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Bert Becker

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Beschreibung

Da bin ich nun 59 Jahre Mann und habe irgendwie nicht gemerkt, dass das mit dem Zusammenleben zwischen den Geschlechtern nicht so einfach läuft. Ich habe immer etwas geahnt. Naja, so etwas, wie es jeder kennt und was sich unecht anfühlt: Geschlechterprozesse drohen sich allmählich ins Gegenteil zu verkehren! Überall wird die Frauenkarte gespielt. PolitikerInnen können auf die Frauen als Wählerinnen nicht verzichten und mimen die heimlichen oder auch offenen FeministInnen! Und die Folge? Jungen und Männer fallen gesellschaftlich zurück, treten in die zweite Reihe und degenerieren zum höflichen Türaufhalter... ...aber wie wichtig wäre es - außer einem starken Frauenbild - auch ein starkes Männerbild zu propagieren. Daher ist gleichzeitig in den aufgeklärten, westlichen Gesellschaften auch kein konsistentes und tragfähiges Frauenbild jenseits von Quoten entstanden, weil es eben nicht im Spiegel eines ebenso gleichberechtigten Männerbildes entwickelt wurde, sondern nur durch dessen einseitigen Rückbau und Auflösung, weil nun alles Männliche vermeintlich als traditionell, archaisch und toxisch gilt... ...auch für die männlichen Migranten aus anderen Kulturkreisen ist dieses Männerbild so nicht anschlussfähig und Alternative! Natürlich will ich Leser und Leserin am Ende nicht zurücklassen, ohne dass ich meine Vorstellung von einem tragfähigen Männerbild darlege. Wer kritisiert sollte auch Visionen haben und Problemlösungen darlegen können! Es geht nicht ohne den Respekt zwischen Männern und Frauen!

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Bert Becker, geboren 1961, Dipl.-Pädagoge, Dipl.-Sozialarbeiter und Heilpraktiker (Psychotherapie), lebt mit seiner Familie in Köln. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. (mit Blick auf´s Thema: u.a. 1 Sohn und 1 Enkelsohn). Er studierte Katholische Theologie und Erziehungswissenschaften in Bonn sowie Sozialarbeit in Köln. Seit 1989 arbeitet er als Sozialarbeiter in Hilfeeinrichtungen für Wohnungslose bei verschiedenen Trägern und Kommunen. 1999 übernahm er die Leitung der Wohnungslosenhilfe im Rhein-Sieg-Kreis beim katholischen Träger SKM. Hier soll nun ab 2019 eine Beratungsstelle für Jungen und Männer aufgebaut werden.

Er ist seit 1980 auch engagiert in den Leitungsgremien seiner Kirchengemeinde im Seelsorgebereich MauNie-Wei des Erzbistums Köln. Seine besondere Aufmerksamkeit widmete er in diesen Jahren immer den dort betriebenen Kindertagesstätten. In diesen Gemeinden ist er auch seit 1980 als Katechet für jugendliche FirmkandidatInnen tätig.

»Ich glaube, ein Mann will von einer Frau das Gleiche wie eine Frau von einem Mann: Respekt!«

Clint Eastwood

Inhaltsangabe

Vorwort

Ein Beitrag zur Genderforschung?

Die Zweigeschlechtlichkeit der Welt und Frage nach dem Männlichen

2.1 Männerwelt im Dreidritteltakt

2.1.1 Männerwelt in Gesellschaften des Existenzkampfes

2.1.2 Männerwelt in Gesellschaften des ideologisch, religiös geprägten Patriarchats

2.1.3 Männerwelt in Gesellschaften des weltoffenen, sozialen Individualismus

2.2 Drei Modelle, eine Welt

MANN im Schatten der Frau? – Grundriss einer Problemlage

3.1 Der MANN und seine Biologie

3.2 MANNsein ist nicht pathologisch

3.3 Der heilige Gral der Gebärfähigkeit und Kindererziehung

3.4 Versäumnisse der Emanzen und "Suffragetten" – Gleichstellung? Mit wem?

Hemmnisse (selbst)bewussten MANNseins

4.1 JUNGEn weinen vielleicht nicht!

4.2 Braucht MANN geschlechtsneutrale Erziehung?

4.3 Welche Schule braucht MANN?

4.4 MANNsein lernen und doppelte Emanzipation

4.5 MANN muss sich nicht entschuldigen

4.6 Es ist nicht gut, dass MANN allein sei

4.7 MANN liest keine Regenbogenpresse

4.8 Braucht MANN Frauen an der Macht?

4.9 Warum MANN rechter wählt?

4.10 MANN hat Soft Skills!

4.11 Maternal Gatekeeping grenzt MANN aus

4.12 MANN kann nicht abtreiben – No Body, No Choice!

4.13 MANN ist nicht der Ernährer – Reproduktionsarbeit für alle!

4.14 MANN muss nicht schwul sein….

4.15 MANN kann besser genießen und Dampf ablassen…

4.16 Ich bin gerne MANN

„…nur noch kurz die Welt retten“ - Die ganzheitlichen Änderungen

5.1 Den Grabenkrieg der Geschlechter beenden!

5.2 Der männliche Klimawandel – Das gemeinsame Projekt

5.3 Digitalisierung ist His-Story?

5.4 Braucht eine neue Gesellschaftsordnung eine Genderdoktrin?

5.4.1 Zwischen Vollbeschäftigung und Massenarbeitslosigkeit

5.4.2 Bezahlte Reproduktionsarbeit statt bedingungslosem Grundeinkommen!

5.4.3 Theorien von Gender Time&Pay Gap entspringen neoliberalen, kapitalistischen Paradigmen!

5.5 Die neue Bildungs- und Arbeitsethik

5.6 Infragestellungen von außen – Kampf der Kulturen

Gebrauchsanweisung für Männlichkeit….

6.1 …für die Männer selber

6.1.1 Metaphysische Grundlagen

6.1.1.1 Transzendierende Werte und Ziele

6.1.1.2 Glaube an Gott

6.1.1.2.1 Schöpfung und Evolution – Ein Exkurs

6.1.1.2.2 Christlicher Glaube als Grundlage

6.1.2 Notwendigkeit des Lebens-Sinns

6.1.3 Die Suche nach männlichen Tugenden

6.1.4 Egoismus, Furcht und Hass

6.2 …für Bezugspersonen

6.2.1 …für die Väter

6.2.2 …für (Männer)Freunde

6.2.3 …für die Mütter

6.3 …für alle, die

»erziehen«

6.4 …für Außenstehende

6.4.1 Akteure im Bildungssystem

6.4.2 ‚Achtsamkeit‘ unter Männern

Vorwort

Da bin ich nun 59 Jahre MANN und habe irgendwie nicht gemerkt, dass das mit dem Zusammenleben zwischen den Geschlechtern nicht so einfach läuft. Ich habe immer etwas geahnt.

Naja, so etwas, wie‘s jeder kennt und was sich unecht anfühlt: Geschlechterprozesse drohen sich allmählich ins Gegenteil zu verkehren!

Zumindest hier in Deutschland und Nordeuropa, wo wir uns kulturell immer am fortschrittlichsten einschätzen…

…dort, wo die Menschheit offenbar das höchste philosophische, literarische, kulturelle, religiöse, politische und demokratische Potential entwickelte und vorbildlich für die Welt umgesetzte…

…aber auch dort, wo die Menschheit dem größten technischen, wirtschaftlichen, industriellen, kapitalistischen und digitalen Fortschritt auf Kosten der Natur, grundgelegt hat…

…wo schließlich die Völker auch die radikalsten und konsequentesten Entscheidungen zur Rettung des Friedens, der Umwelt und des Klimas unseres Planeten treffen könnten…

…ja, hier steht tief verdeckt ein Richtungsstreit ganz anderer, unvermuteter und unterschwelliger Art einem einheitlichen Handeln entgegen!

Selbstbewusste »emanzipierte« Frauen – und Männer, die es ihnen recht machen wollen –, führen alles, was nicht gut läuft, auf die vermeintliche Dominanz von Männern in einer patriarchalischen Gesellschaft zurück. Das Gute wird zur weiblichen Tugend und das Schlechte zur männlichen. »Male bashing« ist eine anerkannte Angewohnheit von Frauen wie Männern, die sich als gesellschaftlich »modern« ausweisen wollen!

Überall wird die Frauenkarte gespielt. PolitikerInnen können auf die Frauen als Wählerinnen nicht verzichten und mimen die heimlichen oder auch offenen FeministInnen! Und die Folge?

Jungen und Männer fallen gesellschaftlich zurück, treten in die zweite Reihe und degenerieren zum höflichen »Türaufhalter«…. Es wird gemutmaßt, dass Jungen und Männer alleine schon durch ihre Zugehörigkeit zu ihrem Geschlecht genügend gefördert sind. Alles konzentriert sich auf Mädchen und Frauen. Ein konsistentes und tragfähiges Männerbild wurde nicht aufgebaut, weil man glaubte, Mädchen und Frauen nur dadurch zu ihrem Recht verhelfen zu können, indem man das herkömmliche Männerbild einfach klein macht, zumindest schlecht macht, ignoriert und – zerstört..

Wie wichtig es aber wäre außer einem starken Frauenbild auch ein starkes Männerbild zu propagieren, bemerken wir in der Verunsicherung von Jungen und Männern.

So ist gleichzeitig in den westlichen Gesellschaften auch kein konsistentes und tragfähiges Frauenbild jenseits von Quoten entstanden, weil es eben nicht im Spiegel eines ebenso gleichberechtigten Männerbildes entwickelt wurde, sondern nur durch dessen einseitigen Rückbau und Auflösung, da es vermeintlich als traditionell, archaisch und »toxisch« gilt.

Ich bin ganz ehrlich: Allgegenwärtige Frauenquoten sind daher tatsächlich keine Hilfe für eine wirkliche Emanzipation! Im Gegenteil: Wenn nicht mehr die Qualifikation zählt, dann verstoßen solche Regeländerungen sogar gegen das Grundgesetz und schaffen neue Ungerechtigkeiten. Und Frauen müssen sich immer fragen: »Habe ich jetzt diesen Job, weil ich wirklich gut oder besser bin oder nur, weil ich eine Frau bin?« Kann dies das Selbstbewusstsein von Frauen fördern?

Und stelle man sich mal vor, jemand – vielleicht ein MANN – hätte eine Frauenquote in jenen Jobs gefordert, in denen sich Männer schweren und belastenden Arbeiten aussetzen und sich körperlich schädigen? Frauen haben nie gefordert, dass sie auch in den Pütt einfahren dürfen. Sie konnten und können sich immer sicher sein, dass dies wohl auch kein Mann von ihnen fordern würde.

Hier macht sich eine innere Unzufriedenheit breit, die kaum bewusst fassbar ist.

Denn mit dem Männer-Bashing ist auch das Hausfrauen- und Eltern-Bashing mehr denn je en vogue, weil sich hinter all dem offenbar allzu traditionelle Werte verbergen.

So neigt der akademische Bildungs-Mittelstand mit seinen »gegenderten« Idealen die Lebensrealität vieler, einfacher Frauen und Männer, ins Lächerliche und Bedauernswerte zu ziehen. Dies ist eher unsolidarisch als fortschrittlich…

Deshalb fühlt sich das Leben von vielen nicht echt, nicht authentisch, an. Ihre traditionellen Ideale werden von den Wortführern dieser Gesellschaft nicht ernsthaft gewürdigt.

In diesem Zusammenhang verstehe ich auch den Hang – nicht nur unter den einfacher gestrickten Männern und Frauen – zu starken, männlichen Führungspersonen, der wieder starke Männer oder auch vermännlichte Frauenbilder präferiert. Mit dem Ergebnis, dass erneut rechte Bewegungen und Politiker wie Donald Trump die Bühne beherrschen.

Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die Wirtschaft seit geraumer Zeit in Richtung »weiblicher« Dienstleistungsgewerbe und zur sukzessiven Schrumpfung der »männlichen« Industriearbeit tendiert.

Und schaue ich mir in diesem Zusammenhang, z.B. in der Modeindustrie, Trends zu »unisex« oder »nosex« an, so kann ich auf den Werbefotos oft beim besten Willen die jungen Männer nicht von Frauen – oder fies gesagt: von Mädchen – unterscheiden: Je femininer, desto besser!?

Verkörperungen dessen wo´s drauf hinausläuft?

Es war für mich eine Bereicherung, dass vor einigen Jahren Barttragen wieder hip wurde. Problem war nur, dass viele Männer – oder dann doch Männlein? – damit aussahen wie Conchita Wurst1 oder Harald Glööckler - also eher wie eine Frau mit Bart. Und die Eitlen eilten regelmäßig für die Bartpflege in den »Barbershop« und zum Anbieter für »Elegance Hairdesign«. Jeder, der das wohl nicht für viel Geld durchzog, wurde dann schnell als Taliban verschrien. So hat sich die Zahl der wilderen Bartträger leider wieder reduziert.

Aber nicht nur das Männerbild bleibt auf der Strecke. Auch alle anderen wichtigen Errungenschaften der Emanzipation werden gefährdet, wenn man gesellschaftlich alles Männliche als schlecht, gefährlich oder gar »toxisch« weggendert.

Und wenn wir in die weite Welt schauen? Da habe ich das Gefühl, dass 80-90% der Menschheit, Männer wie Frauen, über die westlich, europäischen Geschlechterideale lachen oder auch darauf pfeifen! Weder unser Frauenbild, aber erst recht nicht unser Männerbild, scheinen gesellschaftlich und kulturell in die Breite exportfähig zu sein! Und dabei haben wir so viel Fortschrittliches errungen, das der Welt gut tun könnte – Frauen wie Männern. Besonders was die Emanzipation der Frauen angeht. Und wir müssen erkennen, dass die westliche Kultur zwar den Frauenbewegungen in vielen Regionen der Welt ggf. eine Richtung geben könnte, jedoch haben wir parallel dazu kein beispielhaftes Männerbild zu bieten!

Viele unserer arabischen Einwanderer können selbst im Inland mit dem, was von unserem Männerbild übrig geblieben ist, nichts anfangen. Das ist für mich der Hauptgrund, warum es bei Parallelgesellschaften bleiben wird, wenn wir hieran nicht arbeiten. Mit einem »Du Macho; Ich Conchita Wurst« wird es wohl nicht gelingen diesen Männern und denen in der Welt unsere sinnvolle emanzipatorische Kultur als Alternative anzubieten! Unsere Nice Guys und Weicheier werden mit Recht nicht im Geringsten ernst genommen.

Ein starkes Frauenbild neben einem schlappen Männerbild erweckt bei diesen Kulturen eher den Verdacht, dass im Westen die Frauen den Männern nur auf der Nase herumtanzen – was vielleicht manchmal auch gar nicht so falsch geschlossen ist…

Es geht nicht ohne den Respekt zwischen Frauen und Männern auf Augenhöhe!

So habe ich mich auf den Weg gemacht, dem was sich für mich nicht richtig anfühlt, auf den Grund zu gehen.

Dabei habe ich vieles aufgegriffen und verwendet, was ich im Netz gefunden habe. Denn das Internet ist natürlich auch der Spiegel vieler Themen, die die Menschen im Leben umtreiben. Aber auch zahlreiche Bücher haben hier Niederschlag gefunden. Mag sein, dass einige die neuere »männerbewegte« Literatur oder Presse breiter erwartet hätten. Aber ich wollte hier in erster Linie meinem eigenen Gefühl und meinem Empfinden nachgehen.

Natürlich will ich den Leser und die Leserin am Ende auch nicht zurücklassen, ohne dass ich meine Vorstellung von einem tragfähigen Männerbild darlege. Wer kritisiert, sollte auch Visionen von Problemlösungen aufzeigen können.

Ich möchte auch betonen, dass ich in diesem Buch in erster Linie meine Sicht der Dinge darstellen möchte. Ausdiskutieren kann ich dies mit mir selber nicht. Will ich auch nicht! Die Diskussion würde ich gerne dem Leser überlassen. Niemand muss meiner Meinung folgen. Wenn der Leser oder die Leserin jedoch kontroverse Meinungen oder Kritik nicht akzeptieren kann, würde ich jetzt empfehlen das Buch wegzulegen.

Wer von Anfang bis Ende durchhält, wird vielleicht bemerken, dass die Problematik in viele aktuelle Themen und Menschheitsaufgaben hineinspielt. Ich hoffe, wir können die notwendigen Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Vielleicht erkennen wir ja, dass nicht die Gleichberechtigung der Geschlechter im Sinne von Gleichmacherei die Lösung der Probleme ist, sondern die Anerkennung der Gleichberechtigung von Lebensentwürfen und Geschlechterrollen?! Diese doppelte Emanzipation hat eine neue Grundfrage, die dann nicht mehr »Jeder kann alles, weil die Geschlechter gleich sind« lautet, sondern »Jeder kann alles, obwohl die Geschlechter verschieden sind«.

Diese zweite, leicht korrigierte Auflage habe ich während der Coronapandemie noch einmal aufgearbeitet.

Diese Zeit stellte unsere westliche Gesellschaft auf eine sehr starke Probe. Die Natur hat uns gezeigt, dass sie uns letztendlich beherrscht. Wir können Ihre Macht nicht leugnen und genauso wie das Virus, so sind auch unsere Geschlechter ihre Erfindung.

Wir kommen nicht weiter, wenn wir natürliche Ordnungen ignorieren, weil sie uns nicht in den Kram passen.

Die gesellschaftliche Ordnung muss vielmehr dieser natürlichen Ordnung angepasst werden, denn diese wird sich kaum unseren Wünschen und fiktiven Idealen annähern.

Wenn wir das nicht akzeptieren, so besteht die Gefahr, dass nicht nur das Idealbild unserer Physis durch einen Virus entzaubert wird, sondern auch ein Gender-Surrealbild sich als psychosozial obsolet erweist.

Es wird wichtig sein, dass wir unsere geschlechtliche Natur so annehmen, wie sie ist.

Zum Ende des Vorwortes möchte ich mich bei meiner Frau, meinen Töchtern und bei meinem Sohn bedanken. Alles selbstbewusste und emanzipierte Menschen, mit denen ich zusammen auf Augenhöhe und mit Respekt meinen Traum von meinem persönlichen MANNsein leben kann.

1 Kunstfigur des österreichischen Sängers und Travestiekünstlers Thomas Neuwirth (* 6. November 1988 in Gmunden)

Ein Beitrag zur Genderforschung?

1. Ein Beitrag zur Genderforschung?

„Man kommt nicht als Frau auf die Welt, man wird es.“2

Simone de Beauvoir

Wenn man ein Buch über die Rolle von MANN in der modernen Gesellschaft plant, läuft man Gefahr vereinnahmt oder verurteilt zu werden. Man spürt bei Diskussionen schnell den Druck, sich für »Gender-Mainstreaming« oder dessen Kritiker positionieren zu sollen. Deswegen habe ich mich, als das Buch schon fast fertig war, dazu entschlossen, dieses kurze Kapitel vorauszusetzen und meine eigene Position zu beschreiben! Dabei fiel mir auf, dass es schwierig ist, einen Mittelweg, eine ausgleichende Linie, zu beschreiten. Die Kämpfe um die Deutungshoheit in diesem Bereich werden erbittert geführt und an den Fronten wird nicht einmal mehr über die Schützengräben hinaus geschaut. So erscheinen »Gender-Mainstreaming« und Genderforschung genauso emotional-ideologisch geprägt wie seine Kritiker. Auf beiden Seiten entstehen dogmatische Gedankengebäude, die offensichtlich die Realität des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Geschlechter nicht mehr treffen oder abbilden können.

So will ich mich zu Beginn nach zwei Seiten absichern. Wenn ich die Situation von MANNsein in den modernen und aufgeklärten, westlichen Gesellschaften durchdenken will, möchte ich mich sowohl von den derzeit querschnittmäßig und multidisziplinär betriebenen »Gender-Studies«, als auch von deren Kritikern abgrenzen. Auffallend ist, dass »Gender-Mainstreaming« heute ein Begriff ist, der in vieler Munde zu Tode gekaut wird und dass »Gender-Studies« in allen Disziplinen Einzug halten. Beide Seiten müssten viel selbstkritischer an Ihren Grundlagen arbeiten! So möchte ich nicht zu Beginn schon im »friendly fire« oder »enemy fire« umkommen.

Betrachte ich »Gender-Mainstreaming« und die »Gender-Studies«, beobachte ich, dass viele Menschen mittlerweile allergisch auf dieses allgegenwärtige Dauerthema reagieren. Das betrifft auch junge Menschen – und mich auch.

Keine Ahnung ob es damit zusammenhängt, dass wir hier in Europa schon so viele Selbstverständlichkeiten im Zusammenleben der Geschlechter erreicht haben…

Und wir müssen uns die kritische Frage stellen, ob das mantrahafte Wiederkauen eines von den gesellschaftlichen Vordenkern – nicht ganz zu Unrecht – für wichtig erachteten Themas nicht doch zu einer Überdrüssigkeit führen kann? …und vielleicht auch zu einer gefährlichen Gegenreaktion?!

Die – von mir nicht im geringsten angezweifelte – notwendige Erinnerungskultur zu den Gräueltaten der Nationalsozialisten und der berechtigt geforderte Scham der deutschen Folgegenerationen angesichts des Holocausts konnte das Erstarken rechts-nationaler und radikaler Parteien und Bewegungen in jüngerer Zeit nicht verhindern… Hat sie dies vielleicht sogar begünstigt und herausgefordert? War´s eine Überdosis?

Vielleicht sollte man sich – im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit – auch einmal mit dem Erreichten zufrieden geben und die Errungenschaften in eine Welt exportieren, die es natürlich bitter gebrauchen könnte. Dürfen wir – besonders in Deutschland – nicht auch stolz auf unsere Lebenskultur sein?

Trotzdem: »Gender-Mainstreaming« ist „offizielles Politikziel in Berlin und den meisten anderen westlichen Hauptstädten.“3 Kritiker sagen, dass die Akteure der »Gender-Studies« den Unterschied zwischen der politischen Forderung nach Gleichheit und den Inhalten der Wissenschaft verwischten.4 Es wird unterstellt, dass ihre Grundannahme sei, dass das Geschlecht „eine von der Biologie unabhängige soziale Konstruktion“5 sei.

Geschlechterforschung wolle gesellschaftliche Verhältnisse und Missstände mit dem Ziel kritisieren, Ungerechtigkeiten und Hierarchien zu verändern.6

Sie negierten vollkommen, dass gesellschaftlich etablierte Rollenzuschreibungen und Normen naturgegeben, gottgewollt oder evolutionsbiologisch begründet sein könnten. Hiermit verfolge die akademische Genderforschung normative Ziele, die sie zur fundamentalistisch, feministischen Ideologie mache7.

Dabei sollten die »Gender-Studies« eine interdisziplinäre Wissenschaft sein, die nach der Rolle der Geschlechter für Kultur, Gesellschaft und Wissenschaften fragt.

„In den Gender Studies (…) wird Geschlecht als ein Mechanismus begriffen, über den soziale Positionen, Arbeit, Macht, Ressourcen und Anerkennung different und hierarchisch zugewiesen werden.“8 (…) Sie beschäftigen „sich mit der gedanklichen Durchdringung und theoretischen Analyse der Geschlechterverhältnisse in der Geschichte und Gegenwart sowie mit der Frage nach ihren wesentlichen Formen und Begründungen; sie vermitteln Kenntnisse zur Geschichte und Theorie von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen.“9

„Angesichts einer Vielfalt unterschiedlicher Erfahrungen könne man nicht sagen, das alles komme ‚ganz genuin aus dem Körper, aus den Fortpflanzungsorganen‘. Zu Recht wollten sich weder Frauen und Männer darauf reduzieren lassen, ‚Schwanzträger oder Gebärmutterträger zu sein‘. Unsere organische Ausstattung sei zwar ein Teil unserer Erfahrung, aber immer eingebettet in ein kulturelles Umfeld und nicht dieser vorgängig oder ‚außerhalb‘ dieser zu verstehen.“ 10

Ist beim Gesagten jedoch die alleinige Grundprämisse, dass Geschlechterrollen nur erlernt und kulturell bedingt seien und wenn negiert wird, dass es biologische Unterschiede gebe, so halte ich das nicht für akzeptabel. Eine moderne, ernst zu nehmende Genderforschung und Gleichstellungspolitik kann niemals davon ausgehen, „dass wir immaterielle Wesen sind, die sich gänzlich nach Gusto selbst konstruieren, oder dass es keine körperliche, biologische, materielle Grundlage für die Menschen, so wie sie sind, “11 gebe.

Somit kann es für die Genderforschung keine Berechtigung geben, Menschen und Kritikern, die behaupten, Männlichkeit und Weiblichkeit seien auch genetisch, biologisch verankert, automatisch zu unterstellen, dass sie „die Frauen „zu ihrer angestammten Rolle im Bett und in der Küche zwingen“12 wollten. Das wäre dann tatsächlich feministische Ideologie! Denn man muss zur Kenntnis nehmen: „Alle erzieherischen Versuche, aus Jungen und Mädchen geschlechtsneutrale Wesen zu machen, sind gescheitert. Gegen die Natur kommt nur an, wer sie akzeptiert.“13

Das Schicksal eines David Reimer14 sollte uns eine Lehre sein. „Man kann nicht sein, was man nicht ist.“ 15

Letztere Erkenntnis gilt umgekehrt natürlich auch für Transgender. Sie zeigt aber auch, dass Menschen einem spezifischen Geschlecht zugehören wollen!

Vielleicht ist es eine zu akzeptierende Tatsache, dass die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen in unserer Gesellschaft eine gravierende Rolle spielt. In ihr aber eine „allmächtige Kategorie der Selbstdeutung in unserer Welt“16 erkennen zu wollen und daraus die hauptsächliche Notwendigkeit einer Gesellschaftsveränderung abzuleiten, ist nicht nur ideologisch, sondern missachtet auch die immanente Sinnhaftigkeit, die eine solche Ordnung haben kann! Die Frage ist stattdessen:

Wie beleben und füllen wir diese nur bedingt veränderbare Ordnung mit egalitären Inhalten in einer (post)modernen Gesellschaft?

Eine dogmatische, „aktive und planmäßige Dekonstruktion der Geschlechtsrollen“17 erscheint mir – ehrlich gesagt – nicht nur keine Lösung, sondern auch unmöglich zu sein. Die Grundprämisse für einen neuen ‚egalitären Inhalt‘ des Zusammenlebens ist die Akzeptanz der biologischen und soziologischen Verschiedenheit der Geschlechter bei gleichzeitiger Toleranz gegenüber ihrer individuellen Rollenwahl und ihrer ungezwungenen Chancengleichheit in der Gesellschaft.

Wer Kinder erzogen hat, kann – trotz mancher Bemühung zur geschlechtersensiblen Pädagogik – davon berichten: Eben nicht nur der »kleine Unterschied« trennt Mädchen und Jungen.

„Die klare Vorstellung von der Geschlechterdifferenz und der eigenen Zugehörigkeit ist offenbar eine gute Basis für einen späteren freien Umgang mit Stereotypen. Man kann sich dann Interesse und sogar Freude und Spaß an der Differenz leisten. Und man kann dann auch Unterschiede ertragen.“18

Eine einseitige Distanzierung von biologischen Unterschieden der Geschlechter oder gar deren Negation kann nicht nur einzelne Individuen – wie David Reimer – krank machen, sondern auch eine ganze Gesellschaft.

Wer an diesen Aussagen jetzt festmachen will, dass der Autor Genderforschung und »Gender-Mainstreaming« ablehnend gegenüber stehe und den unbelehrbaren Fundamentalisten zuzuordnen sei, den/die muss ich jedoch eines anderen belehren. Ich bin sogar der festen Meinung, dass wir angesichts der Lage eine wirklich kritische Genderforschung dringend benötigen! Denn die wissenschaftliche Erforschung der oben schon erwähnten »Akzeptanz der Verschiedenheit der Geschlechter bei gleichzeitiger Toleranz gegenüber ihrer individuellen Rollenwahl und ihrer ungezwungenen Chancengleichheit« ist eine dringende Notwendigkeit. Hieraus leite ich ab, dass die kritische Genderforschung nicht nur im (feministischen) Dienste der Frauen stehen darf, sondern jetzt und neuerdings auch im Dienste der MÄNNER!

Logischer Weise möchte ich mich hier dann auch von solch biologistisch und sehr emotionalen Kritikern wie dem Evolutionsbiologen und Physiologen Ulrich Kutschera ausdrücklich distanzieren. Mag sein, dass in manch seiner Aussagen ein wichtiger Funke Wahrheit steckt. Jedoch zerstört sein polemisch-populistischer Vortrag leider jeden ernstzunehmenden wissenschaftlichen Anspruch. Wenn er zum Beispiel schreibt…

„Die Mehrheit der Normalfrauen (…) wird von einer kleinen, meist kinderlosen und lesbisch veranlagten selbsternannten ‚Befreierinnen-Minderheit‘ (Mann-Weiber) terrorisiert (...) man schaue sich nur die Physiognomie prominenter Gender-Damen an, und man wird diese These bestätigt finden.“19

…oder wenn er zum Beispiel zum Rundumschlag gegen ganze Wissenschaftsdisziplinen ausholt…

„Personen, die ihr ganzes Leben lang niemals Kontakt zur naturwissenschaftlichen Forschung hatten und ausschließlich soziologisch-geisteswissenschaftlich geprägt sind, entwickeln im Lauf der Zeit einen kompletten Realitätsverlust. Insbesondere in jenen Personenkreisen, die auf staatlich alimentierten Stellen ihrem geisteswissenschaftlichen Hobby nachgehen können, kommt es regelmäßig zu einem vollständigen Abbruch zur Lebenswirklichkeit des arbeitenden Normalbürgers. Man lebt in einer vergeistigten Traumwelt“20.

…vor Spiegel Online ließ er vom Stapel: "Pseudowissenschaftler wie Wünschelrutengänger, Homöopathen, Genderisten, Kreationisten benutzen einen gemeinsamen Trick, und der sieht so aus: Man prägt Kunstworte wie etwa ‚Gender-Mainstreaming‘, die bei Laien den Eindruck erwecken, man würde Wissenschaft betreiben"21

…schade, denn wenn jemand berechtigt biologische Fakten darlegt „und die Geschlechteridentität hormonellchromosomal begründet"22 oder wenn er sich gegen eine „Genderisierung der Biologie“23 verwahren will, hätte dies eine wirklich kritische Genderforschung bereichern können. Daher ist sein Buch »Das Gender-Paradoxon«24 durchaus lesenswert, weil es trotzdem wichtige Perspektiven auf das Thema bietet. Aber in seiner paranoid anmutenden Polemik, seiner verzerrenden Religionskritik (besonders des Christentums) und der Herabwürdigung jeder Wissenschaft jenseits der Biologie und Naturwissenschaften, erweckt er leider zu sehr den Eindruck, dass er davon besessen ist, vor einer feministischen Gender-Weltverschwörung warnen zu müssen. Ab da legt man ihn natürlich viel zu schnell bei Seite. Naja, Verschwörungstheoretiker gibt es schon genug! Schade!

Schauen wir uns jedoch einmal selber einige der von ihm und anderen Kritikern des »Gender-Mainstreaming« gescholtenen Inhalte an, dann ist es wahr, dass man nicht dem Eindruck entgehen kann, dass es bei den »Gender-Studies« gravierende Engführungen in der Argumentation gibt. So fällt auf, dass Gleichberechtigung der Geschlechter vorwiegend mit einer Gleichstellung in Arbeit und Bildung verbunden wird. Bildung ist sicher wichtig! Jedoch verstehen die meisten Beiträge diese nur im Zusammenhang einer beruflichen Vor- und Ausbildung, weniger jedoch als sozialpsychologische, natur- und geisteswissenschaftliche Grundvoraussetzung einer neuen, egalitären Gesellschaft.

Schauen wir in die Texte der UN-Frauenkonferenz in Peking von 1995:

„….In mehreren Ländern hat sich das Verhältnis zwischen Frauen und Männern stark verändert, insbesondere soweit bei der Bildung und Ausbildung der Frau große Fortschritte erzielt wurden und eine beträchtliche Steigerung des Frauenanteils auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen war. Die Grenzen der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern nach produktiven und reproduktiven Aufgaben verwischen sich allmählich in dem Maße, wie Frauen in früher von Männern dominierte Arbeitsbereiche vordringen und Männer größere Verantwortung für häusliche Aufgaben, so auch für die Kinderbetreuung, übernehmen. (…) In vielen Ländern wird noch immer nicht anerkannt, dass die unterschiedlichen Leistungen und Tätigkeiten von Frauen und Männern nicht so sehr auf unabänderliche biologische Unterschiede als auf gesellschaftlich determinierte Geschlechterrollen zurückzuführen sind.“25

Die Engführung auf die o.g. Felder Arbeit und Bildung fällt hier durchaus auf, ebenso wie eine gewisse Aversion dagegen, dass Geschlechter u.U. eben durch den biologisch zu erklärenden Dimorphismus für gewisse Rollen determiniert sein könnten. Dabei müsste ja gar keine Angst davor bestehen – man müsste eine solche Tatsache nur akzeptieren und respektieren. Denn die reale Erfahrung vieler Frauen und Männer in der Welt ist eine andere. Aufgabe ist es, diese Tatsache in die moderne Rollendiskussion mit einzubeziehen. Stattdessen arbeitet sich der Text dann an den Naturwissenschaften ab, woher man vielleicht Kutscheras26 Überreaktion verstehen kann:

„Vor allem die naturwissenschaftlichen Lehrpläne bauen auf einem einseitigen Rollenverständnis auf. Naturwissenschaftliche Lehrbücher gehen nicht auf die täglichen Erfahrungen von Frauen und Mädchen ein und Wissenschaftlerinnen finden darin keine Anerkennung.“27

Welche besonderen Rollenverständnisse sollten denn in den Lehrplänen der MINT-Fächer deren Inhalte besser verständlich machen? Diese sind schon schwer genug für Frauen und Männer lernbar zu gestalten…

Mir scheint der Graben, zwischen denen, die Geschlecht schwerpunktmäßig biologistisch (‚sex‘) sehen und denen, die den Schwerpunkt auf die sozialen Unterschiede zwischen Frauen und Männern (‚gender‘) legen, fast unüberbrückbar. Dabei ist es ein Zusammenspiel, das nie die eine oder die andere Realität verkennen darf.

Gefährlich erscheint der Versuch zu sein, eine der beiden Richtungen zu einseitig (engstirnig) in den Vordergrund zu rücken.

Bei den aktuell überall propagierten ‚Gender-Bemühungen‘ ist auch auffällig, dass Frauenförderung sich schließlich doch wieder am Wesen der Männer orientiert. Man geht einfach davon aus, dass die grundlegenden Bedürfnisse der Geschlechter gleich seien, ohne biologische Unterschiede. Ferner, dass Frauen und Männer psychosoziale Anforderungen in gleicher Weise verarbeiten und dass geschlechtsspezifische Unterschiede vorwiegend im gesellschaftlichen und institutionellen Gefüge gelernt würden und insofern beliebig ‚umlernbar‘ seien. Gerade dies führt dann zu der These, dass den Frauen dasselbe zustehe wie den Männern. Meines Erachtens besteht derzeit zwar die Gefahr, diesem Wunschtraum zu erliegen, aber ich zähle auf die, die gerne als BIOFrauen und BIOMänner leben und sich auf diesem Hintergrund gegenseitig respektieren und u.U. ihre Rollen neu entwerfen!

Trotzdem fordert hier der Text der UN-Frauenkonferenz, allen empirischen Erfahrungen zur Berufswahl von Jungen und Mädchen zum Trotz28, die

„Bereitstellung von Finanzmitteln für Sonderprogramme, wie beispielsweise Programme in Mathematik, Naturwissenschaften und Computertechnik, um allen Mädchen und Frauen größere Chancen einzuräumen.“29

Und in diesem Zusammenhang – offenbar um falsche Lernprozesse zu vermeiden – wird die

„Erstellung von Lehrplänen, Lehrbüchern und Lehrmitteln, die frei von geschlechtsbezogenen Rollenklischees sind, für alle Bildungsebenen“30

gefordert. Wer bestimmt denn, wo »geschlechtsbezogen« anfängt oder aufhört? Ist »Mutterrolle« schon ein Rollenklischee? Hier könnte tatsächlich Ideologie beginnen…

Noch schwieriger finde ich, dass das »Gender-Mainstreaming« von kapitalistisch-neoliberalen Gedankenströmungen unterwandert zu sein scheint. Der absolute Schwerpunkt der Äußerungen in diesem Zusammenhang liegt auf »Bildung« zur Sicherstellung von ausreichenden Arbeitskräften für Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Wenn Männer schon als (am besten billige) Arbeitskräfte ausbeutbar gemacht werden, dann müssen wohl auch Frauen diesem Prozess zugeführt werden – egal wo, überall auf der Welt.

„Diskriminierung in Bezug auf Bildung und Ausbildung, Einstellung und Bezahlung, Beförderung und horizontale Mobilität sowie inflexible Arbeitsbedingungen, mangelnder Zugang zu Produktivressourcen, die ungleiche Verteilung der Verantwortlichkeiten in der Familie im Verbund mit fehlenden oder unzureichenden Dienstleistungen wie Kinderbetreuung schränken die Erwerbstätigkeit, die wirtschaftlichen, beruflichen und sonstigen Chancen und die Mobilität der Frauen auch weiterhin ein und haben zur Folge, dass ihre Teilhabe am Wirtschaftsleben mit Stress verbunden ist.“31

Ob es das ‚Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern (BGleiG)‘32 oder die Europäische Union ist: Überall geht es vorrangig darum, möglichst vielen Frauen den Weg in Arbeits- und Wirtschaftsprozesse zu »ermöglichen«.

Der EQUAL-Leitfaden der Europäischen Union definiert die Aufgabe von »Gender-Mainstreaming« ganz zu Anfang wie folgt:

»Gender-Mainstreaming« …

„…soll Armut verringern, Wirtschaftswachstum ankurbeln ...“33

„…ist wirtschaftlich sinnvoll, weil es die Erwerbstätigkeit von Frauen wie Männern gewährleistet und damit das gesamte produktive Arbeitskräftepotenzial verfügbar macht.“ 34

Letztere Bemerkung ist absolut entlarvend.

Gleichzeitig spielt tatsächlich das Familienleben, Vater- und Mutterrollen sowie die Reproduktionsarbeit, bei dieser bevorzugten Rollenzuweisung durch das »Gender-Mainstreaming« in allen Texten nur eine beiläufige und insofern lästige Rolle, als dass es ‚wegorganisiert‘ werden muss, damit eben Männer und Frauen in gleicher Weise dieser Rolle des ‚arbeitenden Menschen‘ entsprechen können. Kinder und Kindererziehung kommt in dieser Denkart eher wie ein Störfaktor daher, der die Identitätsfindung des Individuums – im Sinne der wirtschaftlichen Nutzbarkeit – behindert! Was für die Entwicklungsländer wie die Unterstützung starker, selbstständiger Frauen aussieht, erscheint in den kapitalistischen Gesellschaften wie die Vorsorge für einen (fälschlich – wir werden noch sehen warum) befürchteten Arbeitskräftemangel.

»Gender-Mainstreaming« als Vehikel von Wirtschaftplanung in kapitalistischen Strukturen? Die Theorie von sozial konstruierten und veränderbaren Geschlechterrollen als Grundlage für gesamtgesellschaftliche Umerziehungsprozesse im Sinne des Erhalts wirtschaftlicher Wachstumsraten?

So bräuchten Frauen die „Unterstützung von Kinderbetreuungseinrichtungen und anderen Diensten, damit Mütter ihre Ausbildung fortsetzen können.“35 Oder das BGleiG möchte zum Beispiel „die Familienfreundlichkeit sowie die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit für Frauen und Männer … verbessern.“36

Traditionelle Rollen, die auch erfüllend sein könnten, wenn sie genauso anerkannt wären wie Arbeit und Beruf, haben hier keinen Platz mehr und werden belächelt. Frauen, die Mutterschaft (biologisch) als eine besondere Berufung der Frau sehen, sind ‚arme Opfer‘, werden bemitleidet oder als reaktionäre Fundamentalistinnen angefeindet. Männer, die als Väter das Familieneinkommen mit oft harter Arbeit sicherstellen, werden zu Unterdrückern und Funktionären einer »inakzeptabel patriarchalen« Struktur. Sie sind die Täter!

Dann sind die Rollen ja klar verteilt!

Wäre es denn eine Lösung, wenn alle Frauen und Männer von sozialer »Zwangsheterosexualität« und »generativen Aufzuchtpflichten« befreit würden?

Eine Welt ohne eine Geschlechterordnung, voller individualistischer und egomanischer Menschen, die die alltägliche Lebenswirklichkeit – Familie, Kinder – , nur am Rand ihres (ach so) »erfüllenden« Arbeitslebens wahrnehmen, wird nicht dazu beitragen, Gewalt zu beenden, Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten zu beseitigen oder Armut abzubauen – ganz im Gegenteil!

Trotz allem kann ich hier keine feministisch-gendristische Weltverschwörung erkennen. Im Zweifelsfall ist es blauäugig oder ein Irrweg, dass sich eine ganze Frauenbewegung mit ihren Forderungen unbemerkt vor den Karren eines kapitalistisch-neoliberalen und auch patriarchalischen Wirtschaftssystems spannen lässt, anstatt wirkliche emanzipatorische Ziele zu verfolgen, die gesamtgesellschaftliche Verhältnisse nachhaltig verändern könnten.

Die Grundprämisse für einen neuen ‚egalitären Inhalt‘ des Zusammenlebens von Frauen und Männern ist die Akzeptanz der biologischen und soziologischen Verschiedenheit der Geschlechter bei gleichzeitiger Toleranz gegenüber ihrer individuellen Rollenwahl und ihrer ungezwungenen Chancengleichheit in der Gesellschaft.

Mit diesem Buch kann ich sicher nicht dem wissenschaftlichen Anspruch eines Beitrages zu einer notwendig kritischen Genderforschung genügen. Zumindest möchte ich einen Beitrag zu einer wirklich kritischen Genderdiskussion leisten.

2 de Beauvior, Simone, Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, Hamburg 2005

3 Knauss, Ferdinand, Feministinnen erforschen sich selbst, Handelsblatt, 19.09.2007, https://www.handelsblatt.com/technik/forschung-innovation/gender-studies-feministinnen-erforschen-sich-selbst-seite-3/2863394-3.htmlhttps://www.handelsblatt.com/meinhandelsblatt/?ticket=ST-2547767-1dUNW9WYc7oDPY2rxtKc-ap1, zuletzt aufgerufen 24.01.2019

4 ebenda

5 Grau, Alexander, Die Glaubensgemeinschaft schlägt zurück, Cicero, 19.08.2017, https://www.cicero.de/kultur/genderstudies-die-glaubensgemeinschaft-schlaegt-zurueck, zuletzt aufgerufen 24.01.2019

6 ebenda

7 Newmark, Catherine, Aus Angst vor einem anderen Leben, Zeit Online, 17.07.2015, https://www.zeit.de/kultur/2015-07/gender-studies-feminismus-10nach8, zuletzt geöffnet 24.01.2019

8http://www.uni-marburg.de/genderzukunft/studium/konzept, geöffnet: 12.10.2016

9http://www.uni-marburg.de/genderzukunft/studium/konzept, geöffnet: 12.10.2016

10 Hark, Sabine im Gespräch mit Flaßpöhler, Svenja, Ausgrenzend, elitär, realitätsfern?, Deutschlandfunk Kultur, 01.10.2019, https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-um-gender-studies-ausgrenzend-elitaer-realitaetsfern.2162.de.html?dram:article_id=397216,zuletzt aufgerufen: 24.01.2019

11 Newmark, Catherine, Aus Angst vor einem anderen Leben, Zeit Online, 17.07.2015, https://www.zeit.de/kultur/2015-07/gender-studies-feminismus-10nach8, zuletzt geöffnet 24.01.2019

12 Zastrow, Volker, Der kleine Unterschied, Frankfurter Allgemeine, Aktualisiert am 07.09.2006, https://www.faz.net/aktuell/politik/gender-mainstreaming-der-kleine-unterschied-1329701.html, zuletzt aufgerufen 24.01.2019

13 Straßmann, Burkhard, Woher haben sie das?, DIE ZEIT, 28.06.2007, https://www.zeit.de/2007/27/PS-Jungen-M-dchen, zuletzt aufgerufen 24.01.2019

14https://de.wikipedia.org/wiki/David_Reimer

„David Reimer (* 22. August 1965 in Winnipeg als Bruce Reimer; † 4. Mai 2004 ebenda) war ein kanadischer Staatsbürger, der als Junge geboren, jedoch als Mädchen aufgezogen wurde, nachdem sein Penis in früher Kindheit bei einer missglückten Beschneidung irreparabel verletzt worden war, sodass er amputiert werden musste.“ Sein Leidensweg endete wieder als MANN und mit Selbstmord!

15 ebenda

16 Hark, Sabine im Gespräch mit Flaßpöhler, Svenja, Ausgrenzend, elitär, realitätsfern?, Deutschlandfunk Kultur, 01.10.2019, https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-um-gender-studies-ausgrenzend-elitaer-realitaetsfern.2162.de.html?dram:article_id=397216,zuletzt aufgerufen: 24.01.2019

17 Straßmann, Burkhard, Woher haben sie das?, DIE ZEIT, 28.06.2007, https://www.zeit.de/2007/27/PS-Jungen-M-dchen, zuletzt aufgerufen 24.01.2019

18ebenda

19 Kutschera, Ulrich, Das Gender-Paradoxon, Berlin, 2016, S.389

20 ebenda, S.302

21 Himmelrath, Armin, "Jung, attraktiv, muss gut kochen können", Spiegel Online, 04.09.2015, http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/universitaet-kassel-professor-ulrich-kutschera-zieht-ueber-genderforschung-her-a-1050888.html, zuletzt geöffnet 24.01.2019

22 ebenda

23 ebenda

24 Kutschera, Ulrich, Das Gender-Paradoxon, Berlin, 2016

25 UN-Frauenkonferenz, AKTIONSPLATTFORM, Peking, 1995, Kapitel II, GLOBALER RAHMEN, Artikel 27

26 vgl. Kutschera, Ulrich, Das Gender-Paradoxon, Berlin, 2016, S.43 ff

27 UN-Frauenkonferenz, AKTIONSPLATTFORM, Peking, 1995, Kapitel II, GLOBALER RAHMEN, Artikel 75

28Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung, EQUAL-Leitfaden zu Gender Mainstreaming, Luxemburg, 2005, S. 13 http://ec.europa.eu/employment_social/equal_consolidated/data/document/gendermain_de.pdf

„…obwohl ihre Auswahl der Studiengänge noch immer von geschlechtsspezifisch stereotypen Mustern geprägt wird – 2001 schlossen 36 % ein Studium in den Bereichen Wissenschaft, Mathematik und Informatik ab, doch nur 21 % ein Ingenieursstudium.“

29 UN-Frauenkonferenz, AKTIONSPLATTFORM, Peking, 1995, Kapitel II, GLOBALER RAHMEN, Artikel 85b

30 UN-Frauenkonferenz, AKTIONSPLATTFORM, Peking, 1995, Kapitel II, GLOBALER RAHMEN, Artikel 83a

31 UN-Frauenkonferenz, AKTIONSPLATTFORM, Peking, 1995, Kapitel VI, DIE FRAU IN DER WIRTSCHAFT, Artikel 152

32 BGleiG, Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG), https://www.gesetze-im-internet.de/bgleig_2015/BJNR064300015.htm

33 Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung, EQUAL-Leitfaden zu Gender Mainstreaming, Luxemburg, 2005, http://ec.europa.eu/employment_social/equal_consolidated/data/document/gendermain_de.pdf S. 6

34 ebenda

35 UN-Frauenkonferenz, AKTIONSPLATTFORM, Peking, 1995, Kapitel VI, DIE FRAU IN DER WIRTSCHAFT, Artikel 88b

36 BGleiG, Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG), https://www.gesetze-im-internet.de/bgleig_2015/BJNR064300015.htm

Die Zweigeschlechtlichkeit der Welt und die Frage nach dem Männlichen

2. Die Zweigeschlechtlichkeit der Welt und die Frage nach dem Männlichen

Offensichtlich ist die Zweigeschlechtlichkeit der Lebensformen ein solches Erfolgskonzept, dass es sich in weitesten Teilen dieser Welt durchgesetzt hat. Dieses Prinzip sichert ideal die vielfältige Vermischung von Erbmaterial zu einem Cocktail, der der Evolution die besten Fortschritte und vielseitigsten Entwicklungs- und Variationsmöglichkeiten sichert. »Stecklinge« scheinen dieser Schöpfung offenbar viel zu langweilig und zu ineffizient für die evolutionäre Entwicklung zu sein. Mehr Varianten entstehen durch eine wirkliche und regelmäßige Neukombination des Erbmaterials durch Zufall und Auslese. Die Natur geht da nach dem Schrot-Prinzip vor: Beim Schrotschuss werden unzählige kleine Kugeln gemeinsam auf das Opfer geschossen. Nach dem Motto: Ein paar werden schon ihr Ziel finden.

So gehen Natur und die Evolution verschwenderisch mit einem Teil der Geschlechter, dem Männlichen, in der Welt um. Das Männliche, der ‚Schrot‘, befindet sich offenbar in einem dauernden Tanz um den Brutofen des Weiblichen und wird zum Vorteil der Fortpflanzung und Evolution in endloser Menge zum Erzwingen des mehr oder weniger zufälligen Befruchtungsaktes eingesetzt.

Wer unter Heuschnupfen leidet, macht dabei ungewollt seine Erfahrung mit dem Überfluss des Männlichen im Prozess der Evolution. Pollen, endlose Massen an Samenzellen, die die Natur einsetzt, um die weiblichen Eizellen Oocyten) zu ihrer Bestimmung zu bringen. Chance der einzelnen Samenzellen zum einzigen Nutzen zu kommen: 1 zu X Billionen…. Das einzelne Männliche in der Masse zählt nichts!

Im Gegensatz zu den Pflanzen an Land, die sich ein paar Wochen oder Monate mit dem Bestäubungsprozess Zeit lassen können, haben z.B. die Korallen im Great Barrier Reef nur einmal im Jahr ein paar Nächte Zeit für den Sexualakt. Die jährliche farbenprächtige Korallenblüte in den Riffen dieser Welt, die der Vermehrung der Korallen dient, ist am Great Barrier Reef während des australischen Frühjahrs im November zu beobachten. Das Spektakel richtet sich nach einem von der Natur streng vorgegebenen Zeitplan, abhängig von Wassertemperatur, Tageslänge und Mondphase. Nur ein synchronisierter Ausstoß von Milliarden von Eizellen und noch sehr viel mehr Samenzellen gewährleistet eine erfolgreiche Fortpflanzung, trotz Fressfeinden und starken Meeresströmungen.

Selbst bei den hochentwickelten Säugetieren stößt das Männchen bei der Ejakulation Millionen von Spermien aus. Beim Menschen sind das ca. 20 Millionen/ml, nur damit das eine Stärkste, zufällig eine Eizelle befruchten kann. Es ist einerlei, ob eine Eizelle in der Nähe ist, ein zu begattendes Weibchen überhaupt empfängnisbereit ist oder nicht. Das Männliche versprüht sich vollkommen uneigennützig, angefeuert durch die Freude und Befriedigung des Männchens beim Geschlechtsakt. Die Masse macht´s…

Das wirkt nun auch auf die Rolle des ‚Samenspenders‘. Bei fast allen Säugetierspezies kann das männliche Individuum fast jederzeit und überall millionenfach Samenzellen ausstoßen, nur um wenige Eizellen des weilblichen Individuums zu befruchten.

Man mag zwar einwenden, dass scheinbar der Silberrücken in der Gorillafamilie eine besondere und wichtige Rolle spiele. Aber wenn dieser stirbt, stehen schon zahlreiche andere Jungmänner bereit, die dessen Rolle übernehmen wollen. Wieder übernimmt der nächste »Starke« die neue Rolle, alleine der Erfolg entscheidet, um die besten Gene zum Zuge zu bringen. Das männliche Individuum ist austauschbar und einerlei: Bei den Gorillas, den Löwen, den Elefanten – wo auch immer.

Die weiblichen Individuen sind über Wochen bis Jahre entscheidend für den Nachwuchs. Stirbt die Mutter, stirbt oft der Nachwuchs. Der Verlust des männlichen Tiers, wenn oft auch der Kräftigste und Erfolgreichste, ist für die Familiengruppe verkraftbar. Der König ist tot, es lebe der König… Welch Parallele auch im sozialen Zusammenleben der Menschen: Bei Trennung von Paaren geht oft der MANN. Er ist schon wieder austauschbar geworden.

Der Mensch ist ein gonochoristischer Primat. Aber Menschen sind auch anders. Mit ihrer Geistbegabung sind sie zu einzelnen, unverwechselbaren Individuen geworden. Sie haben ein klares Bewusstsein und eine Vorstellung von sich selber. Sie scheinen nicht mehr primär getrieben vom Urdrang zur Fortpflanzung und zur Sicherung des besten Platzes in der Evolution für die eigene Spezies.

Der Mensch, ob Frau oder MANN, hat eine Persönlichkeit, die ihn nach anderen Kriterien zu einer Individuation drängt! Der MANN selber nimmt sich natürlich nicht allein in der Rolle des Trägers von massenhaft produziertem, befruchtungsfähigem Sperma wahr. Evolution, Fortpflanzung und Sexualität werden zu einer Nebensache, wenn auch zur schönsten Nebensache der Welt.

Aber der Drang zur Individuation, Personalisation und Sozialisation ist beim Menschen viel wichtiger geworden, ob bei Frauen oder bei Männern, als seine Frage nach dem vordersten Platz in der Durchsetzung seines erfolgreichen Erbgutes. Eine Tatsache, die sich besonders in den Industriegesellschaften dadurch bemerkbar macht, dass sich in der Kernbevölkerung die demographische Entwicklung rückläufig gestaltet.

2.1 Männerwelt im Dreidritteltakt

Wie können wir aber nun die aktuellen Dimensionen, in denen sich die Männerwelt bewegt, gesellschaftlich einfach und begreifbar beschreiben?

Kann man eine historische Einteilung vornehmen, weil sich Menschenwelt in einer dauernden kulturellen Entwicklung befindet? Gibt es so etwas wie eine Krone der gesellschaftlich, kulturellen Entwicklung, die die Geschlechterrollen zur optimalen Ausbalancierung bringen könnte? Die Erfahrungen in einer Welt, die höchst unterschiedliche Geschlechterrollen nebeneinander kennt, lehren uns, dass man das nicht auf einer Zeitschiene ansiedeln kann. Besonders wenn man beobachtet, wie viele Vor- und Rückschritte menschliche Kultur immer wieder macht. Wer bewertet am Ende, ob Entwicklungen „optimal“ sind oder ob sie lediglich einem Zeitgeist, einer Mode oder einer philosophischen, sozialen oder pragmatischen Lebenserfahrung einer Gesellschaft entspringen?

Eine Epoche oder ein Zeitabschnitt hat offenbar weniger Einfluss auf Geschlechterrollen, als die pragmatisch weiterentwickelten, sozialen Prinzipien einer Gesellschaft.

Weltweit gab und gibt es ganz unterschiedliche gesellschaftliche Modelle. So zum Beispiel Matriarchate. Viele davon entstanden in Ostasien. Oft waren es Hack- und Ackerbaugesellschaften und sind schon seit der Altsteinzeit nachweisbar. Ab der Eisenzeit brachten die Indoeuropäer dann das Patriarchat mit sich. Jedoch gibt es auch heute noch zahlreiche Völker, die matriarchale Gesellschaftsstrukturen tradieren, wie z.B. in der Südsee Polynesien, Hawaii, Palau, Melanesien und die australischen Aborigines.

Exkurs:Besonders die Mosuo im Süden Chinas sind als matriarchal lebende Gesellschaft ein wichtiges Beispiel. Frauen besitzen hier alles, entscheiden alles, haben aber auch die ganze, schwere Arbeit am Hals… Männer werden nicht geheiratet, sondern sind nur »Lebensabschnittsgefährten«, werden angenommen, leben aber ansonsten immer bei der Mutter. Die Mütter sind weder abhängig von dem Vater der Kinder, noch haben sie Gewalt von diesem zu erwarten. Sind das einfach nur umgekehrte Vorzeichen?

Die Männer selber haben sich um die Kinder der Schwestern zu kümmern und scheinen sehr zufrieden damit zu sein. Konkurrenzkampf, Gewalt und Unfriede scheint dieser Gesellschaft fremder zu sein, als unseren Patriarchaten.

Das soll jetzt aber nicht heißen, dass ich hier leichtfertig das Matriarchat als Alternative fordern würde. Aber es scheint so, als würden unabhängig von zeitlichen Epochen unterschiedlichste Gesellschaftsmodelle und Geschlechtertheorien entstehen, die jedoch auch noch einmal unabhängig voneinander nach unseren heutigen Vorstellungen von Individuation und Personalisation zu betrachten wären.

Tatsache ist aber sicher, dass eine lange zeitliche Entwicklung von sozialen Strukturen nicht zwangsläufig zu einem bestimmten oder optimalen Endergebnis führt. Zumal wir offenbar gar nicht wissen, was optimal ist!

Wie aber dann?

Gibt es vielleicht Regionen in dieser Welt, die die günstige Entwicklung von Gesellschaftssystemen in besonderer Weise beeinflussen? Ist Europa nicht ein Beispiel dafür, dass gemäßigte Breiten mit beherrschbaren Wetterphänomenen und tektonischen Bedingungen die Entwicklung unserer modernen politischen Systeme beeinflusst haben? Vielleicht! Aber Klimazonen und Regionen können doch nicht die Richtung der Entwicklung gesellschaftlicher Systeme vorausbestimmen. Gegebenenfalls entscheiden sie über Krieg und Frieden für die in ihnen lebenden Völker, wenn diese um bestimmte, knappe Ressourcen oder etwas anderes kämpfen müssen.

Es scheint keinen konstanten Status Quo und auch kein stringentes Ziel zu geben, in dem sich Gesellschaften befinden oder auf die sie sich zubewegen. Eine solche zielgerichtete Bewegung würde es nur geben, wenn Gesellschaften, da wo sie in der Weltgeschichte aufeinanderstoßen, voneinander lernen würden, von jedem das Beste harmonisch zusammenführen und von da an positiv verändert weiter voranschreiten würden. Diese Form des positiven Eklektizismus ist aber offenbar menschlichen Gesellschaften fremd. Das Gewohnte und scheinbar Bewährte ist erhaltenswerter als das Neue, welches verunsichert.

Dies gilt dann auch für die Situationen und gesellschaftlichen Positionen, in denen sich die Männer befinden.

Es ist alles lediglich im Querschnitt von einem ‚Jederzeit‘ und ‚Überall‘ zu beschreiben. Diese Welt der Menschen ist in jedem Sinne vielfältig und nicht zu kalkulieren. Sie kann sich jeder Zeit mit gesellschaftlichen, klimatischen und vielfältigen anderen Faktoren ändern.

Was bliebe ist eine möglichst objektive, philosophische Beschreibung, ausgehend und bewertet am Grad der möglichen Individuation und Personalisation in einem Gesellschaftsmodell und den aktuellen Lebenswelten.

2.1.1 Männerwelt in Gesellschaften des Existenzkampfes

Gesellschaften des Existenzkampfes hat es gegeben, gibt es und sie wird es wahrscheinlich immer geben und das mit Sicherheit auch Überall. Es gibt Zeiten, in denen diese Gesellschaften vorherrschen. Ich würde mich aber nicht trauen zu sagen, dass es hier eine historische Abnahme auf der zunehmenden Zeitschiene gäbe. Kriege, Katastrophen und Seuchen können eine höher entwickelte Gesellschaft wieder in den Existenzkampf zurückkatapultieren.

Auch Regional gibt es überall auf der Welt noch solche Gesellschaften, mehr oder weniger.

Das was wir so leicht „Dritte Welt“ nennen ist ein Ort, in dem sich Menschen vorwiegend im Existenzkampf befinden. Selbst in unseren modernen, hochtechnisierten Ländern gibt es noch diesen Kampf um die nackte Existenz. Man findet sie also überall in graduellen Abstufungen, zeitlich und regional.

Diese Gesellschaften sind in der Regel geprägt von einer recht pragmatischen Verteilung der Geschlechterrollen. Das hatte und hat immer Folgen für die Männer gehabt. Die Natur hat es so eingerichtet: Er hat das Testosteron und die Frau das Östrogen.

Der MANN ist vom Fötus an begleitet von seinem Hormon. Der Testosteronspiegel eines Jungen steigt kurz nach der Zeugung gezielt an, um das Geschlecht, den Beginn der Pubertät sowie die Prägung der Partnerpräferenz u.a. festzulegen.

Dann hat das Testosteron zwar vorübergehend ausgedient, um in der Pubertät mit Vehemenz zurückzukehren und zu bleiben. Es puscht den Muskelaufbau, macht risikofreudiger, extrovertierter. Die Evolution hat aus dem MANN einen Jäger geformt, der sein Erbmaterial erfolgreich verbreiten soll und seine Familiensippe vor dem Hunger bewahren muss. Und es ist sicher ein evolutionsbedingtes Schicksal des MANNes, dass er in jeder Form von Gesellschaft den Trieb zur Jagd, zum Sippenschutz und zur Lebenserhaltung verspürt. Das liegt in seinen Genen und es wird sich nicht gravierend ändern.

Durch eiszeitliche und schwach bewaldete Tundren- und Steppenlandschaften zogen große Tierherden, auch Mammuts, allherbstlich vom kälter werdenden Norden Mitteleuropas in die südlichen, wärmeren, alpinen Regionen. Vor ca. 100.000 Jahren jagten Neandertaler Wildpferde und Rentiere, Mammuts und Wollnashörner um zu überleben. Und sie stellten auch dem eigenen Feind, dem Höhlenlöwen nach. Sie jagten intelligent in Gruppen und mit Speeren.

Der MANN war von der Natur ideal konzipiert sich diesen Gefahren auszusetzen, während die Frauen, verwundbar und überlebenswichtig durch Schwangerschaft und Nachwuchssorge, der Verwundbarkeit entzogen wurden. Die Logik der Natur zeigt sich wieder von ihrer herzlosen Seite. Der MANN als Individuum ist entbehrlich. Wird einer von ihnen auf der Jagd vom Löwen gefressen oder Mammuts zertrampelt, so tritt der nächste in die erste Reihe. Denn der geschickteste Jäger, der länger lebt, reicht aus, um möglichst viel und gutes Erbmaterial weiter zu geben und die Sippe zu ernähren.

Er erspart der Sippe das Hungern und das macht ihn auch attraktiver für die Frauen. Man darf auch nicht leugnen, dass selbst heute noch diese archaischen Prinzipien das Zusammenleben der Geschlechter prägen. Männer hinterfragen nicht, handeln – auch wenn es sinnlos ist und nichts dabei rauskommt – etc. Hier darf man sich durchaus fragen, ob man so tief verwurzelte Unterschiede der Geschlechter nivellieren kann oder nicht?

Wie auch immer! Im Existenzkampf sind die Männer oft in einer anonymen Masse und austauschbar. Die Alphamännchen sind eine Ausnahme und die meisten Männer leiden unter diesen ebenso wie die „Weibchen“, die sich jedoch ihrerseits evolutionsgesteuert im Zweifelsfall für den ‚Besten‘ entscheiden.