an dieser Stelle nicht näher eingehen. Gerne sind hier alle eingeladen, sich mit dieser spannenden und faszinierenden Thematik beim Lesen seiner Werke10/12 – die jedoch nur in englischer Sprache vorliegen – weiter auseinanderzusetzen.

Hier erleben wir am Beispiel unseres Zentralnervensystems eine Ausprägung einer Grundpolarität – wie die meisten von uns sie beispielsweise vom Yin und Yang der traditionell-chinesischen, taoistischen Symbolik kennen – anhand der linken und rechten Hirnhemisphären, die so typisch ist für die sog. relative Welt, die Welt, in der wir leben. Bei der Integration des menschlichen Gehirns in ein übergeordnetes, ganzheitlich-polares System der relativen Welt – wie es in diesem Buch vertreten wird – soll uns nicht weiter stören, dass sich McGilChrist von ebendieser distanziert hat.

Diese Erkenntnisse, welche die in diesem Kapitel angesprochene Problematik unserer Zeit so eindrücklich in ihrer Anwendung auf das menschliche Gehirn und unsere Wahrnehmung aufzeigen, werden von nun an – im Speziellen auch in Bezug auf die Elderhood-Arbeit – in diesem vorliegenden Buch auch weiter in ihren Auswirkungen erwähnt werden.

So gesehen hat erst vor ein bisschen mehr als 250 Jahren der zunehmend problematische, massgebliche Einfluss des westlichen Menschen auf den globalen Umgang mit natürlichen Ressourcen und problematischen Technologien angefangen und erdgeschichtlich in kürzester Zeit – sozusagen „in einem Wimpernschlag“ – zu besorgniserregenden Veränderungen des Planeten mit dem heute stark wahrnehmbaren Klimawandel, vermehrten Naturkatastrophen, zunehmendem Verlust der Biodiversität und einer vermehrten Pandemieneigung etc. geführt – unsere Welt scheint diesbezüglich kurz davor zu stehen, „gegen die Wand gefahren zu werden“. Das ist schockierend.

Bei dieser Konstellation kommt uns schlagartig die Ballade von Johann Wolfgang von Goethe „Der Zauberlehrling“16in den Sinn. Interessanter- und sinnigerweise entstand das Gedicht 1797, also zu Beginn des Zeitalters der Industrialisierung – zu Beginn des Anthropozän! Ob Goethe damals intuitiv etwas geahnt hat, als er es geschrieben hat?

„Protagonist ist ein selbstgefälliger Zauberlehrling. Er überschätzt seine Fähigkeiten und verliert die Kontrolle über sein Handeln. Erst dem Meister gelingt es, die gewohnte Ordnung wiederherzustellen.“ (voller Wortlaut siehe Quelle)

Im Kontext dieses Kapitels würden wir uns alle sehnlichst wünschen, dass, nachdem wir im aktuellen Anthropozän ausgiebig, oft technokratisch und „hochwissen-

schaftlich“ Zauberlehrling gespielt haben und es auch weiter tun, nun der „Meister“ zurückkehren würde, um die bedrohlichen Zustände zu beenden.

Nebenbei ist das unbeabsichtigte, intuitive Zusammentreffen, die Koinzidenz der Meister-Schüler- bzw. Meister-Abgesandter-Thematik – bei der jeweils der Schüler oder der Abgesandte in dessen Abwesenheit „Meister spielt“ – bei Goethe und auch bei McGilChrist in diesem Buch an dieser Stelle interessant – und wohl kein Zufall.

So stellt für mich der Meister sinnbildlich die Rückkehr von gelebter Vernunft und Weisheit dar, wobei ich, mit dem Hauptthema dieses Buches, davon ausgehe, dass insbesondere die Entwicklung einer starken Elderhood, die Rückkehr von uns Alten&Weisen als Führungsfiguren in der Mitte unserer Gesellschaft dabei eine grosse Bedeutung besitzt; und wir haben diese Rolle v. a. in der westlichen Gesellschaft wieder zu übernehmen – in einer reifen, selbstbewussten Form, sich an Traditionen erinnernd und gleichzeitig durch neue Erkenntnisse inspiriert.

In diesem Kapitel möchte ich auch noch auf das sinnbildliche Verhältnis der westlichen Welt zu den weltweit existierenden Indigenen Völkern hinweisen – z. B. First Nation in Kanada, Native Americans in den USA, Indigene Ethnien in Mittel- und Südamerika, San in Südafrika, Inuit in Alaska, Sami in Lappland etc. Nachdem die beschriebene Problematik offensichtlich und belegt, früher und heute immer noch mit einer durch den Kolonialismus – heute als Post- und Neokolonialismus – legitimierten, mit dem fortschreitenden Anthropozän bis zum heutigen Tag fortgesetzten Unterdrückung der Indigenen Völker verbunden ist,

… stehen diese durch uns leidende Menschen stellvertretend und sinnbildlich für unseren hoch problematischen Umgang mit dem Planeten Erde – der „Mutter Erde“.

So be- oder besser misshandelten und misshandeln wir die Indigenen Völker – viele bis zum heutigen Tag (!) – praktisch weltweit und in diesem Bild stellvertretend und symbolisch für den Planeten Erde: Wir unterdrücken sie, beuten sie bzw. die Bodenschätze ihrer Reservate aus und berauben sie ihrer Rechte als gleichwertige Menschen, indem wir ihnen u. a. über Jahrzehnte systematisch ihre Sprache und Kultur verboten und unsere westliche, als „Krone der Schöpfung“ verklärte und entrückte Kultur aufgezwungen haben. Dabei hat auch der grösste Teil der christlichen Missionierung, die rigoros und rücksichtslos als Teil der Kolonialisierung praktiziert wurde, eine verheerende Wirkung gezeigt, die aus heutiger Sicht in vielerlei Hinsicht als Völkermord und nicht nur als „Kollateralschaden“ verstanden werden muss.

Zu erwähnen ist schliesslich noch, dass bezeichnenderweise die Elders, hauptsächlich die Alten&Weisen der Indigenen Völker früher und noch heute – da wo ihre Kulturen resistent genug waren und all die beschriebenen Torturen überlebt haben –, für uns auch als Vorbilder gelten können, wenn es in den folgenden Kapiteln – im Speziellen das Kapitel „Indigene Kulturen als Vorbilder für die traditionelle Rolle der Elders“ etc. – darum gehen wird, den Elderhood-Prozess in unserer Kultur neu zu beleben, zu verankern und die Elderhood zurück mit dieser ursprünglichen, grundlegenden Rolle zu verbinden.

Diese Erkenntnisse sind für uns auch eine gute Gelegenheit, um innere Elderhood-Arbeit zu verrichten – indem wir z. B. kollektive Verzeihungsmethoden praktizieren. Wir werden im Kapitel „Versöhnung im Verzeihen finden“ auf diese noch ausführlicher zu sprechen kommen.

Diese Erkenntnis leitet uns nahtlos zum nächsten Kapitel über, in dem diese Gedanken weitergesponnen werden.

DIE ROLLE VON ALTEN MENSCHEN IM WESTEN STEHT FÜR ABWESENHEIT VON WEISHEIT

Die Realität in unserer westlichen Gesellschaft ist zum grössten Teil dadurch gekennzeichnet, dass alte Menschen, sobald sie durch den Ruhestand aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, einen oft rapiden körperlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Abstieg erleben. Alt-Sein ist mit zunehmenden Defiziten, abnehmender körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit, mit Abbau und – ein bisschen überspitzt formuliert – mit dem Warten auf den Tod gekennzeichnet. Die Pensionäre scheinen hauptsächlich als Zielgruppe für einen spezifischen Konsum, für einen eigenen Tourismus, für viele ärztliche und pflegerische Dienstleistungen, als ein eigener, boomender Markt interessant zu sein – jedoch nicht dafür, was sie in ihrer ursprünglichen Rolle in einer gesunden Gesellschaft zu sagen haben oder hätten.

Ein paar Ausnahmen sind zu vermelden: Rüstige Alte kommen in einem unterschiedlichen Bewusstsein als anerkannte „Leistungsträger der anderen Art“ als „Rent-a-Rentner“, aber v. a. auch beim Hüten von Enkeltöchtern und -söhnen oder bei anderen Formen der Freiwilligenarbeit in unserer Gesellschaft zum Einsatz, wo sie als eigentliche Säulen der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und durch nichts zu ersetzen sind.

In einer seit der Industrialisierung entstandenen Leistung und Jugend verherrlichenden „Ewig-jung-Kultur“ bleiben die Alten auf der Strecke, sind sie überflüssig geworden und in unserer Gesellschaft v. a. als Konsumenten-Zielgruppe mit zum Teil erheblichen finanziellen Mitteln interessant.

Deprimierend ist auch, dass sich die meisten Alten mit dieser über weite Teile defizitären Rolle abgefunden haben, die Abwertung akzeptiert und oft resigniert haben.

Dem stehen die oben erwähnte grosse, Jahrtausende alte Bedeutung und Wertschätzung der Elders, Alten&Weisen in den Indigenen Gesellschaften gegenüber, als eindrückliche, ausdrucksstarke Polarität.

Im Kontext mit meiner Aussage, dass wir in einer Zeit leben, in der wir die Abwesenheit von Weisheit erleben, zeigt sich für uns überdeutlich:

Wissen ist keine Weisheit!

Viele Soziologen, Archäologen und Anthropologen sind sich heute einig, dass einen der wesentlichsten Faktoren, die zu den durch das Anthropozän verursachten, dramatischen ökologischen Entwicklungen und sozialen Spannungen in der heutigen Welt führen, die Abwertung, die Abwesenheit und die faktische Liquidierung der Alten&Weisen und ihrer angestammten Rolle in unseren westlichen Kulturen darstellen …!

Ihre Rolle und Präsenz als besonnene, lebenserprobte, -erfahrene und auch spirituelle Menschen mit grossen intuitiven Fähigkeiten, als Berater, aber auch als „Leader“ fehlen fast gänzlich.

So könnten wir in einem aktuellen Beispiel sagen, dass die Alten&Weisen bei der Bewältigung der Corona-Pandemie gefehlt haben und kaum eingebunden waren! Es konnten, aus meiner Sicht, während der Pandemiezeit keine Menschen in der Rolle von Alten&Weisen – weder in den die Landesregierung beratenden Gremien, Taskforces noch gar in der Regierung selbst – ausgemacht werden …

Auf der anderen Seite erinnern wir uns z. B. an Persönlichkeiten wie Nelson Mandela, der mit 72 Jahren, nach 27 Jahren Gefängnis, im Jahre 1990 aus der Haft entlassen wurde – ein Paradebeispiel eines Alten&Weisen, eine Gallions- und Leader-Figur und Vorbild, der eine aussergewöhnliche Rolle bei der Versöhnung im damaligen Südafrika gespielt hatte und bis heute als Symbolfigur nachwirkt.

Wie sähe unsere Welt heute nur schon mit ein paar Dutzend oder ein paar Hundert alten&weisen, männlichen oder weiblichen „Mandelas“ als Entscheidungsträger oder Berater aus?

Ich denke, bedeutend anders.

Diese durchaus krasse Antithese, den Gegensatz zur oben beschriebenen, defizitären Rolle der Alten bildet nun die in den nächsten Kapiteln beschriebene Auseinandersetzung mit lebendigen und kraftvollen Ansätzen und Quellen für die Rolle von Elders und deren Erneuerung mit traditionellen und neueren Aspekte heute; diese machen diese Lebensphase – neben den Herausforderungen, mit dem alternden Körperhaus und dessen Gebrechlichkeit bzw. Einschränkungen zugange zu kommen – zu einer interessanten, ja sogar entscheidenden Phase im Leben von uns Menschen – ausgezeichnet und versehen mit einem …

… noch nie da gewesenen Potenzial für die Erfahrung des Lebens in einer grossen Tiefe, Breite und Weite … als stiller, tiefgründiger, geheimnisvoller Ozean … in starker Präsenz und so breit wie der Horizont.

9 https://de.wikipedia.org/wiki/Anthropoz%C3%A4n

10 Darcia Narvaez, Four Arrows (Don Trent Jacobs), Eugene Halton, Brian S. Collier, and Georges Enderle;„ Indigenous sustainable wisdom: first-nation know-how for global flourishing“ / edited by. Description: New York: Peter Lang, 2019

11https://darcianarvaez.com/

12 Schachter-Shalomi, Zalman; Miller, Ronald S. From Age-ing to Sage-ing: A Revolutionary Approach to Growing Older (English Edition) (p. 288). (Function). Kindle Edition.

13 McGilchrist, Iain. The Master and His Emissary: The Divided Brain and the Making of the Western World (English Edition) (p. 6). (Function). Kindle Edition.

14www.Techno-science.net

15 „The The Matter With Things: Our Brains, Our Delusions, and the Unmaking of the World“; Taschenbuch – 1. März 2023; Iain McGilchrist; ISBN-13 978-1914568251

16 Quelle: Der Zauberlehrling • Lektürehilfe; https://www.inhaltsangabe.de/goethe/der-zauberlehrling/

ELDERHOOD-QUELLEN

Bevor wir uns der eigentlichen Elderhood-Arbeit zuwenden, möchten wir uns in diesem Kapitel eine Auswahl für die Elderhood grundsätzlicher Aussagen, Sichtweisen und Standpunkte, von Indigenen und westlichen, repräsentativen Persönlichkeiten, Kulturen, und Organisationen, als Quellen und Bezugskonzepte dieses Buches ansehen. Darunter wird eine nicht abschliessende Auswahl von Büchern und schriftlichen bzw. Online-Publikationen verstanden – welche durch spezifische, für mich zugehörige Themenbereiche ergänzt wurden –, die wegweisende Aussagen und Orientierungshilfen für eine heutige Vision, Leitfaden und Lebensweise für Elders, als Alte&Weise in Fortbildung, bieten.

Dabei werden wir – den Recherchen zu diesem vorliegenden Buch gemäss – in einer Analogie der weltweiten Sichtweise von Indigenen Völkern folgend zwei Arten von Elders zu Wort kommen lassen:

• Zur Hauptsache sind das die betagten Alten&Weisen – die im aussergewöhnlichen, visionären Verständnis von Schachter-Shalomi/Miller im Vorwort umschrieben wurden –, bei welchen urtümliche und neuzeitliche Aspekte von ganzheitlich-tiefgründigen Wissenschaften, lange Lebenserfahrung und gelebte, persönliche Weisheit zusammenfliessen.

• Zum anderen sind es Konzepte von spezifischen oder umfassenden Weltsichten, die von Organisationen um einzelne, prägende Persönlichkeiten zusammen mit ihren Teams, die z. T. noch nicht im hohen Alter sind, entwickelt und getragen werden – die eine herausragende, kulturelle Bedeutung für unsere heutige Gesellschaft haben.

Was diesem Buch, seinen Grundlagenwerken und deren Repräsentanten bzw. Organisationen allen gemeinsam ist, ist, dass alle von einer sog. teleologischen Grundeinstellung ausgehen – einer Überzeugung, dass das menschliche Leben im Zusammenhang seiner Um- und Mitwelt und im Speziellen die Rolle von Elders von einem tieferen Zweck und Ziel erfüllt sind. Oder anderes gesagt: dass alle davon überzeugt sind, dass die Elderhood, das Alt&Weise-Werden, früher und heute, eine tiefe und überaus wertvolle Bedeutung für alle menschlichen Gesellschaften hat.

Da sich die Quellen im Verlauf des Schreibens dieses Buches erst nach und nach zu der vorliegenden Auswahl zusammengefügt haben, war es erst am Schluss der Arbeit an diesem Werk möglich und sinnvoll, diese nach eigentlichen Themenbereichen zu ordnen.

Wir beginnen mit einer Darstellung des diesem Buch zugrunde liegenden, herausragenden Basiswerkes „From Age-ing to Sage-ing“ zum Thema „Spiritual Elde-

ring“ – des bereits im Vorwort erwähnten Werkes von Zalman Schachter-Shalomi und Ronald Miller –, das als leuchtende Vision dem davon ausgehenden Konzept und den dazugehörigen, wegweisenden Aussagen vorangestellt werden soll. Dieses bildet den Grundstein und Ausgangspunkt zu dieser gemeinsamen Reise in das Thema „Elderhood“ bzw. in das „Alt&Weise-Werden“.

Als Nächstes ist es von grösster Bedeutung, als einer der Grundpfeiler dieses Buches, die traditionelle, Indigene Sicht- und Lebensweise bzw. Befindlichkeit und die damit zutiefst verbundene Rolle von Elders als tragendes Fundament dieser Gesellschaften kennenzulernen; sie wird uns im weiteren Verlauf dieses Buches als eine verlässliche und bewährte Basis dienen, die schon seit Urzeiten erfolgreich praktiziert wurde und wird.

Die Spurensuche im Bereich der Quellen wird mit der Darstellung von Elder-Persönlichkeiten unserer westlichen Gesellschaft und ihren einflussreichen, prägendwichtigen Botschaften fortgesetzt. Sie beginnt mit Darcia Narvaez und C. G. Jung und Aspekten einer grundsätzlichen und tiefgründigen, psychologischen Dimension des Elderhood-Prozesses. Anschliessend kommen wir zu dem grossen Thema „Sterben, Tod und Leben nach dem Tod“, welches wir mit den Persönlichkeiten C. G. Jung, Elisabeth Kübler-Ross und Anselm Grün auf erhellende Aussagen in Philosophie, moderner Palliativmedizin und Religiosität bzw. Spiritualität hin untersuchen.

Mit dem charakteristischen, wunderbaren Gedicht von Charles Chaplin „Als ich mich zu lieben begann…“ – als Ausdruck von erlebter Lebensweisheit im Alt&Weise-Werden – kommen in diesem Kapitel ein paar weitere Farbtupfer hinzu.

Dann folgen moderne Philosophien und Konzepte – welche Schachter-Shalomi/Miller im Bereich der „philosophischen Heimarbeit“ ansiedeln würden –, die dazu dienen, uns Elders in Fortbildung ein tieferes Verständnis der Elderhood in einem menschlichen Leben in seinen vielen Farben und Schattierungen zu vermitteln.

So wird auf das richtungsweisende Konzept und die konkrete Anwendungsweise der Herzintelligenz des Heartmath Institutes eingegangen, welches mit der damit verbundenen „Herzöffnung“ eines der wichtigsten, überragenden Ziele und Eingangstore jeder Elderhood-Arbeit für uns eröffnet.

Mit der Philosophie von Ken Wilber, Jean Gebser und der Integralen Bewegung werfen wir einen einführenden Blick auf eine der ganzheitlichsten westlichen Betrachtungsweisen, „Landkarten“ oder „Betriebssysteme“ überhaupt und ordnen die Elderhood-Arbeit darin ein.

Als Abschluss dieses Kapitels möchte ich noch das erstmals in deutscher Sprache in dieses Buch eingebrachte und integrierte Konzept der „Drei Schritte zum Eins-Sein (Three Steps into Oneness)“ hinsichtlich einer ganzheitlichen Weltsicht und Spiritualität aus meinem im Jahr 2023 publizierten Buch vorstellen.

Während des Schreibprozesses, der zugehörigen Recherchen und Reflexionen zu den Inhalten des vorliegenden Buches haben sich dann für mich noch ergänzende Themen gezeigt, die meiner Meinung nach für den Elderhood-Prozess aufschlussreich sind. So finden wir in den darauf folgenden Kapiteln eine Auseinandersetzung mit einer tieferen Betrachtung der menschlichen Arterhaltung, Gedanken zum Spannungsbogen in den Begriffen „Intelligenz“, „Multiple Intelligenzen“ und „KI“, bis an den Punkt, wo es um die Unterschiede zwischen Intelligenz und Weisheit geht.

Zum Schluss wenden wir uns dann – gemäss der im anschliessenden Kapitel ausführlich beschriebenen Struktur – möglichen bzw. notwendigen Formen von sozialer Transformationsarbeit durch uns Alte&Weise zu, wo es um eine Neudefinition unserer massgeblichen Rolle als Elders in westlichen Gesellschaften geht; und wo wir zu Trägern einer neuen Gesellschaft und Philosophie werden wollen …

Bildlich gesprochen wollen wir Elders von einem Ort im globalen Norden aus gesehen in das Firmament der Elderhood schauen, nach ein paar besonders leuchtenden Fixsternen Ausschau halten und diese als Inspiration für unsere Entwicklung in Richtung und für die Arbeit an einem modernen, bedeutungs- und kraftvollen Alt&Weise-Sein nutzen.

FROM AGE-ING TO SAGE-ING – „SPIRITUAL ELDERING“

An dieser ersten und prominenten Stelle möchte ich die Einführung in eine spirituelle, überkonfessionelle Arbeit mit den Namen „Sage-ing“ (Weise-Werden)17 und „Spiritual Eldering“ (Spirituelles Alt-Werden) vorstellen – die vom in den USA berühmten Rabbi Zalman Schachter-Shalomi (†)